Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281566/15/Wg/GRU

Linz, 28.10.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft von Linz-Land vom 12.7.2013, Gz. Ge96-31-2013/HW, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 26.9.2013, zu Recht erkannt:

I.         Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Die verhängten Geldstrafen werden auf jeweils 1.300 Euro und die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 30 Stunden herabgesetzt. Der Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde reduziert sich auf 260 Euro. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Der Berufungswerber hat für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24, 51, 51c und 51e Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Verfahrensgegenstand und Ermittlungsverfahren:

 

1.1. Die belangte Behörde leitete daraufhin das Ermittlungsverfahren ein und lastete dem Bw letztlich mit Straferkenntnis vom 12. Juli 2013, Gz. Ge96-31-2013/HW, folgende Verwaltungsübertretungen an:

 

„Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Arbeitgeberin x zu verantworten, dass von dieser Arbeitgeberin folgende Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nicht eingehalten wurden:

Der Arbeitsinspektor x hat bei einer Baustellenüberprüfung am 11.3.2013 festgestellt, dass am 11.3.2013 auf der Baustelle Umbau x, ein Arbeitnehmer der x - Herr x, geb.: x - von einer straßenseitigen Außenwandöffnung im Dachgeschoß mit dem Abwerfen von Bauschutt beschäftigt war, wobei

1. der hierdurch gefährdete Bereich weder durch Warnposten oder in sonstiger, zuverlässiger Weise gesichert war.

Dadurch wurde § 16 Abs. 5 BauV übertreten, wonach das Abwerfen von Materialien nur gestattet ist, wenn der hierdurch gefährdete Bereich durch Warnposten oder sonst in zuverlässiger Weise gesichert ist.

2. an der straßenseitigen Außenwandöffnung im Dachgeschoß bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m trotz Absturzgefahr keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren.

Der Arbeitnehmer, der von dieser Außenwandöffnung aus das Material abgeworfen hat, war auch nicht durch eine persönliche Schutzausrüstung gesichert.

 

Dadurch wurde § 7 Abs. 1 BauV in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z. 3 BauV übertreten, wonach an Wandöffnungen bei einer Absturzhöhe von 1,0 m Absturz­sicherungen oder Abgrenzungen anzubringen sind.

 

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsvorschriften verletzt:

zu 1. § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 118/2012 i.Vm. § 16 Abs. 5 der Bauarbeiter­schutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II Nr. 33/2012

 

zu 2. § 130 Abs. 5 Z. 1 i.V.m. § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 118/2012 i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II Nr. 33/2012

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Geldstrafen verhängt:

 

Geldstrafen zu Fakten 1.                 falls diese uneinbringlich     Gemäß

und 2. von                                         Ersatzfreiheitsstrafen von je                                                                                                                                                                   § 130  Abs. 5 Einleitung

1.500     Euro                                      drei Tagen                               Arbeitnehmerinnenschutzgesetz

(gesamt 3.000 Euro)                                                               (ASchG)

 

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner hat er gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

300 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe {je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet).“

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie gehe davon aus, dass das gesamte Abbruchmaterial des Dachgeschosses in die vor dem Haus aufgestellten Schuttmulden geworfen worden wäre. Ein wirksames Kontrollsystem sei nicht vorgelegen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien bei der Strafbemessung entsprechend den Angaben des Bw berücksichtigt worden (der Bw sei verheiratet und habe eine Sorgepflicht für eine 10 Jahre alte Tochter und ein Monatsnettoeinkommen von ca. € 1765). Strafmildernde Umstände hätten nicht gefunden werden können. Als straferschwerend wertete die belangte Behörde 3 einschlägige Verwaltungsvorstrafen.

 

