Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-168058/9/Br/Ka

Linz, 09.10.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, vom 21. August 2013, Zl.: VerkR96-1301-2013, wegen zweier Übertretungen der StVO 1960, nach der am 08.10.2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.              Die Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird in beiden Punkten behoben und das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1  u. Z2 VStG eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:                 §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm  §§ 24, 51 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach §  5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a, sowie § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, Geldstrafen von 1.600 Euro und 300 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von vierzehn und drei Tagen ausgesprochen, wobei ihm sinngemäß zur Last gelegt wurde, er habe

1)   am 18.01.2013 gegen 06.00 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen x im Gemeindegebiet von Gosau auf der Gosauseestraße L1291 nahe der Talstation der Gosaukammbahn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,78 mg/l Atemluftalkoholgehalt bzw. 1,56 Promille Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt der Messung um 10.58 Uhr - Zeitdifferenz zwischen Lenkzeit und dem Zeitpunkt der Messung der Atemluft: 3 Stunden und 58 Minuten - zum Lenkzeitpunkt gegen 06.00 Uhr lag daher nach Rückrechnung bei - einem stündlichen Abbau von 0,05 mg/l bzw. 0,1 Promille ein Blutalkoholgehalt von 1,95 Promille vor).

 

2) er habe am 18.01.2013 gegen 06.00 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen x im Gemeindegebiet von Gosau auf der Gosauseestraße L1291 nahe der Talstation der Gosaukammbahn - StrKm. 7,050 gelenkt und sei  dabei mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, seine körperliche und geistige Verfassung, zum Unfallzeitpunkt festzustellen.

 

 

1.1. Begründend verwies die Behörde erster Instanz im Ergebnis auf ihr umfangreich geführtes Ermittlungsverfahren und gelangte darauf gestützt zum Ergebnis, der Berufungswerber habe sowohl in objektiver als auch in subjektiver Weise die Verwaltungsübertretungen zu verantworten. Die Versuche seine Unschuld darzulegen wären mehrfach Lehre gegangen. Insbesondere wurde auf die Aussagen der amtshandelnden Beamten und des Schneeräumfahrzeugfahrers verwiesen, wobei Letzterer vom Berufungswerber den Eindruck gewonnen hatte, er wäre oder könnte alkoholisiert gewesen sein. Auch das vom Berufungswerber  mehrfach ungehört gebliebene laute Rufen des GI x in der Wohnung des Berufungswerbers  wurde als Indiz einer zum Unfallzeitpunkt gegebenen Alkoholbeeinträchtigung gewertet.

Ferner vermeinte die Behörde erster Instanz, es würde nicht der Lebenserfahrung entsprechen, dass jemand nach mehr als 20 stündiger Arbeit, früh morgens gegen 6:30 Uhr noch 2 Flaschen Wein trinken würde.

Betreffend den zweiten Spruchpunkt wurde im Ergebnis ausgeführt, dass der Verkehrsunfall durch Auffahren auf das Schneeräumgerät als Verkehrsunfall mit Sachschaden zu werten sei. Durch das Verlassen der Unfallstelle nach etwa 30 Minuten und noch vor Eintreffen der bereits verständigten Polizei sei die Feststellung seiner körperlichen und geistigen Verfassung zum Unfallzeitpunkt vereitelt worden. Selbst wenn dem Umstand Glauben geschenkt werden sollte, dass er dem Schneepflugfahrer gesagt habe jederzeit auf dem Handy erreichbar zu sein, hätte dies die Mitwirkungspflicht nicht zu ersetzen vermocht. Das Verbot keinen Alkohol konsumieren zu dürfen wäre durch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit.c StVO inkludiert.

 

 

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung tritt der Rechtsvertreter den Tatvorwürfen im Ergebnis mit folgenden Ausführungen entgegen:

Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 21.8.2013 erhebe ich innerhalb offener Frist

 

Berufung

 

und fechte das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach an und begründe dies wie folgt:

 

Mit dem gegenständlichen Straferkenntnis wird mir unterstellt, dass ich am 18.1.2013, gegen 06:00 Uhr, meinen Pkw in alkoholisiertem Zustand, und zwar mit einer Alkoholisierung von 1,95 Promille, gelenkt habe und in diesem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht habe. Weiters wird mir unterstellt, dass ich nicht ordnungsgemäß und gesetzeskonform an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt hätte.

