Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590350/13/Gf/Rt

Linz, 05.09.2013

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Gróf über die Berufung der M und des K, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. Juni 2013, Zl. E1/14/2012, mit dem der A GmbH eine Genehmigung zur Errichtung eines Lagers nach dem Sprengmittelgesetz erteilt wurde, nach der am 9. August 2013 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. Juni 2013, Zl. E1/2/2012, wurde dem Antrag der A GmbH (im Folgenden: Mitbeteiligte Partei) auf Errichtung einer Anlage zur Lagerung von Sprengstoffen der Lagerklasse 1.1 für den Standort M gemäß § 35 des Sprengmittelgesetzes, BGBl.Nr. I 121/2009 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 17/2013 (im Folgenden: SprG), unter Vorschreibung von insgesamt 15 Auflagen stattgegeben.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Heranziehbarkeit der Gewerbeordnung für das verfahrensgegenständliche Projekt ausscheide und auf Grund der von Sachverständigen erstellten Gutachten sowie unter Beachtung der darin vorgeschlagenen Auflagen der Erteilung der beantragten Genehmigung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstünden.

 

Den von den Rechtsmittelwerbern erhobenen Einwendungen dahin, dass durch die Errichtung dieses Lagers die beabsichtigte Umwidmung ihres Grundstückes in Bauland gefährdet werden könne, komme hingegen im vorliegenden Genehmigungsverfahren keine Relevanz zu; im Übrigen sei der Schutz der Anrainer nach den Feststellungen des Sachverständigen durch die bescheidmäßig vorgeschriebenen Auflagen ausreichend gewährleistet.

 

1.2. Gegen diesen ihnen am 13. Juni 2013 per e-mail zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, vermutlich am 24. Juni 2013 zur Post gegebene, am 26. Juni 2013 – und damit jedenfalls rechtzeitig – bei der Erstbehörde eingelangte Berufung.

 

Darin wenden die Beschwerdeführer ein, dass die Errichtung des Sprengmittellagers eine hohe Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Anrainer nach sich ziehe; diese Bedenken würden durch die Feststellungen des Sachverständigen keineswegs ausgeräumt, weil ein Unglücksfall nie mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Eine solche Gefahr sei schon bei der derzeitigen landwirtschaftlichen Nutzung der Liegenschaften gegeben; und diese erhöhe sich insbesondere dann, wenn umliegende Grundstücke künftig in Bauland umgewidmet werden. Außerdem resultiere auch eine massive Gefährdung für die Umwelt (Bodenkontaminierungen, Grundwasserverunreinigung, etc.). Schließlich unterliege die gegenständliche Anlage nicht dem Sprengmittelgesetz; vielmehr wäre die Gewerbeordnung heranzuziehen gewesen, sodass der angefochtene Bescheid schon insoweit als rechtswidrig erscheint.

 

Daher wird begehrt, den Genehmigungsantrag der Mitbeteiligten Partei abzuweisen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der LPD Oberösterreich zu Zl. E1/14/2012 vorgelegten Akt sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 9. August 2013, zu der als Partei der Vertreter der belangten Behörde, C W, sowie als Zeuge Dipl.-Ing. W L (Sachverständiger für Sprengtechnik) erschienen sind; die Berufungswerber sind entschuldigt nicht erschienen.

 

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Der verfahrensgegenständliche Antrag beschränkt sich auf die Errichtung einer Anlage zur Lagerung von Sprengstoffen der Lagerklasse 1.1. i.S.d. Anlage 1 zu § 4 Abs. 2 der Sprengmittelverordnung bis zu einer Höchstmenge von 150 kg.

 

Unter derartigen Sprengstoffen sind solche zu verstehen, bei denen dann, wenn ein Sprengsatz detoniert, ein gleichartiger, daneben gelagerter Sprengstoff ebenfalls detonieren würde (sog. „Massenexplosionsfähigkeit“). Deswegen müssen entsprechende Sicherheitsabstände eingehalten werden.

