Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420811/5/Zo/AK

Linz, 05.11.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Beschwerde des x, vertreten durch x, vom 11.10.2013 wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich der Abnahme des am 11.5.2011 erworbenen tschechischen Führerscheines am 8.10.2013 gegen 18.00 Uhr durch dem Bezirkshauptmann von Freistadt zurechenbare Organe, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.              Der Beschwerde wird stattgegeben und die Abnahme des tschechischen Führerscheines (ausgestellt am 11.5.2011, Nr. EF x) am 8.10.2013 gegen 18.00 Uhr durch ein dem Bezirkshauptmann von Freistadt zurechenbares Organ für rechtswidrig erklärt.

 

II.            Der Antrag, der UVS möge aussprechen, dass die Bezirkshauptmannschaft Freistadt den Führerschein unverzüglich auszuhändigen hat, wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

III.           Der Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmannschaft Freistadt) wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand in Höhe von 737,60 Euro sowie die Eingabegebühr in Höhe von 14,30 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 67a Z2, 67c und 67d AVG iVm §39 Abs.1 FSG.

zu II.: § 67c Abs.3 AVG.

zu III.: §§ 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 465/20

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I:

1.1. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 11.10.2013 eine Beschwerde wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 08.10.2013 um ca. 18.00 Uhr, nämlich der Abnahme seines tschechischen Führerscheines vom 11.05.2011, Nummer EFx, durch Polizeibeamte der PI Bad Zell.

 

1.2. Diese Beschwerde wurde zusammengefasst damit begründet, dass ihm die österreichische Lenkberechtigung mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.01.2010 für den Zeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab 06.01.2010, entzogen worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt habe gleichzeitig eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker und die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme innerhalb der Entzugsdauer angeordnet, wobei der Beschwerdeführer diese Anordnungen nicht befolgt habe.

 

Am 11.05.2011 habe er in Tschechien eine Lenkberechtigung nach den dortigen Vorschriften erworben. Ende September 2013 sei er wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung beanstandet und in diesem Zusammenhang sein tschechischer Führerschein kontrolliert worden, am 08.10.2013 gegen 18.00 Uhr hätten ihm Beamte der PI Bad Zell zu Hause aufgrund eines "mündlichen Auftrages der Bezirkshauptmannschaft" den Führerschein abgenommen.

 

Diese zwangsweise Abnahme des Führerscheines sei rechtswidrig, weil keine der Voraussetzungen des § 39 FSG für die vorläufige Abnahme des Führerscheines vorliegen würden. Es sei ihm nicht zumutbar, zur Schadensminderung ohne Führerschein zu fahren und die Unannehmlichkeiten dauernder Beanstandungen und einer Vielzahl von behördlichen Verfahren auf sich zu nehmen, weshalb zur Minimierung der Schadenersatzpflicht des Staates ersucht wurde, raschest möglich über die Beschwerde zu entscheiden.

 

Er habe seine Lenkberechtigung am 11.05.2011 rechtmäßig in Tschechien nach Ablauf der Sperrfrist des vorherigen Entzugsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Freistadt erworben. Gemäß Art. 2 Abs.1 der Richtlinie 2006/126/EG werden die von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Da zum Zeitpunkt der Erteilung der Lenkberechtigung die Sperrfrist des vorherigen Führerscheinentzugsbescheides bereits abgelaufen gewesen sei, müsse Österreich seinen tschechischen Führerschein anerkennen, eine Durchbrechung des Anerkennungsgrundsatzes nach Art. 11 Abs.4 der Führerscheinrichtlinie sei nicht möglich.

 

1.3. Der Beschwerdeführer beantragte daher

  1. die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung,
  2. die Feststellung, dass die Abnahme des tschechischen Führerscheines rechtswidrig war und den Ausspruch, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer seinen Führerschein unverzüglich auszuhändigen habe sowie
  3. den Zuspruch der Prozesskosten.

