Linz, 09.10.2013
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine Mitglied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung des Herrn A F, vertreten durch Dr. M B, Rechtsanwalt, S, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 05.08.2013, SV96-25-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.
zu II.: § 66 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 05.08.2013, SV96-25-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 und 1a iVm. § 111 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 113 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Beitrag zu den Verfahrenskosten in der Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.
1.1. Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw durch seinen anwaltlichen Vertreter innerhalb offener Frist Berufung in gesamtem Umfang eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt wie folgt:
2.1. Die „Verwertung“ des Ergebnisses des Verfahrens auf Feststellung der Dienstnehmereigenschaft sei, trotz bereits bekannter erster Entscheidungsinhalte, dennoch präjudiziell und daher unzulässig, weil dieses Verfahren nach wie vor im Stadium der Berufung beim zuständigen Bundesministerium anhängig sei.
Darüber hinaus habe zu keinem Zeitpunkt ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bestanden. Herrn V sei es lediglich gestattet gewesen im Container zu wohnen. Alle Angaben im Personenblatt würden sich auf die Zeit nach tatsächlichem Arbeitsbeginn beziehen. Herr V sei nie bei Arbeiten (schon gar nicht für die Firma F) beobachtet worden. Die dem angefochtenen Straferkenntnis zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen seien unschlüssig und zudem unbegründet geblieben.
2.2. Die belangte Behörde habe sich ausschließlich auf die Angaben im Strafantrag gestützt. Den vom Bw gestellten Beweismittelanträgen, insbesondere auf Einvernahme von Herrn V selbst, sei nicht nachgekommen worden.
Im Ergebnis würden Feststellung darüber, weshalb die belangte Behörde von der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. der Weisungsgebundenheit bezüglich Arbeitsort und –zeit gänzlich fehlen.
2.3. Da auf der Grundlage eines derart mangelhaften Ermittlungsverfahrens auch die rechtliche Beurteilung verfehlt sei, würde beantragt, die Berufungsbehörde möge der Berufung stattgeben und das angefochtene Straferkenntnis beheben bzw. die Einstellung des Verfahrens verfügen, in eventu die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Straferkenntnisses an die Behörde I. Instanz zurückverweisen.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Schreiben vom 23.08.2013, eingelangt am 29.08.2013, die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.
Danach steht folgender Sachverhalt fest:
4.1. Am 05.04.2011, 06.48 h, wurden anlässlich einer von Organen des Finanzamtes Braunau Ried Schärding aufgrund einer anonymen Anzeige durchgeführten Kontrolle bei der x in E, G, der nicht zur Sozialversicherung angemeldete rumänische Staatsangehörige C V, geb. X, mit (normalen) Schuhen und einer verschmutzten Trainingshose beim Verlassen eines Containers angetroffen, der ihm und seinem bei der Firma F beschäftigten Onkel als Schlafstelle diente. Herr V trug nicht die Firmenkleidung des Unternehmens des Bw.
4.2. Im Lauf der Kontrolle kam der Bw und gab an, dass er mit Herrn V grundsätzlich darüber einig sei, dass dieser hinkünftig für ihn arbeiten solle, weshalb auch bereits um Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung angesucht wurde. Der Bw teilte den Kontrollorganen weiters mit, dass Herr V in dem besagten Container wohnt und nur diverse Hilfsdienste auf dem Gelände ausführt.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
5.1. Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 5 Abs.2 leg.cit. gilt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es
1. für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 29,70 €, insgesamt jedoch von höchstens 386,80 € gebührt oder
2. für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 386,80 € gebührt.
Geringfügig Beschäftigte sind von der Vollversicherung ausgenommen.
Gemäß § 111 Abs.1 handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Nach Abs.2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
· mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,
· bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.
Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Es entspricht der stRsp des VwGH in Bezug auf den anzunehmenden Wahrheitsgehalt von Aussagen, dass den spontanen Angaben in einer sich soeben manifestierenden, tendenziell stressüberlagerten (weil ungewohnten und konditioniert unbehaglichen) Situation einer behördlichen Kontrolle am ehesten zu glauben ist, da tendenziös abwägende und/oder taxierende Überlegungen aufgrund des situativen Umfeldes meist nicht durchdacht und daher widerspruchsfrei konstruiert werden können, will man nicht eine von langer Hand geplante Rechtfertigungsstrategie für den bewusst antizipierten Fall einer quasi „in flagranti – Betretung“ annehmen.
Es stellt sich aber dann auch zwangsläufig die Frage, welche dieser Aussagen oder Angaben mit der für die Verhängung einer Strafe notwendigen Sicherheit die Begehung einer Verwaltungsübertretung belegen, da die einschreitenden Organe Herrn x mit Sicherheit nicht bei Arbeiten (welcher Art und für wen auch immer) angetroffen haben, obwohl es im gegenständliche Fall – wohl schon durch bloßes Zuwarten und kurzes Beobachten – leicht hätte möglich sein müssen, tatsächlich wahrzunehmen, ob Herr x dem Unternehmen des Bw eindeutig zuzuordnende Tätigkeiten aufnimmt.