1.2. Dagegen richtet sich die Berufung vom 29. Juli 2013. Der Berufungswerber stellte darin die Anträge: Es wolle der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos behoben und das gegen ihn anhängig gemachte Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung gebracht werden. In eventu wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Erledigung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen werden. In eventu wolle die verhängte Strafe angemessen herabgesetzt werden. Jedenfalls aber möge gem §  51 e Abs. 2 VStG eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt werden. In der Berufung bezweifelte er die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er führte aus, der bereits zuvor bei Arbeiten angefallene Bauschutt sei nicht durch die Dachöffnung nach unten geworfen worden. Vielmehr sei der gesamte Bauschutt ordnungsgemäß durch das Stiegenhaus nach unten zu den Bauschuttcontainern verbracht worden. Weiters könne ihm die Tat nicht zum Vorwurf gemacht werden. Er sei der ihn treffenden Verpflichtung in ausreichendem Maße nachgekommen, dass sämtliche auf der gegenständlichen Baustelle eingesetzten Mitarbeiter von ihm regelmäßig in allen dem Arbeitnehmerschutz dienenden Belangen unterrichtet würden. Er habe die notwendigen Vorkehrungen und organisatorischen Maßnahmen für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen getroffen. Dass x entgegen seinen ausdrücklichen Anweisungen keine Schutzausrüstung getragen und Bauschutt aus der Dachöffnung geworfen habe, könne ihm entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden. Weiters liege bei der Strafbemessung eine Ermessensüberschreitung vor. Die belangte Behörde hätte als mildernd zu werten gehabt, dass er sehr wohl organisatorische Maßnahmen ergriffen habe, damit die Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten würden. Er habe sich somit keineswegs diesen Bestimmungen gegenüber gleichgültig verhalten. Es treffe ihn, wenn überhaupt nur ein geringes Verschulden. Dies hätte als weiterer Milderungsgrund gewertet werden müssen. Die belangte Behörde werte als erschwerend, dass er 3 einschlägige Verwaltungsvorstrafen aufweise. Deren Berücksichtigung als Erschwerungsgrund sei jedoch unzulässig, da diese bereits strafsatzerhöhend wirken würden. Die belangte Behörde hätte daher ausgehend von einem Strafrahmen von € 290-- bis € 14.530 eine niedrigere Strafe verhängen müssen. Schließlich hätten sich zwischenzeitlich seine Einkommensverhältnisse massiv geändert. Er bringe lediglich noch € 1300,-- bis € 1400,-- monatlich ins verdienen und sei auch aus diesem Grund die Strafe zu hoch bemessen. Zum Beweis seines gesamten Vorbringens legte er Dienstanweisungen des x, x und x mit dem Berufungsschriftsatz vor und bot seine Einvernahme sowie die zeugenschaftliche Einvernahme von x, x und x an.

 

1.3. Die belangte Behörde legte dem unabhängigen Verwaltungssenat den Verfahrensakt zur Entscheidung vor. Der UVS führte am 26. September 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In der mündlichen Verhandlung wurde der Arbeitsinspektor x sowie die Herren x, x und x als Zeugen einvernommen. Der Berufungswerber wurde als Partei einvernommen. Abschließend verzichteten die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisaufnahme.

 

1.3.1. Der Vertreter des AI erstattete in der mündlichen Verhandlung folgendes Schlussvorbringen: „Das Ermittlungsverfahren hat gezeigt, dass der Polier x in keiner Weise ausreichend über die für einen Abwurf von Bauschutt im ggst. Fall erforderlichen Schutzmaßnahmen Bescheid wusste. Er vermeinte, es sei ausreichend, eine persönliche Schutzausrüstung zu verwenden. Dazu wird auf die im Strafantrag zitierten Gesetzesvorschriften, die auch im Straferkenntnis Eingang gefunden haben, verwiesen. Die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung ist im ggst. Fall nicht relevant. Weiters wurde behauptet, das Schuttmaterial sei über das Stiegenhaus entsorgt worden. Es steht, was den Aufwand betrifft, in keiner Relation zur Entsorgung über die Öffnung im Dach. Es war auch in keiner Weise ein Kontrollsystem entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden. Der Bw hat selber bestätigt, dass ihm die Luke in dieser Form nicht bekannt war. Es wird daher beantragt, die Berufung abzuweisen und das bekämpfte Straferkenntnis zu bestätigen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass bereits rechtskräftige Vorstrafen im Sinn der BauV vorliegen, was einer Herabsetzung der beantragten Geldstrafe entgegensteht. Dies ist bei der Strafhöhe zu berücksichtigen. Sollte sich der Bw einsichtig zeigen, besteht gegen eine Herabsetzung der Strafhöhe auf 1300,-- Euro jeweils kein Einwand.“

 

1.3.2. Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete gemeinsam mit dem Bw folgendes Schlussvorbringen: „Wir weisen jegliches schuldhaftes Verhalten von uns. Es sind ordnungsgemäße Kontrolleinrichtungen in unserem Unternehmen installiert, die der Einhaltung der Arbeitnehmer­schutzvorschriften dienen. In Folge des bestehenden Kontrollsystems ist dem Bw in keiner Weise ein schuldhaftes Verhalten anzulasten. Das bewusste Zuwiderhandeln eines einzelnen Arbeitnehmers kann dem Unternehmer nicht angelastet werden, zumal dies eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines ordentlich arbeitenden Unternehmers führen würde. Für den Fall, dass der UVS zu dem Ergebnis kommen sollte, dass dem Grunde nach ein schuldhaftes Verhalten anzunehmen ist, wird um die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen ersucht.“

 

2. Aufgrund des vorgelegten Aktes und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

2.1. Der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x. Er ist für eine Tochter sorgepflichtig und  verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1300,-- bis 1400,-- Euro. (Aussage Berufungswerber Tonbandprotokoll Seite 3).