 

2.1. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine schriftliche Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet. In dieser führte sie zusammengefasst aus, dass die Behörde aufgrund eines Berichtes der PI Königswiesen davon Kenntnis erlangt habe, dass der Beschwerdeführer am 25.09.2013 um 05.30 Uhr auf der B124 bei Strkm 6,960 im Zuge einer Verkehrskontrolle einen tschechischen Führerschein, ausgestellt am 11.05.2011 für die Klassen A und B, vorgewiesen habe. Der Polizeibeamte habe festgestellt, dass im Führerscheinregister ein aufrechter Entzug der österreichischen Lenkberechtigung eingetragen und der Beschwerdeführer seit 05.05.2008 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Bad Zell gemeldet war.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt habe dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid vom 18.01.2010, Zl. VerkR21-7-2010, die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab 06.01.2010, entzogen. Es sei angeordnet worden, dass sich diese Entziehung auch auf eine allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung erstrecken würde. Weiters sei eine Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker innerhalb der Entzugsdauer / Verbotsdauer sowie die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme innerhalb der Entzugsdauer / Verbotsdauer angeordnet worden.

 

Der Beschwerdeführer sei auch darauf hingewiesen worden, dass sich die Entziehungsdauer verlängert, wenn er die begleitendenden Maßnahmen nicht bis zum Ende der Entziehung absolviere oder dabei die Mitarbeit unterlasse. Dieser Bescheid sei in allen Spruchpunkten in Rechtskraft erwachsen.

 

Der Grund für diesen Entziehungsbescheid sei das bereits zweite Alkoholdelikt des Beschwerdeführers am 06.01.2010 gewesen (Alkoholgehalt 1,02 mg/l).  

 

 

Die Behörde habe aufgrund dieses Sachverhaltes die PI Bad Zell fernmündlich beauftragt, unter Anwendung des § 39 Abs.1 dritter Satz FSG den tschechischen Führerschein abzunehmen und der Behörde zu übermitteln, diesem Auftrag habe die Polizeiinspektion entsprochen.

 

2.2. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde an, dass die Entziehung der österreichischen Lenkberechtigung des Beschwerdeführers nach wie vor andauere, weil dieser die rechtskräftig angeordneten Maßnahmen bisher nicht erfüllt habe. Die Sperrfrist dieses Führerscheinentzugsbescheides habe daher noch nicht geendet und der Beschwerdeführer habe die tschechische Lenkberechtigung widerrechtlich erworben. Der angefochtene Bescheid bringe auch zum Ausdruck, dass sich die Entziehung auch auf von einem EWR-Staat (bereits) erteilte oder innerhalb der Entzugsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung erstrecke.

 

Die Gleichstellung einer EWR-Lenkberechtigung mit einer österreichischen Lenkberechtigung sei in § 1 Abs.4 FSG angeordnet. Daraus folge, dass die EWR-Lenkberechtigung auch hinsichtlich der Entziehung den österreichischen Normen gleichgestellt sei und somit diese Bestimmungen in vollem Umfang anzuwenden seien. Die Entziehung einer österreichischen Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit erstrecke sich daher automatisch auch auf alle in einem EWR-Staat erworbenen Lenkberechtigungen. Es hätte daher nicht einmal eines gesonderten Ausspruches im Entziehungsbescheid vom 18.01.2010 bedurft. Der Gesetzgeber habe in einer Novelle des FSG angeordnet, dass eine in einem EWR-Staat ausgestellte Lenkberechtigung bei Verwirklichung eines nach dem Wohnsitzstaat des Inhabers zu beurteilenden Entziehungstatbestandes zu entziehen sei. Der Unterschied zur früheren Rechtslage bestehe darin, dass die österreichische Kraftfahrbehörde nunmehr auch eine ausländische EWR-Lenkberechtigung entziehen – und nicht bloß ein Lenkverbot für Österreich anordnen – könne. Die vom Beschwerdeführer angeführten Entscheidungen würden daher auf einer alten Rechtslage beruhen.

