Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730777/6/BP/JO

Linz, 08.11.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, StA der Türkei, dzt Justizanstalt X, vertreten durch X, 1. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 3. Oktober 2013, AZ: 1072615/FRB, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie 2. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. August 2013 betreffend ein gegen den Berufungswerber auf die Dauer von 8 Jahren verhängtes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Die Berufung (1) wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

  1. Die Berufung (2) wird als verspätet zurückgewiesen

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 71 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 


Entscheidungsgründe

 

1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. August 2013, AZ: 1072615/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 67 Abs.1 und Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

 

Aufgrund der Versäumung der fristgerechten Einbringung einer Berufung stellte der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 24. September 2013 – Einlangen bei der belangten Behörde – einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG.

 

1.2. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 3. Oktober 2013, AZ: 1072615/FRB, wurde der Antrag des Bw auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.09.2013 wegen Versäumung der Frist zur Berufungserhebung gegen den Bescheid der LPD vom 08.08.2013, zugestellt am 13.08.2013 (betreffend Aufenthaltsverbot) gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG 1991 als unbegründet abgewiesen.

 

Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung wie folgt:

 

Mit Bescheid der LPD Linz vom 08.08.2013 wurde gegen Sie ein auf 8 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich ausgesprochen. Dieser Bescheid wurde Ihnen mittels RSA Briefes zugestellt und am 13.08.2013 persönlich von Ihnen übernommen.

In der Folge wurde dieser Bescheid betreffend Aufenthaltsverbot mangels einer dagegen eingebrachten Berufung nach einer Frist von 2 Wochen rechtskräftig.

 

Nunmehr stellten Sie mit Schreiben vom 19.09.2013 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie argumentierten im Wesentlichen damit, von einer namentlich nicht bekannten Mitarbeiterin eines Sozialdienstes in der Justizanstalt X die Auskunft erhalten zu haben, dass für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den ob zitierten Bescheid eine sechswöchige Frist bestehen würde. Sie hätten die Sie treffende Berufungsfrist versäumt, da Sie erst in einer Besprechung am 16.09.2013 mit Ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter erfah­ren hätten, dass die für Sie relevante Berufungsfrist von 14 Tagen bereits verstrichen ist, weshalb ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis vorliegen würde.

 

Die LPD hat erwogen:

 

(...)

 

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 u 2 müssten Sie glaubhaft machen, dass Sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sind, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Vergehens trifft, oder

die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbeleh-rung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Diese Voraussetzungen sind bei Ihnen nicht gegeben, da Sie selbst aufgrund Ihrer Meinung eine Rechtsmittelfrist von 14 Tagen angenommen haben. Es wäre Ihnen möglich und auch zumutbar gewesen, allfällige durch eine von Ihnen behauptete rechtliche Falschauskunft begründete Zweifel bezüglich der tatsächlichen Rechtsmittelfrist durch die Kontaktaufnahme mit einem berufsmäßigen Rechtsvertreter zu beseitigen bzw. abzuklären und zwar innerhalb der Rechtsmittelfrist von zwei Wochen ab Bescheid Zustellung.

 

Aus eigenem Verschulden haben Sie das erst am 16.09.2013 getan, d.h. diese Möglichkeit - Im Wege Ihres Vaters- hätten Sie auch früher und rechtzeitig nutzen können, was Sie aus eigener Nachlässigkeit aber nicht getan haben.

 

Ebenso hätte die Möglichkeit eines Telefonates mit der bescheidausstellenden Behörde bestan­den.

 

Wenn Sie nun in Ihrer Berufungsschrift anführen, dass Sie die amtsdeutsche Sprache nur schwer verstehen, bilden dennoch Mangel der Deutschkenntnisse und Mangel der Rechts­kenntnis für sich alleine genommen keine Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung (vgl. etwa Erkenntnis des VwGH vom 21.05.1997, Zahl: 96/21/0574), die es zuließen, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten.

 

Zu Ihrer behaupteten „Leseschwäche ist anzumerken, dass Sie sich auch den reinen Be­scheid Text hätten vorlesen lassen können.