 

2.2. Am 11. März 2013 führte der Arbeitsinspektor x bei der Baustelle Umbau x eine Kontrolle durch. Dabei traf er den Arbeitnehmer der x, x an. Dieser warf von einer straßenseitigen Außenwandöffnung im Dachgeschoss Bauschutt in einen der beiden unten abgestellten Container (Zeugenaussage x Tonbandprotokoll Seite 2). x handelte damit entgegen der Weisung des Poliers x, der ihn hingewiesen hatte, dass er den Bauschutt nicht nach unten werfen dürfe (Zeugenaussage x Tonbandprotoll Seite 8).

 

2.3. x war gerade alleine auf der Baustelle. Die übrigen Arbeitnehmer und der Polier x waren beim Jausen holen und kamen mit dem Firmenbus erst etwa 10 Minuten später  zurück. (Aussage x Tonbandprotokoll Seite 2 und  3, Zeugenaussage x Tonbandprotokoll Seite 6, Zeugenaussage x Tonbandprotokoll Seite 8).

 

2.4. Ob die Arbeitnehmer der x auch während der Anwesenheit des Poliers x den Bauschutt aus dieser Dachöffnung warfen bzw geworfen hatten, konnte nicht festgestellt werden. Ein Gerüst samt Schuttrutsche wurde jedenfalls erst am 12. März 2013 aufgestellt. Das Gerüst und die Schuttrutsche hätten zwar bereits am 11. März 2013 aufgestellt werden sollen, die Gerüstfirma hatte aber abgesagt und mitgeteilt, sie könne das Gerüst erst am 12. März 2013 aufstellen (Zeugenaussage x Tonbandprotokoll Seite 9).

 

2.5. Das Arbeitsinspektorat Linz erstattete daraufhin mit Eingabe vom 15. März 2013 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) Strafanzeige gemäß §  9 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und beantragte, gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen wegen Übertretungen des § 16 Abs. 5 Bau V sowie der § 7 Abs. 1 Bau V iVm § 7 Abs. 2 Bau V Geldstrafen von jeweils 1500,-- Euro (insgesamt also  3000,-- Euro) zu verhängen.

 

2.6. Die belangte Behörde leitete daraufhin das Ermittlungsverfahren ein und erließ das bekämpfte Straferkenntnis.

 

3. Zur Beweiswürdigung:

 

3.1. Der im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses angelastete Tatvorwurf ist in objektiver Hinsicht unstrittig. x war bei der Kontrolle durch x am 11. März 2013 alleine und gerade mit dem Abwerfen von Bauschutt beschäftigt. Die Gestaltung der Baustelle (Absturzhöhe von ca. 6 m, abgestellte Container) ist ebenfalls unstrittig.  Der Polier war gerade mit den anderen Arbeitnehmern zum Jausen holen gefahren. Der Polier x Versicherte in der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitspflicht, er habe x untersagt, Bauschutt aus der Öffnung im Dachgeschoss zu werfen. Da dem Polier keine gerichtliche Falschaussage unterstellt werden kann, ist folglich von einem weisungswidrigen Verhalten des x auszugehen. x bestätigte auch, es sei ihm nicht erlaubt gewesen, die Platten über die Öffnung nach unten zu schmeißen. Er habe (dessen ungeachtet) Heraklithplatten teilweise hinuntergeschmissen (Aussage x Tonbandprotokoll Seite 6).

 

3.2. Die belangte Behörde ging nun in der Begründung des Straferkenntnisses davon aus, das gesamte Abbruchmaterial sei auf diese Weise entsorgt worden. Der Bw führte demgegenüber aus, der Bauschutt sei über das Stiegenhaus in die Container verbracht worden. Nun mag es sein, das die Entsorgung über die Öffnung im Dach wesentlich einfacher ist als über das Stiegenhaus. Der Polier x sagte aber zeugenschaftlich aus, dass die Arbeitnehmer angewiesen waren, den Bauschutt über das Stiegenhaus zu entsorgen und letztlich auch mehr als ein Container Schutt über das Stiegenhaus entsorgt wurde. Es kann dem Bw daher nicht mit der ausreichenden Wahrscheinlichkeit unterstellt werden, es sei auch vor bzw nach der Kontrolle Schutt aus der Dachöffnung geworfen worden. 

 

3.3. Es waren daher auf Grundlage der angeführten Beweismittel die Feststellungen zu Pkt 2 zu treffen.

 

4. rechtliche Beurteilung:

 

4.1. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften ergeben sich aus folgenden gesetzlichen Bestimmungen.