 

Im Straferkenntnis werden von Seiten der Verwaltungsstrafbehörde Feststellungen getroffen, welche mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit im durchgeführten Ermittlungsverfahren keinerlei Deckung finden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass auch im Ver­waltungsstrafverfahren der Grundsatz „In dubio pro reo" gilt. Diese Tatsache wird von den Verwaltungsstrafbehörden sehr häufig negiert, welche vielmehr einen strafrechtlichen Entlas­tungsbeweis des Beschuldigten verlangen. Auch in gegenständlichem Fall ist die Erstbehörde so vorgegangen, dass sie den in der Aufforderung zur Rechtfertigung erhobenen Tatvorwurf als gegeben vorangestellt hat und faktisch den Beschuldigten die Pflicht auferlegt hat, einen Entlastungsbeweis zu erbringen. Dies ergibt sich auch deutlich aus der Begründung des Straferkenntnisses, welches sich darauf beschränkt, die Darstellung des Beschuldigten zu wi­derlegen, ohne andererseits den unterstellten objektiven Tatbestand ordnungsgemäß und nachvollziehbar zu begründen.

 

Objektiviert ist in gegenständlichem Fall lediglich, dass es gegen 06:00 Uhr morgens zu einer Kollision zwischen meinem Pkw und dem Schneeräumfahrzeug gekommen ist. Ungeklärt ist hingegen, ob das Schneeräumfahrzeug zu diesem Zeitpunkt gestanden ist, oder sich in einer Rückwärtsbewegung befunden hat. Für mich hat sich jedenfalls der Eindruck ergeben, dass das Fahrzeug in einer Rückwärtsbewegung ist, weil jedenfalls ein Rückfahrscheinwerfer ein­geschaltet war. Die Unfallstelle ist extrem unübersichtlich und befindet sich mitten in einer Kurve. Ein Anhalten des Fahrzeuges in dieser unübersichtlichen Kurve zum Zwecke der Vor­nahme von Eintragungen in einem Dienstbuch ist jedenfalls rechtswidrig und entspricht nicht der StVO. Letztendlich ist diese Rechtsfrage jedoch für die Beurteilung des Sachverhaltes

nicht maßgeblich. Es muss lediglich darauf eingegangen werden, weil die Erstbehörde den Unfall als solches als Indiz für eine gegebene Alkoholisierung meinerseits darstellt.

 

Objektiviert ist weiters, dass ein von der Polizei durchgeführter Alkoholtest um 11:58 am 18.01.2013 bei mir einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,78 mg/1 ergeben hat. Würde man unterstellen, dass ich zwischen dem Unfallereignis und der Überprüfung der Atemluft keinen Alkohol getrunken hätte, würde sich aus der Rückrechnung zum Zeitpunkt des Unfalles eine Alkoholisierung von 1,95 Promille ergeben. Unterstellt man hingegen eine von mir behaupte­te Nachtrunkmenge von zwei Flaschen Wein, so würde sich zum Unfallzeitpunkt keine Al­koholisierung ergeben. Entscheidend ist daher die Tatsachenfrage, ob der behauptete Nach-trunk getätigt wurde, oder nicht.

 

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ich die Polizei, nachdem ich am Vormittag in meiner Wohnung aufgeweckt wurde, unmittelbar, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt sicher noch schlaftrunken war, darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich zwischen 07:00 Uhr und 08:30 Uhr zwei Flaschen Wein getrunken habe. Ich konnte den Behörden auch unmittelbar zeigen, dass in meiner Privatküche zwei leere Flaschen Wein auf dem Tisch standen. Dies ist ein Faktum, welches in der Begründung des Straferkenntnis nicht einfach vernachlässigt werden kann. Hätte ich tatsächlich eine Alkoholisierung zu verbergen gehabt, wäre es mir ein leichtes gewesen, meine Privatwohnung einfach abzusperren. Die Polizei hätte dann keine Möglichkeit gehabt in die Wohnung zu gelangen. Es wäre etwa auch kein Problem gewesen, mich etwa in eine andere Wohnung im Ort Gösau zu begeben, die im Familienbesitz ist. Es wäre mir überhaupt kein Problem gewesen, mich gegenüber der Polizei zu verbergen, wenn ich tatsächlich etwas zu verbergen gehabt hätte.