5.3. Selbst aus der Angabe des Bw zu allfälligen Tätigkeiten von Herrn x (die zudem in der Formulierung „diverse Hilfsdienste auf dem Gelände“ mit Sicherheit nicht gemacht wurde) lässt sich für die Annahme eines versicherungspflichtigen Verhältnisses nichts gewinnen, da diese Dienste weder nach Art und Umfang (Geringfügigkeit) noch im Hinblick auf tatsächliches oder präsumtives Entgelt (§ 1152 ABGB) konkretisiert sind.
5.4. Die Angaben im Personenblatt reichen keinesfalls aus, all jene Schlussfolgerungen der anzeigende Stelle sowie der belangten Behörde zu rechtfertigen, zu der diese in Ermangelung eindeutiger Feststellungen (Beweise) gezwungen waren.
Es ist in der Tat nicht auszuschließen, dass Herr V die erforderlichen Angaben auf dem Personenblatt als jene Eckpunkte seines Übereinkommens mit dem Bw für die Zukunft verstanden hat und seine Angaben daher für die aktuelle Situation überhaupt keine Aussagekraft besitzen. Dass es Kommunikations- und damit verbunden Verständnisprobleme gegeben hat, drängt sich aus Form und Sprachwahl der Eintragungen geradezu auf. Daran ändert auch die Tatsache nicht, dass Herr V die Bedeutung der (auch in seiner Muttersprache abgefassten) abgefragten Felder an sich verstanden hat, wenn es (für ihn grundlegend) offen geblieben sein könnte, ob die Kontrollorgane nicht ohnehin die zukünftige Arbeitsleistung in Erfahrung bringen wollten. Diesbezügliche Zweifel existieren in mehrfacher Hinsicht.
Welchen Sinn hat für einen Außenstehenden ein als „Personenblatt“ bezeichnetes Formular per se? Die rechtlichen Hintergründe sind nicht nur klein gedruckt sondern auch nicht zweisprachig abgefasst. (Nur am Rande sei erwähnt, dass die Eingangsfeststellung im Formblatt, der Ausländer sei „… bei einer Beschäftigung betreten worden …“ auf den konkreten Sachverhalt bezogen schlichtweg falsch ist.)
Die Tätigkeit als Fahrer („conducator auto“) hat nichts mit diversen Hilfsdiensten auf dem Gelände zu tun. Im Zusammenhang mit der Außenwirkung eines Chauffeurs ist auch das Erfordernis des Tragens einer einheitlichen Firmenkleidung nachvollziehbar, was aber zweifelsfrei nicht festgestellt wurde.
Die Vereinbarung eines fixen Monatsentgeltes für diverse Hilfsdienste, die der angegebenen Tätigkeit nicht entsprechen, ist zumindest als aufklärungsbedürftig zu bezeichnen.
Unter der Formulierung „Beschäftigt seit“ kann ein mit detailregulierenden Begriffen und deren Bedeutung wenig Vertrauter durchaus auch den Zeitpunkt der Einigung (iSd Vertragsabschlusses) an sich verstehen, mit dem ja auch tatsächlich zivilrechtliche Ansprüche korrelieren. Es ist auch emotional nachvollziehbar, dass sich Herr V ab diesem Zeitpunkt als Mitarbeiter des Unternehmens (und damit Kollege seines Onkels) gesehen hat. Alle weiteren Angaben im Personalblatt sind ganz eindeutig so deutbar, dass sie den Vertrag für die hinkünftige Tätigkeit betreffen können.
Aus den „Amtlichen Vermerken“ lässt sich nur ableiten, dass Herr V auf dem Firmengelände geschlafen hat, was er nach Angaben des Bw auch durfte. Es ist in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar, dass Herr V – da ja grundsätzliche Einigkeit über die zukünftige Tätigkeit herrschte und eine Beschäftigungsbewilligung auch schon beantragt war – die Kosten und Strapazen einer Heimreise vermeiden wollte.
5.5. Auf Basis der Ermittlungen ist auch ein Leistungszusammenhang zwischen der Möglichkeit der Übernachtung und allfälligen Hilfsdiensten nicht unbedingt herzustellen.
Das in der Begründung angeführte Indiz einer anonymen Anzeige kann bestenfalls als Nachweis für einen bereits eine gewisse Zeit andauernden Aufenthalt dienen, keinesfalls aber dafür, dass vermögenswerte Leistungen erbracht wurden.
5.6. Reduziert auf die belegbar dargestellte Situation ist der inkriminierte Vorwurf nicht zwingend ersichtlich. Im Ergebnis wesentliche Bedeutung hat auch der Umstand, dass – mit Ausnahme der Einholung von (präjudiziellen) Informationen zu einem nicht abgeschlossenen Verfahren – nicht einmal der Versuch unternommen wurde, weiterführende Fakten zu erheben, um dadurch die Beweislage eindeutig zu gestalten. Dass verdachtserhärtende Informationen nach der Kontrolle u.U. nicht leicht zu erlangen sein werden, rechtfertigt nicht das Unterbleiben jeglichen zeitnahen (!) Versuchs, dies doch zu erreichen.
Die vorliegenden Verdachtsmomente reichen letztlich nicht aus, um mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit von der Begehung einer Verwaltungsübertretung ausgehen zu können.
Wenn der objektive Tatbestand aber nicht erfüllt ist, erübrigt sich die Beurteilung der subjektiven Tatseite.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
6. Bei diesem Ergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Mag. Markus Kitzberger