Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523600/2/Bi/Ka

Linz, 02.12.2013

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau x, vom 7. November 2013 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. Oktober 2013, VerkR21-292-2013, wegen Anordnung einer Perfektions­fahrt im Rahmen des Vormerksystems, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.    

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerberin (Bw)  gemäß § 30b Abs.1 und 3 FSG die Teilnahme an einer Perfektionsfahrt gemäß    § 13a FSG-Durchführungsverordnung auf ihre Kosten innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides auferlegt. Gemäß § 30b Abs.4 FSG wurde ihr die Vorlage einer Bestätigung jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert worden sei, über die Teilnahme und ihre Mitarbeit innerhalb derselben Frist an die Behörde auferlegt.  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch Hinterlegung am 25. Oktober 2013.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Durchführung der beantragten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.2 Z1 AVG).

 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie sei unzureichend informiert worden über die sich aus der Eintragung im Vormerksystem ergebenden Folgen. Im Straferkenntnis sei ausdrücklich auf die im Fall der Begehung eines zweiten Vormerkdeliktes zu treffende Anordnung hingewiesen worden. Sie sei davon ausgegangen, dass sie bislang nur eine einzige Vormerkung und nichts weiter zu befürchten habe. Sie sei nicht darauf hingewiesen worden, dass bereits zwei Vormerkdelikte vorlägen und die Maßnahme sogleich angeordnet werde. Sie sei nachweislich falsch aufgeklärt worden, daher habe sie gegen das Straferkenntnis auch nicht Berufung erhoben.

Unabhängig davon lägen die Vormerkdelikte bereits über zwei Jahre zurück und seien daher im System zu löschen und keine Maßnahmen mehr durch die Behörde aufzutragen. Die Erstinstanz habe mit dem Bescheid vom 22. Oktober 2013 erst nach über 26 Monaten und damit verspätet reagiert.

Die Behörde könne keine Maßnahmen vorschreiben, wenn die Vormerkungen längst gelöscht sein hätten müssen. Der Bescheid sei weder nachvollziehbar noch schlüssig, unsachlich und verstoße gegen den Gleichheitssatz und das Willkür­verbot. Von schlüssiger und widerspruchsfreier Beweiswürdigung könne auch keine Rede sein. Beantragt werden Bescheidaufhebung und Verfahrensein­stellung, allenfalls nach Berufungsverhandlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass die Bw mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Erstinstanz vom 13. Juni 2013, Verker96-2902-2011, ua wegen Übertretungen gemäß 3) und 4) je §§ 102 Abs.1 iVm 4 Abs.2 und 134 Abs.1 KFG 1967 schuldig gesprochen und bestraft wurde, weil sie sich vor Fahrtantritt als Lenkerin des Pkw x nicht davon überzeugt habe, dass das  von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen hat. Am 29. August 2011, 14.45 Uhr, wurde im Gemeindegebiet Mauthausen, Freiland, B3 bei km 217.000, Fahrtrichtung Perg, festgestellt, dass 3) bei den Rädern der Hinterachse die Freigängigkeit nicht ausreichend gegeben war, da beide Reifen an der Außenseite der Lauffläche Schleifspuren aufgewiesen haben, und 4) die Bodenfreiheit (gemessen im Bereich der Vorderachse) weniger als 7,5 cm betrug. 

 

Laut Anzeige wurde die unzureichende Bodenfreiheit von den Beamten der Landesverkehrsabteilung x und x  im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle durch Vermessung im Bereich der Vorderachse festgestellt. Außerdem wurden an beiden Rädern der Hinterachse an der Außenseite der Lauffläche Schleifspuren aufgrund mangelnder Freigängigkeit der Reifen festgestellt. Ein Sachverständiger wurde zur Amtshandlung nicht beigezogen, eine Simulation der vollständigen Einfederung der Räder der Hinterachse wurde nicht durchgeführt, weil die Beamten im Zuge einer Motorradstreife unterwegs waren und keine Rampe vorhanden war. Deshalb sei laut Anzeige auch von einer Kennzeichenabnahme Abstand genommen worden. Eine besondere Überprüfung gemäß § 56 KFG wurde angeregt.

 

Nach Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Erstinstanz erging das Straferkenntnis vom 13. Juni 2013, VerkR96-2902-2011, das nach Zustellung am 18. Juni 2013 an die Rechtsvertretung der Bw in Rechtskraft erwuchs. Darin und bereits in der Strafverfügung war auf die drohende Vormerkung im FSR hingewiesen und ein Bezug zu zwei Übertretungen laut Schuldspruch hergestellt worden.

Auf dieser Grundlage erging der angefochtene Bescheid.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 30a Abs.1 FSG ist, wenn ein Kraftfahrzeuglenker eines der in Abs.2 angeführten Delikte begangen hat, unabhängig von einer verhängten Ver­waltungsstrafe, einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung oder sonstiger angeordneter Maßnahmen eine Vormerkung im Örtlichen Führerschein­register (FSR) einzutragen. … Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Die Eintragung der Vormerkung ist von der das Verwaltungsstrafverfahren führenden Behörde, im Fall einer gerichtlichen Verurteilung von der Behörde des Hauptwohnsitzes vorzunehmen und gilt ab dem Zeitpunkt der Deliktsetzung. Der Lenker ist über die Eintragung und die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im erstinstanzlichen Strafbescheid zu informieren.