 

Die Erstbehörde begründet Ihre Tatsachenfeststellungen auch mit meinem Verhalten nach dem Unfall. Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal darauf verweisen, dass ich oh­nedies eine halbe Stunde an der Unfallstelle zugewartet habe und in weiterer Folge noch dem Lenker des Schneeräumfahrzeuges mitgeteilt habe, dass ich jederzeit am Handy erreichbar wäre und ich mich in mein in 50 Meter Entfernung zur Unfallstelle befindliches Gasthaus begeben werde. Die Erstbehörde geht auch in Verkennung der Rechtslage davon aus, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch verpflichtet gewesen wäre, auf der Unfallstelle zu verbleiben, um die Feststellung meines Zustandes durch die Polizei zu ermöglichen. Diese Rechtseinschät­zung ist jedoch unrichtig und hat diese unrichtige Rechtsmeinung auch wohl Einfluss auf die von der Behörde getroffenen Feststellungen gehabt. Bei einem Verkehrsunfall, welcher ledig­lich mit Sachschaden verbunden ist, ist eine Sachverhaltsfeststellung damit abgeschlossen, dass ein ausreichender wechselseitiger Identitätsausweis der beteiligten Unfallslenker erfolgt ist. Dass ein solcher Identitätsnachweis vorgelegen ist, hat die Behörde selbst angenommen und demnach auch den entsprechenden Tatvorwurf nicht weiter verfolgt und diesbezüglich das Verfahren eingestellt. Bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ist nach einem Identi­tätsaustausch eine weitere Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsfeststellung im Sinne der zi­tierten Bestimmung nicht mehr notwendig, sodass auch der entsprechende Tatvorwurf im Straferkenntnis fälschlicherweise erhoben wird (Pürstl-Somereder, StVO, Anmerkung 7 zu § 4 StVO). Wenn Inspektor X um 07:00 Uhr tatsächlich nach mir gerufen hat, so kann ich dies damit erklären, dass ich mich entweder zu diesem Zeitpunkt im Keller befunden habe, oder unter der Dusche. Diese zwei Möglichkeiten verbleiben deshalb, weil auch der genaue Zeitpunkt, zu dem sich Inspektor x in meine Wohnräumlichkeiten begeben hat, nicht verifiziert ist. Nicht verifiziert ist auch, in welche Räumlichkeiten er tatsächlich hineinge­schaut hat. Ich darf in dem Zusammenhang noch einmal darauf verweisen, das es kein Prob­lem gewesen wäre, meine Privaträumlichkeiten entsprechend zu versperren und hätte die Po­lizei dann auch keinerlei Zugang gehabt.

 

Soweit die Behörde dahingehend argumentiert, dass es nicht lebensnah wäre, dass jemand der 20 Stunden gearbeitet habe, noch zwei Flaschen Wein trinkt, so ist dem entgegenzuhalten, dass nach 20stündiger Arbeit sich oft keine Müdigkeit sondern eine entsprechende Aufgewühltheit einstellt, die das Einschlafen hemmt. Im konkreten Fall ist zu berücksichti­gen, dass durch das Unfallereignis hier ein zusätzlicher Effekt eingetreten ist, immerhin ist erheblicher Schaden an meinem Pkw entstanden. Es ist daher verständlich, dass ich mich ge­ärgert habe und frustriert war, und ich daher auch um mich in gewisser Weise zu beruhigen, und das Einschlafen zu ermöglichen, Alkohol konsumiert habe. Ich habe bereits dargestellt, dass ich zu diesem Zeitpunkt mit keinem Polizeieinschreiten mehr rechnen musste.

 

Ungeachtet dessen, lediglich unterstützend, habe ich der Behörde auch den Nachweis erb­racht, dass ich während meiner Arbeitstätigkeit auch Getränkeeinladungen, die ich erhalten habe, abgelehnt habe, mit der Begründung, dass ich noch nach Hause fahren muss. Natürlich sind solche Aussagen oft nur eine Momentaufnahme und kann diesen nur eine Indizwirkung zukommen. Jedenfalls konnte ich aber nachweisen, dass ich Getränkeeinladungen im Hin­blick auf die bevorstehende Fahrt abgelehnt habe. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Erstbehörde diese Aussage zu meinen Nachteil wertet, und als misslungenen Versuch wertet, den Vorwurf der Alkoholisierung zu entkräften.