 

§ 7 Abs 1 und Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) lautet:

(1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

(2) Absturzgefahr liegt vor:

     1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

     2. an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen an oder über Gewässern oder anderen Stoffen, wenn die Gefahr des Versinkens besteht,

     3. an Wandöffnungen, an Stiegenläufen und -podesten sowie an Standflächen zur Bedienung oder Wartung von stationären Maschinen bei mehr als 1,00 m Absturzhöhe,

     4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

§ 16 Abs 5 BauV lautet:

(5) Das Abwerfen von Gegenständen und Materialien ist nur gestattet, wenn der hiedurch gefährdete Bereich durch Warnposten oder sonst in zuverlässiger Weise gesichert ist. Mit dem Abwerfen darf erst begonnen werden, nachdem der Abwerfende sich selbst überzeugt oder der Warnposten durch ein gut wahrnehmbares und vorher vereinbartes Zeichen bekanntgegeben hat, daß der gefährdete Bereich gesichert ist. Warnposten haben sich nur der Sicherung des gefährdeten Bereiches zu widmen, sie dürfen nicht gleichzeitig mit anderen Verrichtungen beschäftigt werden.

 

§ 118 Abs 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) lautet:

(3) Die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Für die Änderung der Bauarbeiterschutzverordnung ist dieses Bundesgesetz maßgeblich:

 

§ 130 Abs 5 ASchG lautet:

(5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

     1. den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

     2. die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

 

4.2. Bei der Kontrolle des AI am 11.3.2013 wurde Bauschutt aus der Öffnung im Dach abgeworfen, wobei die im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses angeführten Bestimmungen des § 16 Abs. 5 BauV sowie § 7 Abs. 1 in Verbindung mit 7 Abs. 2 Ziffer 3 BauV nicht eingehalten wurden. Ob – wie der Bw vorbrachte – persönliche Schutzausrüstung vorhanden war, ist dabei nicht relevant. Ein Gerüst wurde erst am 12.3.2013 aufgestellt. x war nicht entsprechend abgesichert. Der Berufungswerber hat die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht begangen. Er hat als nach außen zu vertreten Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG hierfür einzustehen.

 

4.3. Gem. § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

4.3.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist im vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Bw nach § 5 Abs. 1 obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177 UVA).

 

4.3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. VwGH vom 24.5.2013, GZ 2012/02/0072). Der Hinweis auf das weisungswidrige Verhalten und die vorgelegten schriftlichen Dienstanweisungen reichen nicht aus. x war im Kontrollpunkt alleine auf der Baustelle. Für das Bestehen eines Kontrollsystems reicht es nicht aus, auf die Einhaltung von Weisungen allenfalls auch geschulter Arbeitnehmer zu vertrauen. Der Zeuge x sagte in der mündlichen Verhandlung aus, wenn x trotzdem Bauschutt abgeworfen hätte, dann könne er das nicht ändern (Tonbandprotokoll Seite 9). Damit ist anschaulich dargelegt, dass im Tatzeitpunkt eben kein Kontrollsystem vorhanden war. Die vorgelegten „Sicherheitsunterweisungen“ reichen nach der st. Rsp jedenfalls nicht aus, um ein entsprechendes Kontrollsystem darzutun. Es ist jedenfalls von leichter Fahrlässigkeit auszugehen. 

 

4.4. Grundlage für die Bemessung der Strafe sind gemäß § 19 Abs 1 VStG die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies gemäß § 19 Abs 2 VStG die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

4.5. Die belangte Behörde ging zutreffend von einem Strafrahmen von € 290,‑‑ bis € 14.530,-- aus. 1 einschlägige Vorstrafe begründet infolge des „Wiederholungsfalles“ die Anwendbarkeit des erhöhten Strafsatzes nach § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Die 2. und 3. einschlägige Vorstrafe waren entgegen der Ansicht des Bw sehr wohl als erschwerend zu werten. Mildernd war kein Umstand. Der Berufungswerber hat jedenfalls leicht fahrlässig gehandelt und war bis zuletzt uneinsichtig. Bei der Strafbemessung waren die festgestellten Einkommensverhältnisse und persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers zu berücksichtigen. Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass das gesamte Abbruchmaterial des Dachgeschosses in die vor dem Haus aufgestellten Schuttmulden geworfen wurden. Dies ist aber nur für die Kontrolle am 11. März 2013 nachgewiesen. Dass auch vor oder nach der Kontrolle Bauschutt in die Container abgeworfen worden wäre, kann dem Berufungswerber nicht mit der ausreichenden Wahrscheinlichkeit unterstellt werden. Der UVS geht daher von einem geringeren Unrechtsgehalt aus, was zur Herabsetzung der verhängten Geldstrafen führt. Für das Verfahren vor dem UVS ist somit kein Kostenbeitrag zu entrichten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Mag. Weigl

 

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