 

Hinsichtlich des von den Beschwerdeführern vorgebrachten Einwandes, dass für den Fall eines Unglückes oder Unfalles eine hohe Gefahr für die umliegenden Nachbarn gegeben wäre, insbesondere eine Schädigung von Personen nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne, wird durch entsprechende, vom sachverständigen Zeugen näher erläuterte Auflagen zunächst sichergestellt, dass eine Detonation überhaupt verhindert wird; sollte sich eine solche dennoch ereignen, verhindert insbesondere die Vorschreibung entsprechender Sicherheitsabstände den Eintritt von Schäden. Darüber hinaus erfasst die Genehmigung nur sog. „Sicherheitssprengstoffe“, die schon von vornherein gewisse Standards erfüllen müssen. Im Besonderen kommt es bei diesen – im Gegensatz zur Lagerung von Schwarzpulver – weder bei Feuer noch bei Funkenflug noch dann, wenn sie zu Boden fallen, zu einer Zündung, etc. Daher wurde im angefochtenen Bescheid die Lagerung von Schwarzpulver auch ausdrücklich untersagt. Zudem ist in den Bescheidauflagen vorgesehen, dass mit den Sicherheitssprengstoffen nicht zugleich auch Zündmittel gelagert werden dürfen und entsprechende Sicherheitszonen eingehalten werden müssen. Schließlich darf das Lager auch nur von einem „Sprengbefugten“, der über eine spezielle Ausbildung verfügen muss, betreten werden.

 

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen, schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Ausführungen des in der öffentlichen Verhandlung einvernommen sachverständigen Zeugen sowie aus dessen im Akt der belangten Behörde erliegenden Gutachten; sowohl dieses Gutachten als auch die h. Niederschrift vom 9. August 2013 werden hiermit zu einem integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Nach § 38 Abs. 2 SprG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide der Landespolizeidirektion der Unabhängige Verwaltungssenat, und zwar – mangels abweichender sondergesetzlicher Regelung – gemäß § 67a Z. 1 erster Satz AVG durch Einzelmitglied.

 

 


3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 35 Abs. 1 SprG dürfen Lager für Sprengmittel nur mit Bewilligung der Behörde errichtet werden.

 

Eine solche Bewilligung ist nach § 35 Abs. 2 SprG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass ausreichender Schutz vor Einwirkungen von außen auf das Lager und nach außen auf Menschen, Umwelt und fremdes Eigentum gewährleistet wird.

 

Die baulichen Voraussetzungen (wie die näheren Bestimmungen über die Bauweise oder die Beschaffenheit der Räume) sowie organisatorische Vorkehrungen (wie insbesondere Betriebsvorschriften unter Berücksichtigung des Standes der Technik) sind durch die Sprengmittellagerverordnung, BGBl.Nr. II 483/2010 (im Folgenden: SprLV), festgelegt.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 SprG gilt das Sprengmittelgesetz (u.a.) nicht für solche Lager von Schieß- und Sprengmitteln, die in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 16 der Gewerbeordnung, BGBl.Nr. 194/1994 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 85/2012 (im Folgenden: GewO) fallen, wobei die letztgenannte Bestimmung (u.a.) festlegt, dass auf Anlagen zur Lagerung von Schieß- und Sprengmitteln, in denen in der Anl. 5 zur GewO genannte gefährliche Stoffe mindestens in einer im § 84a Abs. 2 GewO angeführten Menge vorhanden sind, die Bestimmungen der GewO über die Betriebsanlagen sowie die damit zusammenhängenden Bestimmungen der GewO (§§ 74 bis 84h, 333 bis 338, 353 bis 360, 362, 366 und 371 bis 373 GewO) maßgeblich – und demgemäß die Bestimmungen des Schieß- und Sprengmittelrechts nicht anzuwenden – sind.