 

Letztendlich ist noch auf die Angaben des Zeugen x (Lenker des Räumfahrzeuges) einzugehen. Dieser hat gegenüber den Behörden angegeben, dass er den Eindruck gehabt hät­te, dass ich zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert war. Er meinte dies aus dem Verhalten und aus der Aussprache ableiten zu können. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf zu verweisen, dass nach einem derartigen Unfall verständlicherweise eine gewisse Aufgeregtheit vorliegt, welche auch Einfluss auf die Stimmlage und das allgemeine Verhalten hat. Dies ist jedenfalls lebensnah. Hätte ich hingegen zu diesem Zeitpunkt, wie unterstellt, einen Blutalkoholgehalt von 1,95 Promille aufgewiesen, wäre praktisch von einem Vollrausch auszugehen. In diesem Fall hätten deutliche Alkoholisierungsmerkmale, wie schwankender Gang, lallende Ausspra­che, und dergleichen feststellbar sein müssen. Von derartigen deutlichen Alkoholisierungsin-dizien hat jedoch der Zeuge x nie gesprochen, und ist daher auch auszuschließen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt in einem solchen Zustand, wie von der Behörde unterstellt, be­funden habe.

 

Richtigerweise hätte daher die Erstbehörde feststellen müssen, dass mit der für das Strafver­fahren erforderlichen Sicherheit nicht festgestellt werden kann, dass ich mich zum Un­fallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand befunden habe. Dass bei ei­nem Verkehrsunfall mit Sachschaden eine weitere Mitwirkungspflicht nach Identitätsaus­tausch nicht mehr notwendig ist, und daher der diesbezügliche Tatvorwurf ins Leere geht, wurde bereits dargestellt. Insgesamt erweist sich daher das Straferkenntnis als auf falschen Feststellungen basierend und als rechtswidrig. Ich stelle daher den

 

Berufungsantrag

 

meiner Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzu­stellen.

 

Im Falle einer mündlichen Berufungsverhandlung beantrage ich bereits jetzt, die neuerliche Einvernahme des Zeugen x.

 

Gmunden, am 6.9.2013 x.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Berufungsschrift unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben 10.9.2013 vorgelegt. Damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet (§ 51 Abs.1 VStG). Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Erörterung des Inhaltes der Verwaltungsstrafakte, sowie durch zeugenschaftliche Einvernahme der vom Berufungswerber zur Berufungsverhandlungsstellig gemachten Zeugen, M. x, R. x und D. x, sowie des Berufungswerbers als Beschuldigten. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz hat an der Berufungsverhandlung teilgenommen.

Verlesen wurde insbesondere das amtsärztliche Gutachten betreffend die Rückrechnung der angegebenen Trinkmenge zum Ergebnis der Atemluftuntersuchung.

 

 

 

4.1. Es ist von folgendem rechtlich relevanten Sachverhalt auszugehen:

Unbestritten ist das Unfallereignis welches sich am 18.1.2013 um 6:00 Uhr früh in Gosau auf der Landstraße 1291, bei Straßenkilometer 7,05 zugetragen hat. Der Berufungswerber stieß mit seinem Pkw gegen das von Ch. x gelenkten und an einem Umkehrbereich angehaltenen Schneeräumfahrzeug. Er hat sich gegenüber dem Lenker des Schneeräumfahrzeuges (Schneepflug) im Grunde Schuld einsichtig gezeigt, dieser habe jedoch aufgrund seiner Dienstvorschrift die Polizei verständigen müssen. Beide Unfallbeteiligten waren sich offenbar gegenseitig nicht fremd.

Nach der Verständigung der Polizei seitens des Lenkers des Schneeräumfahrzeuges verweilte der Berufungswerber etwa noch 10 Minuten an der Unfallstelle und verbrachte dann sein Fahrzeug zu seiner nahe gelegenen Wohnörtlichkeit. Anschließend ging er wieder zur Unfallstelle zurück und wartete nochmals einige Zeit (insgesamt 20 Minuten), ehe er sich, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt die Polizei immer noch nicht eingetroffen war, nach Hause  begeben hat.