 

In formeller Hinsicht führte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt an, dass der Entziehungsbescheid vom 18.01.2010 rechtskräftig ist und nicht abgeändert werden kann. Es sei daher auch Bestandteil der Rechtsordnung, dass sich die Entziehung auch auf eine von einem EWR-Staat ausgestellte Lenkberechtigung erstrecke und diese Anordnung so lange aufrecht bleibe, bis der Beschwerdeführer die angeordneten Maßnahmen absolviert habe. Die von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung sei daher auch für die von der tschechischen Behörde ausgestellte Lenkberechtigung gültig. Die Behörde war daher gemäß § 39 Abs.1 dritter Satz FSG dazu gehalten, den Führerschein umgehend abzunehmen.

 

2.3. In ergänzenden Schreiben verwies die belangte Behörde auf Art 8 Abs. 4 der RL 91/439: Ein Aufnahmemitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet auf den Inhaber eines Führerscheines eine Maßnahme des Entzuges einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, könne es ablehnen, die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus dem zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerschein ergibt.

Nach Art 11 Abs 4 der FS-RL habe ein Mitgliedsstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheines abzulehnen, der von einem anderen Mitgliedsstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaates entzogen worden ist.

 

3. Aus der Beschwerde, der von der Behörde erstatteten Gegenschrift und den vorgelegten Akten ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze. Bereits aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung trotz Antrages nicht erforderlich war (§ 67d Abs.2 Z3 AVG).

 

3.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Dem Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.01.2010, Zl. VerkR21-7-2010, die Lenkberechtigung entzogen. Die im gegenständlichen Fall relevanten Punkte dieses Bescheides lauten wie folgt:

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt entzieht Ihnen die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab 06.01.2010. Diese Entziehung erstreckt sich auch auf eine allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung.

Die BH Freistadt ordnet die Absolvierung der begleitenden Maßnahme: Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker, die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme jeweils innerhalb der Entziehungsdauer / Verbotsdauer an.

 

Die 12-monatige Entzugsdauer endete grundsätzlich mit Ablauf des 06.01.2011, allerdings hat der Beschwerdeführer die angeordneten Maßnahmen bis zum heutigen Tag nicht absolviert. Dem Beschwerdeführer wurde von der "x" am 11.05.2011 zur Zl. EF x die Lenkberechtigung für die Klassen A und B erteilt und ein entsprechender Führerschein ausgestellt (die Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B erfolgte erstmals bereits am 09.02.2011). Dieser Führerschein wurde ihm von Polizeibeamten der PI Bad Zell am 08.10.2013 aufgrund eines mündlichen Auftrages der Bezirkshauptmannschaft Freistadt abgenommen.

 

4. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67c Abs.3 AVG sind Beschwerden nach § 67a Z2 innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes,

2. soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde er zuzurechnen ist (belangte Behörde),

3. den Sachverhalt,

4. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

5. das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären,

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

4.2. Gemäß § 39 Abs.1 FSG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere in Folge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werde, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.

 

§ 30 Abs.2 FSG lautet:

Einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs.4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich hat, hat die Behörde die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs.3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR- oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zudem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.

 

4.3. Gemäß Art 11 Abs. 4 der RL 2006/126 lehnt es ein Mitgliedstaat ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen.

Ein Mitgliedstaat lehnt die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheines ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist.

 

5.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt stützt die Abnahme des im Jahr 2011 erteilten tschechischen Führerscheines auf ihren rechtskräftigen Entzugsbescheid und zwar konkret auf jene Anordnung, wonach auch eine "innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung entzogen wird".

 

Zur Frage, ob die (erstmalig am 09.02.2011 erteilte) tschechische Lenkberechtigung innerhalb der Entziehungsdauer erteilt wurde, ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 20.02.2013, Zl. 2013/11/0013, hinzuweisen. In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zum Führerscheingesetz eindeutig klargestellt, dass die Entziehung so lange nicht endet, bis der Betroffene die angeordneten Maßnahmen absolviert hat und damit auch die „Sperrfrist“ des Führerscheinentzugsbescheides nicht endet. Der Verwaltungsgerichtshof führte zudem unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 26.04.2012 in der Rechtssache Hoffmann, C-419/10 an, dass die Entziehung einer Lenkberechtigung, welche innerhalb der „Sperrfrist“ von einem ausländischen EWR-Staat erteilt wurde, Artikel 11 Abs.4 zweiter Unterabsatz der Führerscheinrichtlinie entspricht.