 

Im vorliegenden Fall ist über die mangelnden Deutschkenntnisse und Ihre Unerfahrenheiten mit dem österreichischen Rechtsleben hinaus kein weiterer, Ihre Person konkret betreffender Hinderungsgrund hinzugetreten, welche über die allgemeine Situation eines in Österreich befindlichen Fremden hinausgeht.

 

Folglich - wie bereits ausgeführt - führt Sie Ihr relativ jugendliches Alter und die mangelnde Behördenerfahrung nicht zum Erfolg, sind Sie doch bereits lange volljährig und waren Sie sich in Anbetracht der Kenntnis des „laufenden" Verfahrens, über welches Bescheid mäßig abgesprochen werden würde, über dessen „Wichtigkeit" bewusst. Demzufolge war es Ihnen zuzumuten gewesen, entsprechende Erkundigungen, etwa bei der Behörde, über den Zu­stellzeitpunkt und die damit verbundene Rechtsmittelfrist einzuholen (vgl. VwGH vom 17.07.2008, Zahl: 2007/21/0228).

 

In Anbetracht dieser Ausführungen konnten Sie nicht glaubhaft machen, dass Sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Berufungsfrist ge­hindert waren.

 

Von der Aufnahme weiterer Beweise wurde insofern Abstand genommen, als der entschei­dungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt schien.

 

Somit liegen die Voraussetzungen für einen Wiedereinsetzungsantrag keinesfalls vor wes­halb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 mittels Telefax rechtzeitig Berufung, in welcher vorerst die Anträge an den UVS gestellt werden, der UVS möge

 

a)   den hier angefochtenen Bescheid der LPD vom 03.10.2013, zugestellt am 08.10.2013 zu 1072615/FRB dahingehend abändern, dass dem Antrag des Berufungswerbers vom 19.09.2013 auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in vorigen Stand gemäß § 71 AVG stattgegeben werde; in eventu

 

b)   den hier angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidungsfindung an die Erstinstanz rückverweisen; und

 

c)    jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durch­führen.

 

Weiters wird die Berufung wie folgt begründet:

 

Die LPD hat mit 08.08.2013 wider den Berufungswerber ein auf 8 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich ausgesprochen und wurde dieser Bescheid mittels RSA-Zustellung dem Berufungswerber an die Justizanstalt X (der Berufungswerber befand sich dort in Haft) zugestellt. Der Berufungswerber hat diesen Bescheid am 13.08.2013 persönlich übernommen.

 

Wie bereits im Zuge der erstinstanzlichen Vorbringen dargestellt, hat der Berufungswerber den „Sozialen Dienst" der JA X kontaktiert, um sich über Rechtsmittelfristen und Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser vorbezeichneten Entscheidung beraten zu lassen, und um keinesfalls auf Grund von Missverständnissen Rechtsnachteile zu erleiden.

 

Wiewohl der Berufungswerber den ihm zugestellten Bescheid dahingehend verstanden hat, dass er innerhalb von 14 Tagen Berufung erheben müsse, hat der Soziale Dienst - anstelle wie vom Berufungswerber gewünscht - einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, damit dieser den Berufungswerber in der Haft besuche, diesem mitgeteilt, dass er den Bescheid falsch verstanden hätte und lediglich eine 6-wöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts einbringen könne. Gegenüber dem (der deutschen Sprache schriftlich nur eingeschränkt mächtigen) Berufungswerber wurde dezidiert mitgeteilt, dass keine Berufungsmöglichkeit gegen die vorbezeichnete Entscheidung bestünde.

 

Wenige Tage später wurde der Berufungswerber zudem von der JA X (X) in die JA X (X) verlegt. Von dort aus kontaktierte der Berufungswerber zuerst seinen Vater, um einen Termin mit einem Rechtsanwalt zu vereinbaren, damit dieser innerhalb der offenen 6-wöchigen Beschwerdefrist mit ihm in Kontakt treten solle, dies deshalb, da der Berufungswerber aufgrund der an ihn erteilten Fehlberatung der Meinung war, innerhalb einer Frist von 6 Wochen als einzige ihm zur Verfügung offen stehende Rechtsmöglichkeit eine Verwaltungs-/Verfassungsgerichtshofbeschwerde ergreifen zu können und jedenfalls ein entsprechendes Rechtsmittel fristgerecht ergreifen wollte.