 

Nach § 84a Abs. 2 GewO gilt der Abschnitt 8a der Gewerbeordnung "betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen" für Betriebe, in denen in der Anl. 5 zur GewO genannte gefährliche Stoffe mindestens in einer in der Anl. 5 zur GewO, Teil 1 Spalte 2 und Teil 2 Spalte 2 (§ 84a Abs. 2 Z. 1 GewO) oder in der Anl. 5 zur GewO, Teil 1 Spalte 3 und Teil 2 Spalte 3 (§ 84a Abs. 2 Z. 2 GewO) angegebenen Menge vorhanden sind. In der in Anl. 5 enthaltenen Stoffliste ist die Mengenschwelle in Spalte 2 und Spalte 3 zwar jeweils in Tonnen angegeben; bezüglich mancher Stoffe reichen jedoch bereits geringe Mengen (insbesondere: 100 kg für Arsentrioxid [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 4 GewO]; 10 kg für 4,4-Methylen-bis (2-chloroanilin) und seine Salze, pulverförmig [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 19 GewO]; 150 kg für Methylisocyanat [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 20 GewO]; und 1 kg für Polychlordibenzofurane und Polychloridbenzodioxine, in TCDD-Äquivalenten berechnet [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 28 GewO]) aus, um insbesondere auch nach Maßgabe der in Z. 2 und 3 der Einleitung der Anl. 5 zur GewO vorgesehenen Berechnungsmethode im Ergebnis eine Genehmigungspflicht der Anlage nach der GewO zu begründen, die wiederum i.S.d. § 2 Abs. 16 GewO und § 2 Abs. 3 SprG zur Nichtanwendbarkeit des § 35 SprG führt.

 

In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem Gutachten des von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen vom 28. Mai 2013, dass die in der GewO festgelegten Schwellenwerte nicht einmal annähernd erreicht und daher auch nicht überschritten werden, wenn das Lager in der von der Mitbeteiligten Partei beantragten und durch den angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich der Menge der gelagerten Sprengstoffe genehmigten Form errichtet und betrieben wird (vgl. S. 21 ff dieses Gutachtens).

 

Die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung und Genehmigung des Antrages der Mitbeteiligten Partei nach dem SprG – und nicht nach der GewO – erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

 

3.3. Auch zu den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Einwänden bezüglich einer Gefährdung von Personen und der Umwelt wird im vorzitierten Sachverständigengutachten ausführlich Stellung genommen (vgl. S. 9 ff); die unter diesem Aspekt empfohlenen Schutzmaßnahmen wurden in der Folge seitens der belangten Behörde als Auflagen zum Bescheid festgelegt, die somit einen Bestandteil von dessen Spruch bilden und daher für die Mitbeteiligte Partei normativ verbindlich sind; bei Zuwiderhandlung kann die Behörde daher gemäß § 35 Abs. 6 SprG mit entsprechenden Sanktionen, die bis zum Entzug der erteilten Bewilligung reichen können, vorgehen.

 

Wenn die Rechtsmittelwerber diesbezüglich in ihrer Berufung – allerdings weitgehend unsubstantiiert – ins Treffen führen, dass sich diese Vorkehrungen dennoch nicht als hinreichend erweisen würden, so ist ihnen entgegen zu halten, dass sie den entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene – insbesondere nicht durch Vorlage eines einen gegenteiligen Sachverhalt belegenden Gutachtens – entgegengetreten sind. Hierzu hätte jedoch sowohl in der öffentlichen Verhandlung als auch im Rahmen der vom Oö. Verwaltungssenat bis zum 30. August 2013 eingeräumten Stellungnahmefrist jeweils Gelegenheit bestanden; die Beschwerdeführer sind aber weder zur Verhandlung erschienen noch haben sie eine entsprechende Äußerung – und zwar weder bis zum festgesetzten Termin noch bis dato – abgegeben.

 

Vor diesem Hintergrund besteht daher für den Oö. Verwaltungssenat keine Veranlassung, die objektiv unbedenklich erscheinenden Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

 

3.4. Soweit es schließlich die Bedenken hinsichtlich allfälliger Beeinträchtigungen der künftigen Nutzbarkeit der an die genehmigte Anlage anrainenden Liegenschaften und der damit einhergehenden Wertverluste betrifft, sind die Rechtsmittelwerber darauf zu verweisen, dass diese Fragen nicht im gegenständlichen Bewilligungs-, sondern jeweils in den entsprechenden bau- und raumordnungsrechtlichen Verfahren von den hierfür zuständigen Behörden (weshalb diese im vorliegenden Genehmigungsverfahren auch entsprechend beteiligt wurden) zu klären sind.

 

3.5. Aus allen diesen Gründen war daher die vorliegende Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Dr.  G r ó f