 

Daraus ist abzuleiten, dass auch im konkreten Fall wegen der noch nicht absolvierten Maßnahmen (Nachschulung für alkoholauffällige Lenker; Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme) die „Sperrfrist“ des Entzugsbescheides vom 18.01.2010, Zl. VerkR21-7-2010, noch nicht abgelaufen war. Dies bedeutet weiters, dass die Bezirkshauptmannschaft Freistadt bei diesem Sachverhalt wohl berechtigt gewesen wäre, die erst im Jahr 2011 erteilte tschechische Lenkberechtigung mit einem neuerlichen Bescheid zu entziehen (vgl. § 30 Abs. 2 FSG).

 

5.2.1. Im konkreten Fall hat die Bezirkshauptmannschaft Freistadt jedoch keinen neuen Bescheid erlassen sondern sich auf die bereits erfolgte "Entziehung einer zukünftig erteilten Lenkberechtigung" gestützt und die vorläufige Abnahme des Führerscheines angeordnet. Nach dieser Argumentation sei die erst im Jahr 2011 erteilte Lenkberechtigung bereits mit dem Bescheid aus dem Jahr 2010 entzogen worden. Dazu ist vorerst festzuhalten, dass diese Anordnung im Spruch eines rechtskräftigen Bescheides enthalten ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 28.04.2011, 2008/11/0196, unter Bezugnahme auf den Wortlaut und die Systematik des § 30 Abs.1 FSG ausgesprochen, dass die Aberkennung des Rechtes, von einem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, nur solche Fälle erfassen kann, in denen zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits eine derartige Lenkberechtigung besteht. Von einer Aberkennung kann nur ein aktuelles, bestehendes Recht betroffen sein, nicht aber ein solches, das noch gar nicht existiert. Daraus ist abzuleiten, dass der für diese Entscheidung relevante Teil des Spruches der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (Entziehung einer zukünftigen Lenkberechtigung) rechtswidrig war. Diese materielle Unrichtigkeit macht den Spruchteil jedoch nicht per se unwirksam, sondern hätte im Rechtsmittelweg geltend gemacht werden müssen.

 

5.2.2. Fraglich ist allerdings, ob es sich bei dieser Anordnung der „Entziehung eines erst zukünftig zu erwerbenden Rechtes“ überhaupt um eine Angelegenheit handelt, welche mittels Bescheid erledigt werden kann. Bei einem Bescheid handelt sich nach herrschender Lehre um eine hoheitliche Erledigung einer Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten einzelnen Angelegenheiten gegenüber individuell bestimmten Personen in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise über Rechtsverhältnisse abgesprochen wird (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht² ([1986] 471). Wenn einer behördlichen Erledigung eines dieser Merkmale fehlt, so handelt es sich dabei nicht um einen Bescheid.

 

Konkret stellt sich das Problem, ob die Anordnung der „Entziehung jeder zukünftigen ausländischen Lenkberechtigung bis zur Absolvierung der Maßnahmen“ eine bestimmte einzelne Verwaltungsangelegenheit bilden kann. Die Sache eines Verfahrens, also die „bestimmte Verwaltungsangelegenheit“, wird durch den maßgeblichen Sachverhalt iVm dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften konstituiert (Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 9 mit weiteren Nachweisen). Für den Bescheid vom 18.1.2010 ergibt sich die bestimmte Verwaltungsangelegenheit, über die rechtmäßig abgesprochen werden kann, durch das Alkoholdelikt des Beschwerdeführers, der damals eine österreichische Lenkberechtigung besessen hat und die Anwendung der Bestimmungen des FSG betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung auf diesen Sachverhalt. Nur darüber konnte mit diesem Bescheid abgesprochen werden. Die Entziehung eines Rechtes, welches der Bescheidadressat nicht innehat, sondern das er möglicherweise erst in der Zukunft erwerben wird, kann keine bestimmte Verwaltungsangelegenheit iSd. obigen Ausführungen bilden, weil der Besitz einer Berechtigung eine denknotwendige Voraussetzung für deren Entziehung bildet. Über die im Bescheid vom 18.1.2010 angeordnete „zukünftige Entziehung“ konnte daher auch nicht verbindlich abgesprochen werden, dieser Teil des Spruches war nicht bescheidfähig und konnte deshalb nicht in Rechtskraft erwachsen. Die vorläufige Abnahme des tschechischen Führerscheines konnte sich deshalb nicht auf diesen Teil des Entzugsbescheides stützen.