 

Nachdem diesbezüglich durch den Vater des Berufungswerbers die Formalien mit dem nunmehrigen Berufungswerbervertreter abgeklärt wurden, hat der Berufungs­werbervertreter unverzüglich Kontakt zum Berufungswerber aufgenommen, dies am 16.09.2013.

 

Im Zuge dieser Besprechung wurden bei Vorlage der entsprechenden Unterlagen an den Berufungswerbervertreter und im Rahmen der Diskussion über den Inhalt des Verfahrens zum ersten Mal Erkenntnisse dahingehend gewonnen, dass aufgrund der erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 13.08.2013 die Berufungs­frist offensichtlich versäumt wurde. Der Berufungswerber verweist diesbezüglich auf die erstinstanzlich getätigten Vorbringen, wonach er an der von ihm gewünschten Berufungseinbringung gegen den erstinstanzlichen Bescheid aufgrund der juristisch vollkommen unrichtigen Rechtsberatung durch den Sozialen Dienst der JA X gehindert war.

 

Der Berufungswerber hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren den zugrunde­liegenden Sachverhalt, der ihn an einer fristgerechten Einbringung der Berufung gehindert hat, vorgetragen.

 

Der Berufungswerber war erst am 16.09.2013 davon in Kenntnis, dass er die Berufungsfrist versäumt hatte, da er bis zu diesem Zeitpunkt der - aufgrund der unrichtigen Rechtsberatung entstandenen - Fehlmeinung war, er könne überhaupt keine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid einbringen.

 

Festzuhalten und in gegenständlichem Zusammenhang maßgeblich ist auch, dass der Berufungswerber ursprünglich von einer 14-tägigen Berufungsfrist ausgegangen ist, ihm dies jedoch „ausgeredet* wurde und der Berufungswerber auf die Kompetenz der ihn beratenden Mitarbeiter des „Sozialen Dienstes" der JA X vertraut hat, da er eben schriftlich Probleme mit dem Verständnis der deutschen Sprache hat und mit Verwaltungsangelegenheiten rechtlich nicht vertraut ist.

 

Da zudem nahezu zeitgleich eine Verlegung des Berufungswerbers von der JA X in die JA X nach Bescheiderlassung durch die LPD erfolgte, war der Berufungswerber auch daran gehindert frühere Veranlassungen zu treffen, um eine Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, da er betreffend zu begleichende Kosten zuvor das Einverständnis seines Vaters, der eine Kostenübernahme gegenüber dem Berufungswerbervertreter abzugeben hatte, einholen musste.

 

Bedenkt man nunmehr, dass der in Strafhaft befindliche Berufungswerber im Zusammenhang mit der an ihn erteilten Rechtsbelehrung aufgrund des Sozialen Dienstes letztendlich nur auf diese Rechtsberatung vertrauen konnte und zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung (verbunden mit der nahezu zeitgleich erfolgten Verlegung seines Strafhaftortes) verhindert war, weitere Veranlassungen zu treffen und sich zudem aufgrund der ihm erteilten Rechtsberatung „fristmäßig" in Sicherheit wog, liegen sämtliche Voraussetzungen des § 71 (1) Z. 1 AVG im Sinne eines unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignisses vor, dass der Berufungswerber die ihm eingeräumte Berufungsfrist zur Erhebung eines entsprechenden Rechtsmittels an die LPD versäumt hat. Den Berufungswerber trifft an dieser Konstellation betreffend die Fristversäumnis keinerlei Verschulden, sondern blieb ihm letztendlich (aufgrund seiner Strafhaft und der erfolgten nahezu zeitgleichen Verlegung in die JA X) keinerlei Zeit, eine andere Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen und hatte er auch nicht die finanzielle Möglichkeiten, um eine entsprechende andere Rechtsberatung aus Eigenemin diesem Zusammenhang zu diesem Zeitpunkt zu finanzieren, wobei ihm zusätzlich die Rechtsauskunft des sozialen Dienstes unbedenklich und ausreichend erschien.

 

Beweis: Einvernahme des Berufungswerbers;

bekanntzugebender Name der zuständig gewesenen Sachbearbeiterin

des Sozialen Dienstes der JA des LG Linz;

der gegenständliche Verfahrensakt;

wie bisher.