Der Berufungswerber gibt an, einen sehr langen Arbeitstag hinter sich gehabt zu haben, und unfallbedingt sehr aufgeregt gewesen zu sein. Er habe sich daher noch zwei Flaschen Wein aus dem Keller geholt, habe noch geduscht und schließlich bis etwa 09:00  Uhr vormittags die zwei Falschen Wein getrunken. Anschließend habe er sich schlafen gelegt. Von zwei Polizeibeamten wurde er dann geweckt, wobei diese mitten im Schlafzimmer gestanden sind.

Als er zum Alkotest aufgefordert wurde, habe er sofort auf den zwischenzeitig getätigten Alkoholkonsum hingewiesen. Die Beamten haben sogar die beiden Flaschen fotografiert.

Damit im Einklang stehen auch die von den einschreitenden Beamten, die aus dienstlichen Gründen gehindert waren an der Berufungsverhandlung teilzunehmen.

Der Behörde erster Instanz ist wohl darin zu folgen, dass es nicht gerade alltäglich ist in den frühen Morgenstunden zwei Flaschen Wein zu trinken. Andererseits erklärt der Berufungswerber ebenso durchaus begreiflich, wenn er dies ob der Verärgerung über sein schwer beschädigtes Fahrzeug getan hat. Jedenfalls kann in den Überlegungen zur Beweiswürdigung seitens der Behörde kein so stichhaltiges Indiz erblickt werden, welches bereits jeden vernünftigen Zweifel an einer schon zum Lenkzeitpunkt bestehenden Alkoholisierung ausschließen könnte.

 

 

4.1.1. x gibt etwa schon im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens und ebenso im Rahmen des Berufungsverfahrens an, er habe gegen 10:30 Uhr in den Wohnräumen des Gasthauses in x den Berufungswerber angetroffen und ihn aus dem Tiefschlaf geweckt.

Er wurde folglich zur Durchführung des Alkotests auf der Dienststelle der Polizeiinspektion Gosau aufgefordert. Er habe deutliche Alkoholisierungsmerkmale aufgewiesen. Er habe dem Alkotest zugestimmt, jedoch unverzüglich auf den getätigten Nachtrunk (nach dem Unfall) hingewiesen. Er habe auf zwei auf einem Regal abgestellt gewesenen Weinflaschen gezeigt und erklärt, diese bis ca. 9:00 Uhr konsumiert zu haben. Er begründete dies mit seiner unfallbedingten Frustration.

Ebenso werden diese Angaben in einer Mitteilung an den unabhängigen Verwaltungssenat (E-Mail vom 6. Oktober 2013) von der Polizeibeamtin E. x  

bestätigt, bzw. im Ergebnis inhaltsgleich dargestellt. Auch sie gibt konkret an, den Berufungswerber in seiner Wohnküche „fest schlafend“ angetroffen zu haben. Er habe laut angesprochen und geschüttelt werden müssen um aufzuwachen. Offenbar habe er sich im Tiefschlaf befunden. Er sei auf den stark beschädigten Pkw hingewiesen zum Alkotest aufgefordert worden. Diesen habe er zugestimmt und eben auf die leeren Weinflaschen hingewiesen welche er nach dem Unfall getrunken habe.

Auf welcher Grundlage die Beamten zwecks Klärung eines an sich unstrittigen Unfallgeschehens bis in das Schlafzimmer eines einer Verwaltungsübertretung verdächtigen Person vordringen konnten und diesen aus dem Schlaf zu rütteln, muss an dieser Stelle auf sich bewenden bleiben. Ein Hinweis auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Intimsphäre soll an dieser Stelle nicht fehlen. Es erhebt sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit dem Verdacht der vermeintlichen Begehung und Überführung einer bloßen Verwaltungsübertretung.

Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf den Widerspruch, wenn einerseits die Behörde erster Instanz dem Berufungswerber den Nachtrunk nicht glaubte, andererseits jedoch gleichzeitig diesen im Zusammenhang mit der vermeintlich verletzten Mitwirkungspflicht durch den Nachtrunk als Verwaltungsübertretung erachtet.