 

 

 

5.3.1. Die belangte Behörde verwies weiters auf Art. 8 Abs. 4 der RL 91/439/EWG bzw. auf Art 11 Abs. 4 der FS-RL. Entsprechend dieser RL hätte einerseits Tschechien dem Beschwerdeführer, dessen Lenkberechtigung entzogen war, gar keine Lenkberechtigung erteilen dürfen. Andererseits ist Österreich nicht verpflichtet, die von Tschechien während des aufrechten Entzuges erteilte Lenkberechtigung anzuerkennen.

 

5.3.2. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob dieses „Nichtanerkennen“ die österreichische  Behörde zu einem formlosen Abnehmen des Führerscheines (und damit zu einer faktischen Amtshandlung) berechtigt oder ob die Lenkberechtigung mittels Bescheid entzogen werden muss. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen 2006/02/0291 und 2013/11/0013 Sachverhalte beurteilt, in denen die in ähnlichen Situationen erteilte Lenkberechtigung jeweils mit Bescheid einer österreichischen Behörde (erst nach deren Erteilung) entzogen wurde. Im Erkenntnis 2008/11/0196 hat er die Entscheidung der belangten Behörde, welche die Abnahme des während der Entzugsdauer ausgestellten ausländischen Führerscheines ohne (neuerlichen) Entzugsbescheid als rechtmäßig anerkannt hatte, als rechtswidrig aufgehoben.

 

Diese Judikatur erscheint aus folgender Überlegung konsequent: § 30 Abs. 2 vierter und fünfter Satz FSG verpflichten die Behörde, in derartigen Situationen Personen mit Wohnsitz in Österreich die später erworbene ausländische Lenkberechtigung zu entziehen. Daraus ergibt sich, dass die Behörde mittels Bescheid vorzugehen hat. Wäre der Gesetzgeber von einer „ex-lege-Ungültigkeit“ der ausländischen Lenkberechtigung ausgegangen, hätte er die Behörde nicht zu einer Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 30 FSG sondern wohl zu einer Abnahme des Führerscheines gemäß § 39 FSG ermächtigt. Auch die Behörde ist ja ursprünglich von der Notwendigkeit eines Bescheides ausgegangen, hat sich dabei aber auf den – wie oben gezeigt – unwirksamen Ausspruch einer „zukünftigen Entziehung“ berufen.

 

Die Abnahme des tschechischen Führerscheines am 8.10.2013 war daher als rechtswidrig zu erklären.

 

Zu II:

Gemäß § 67c Abs.3 2. Satz AVG hat die belangte Behörde den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch andauert. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung der belangten Behörde, ein diesbezüglicher ausdrücklicher Ausspruch des Unabhängigen Verwaltungssenates in der Entscheidung über die Maßnahmenbeschwerde ist nicht vorgesehen. Der entsprechende Antrag des Beschwerdeführers war daher zurückzuweisen.

 

Zu III:

Aufgrund dieses Ergebnisses ist der Beschwerdeführer als obsiegende Partei anzusehen, weshalb der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer binnen zwei Wochen die entsprechend der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 zustehenden Aufwendungen (Schriftsatzaufwand 737,60 Euro) zu bezahlen sowie die Eingabegebühr in Höhe von 14,30 Euro zu ersetzen.

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 06.03.2014, Zl.: 2013/11/0247-8

 

 

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