Linz, 02.10.2013
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung der Frau M H, geb. X, L, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 14.03.2013, BZ-Pol-77016-2013, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.08.2013 zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten in I. Instanz als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 % der verhängten Strafe, das sind 73 Euro, zu leisten.
zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz.
zu II: § 64 Abs.1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 14.03.2013, BZ-Pol-77016-2013, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 iVm. § 111 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe in der Höhe von 365 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 56 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 36,50 Euro vorgeschrieben.
1.1. Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Bw innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt wie folgt:
3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung abgesehen und die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 04.04.2013, eingelangt am 08.04.2013, zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.
Da eine 2.000 Euro übersteigende Strafe nicht verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Am 21.08.2013 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Bw, der gewerberechtliche Geschäftsführer des von der Bw betriebenen Lokals, Herr G K, sowie die in der Hauptsache ermittelnden Exekutivbeamten des Stadtpolizeikommandos Wels, GrInsp R H und RevInsp P G, einvernommen wurden. Die ebenfalls geladenen Zeugen A B (Mutter der Bw, nicht entschuldigt) sowie die unmittelbar betroffene S M (entschuldigt) sind ebenso wie die Vertreter der belangten Behörde bzw. der anzeigenden Stelle nicht erschienen. Frau M hat in einer schriftlichen Mitteilung ausgeführt, dass eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aufgrund ihrer privaten Umstände nicht möglich sei. In der Sache habe sie ihren Angaben vor der Exekutive nicht hinzuzufügen.
Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht fest:
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
5.1. Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Beschäftigt wird bzw. Dienstnehmer iSd § 4 Abs.2 ASVG ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt vermögenswerte Leistungen erbringt.
Gemäß § 111 Abs.1 handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Nach Abs.2 dieser Bestimmung ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
· mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2.180 €, im Wiederholungsfall von 2.180 € bis zu 5.000 €,
· bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.
Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
5.2. In der speziellen Sachverhaltskonstellation liegt ein geradezu klassischer Fall der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit vor. Frau M ist aufgrund ihrer persönlichen Situation praktisch mittellos. Die Kosten für die Busreise nach Österreich, die – auch im südosteuropäischen Umfeld – mit ca. 20 Euro wahrlich keinen außergewöhnlichen Betrag darstellen, muss sie sich von Nachbarn borgen. Die selbständige Aufbringung des Unterhaltes ist ausgeschlossen und aufgrund des fundamentalen Kommunikationsproblems, welches auch den einschreitenden Exekutivbeamten anfänglich massive Probleme bereitetet, die Sachlage auch nur annähernd einschätzen zu können, auch kaum zu bewerkstelligen. Es ist auch nachvollziehbar, dass Frau M während ihres Aufenthaltes faktisch von der Außenwelt abgesondert ist.
Im Ergebnis ist sie auf Gedeih und Verderb auf die „Fürsorge“ und Unterstützung der wenigen Kontaktpersonen angewiesen, die ihr im Gegenzug gleichsam aufoktroyieren, was als Gegenleistung zu tun ist. Maßgebenden Einfluss auf die tatsächlichen Abläufe hat die Mutter der Bw, die im Unternehmen beschäftigt und de facto mit der Geschäftsführung betraut ist. Der Bw ist dieser Umstand bekannt, sie lässt ihre Mutter aber gewähren, weshalb ihr deren Verhalten auch zuzurechnen ist.
5.3. Frau M hatte darüber hinaus auch einen konkreten Auftrag, was ihre Tätigkeit anbelangt. Sie sollte im Lokal anwesend sein, mit den dort anwesenden – praktisch ausschließlich männlichen – Gästen ins Gespräch kommen und sie zu Trinken animieren. Dieses bedungene Verhalten hat den eindeutig wirtschaftlichen Zweck der Umsatzsteigerung zu Gunsten des Unternehmers. Im Gegenzug wurde für den gesamten Unterhalt der Beschäftigten aufgekommen.
Es lässt also auch die vereinbarungstechnische (und –rechtliche) Sachverhaltsqualifikation nicht an Eindeutigkeit vermissen.
5.4. Die rechtfertigende Argumentationslinie der Bw kann in diesem Zusammenhang nur als unschlüssig und teilweise den festgestellten Tatsachen widersprechend bewertet werden.
Nicht nur die übereinstimmenden und in der Sache plausiblen Angaben der erhebenden Beamten betreffend die Einschätzung der vorgefundenen Gesamtsituation, sondern insbesondere das Verhalten von Frau M im Gebäude lassen die Angaben der Bw und ihrer Mutter mehr als unrealistisch und fernab jeder Lebenserfahrung und allgemeinen Verhaltenslogik erscheinen. Es handelt sich um Schutzbehauptungen, die auch durch das „Vor-die-Tür-Stellen“ des Gepäcks von Frau M nicht an Wahrheitsgehalt gewinnen.
Der Ausspruch einer Ermahnung war – was die Qualifikation des Verschuldens iSd Inkaufnahme der Rechtswidrigkeit des eigenen Handelns (auch, ja gerade im Sinne des Duldens des Handelns Dritter) angelangt – aufgrund der im gegenständlichen Zusammenhang indizierten mehrfachen Beschäftigung von Ausländern nicht in Betracht zu ziehen.
6. Die Vorschreibung der Kosten ergibt sich aus den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.
Mag. Markus Kitzberger