Auch die vom Berufungswerber stellig gemachten Zeugen, welche im Ergebnis zum Beweisthema ihrer Eindrücke,  die sie im Laufe des Abends vom Berufungswerber in Erinnerung hatten, geführt wurden und bei Verzicht auf die Zeugengebühren gehört wurden. Alle Zeugen gaben im Grunde übereinstimmend an, dass der Berufungswerber bis in die frühen Morgenstunden keinen nennenswerten Alkoholkonsum getätigt und auf sie keinen aktualisierten Eindruck gemacht habe. Der Zeuge x berichtete vom Konsum von zwei Gespritzten die er dem Berufungswerber um etwa 03:00 Uhr früh serviert hatte. Ein weiterer Zeuge erklärte, bereits von der Polizei befragt worden zu sein, wobei sich jedoch diesbezüglich nichts im Akt findet.

 

 

4.2. Die Nachtrunkverantwortung des Berufungswerbers scheint letztlich durchaus glaubwürdig und insbesondere vor dem Hintergrund der amtsärztlichen Rückrechnung, welche die Nachtrunkbehauptung als schlüssig ausweist. Der Berufungswerber hat die Nachtrunkangaben sofort gegenüber den, für ihn wohl überraschend und ohne jegliche Vorbereitungsmöglichkeit, einschreitenden gemacht. Ferner hat er auch noch zwanzig Minuten an der Unfallstelle verbracht um das Eintreffen der Polizei dort abzuwarten.

Hätte er tatsächlich ein positives Messergebnis im Hinblick auf eine zu erwartende Atemluftuntersuchung zu befürchten gehabt, hätte er  wohl eher nicht diese Zeitspanne an der Unfallstelle verweilt, sondern hätte vielmehr schon vorher das Weite gesucht.

Der vom Berufungswerber beim Schneepflugfahrer laut dessen Angaben entstandene Eindruck einer möglichen Alkoholisierung, mag einerseits durchaus auf die unfallbedingte Erregung des Berufungswerbers zurückzuführen sein, andererseits, lässt sich die Motivlage für eine derart gegenüber Amtsorganen artikulierte Verdächtigung an sich nur schwer nachvollziehen. Sie widerlegt jedenfalls in keiner Weise die Nachtrunkverantwortung des Berufungswerbers.

Das von der Behörde erster Instanz dazu beigeschaffte und ausführlich abgefasste amtsärztliche Gutachten kommt beim Konsum von zwei Flaschen Wein der bezeichneten Qualität zum Ergebnis einer Blutalkoholkonzentration im Körper des Berufungswerber 95 kg wiegenden Berufungswerbers von 1,95 Promillen. Unter Zugrundelegung dieser Nachtrunkmenge würde sich laut diesem Gutachten zum Unfallzeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von 0,09 Promille ergeben.

Dies belegt, dass der Verantwortung des Berufungswerbers auch in deren Qualität und Schlüssigkeit durchaus hohe Glaubwürdigkeit zuzumessen ist. Es ist demnach kaum realistisch anzunehmen, der Berufungswerber hätte dieses Ergebnis durch ein ganz gezieltes „Nachtrinken“ oder auch nur durch eine im Vorfeld konstruierte Beweislage (durch Aufstellen zweier leerer Weinflaschen) herbeizuführen vermocht.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

An einen Schuldspruch und an die  Würdigung der diesbezüglichen Beweisen nach § 45 Abs.2 AVG und insbesondere vor dem Hintergrund eines fairen Verfahrens ist grundsätzlich ein strengerer Maßstab und nicht bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Die  Judikatur besagt, dass betreffend die Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunks, dieser bei sich ehest bietender Möglichkeit und auch in einer konkreten Menge behauptet werden müsste (unter vielen VwGH 27.2.2007, 2007/02/0018 mit Hinweis auf VwGH 26.1.1996, Zl. 95/02/0289). Gleichsam meint der nicht tatsachenkognitive Verwaltungsgerichtshof damit wohl, dass im gegensätzlichen Fall keine zur Rechtswidrigkeit führender Verfahrensmangel nicht vorliegt, wenn einer späteren Nachtrunkbehauptung von der Tatsacheninstanz nicht gefolgt wird.

Im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes ist gemäß der Judikatur ist daher  insbesondere dem Umstand Bedeutung beizumessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker eine Nachtrunkbehauptung aufgestellt hat (VwGH 12.10.1970, 133/70 und VwGH 12.11.1987, 87/02/0134).