Gemäß Abs.2 Z12 dieser Bestimmung sind ua Übertretungen des § 102 Abs. 1 KFG 1967 einzutragen, wenn ein Fahrzeug gelenkt oder ein Anhänger gezogen wird, dessen technischer Zustand … eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt, sofern die technischen Mängel … dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätten müssen.

Gemäß Abs.3 zählt die Eintragung in das FSR, wenn zwei oder mehrere der in Abs.2 angeführten Delikte in Tateinheit begangen werden, als eine Vormerkung.

Gemäß Abs.4 treten die in den § 7 Abs.3 Z 14 oder 15, § 25 Abs.3 2.Satz oder § 30b genannten Rechtsfolgen nur dann ein, wenn die die jeweiligen Rechts­folgen auslösenden Delikte innerhalb von zwei Jahren begangen wurden. Wurde innerhalb dieses zweijährigen Zeitraumes ein zweites Vormerkdelikt begangen, so verlängert sich der Zeitraum auf drei Jahre. … Wenn sich ergibt, dass eine Vormerkung gemäß Abs. 1 zu Unrecht erfolgte, so ist diese Eintragung gemäß Abs.5 unverzüglich zu löschen.

 

Auf der Grundlage des rechtskräftigen Straferkenntnisses ist davon auszugehen, dass der von der Bw am 29. August 2011 – im Zuge einer (1) Fahrt gelenkte Pkw x technische Mängel aufwies, sodass der technische Zustand des Pkw eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellte; dass eine zu geringe Bodenfreiheit in diesem Ausmaß sowie Schleifspuren an den Reifen dem Lenker vor Fahrtantritt, nämlich schon bei der Annäherung an das Fahrzeug, auffallen müssen, liegt auf der Hand.  

 

Gemäß § 10 Abs.2 Z4 Prüf- und Begutachtungsstellen­verordnung (PBStV) sind unter der Mängelgruppe „Gefahr im Verzug (GV)“ ua Fahrzeuge mit Mängeln zu verstehen, die zu einer direkten und unmittelbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen. Der Lenker des Fahrzeuges ist darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug auf Grund des festgestellten Mangels nicht verkehrs- und betriebssicher ist und eine weitere Verwendung des Fahrzeuges eine direkte und unmittelbare Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt. Solche Mängel sind umgehend zu beheben. Wird ein solcher Mangel im Zuge einer Prüfung an Ort und Stelle gemäß § 58 KFG 1967 festgestellt, so sind gemäß § 58 Abs.2 letzter Satz KFG 1967 Zulassungsschein und Kennzeichentafeln abzunehmen.

Eine Unterschreitung der Bodenfreiheit von 7 cm ohne entsprechende Genehmigung in Verbindung mit der Erkennbarkeit von Schleifspuren stellt gemäß Punkt 5.3.1 der Anlage 6 zu 10 der PBStV zweifellos einen Mangel mit Gefahr im Verzug dar.

Auch wenn am 29. August 2013 bei der Kontrolle des von der Bw gelenkten Pkw kein Sachverständiger anwesend war und damit keine Begutachtung gemäß § 58 KFG erfolgte – was die Bw vor der Untersagung der weiteren Lenkung bewahrte – war die Tatsache der mangelnden Bodenfreiheit in diesem Ausmaß in Verbindung mit der mangelnden Freigängigkeit der Reifen – dh die Lenkung des Kraftfahr­zeuges ist dadurch behindert, dass die Reifen beim Einschlagen am Radkasten streifen bzw im Ernstfall sich nicht mehr über ein bestimmtes Ausmaß hinaus lenken lassen – nach der Prüfposition 5.3.1 der Anlage 6 als ein einziger Mangel mit GV zu sehen.

 

Damit liegt aber eine Vormerkung vor, die mit Rechtskraft des Straf­erkennt­nisses, dh nach Zustellung am 18. Juni 2013 mit 2. Juli 2013 in das FSR einzutragen war, allerdings gültig mit dem Zeitpunkt der Deliktsetzung am 29. August 2011. Die Zweijahresfrist endete demnach am 29. August 2013.

Eine Verlängerung der Zweijahresfrist auf drei Jahre trat nicht ein, weil außer dem am 29. August 2011 festgestellten Mangel kein weiteres Vormerkdelikt gesetzt wurde.

Damit lag für den Zeitraum von 29. August 2011 bis 29. August 2013 „nur“ ein Vormerkdelikt vor, sodass keine besondere Maßnahme im Sinne des § 30b FSG anzuordnen war.

 

Am Rande bemerkt wird, dass der Bw am 29. August 2011 kein Fahrfehler unterlaufen ist, sodass nach Auffassung des UVS die Anordnung einer Perfektionsfahrt, bei der es gemäß § 13a Abs.1 FSG-DV um Blicktechnik, unfallvermeidende defensive umweltbewusste und treibstoffsparende Fahrweise und soziales Verhalten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern geht, keine geeignete Maßnahme für derartige Vormerkungen darstellt.

§ 4a NachschulungsV sieht eine spezielle Art von „Nach­schulungen im Rahmen des Vormerksystems“ vor: Gemäß § 4a NachschulungsV sieht einen speziellen Kurstyp vor, in dessen Rahmen die Ursachen, die zur Anordnung dieser Maßnahme geführt haben, zu erörtern sind. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

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