Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101759/15/Fra/Bk

Linz, 17.05.1994

VwSen-101759/15/Fra/Bk Linz, am 17. Mai 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 18. Jänner 1994, Zl. VerkR96/5903/1993-Stei/Mu, betreffend Übertretung des KFG 1967, nach der am 27. April 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungwerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 18. Jänner 1994, VerkR96/5903/1993-Stei/Mu, über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.1 KFG 1967 gemäß § 134 leg.cit. eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er sich als Lenker des Motorrades mit dem Kennzeichen vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugt hat, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, da am 26.

Oktober 1993 auf der B 127, Strkm 12,85, im Zuge einer Verkehrskontrolle festgestellt worden ist, daß der Vorderradreifen nicht mehr auf der ganzen Lauffläche die gesetzliche Mindestprofiltiefe aufwies.

Ferner wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages vom erstinstanzlichen Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

1.2. Dagegen hat der Berufungswerber fristgerecht beim O.ö.

Verwaltungssenat das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Der O.ö. Verwaltungssenat übermittelte zunächst die Berufung an die Erstbehörde zur Erlassung einer allfälligen Berufungsvorentscheidung. Diese sah sich jedoch zu einer derartigen Entscheidung nicht veranlaßt und legte den bezughabenden Akt ohne Erstattung einer Gegenschrift dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, durch eines seiner Mitglieder entscheidet (§ 51c VStG).

1.3. Der Berufungswerber stellt an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich den Antrag den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu gemäß § 21 VStG von der Strafe abzusehen, in eventu die Strafhöhe herabzusetzen. Zur Begründung dieser Anträge führt er im wesentlichen aus, daß er nicht schuldhaft gehandelt habe. Er verweist darauf, daß er die Reifen sorgfältig anhand der dafür vorgesehenen Indikatoren überprüft habe und die Profiltiefe noch über diesen Indikatoren lag. Er sei der Verpflichtung eines geprüften und sorgfältigen Fahrzeuglenkers nachgekommen, indem er sich anhand der Indikatoren vom Reifenzustand (Profiltiefe über dem Indikator) überzeugt habe. Er habe somit die ihm zumutbare Sorgfalt eingehalten und es treffe ihn daher keine Sorgfaltswidrigkeit und somit auch kein Verschulden iSd § 5 VStG. Es könne ihm auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn die zur Profiltiefenüberprüfung vorgesehenen Indikatoren nicht die richtige Höhe aufweisen. Als verfahrensrechtlichen Mangel macht der Berufungswerber geltend, daß die Erstbehörde seinen Antrag auf "Absehen von der Strafe" gemäß § 21 VStG vollkommen unberücksichtigt gelassen und nicht über diesen Antrag abgesprochen habe. Es habe ihm die Erstbehörde auch nicht gestattet, seinen Einspruch gemäß § 49 VStG mündlich zu erheben.

1.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zumal der Berufungswerber auch Elemente des Sachverhaltes bestreitet - nämlich, daß die Profiltiefe noch über den Indikatoren lag - war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Diese wurde am 27. April 1994 unter Anwesenheit des Berufungswerbers, des Zeugen BI A Gendarmerieposten O, sowie des Amtssachverständigen für kfz-technische Angelegenheiten, Ing. M, durchgeführt.

Als Ergebnis der vom unabhängigen Verwaltungssent des Landes Oberösterreich durchgeführten Beweisaufnahme ist festzustellen, daß der Berufungswerber zwar das objektive Tatbild der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt, die Übertretung jedoch mangels Verschulden nicht zu verantworten hat.

Unstrittig ist, daß die Mittellaufrille des in Rede stehenden Reifens zur Tatzeit am Tatort eine Profiltiefe von 1,8 mm und seitlich eine Profiltiefe von 1,5 mm aufwies.

Während der Meldungsleger zeugenschaftlich bei seiner Einvernahme am 7. Dezember 1993 vor der Erstbehörde angab, daß auch am gesamten Reifen die Indikatoren heraußen waren, behauptet der Berufungswerber - wie oben erwähnt - daß dies nicht der Fall war. Es hat daher der O.ö. Verwaltungssenat dieses Beweismittel besichtigt und der Amtssachverständige Ing. A anläßlich der mündlichen Verhandlung folgendes Gutachten erstattet:

"Es wurde sowohl der gegenständliche Reifen als auch ein Neureifen des Fabrikates Bridgestone, Type Battiax, Dimension 130/70 ZR 16 besichtigt. Hiebei wurde folgendes festgestellt:

Ein Neureifen des genannten Types weist auf der Mittelrille eine Profiltiefe von 3,5 mm auf. Die seitlichen Rillen weisen eine nach außen hin verringernd verlaufende Profiltiefe auf, wobei sich diese im Bereich der Reifenmitte von 3,2 mm nach außen hin auf 2,2 mm verringert. In den Profilen sind Erhöhungen angebracht, welche auch auf den Reifenseitenwänden gekennzeichnet sind. Diese Erhöhungen weisen in der Mittelrille eine Höhe von 1,2 mm und in den Seitenrillen eine Höhe von 1 mm auf. Der gegenständliche Reifen mit der Reifennummer VFL512 wies am heutigen Tage auf der Mittelrille eine Profiltiefe von 1,8 mm auf und seitlich eine Profiltiefe von 1,5 mm. Diese Profiltiefe stimmt mit den vom Zeugen durchgeführten Messungen überein, dh daß von einer korrekten Messung der Profiltiefe auszugehen ist. Der Rechtsmittelwerber gibt an, daß nach der Beanstandung nur mehr eine geringe Strecke zurückgelegt wurde. Am heutigen Tage ist am Motorrad kein Kennzeichen angebracht, dh daß davon auszugehen ist, daß die Zulassung über die Wintermonate, wie dies häufig üblich ist, hinterlegt wurde.