 

Sofern die Erstbehörde nunmehr im angefochtenen Bescheid argumentiert, der Berufungswerber hätte „nachlässig" gehandelt und sei ihm gegenständliche Konstellation als Verschulden, welches einer Wiedereinsetzung der Berufungsfrist entgegensteht, anzurechnen, ist darauf hinzuweisen, dass der zugrundeliegende Sachverhalt, welcher nachvollziehbar und klar dokumentiert, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufungsfrist versäumt hat, eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigt und die gegenteilig lautende Begründung der Erstbehörde als inhaltich rechtswidrig zu erachten ist.

Die Erstbehörde hat ungeprüft - ohne auf die tatsächlichen Vorbringen, die zur unverschuldeten und unvorhergesehenen Fristversäumnis durch den Berufungs­werber geführt haben - letztendlich eine nicht nachvollziehbare - abstrahierte -formalistische Entscheidung zur Abweisung des gestellten Antrages vom 19.09.2013 getroffen, ohne die spezifischen Hintergründe der gegenständlichen Fallkonstellation überhaupt einer näheren Überprüfung und Begründung zuzuführen.

 

Worin ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Beschwerdeführers liegen sollte, bleibt die Erstbehörde zu dokumentieren und zu begründen-ebenfalls schuldig.

 

Sofern das Erkenntnis des VWGH vom 17.07.2008 zu 2007/21/0228 als maßgeblich für eine Verschuldensbegründung des Berufungswerbers herangezogen wird, ist dem entgegen zu halten, dass die Erstbehörde nicht berechtigt ist, willkürlich Fallkonstellationen, die inhaltlich massiv voneinander abweichen, einer „Gleich­machung" zuzuführen.

 

Unter Abwägung und Berücksichtigung all der gegenständlich zu beurteilenden Umstände im Hinblick auf die seitens § 71 (1) Z.l AVG erforderlichen Gründe zur Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher bei entsprechender Überprüfung des zugrundeliegenden Sachverhaltes und entsprechender (gesetzes­konformer) Würdigung jedenfalls im Sinne der gestellten Berufungsanträge vorzugehen.

 

Der Berufungswerber behält sich weitere und detailliertere Vorbringen, insbesondere die Namhaftmachung der Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes der JA des LG Linz, die den Berufungswerber offensichtlich massiv und fristversäumend fehlberaten hat, vor.

 

Es wird in diesem Zusammenhang beantragt, der UVS möge jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen, den Berufungswerber einvernehmen, und wird der Berufungswerber sobald es ihm möglich ist, die entsprechenden Daten der Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes der JA des LG Linz bekanntgeben, um diese Mitarbeiterin laden und einvernehmen zu lassen.

 

Weitere Vorbringen werden ausdrücklich vorbehalten.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Eine telefonische Anfrage an die Justizanstalt X (Wachzimmer) ergab eindeutig, dass es Häftlingen jedenfalls möglich ist, mit Behörden telefonischen Kontakt aufzunehmen, sei es über den sozialen Dienst, sei es über ein Ansuchen an die Gefängnisleitung. 

 

2.2.3. Nachdem der entscheidungsrelevante Sachverhalt völlig klar und (auch vom Bw) unbestritten feststand, ja dem diesbezüglichen Vorbringen des Bw Glaubwürdigkeit zugemessen wird, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – trotz entsprechenden Parteienantrags – verzichtet werden, weil im vorliegenden Fall lediglich eine reine Rechtsfrage zu klären war. Es darf nochmals darauf hingewiesen werden, dass dem Bw zugestanden wird, dass er von einer Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes dahingehend informiert wurde, die Rechtsmittelfrist würde im vorliegenden Fall 6 Wochen betragen, wodurch er nicht mehr wie zuvor von 14 Tagen ausging. 

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.2., 1.3. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 71 Abs. 6 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

 

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

 

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Gemäß § 71 Abs. 3 AVG hat im Fall der Versäumung einer Frist die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet gemäß § 71 Abs. 5 AVG keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

 

Gemäß § 71 Abs. 6 kann die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.

 

Der Wiedereinsetzungsantrag kann gemäß § 71 Abs. 7 AVG nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass der ursprüngliche Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 2013 keinen die Rechtsmittelbelehrung betreffenden Mangel aufweist, weshalb § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht zur Anwendung kommen kann.