Auch im gegenständlichen Fall  hat der Berufungswerber unverzüglich vor den einschreitenden Polizeibeamten die Behauptung eines Nachtrunkes aufgestellt; diese haben dies dokumentiert und – wie oben festgestellt – steht die Menge des genossenen Alkohol auch mit dem (rückgerechneten) Messergebnis  in Einklang (vgl. VwGH 19.12.2005, 2002/03/0287).

Der Berufungswerber befand sich demnach zum Zeitpunkt der Fahrt mit hoher Wahrscheinlichkeit in keinem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand.

 

 

5.1. Dem Berufungswerber wurde im Punkt 2) im Ergebnis zur Last gelegt „durch Verlassen der Unfallstelle es verunmöglicht zu haben, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen.

Die Rechtsnorm des § 4 Abs.1 lit.c. lautet jedoch, „Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben a) … wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, …….. und c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.“

Von einer Feststellung der körperlichen und geistigen Verfassung lässt sich daraus zumindest nicht unmittelbar als Tatbestandselement ableiten, wenngleich ein Nachtrunk dem Schutzzweck dieser Bestimmung entgegensteht.

Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO schließt jedoch grundsätzlich auch das Verbot mit ein, nach dem Unfall Alkohol zu trinken, wenn dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war, erschwert werden kann, und zwar unabhängig davon, ob vor dem Unfall Alkohol konsumiert wurde oder nicht; das Verbot besteht so lange, als mit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme, zu der auch die Feststellung eines allfälligen alkoholbeeinträchtigten Zustandes des Lenkers im Unfallzeitpunkt gehört, gerechnet werden muss (VwGH 22.4.1998, 97/03/0353 mit Hinweis auf VwGH 24.2.1982, 03/3848/80).

Nun kann auf sich bewenden, ob es hier dem Berufungswerber als Verschulden angerechnet werden könnte, dass er nach dem Verweilen an der Unfallstelle von 20 Minuten, bei der an sich unstrittiger Faktenlage die im Grunde eine polizeiliche Intervention logisch besehen nicht erfordert hätte (die Betroffenen kannten sich und der Sachverhalt war klar), seine Entfernung von dieser Örtlichkeit mangels Eintreffen der Polizei noch als Verschulden anzulasten wäre; ob er also noch mit einer amtlichen Tatbestandsaufnahme überhaupt rechnen hätte müssen.

Vor diesem Hintergrund wäre es ihm auch nicht vorzuwerfen noch Alkohol konsumiert zu haben, weil ein Eingriff in die Privatsphäre, wohl nicht derart weit ausgelegt werden darf, dass gleichsam über Stunden mit einem Alkoholverbot gerechnet werden müsste. Hier jedoch entspricht primär der im Spruch formulierte Vorwurf nicht dem Tatbestand des § 4 Abs.1 lit.c  StVO.

Ebenso dahingestellt hat auch die im Kontext und in der Sachaussage nicht wirklich nachvollziehbare Spruchformulierung in Punkt 1) zu bleiben.

 

Letztlich ist daher das Verfahren auch in diesem Punkt nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

Dr.    B l e i e r

 

 

 

VwSen-168058/9/Br/Ka vom 9. Oktober 2013

 

Erkenntnis

 

StVO 1960 §5 Abs1;

StVO 1960 §99 Abs1 lita

 

Nach h. Judikatur zur Glaubwürdigkeit eines Nachtrunks ist ein solcher bei sich ehest bietender Gelegenheit sowie auch in einer konkreten Menge zu behaupten (zB VwGH 27.2.2007, 2007/02/0018 mit Hinweis auf VwGH 26.1.1996, Zl. 95/02/0289).

Daher ist insbesondere dem Umstand Bedeutung beizumessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker eine Nachtrunkbehauptung aufgestellt hat (VwGH 12.10.1970, 133/70 und VwGH 12.11.1987, 87/02/0134). Im gegenständlichen Fall hat der Bf. unverzüglich gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten die Behauptung eines Nachtrunkes aufgestellt; diese haben ihn auch entsprechend dokumentiert und die Menge des genossenen Alkohols steht auch mit dem (rückgerechneten) Messergebnis in Einklang, sodass dieser Einwand insgesamt als glaubwürdig anzusehen war (vgl. VwGH 19.12.2005, 2002/03/0287).

 

Beschlagwortung:

 

Nachtrunk; Glaubhaftmachung