Beim gegenständlichen Reifen ist daher aufgrund der Profiltiefe von 1,8 mm bzw seitlich 1,5 mm in Verbindung mit der zuvor beschriebenen Höhe der Indikatoren festzustellen, daß bei diesem trotz Unterschreitung der vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe von 2 mm das Profil nicht bis zu den Indikatoren abgefahren ist." Es kann daher die Zeugenaussage des Meldungslegers vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, daß am gesamten Reifen die Indikatoren heraußen waren, objektiv nicht zutreffen. Während der Meldungsleger bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme durch den unabhängigen Verwaltungssenat vorerst dabei blieb, festgestellt zu haben, daß am gegenständlichen Reifen die Indikatorenstege komplett heraußen waren, relativierte er über Vorhalt seiner oben zitierten vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung getätigten Aussage diese Feststellung dahingehend, dazu nur mehr angeben zu können, daß er sich bei der Verfassung der Anzeige nicht festgelegt habe. Wenn er vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung ausgesagt habe, daß am gesamten Reifen die Indikatoren heraußen waren, könne er dazu nichts sagen.

Der Meldungsleger konnte somit keine plausible Erklärung liefern, wie es zu der Feststellung, daß am gesamten Reifen die Indikatoren heraußen waren, gekommen ist. Richtig ist, daß eine diesbezügliche Behauptung in seiner von ihm verfaßten Anzeige nicht aufscheint. Er deutete zumindest ansatzweise an, daß er die genannte Feststellung möglicherweise gar nicht getroffen habe, sondern vom Leiter der Amtshandlung in das Protokoll hineingeschrieben wurde.

Mit dieser Vermutung ist jedoch wieder der Umstand nicht erklärbar, daß dieses Protokoll von ihm unterschrieben wurde. Da der Meldungsleger seine zeugenschaftlich vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ausgelegte Aussage im Hinblick auf die Feststellung, daß die gesamten Indikatoren am Reifen heraußen waren, relativierte, die Zeugenaussage vom 7.

Dezember 1993 vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung im Hinblick auf diese Feststellung jedoch eindeutig ist, wird es am Leiter der Amtshandlung dieser Behörde, Herrn Amtssekretär S liegen, zu beurteilen, ob er iSd § 84 Abs.1 StPO iVm § 289 StGB initiativ zu werden hat.

Zum Verschulden des Berufungswerbers ist auszuführen:

Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, dh um ein Delikt, dessen Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges besteht. In diesem Fall muß der Täter glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln bzw die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Im gegenständlichen Fall hat der Berufungswerber einerseits einen konkreten Beweisantrag gestellt sowie andererseits als konkretes Beweismittel den in Rede stehenden Motorradreifen beigebracht. Es lag daher an der Behörde, dem Berufungswerber auch die subjektive Tatseite (das Verschulden) nachzuweisen. Ein Verschulden ist nun aus folgenden Gründen nicht anzunehmen:

Bereits in seiner Berufung verweist der Beschuldigte darauf, daß er der Verpflichtung eines geprüften und sorgfältigen Fahrzeuglenkers dadurch nachgekommen sei, indem er sich anhand der Indikatoren vom Reifenzustand (Profiltiefe über den Indikator) überzeugt habe. Er habe somit die ihm zumutbare Sorgfalt eingehalten, weshalb ihm auch eine Sorgfaltswidrigkeit nicht anzulasten sei. Damit ist er im Recht. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen, daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in seiner Judikatur ausgesprochen (vgl. ua. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169), daß man sich hüten muß, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektivsten Sorgfaltspflicht aus.

Auf den gegenständlichen Sachverhalt angewendet, bedeutet diese Rechtsprechung, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen, wenn man von einem einsichtigen und besonnenen Kraftfahrer verlangen würde, daß er sich bei der Überprüfung, ob die Reifen noch die erforderliche Mindestprofiltiefe aufweisen, nicht auf die vorschriftsmäßige Anbringung der Indikatoren verlassen dürfte. Sind die Indikatorenstege - wie im gegenständlichen Fall - noch nicht "heraußen", so hat der Beschuldigte objektiv nicht sorgfaltswidrig gehandelt, wenn er sich darauf verlassen hat, daß der Motorradreifen noch die erforderliche Mindestprofiltiefe aufgewiesen hat.

Daß mit ein Umstand (Schuldausschließungsgrund) vorliegt, welcher die Strafbarkeit ausschließt, war gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG spruchgemäß zu entscheiden. Da der Berufungswerber nun von der nicht vorschriftsmäßigen Anbringung der Indikatoren weiß, könnte ihm im Wiederholungsfall ein derartiger Schuldausschließungsgrund wohl nicht mehr zugebilligt werden.

Zu II.:

Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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