 

3.2.2. Fraglich ist aber, ob unter den gegebenen Umständen der Bw gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG glaubhaft machen kann, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

3.2.3. Eine falsche Auskunft einer zur Beratung herangezogenen Person, die zur Versäumung einer Frist führt, scheint nach grammatikalischer Interpretation eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses per se nur schwer der Subsumtion unter jene Gesetzesbegriffe zugänglich, wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass hier jedenfalls ein Ereignis vorliegt.

 

Betreffend die Unvorhersehbarkeit ist anzumerken, dass der Bw zunächst – nach Durchlesen des Bescheides – von einer 14-tägigen Berufungsfrist ausging. Es bedarf auch keiner vertieften Sprachkenntnisse um 14 Tage oder 2 Wochen dem Inhalt nach zu verstehen. Wenn nun eine Beratung einer Mitarbeiterin eines „Sozialen Dienstes“ erfolgt, die – entgegen dem klaren Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung - fälschlich von einer 6-wöchigen Berufungsfrist ausgeht, müssen einem Bescheidadressaten  – sofern kein Fall der Besachwaltung vorliegt – zumindest erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beratung aufkommen.

Unabwendbar wäre das Ereignis einer falschen irrtümlichen Rechtsberatung auch allenfalls nur dann, wenn dem Bw, dem die widersprüchlichen Angaben bewusst geworden sind bzw. werden mussten, keinerlei Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, eine weitere Auskunft beizuziehen oder innerhalb der Rechtsmittelfrist zu agieren. Nichts läge in einem derartigen Fall näher, als die bescheiderlassende Behörde zu kontaktieren oder einen derartigen Kontakt anzuregen. Beides wäre dem Bw – auch nach Auskunft der betroffenen Strafanstalt – ohne weiteres möglich gewesen.

 

Es ist weiters anzumerken, dass der Bw, der - über die ihm drohende – fremdenpolizeiliche Maßnahme Bescheid wusste, besondere Sorgfalt an den Tag legen hätte müssen, da er nicht unvorbereitet den in Rede stehenden Bescheid erhalten hat. Zudem musste ihm auch klar sein, dass eine schriftlich abgefasste Rechtsmittelfrist einer Behörde nicht durch eine mündliche Erklärung einer behördenfremden Beratungsperson außer Kraft gesetzt werden kann. Sich auf eine Leseschwäche in Verbindung mit Sprachkenntnissen zu berufen, scheint hier nicht angebracht, zumal der Bw noch dazu ja den Inhalt der Rechtsmittelfrist in der zeitlichen Determinierung sehr wohl verstanden hatte. Eine falsche Beratung würde auch dann in die Sphäre des Bw gefallen sein, wäre sie von einem rechtsfreundlichen Vertreter ergangen.

 

Dass der Bw nicht die ihm möglichen Schritte zur Klärung der Frage der Rechtsmittelfrist beschritt, begründet sein nicht zu vernachlässigendes Verschulden bzw. die Annahme, dass hier kein minderer Grad des Versehens vorliegt, denn gerade in einer Haftanstalt stehen – wenn auch unter reglementierten Bedingungen – den Häftlingen jedenfalls die Kontaktaufnahmemöglichkeiten  zu Behörden offen.

 

Auch eine die (Re)aktion des Bw beeinträchtigende Verlegung zwischen Strafanstalten kann nicht als Ereignis angesehen werden, das ihn an einer Effektuierung seines rechtlichen Interesses mittelfristig gehindert hätte.

 

3.3. Es war also im Ergebnis der Ansicht der belangten Behörde zu folgen, dass der Bw keinesfalls die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt und daher die Berufung als unbegründet abzuweisen sowie der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

3.4. Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte der Bw die Berufung gegen den ursprünglichen Bescheid vom 8. August 2013 eingebracht. In Konsequenz der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war die in Rede stehende Berufung unter spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses als verspätet zurückzuweisen.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

 

H I N W E I S

 

1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

Beachte:

Bescheid wurde in seinem Spruchpunkt I. (Abweisung des Weidereinsetzungsantrages) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen - Spruchpunkt II. (Berufungszurückweisung) - wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 25.04.2014, Zl.: 2013/21/0240-7 

 

 

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