Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253452/37/MK/HK

Linz, 29.10.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8a. Kammer (Vorsitzende: Mag.a Gerda Bergmayr-Mann, Berichter: Mag. Markus Kitzberger, Beisitzerin: Dr.in Ilse Klempt) über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt GmbH, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 25.04.2013, SV96-1-2012, wegen einer Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) in drei Fällen nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.09.2013 zu Recht erkannt:

I.               Der nunmehr auf die Strafhöhe eingeschränkten Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Höhe der drei verhängten Geldstrafen auf jeweils 2.000 Euro, somit insgesamt 6.000 Euro, herabgesetzt wird und die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 67 Stunden, somit insgesamt 201 Stunden, reduziert werden.  

II.            Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verringert sich auf 600 Euro. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 161/2013, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013

zu II.: § 64 ff VStG

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 25.04.2013, SV96-1-2012, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der X Kft. mit Sitz in X, X, X, wegen der Übertretung des § 7i Abs.3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idgF in 3 Fällen jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 7.000 Euro (gesamt somit 21.000 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von jeweils 70 Stunden (somit gesamt 210 Stunden), verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 2.100 Euro vorgeschrieben.

Dem Straferkenntnis liegt der Tatvorwurf zugrunde, der Bw hätte es zu verantworten, dass er als Arbeitgeber die Arbeitnehmer X,  X und X, alle ungarische Staatsangehörige, beschäftigt oder beschäftigt gehabt hätte, ohne ihnen zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Die ungarischen Arbeitnehmer seien bei Kontrollen des Finanzamtes Grieskirchen Wels am 02.08.2011 und 31.08.2011 in P, G, betreten worden.

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der vorgelegten Lohnunterlagen, sei der Tatbestand des § 7i Abs.3 AVRAG in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Bei der Strafbemessung wurde straferschwerend die Höhe der Unterentlohnung, die bis zu 70% unter dem kollektivvertraglichen Lohnanspruch liegt, und die Anzahl der Arbeitnehmer gewertet.

Strafmilderungsgründe wurden keine angeführt.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, das angefochtene Straferkenntnis basiere auf unvollständigen und unrichtigen Tatsachenfeststellungen, weise erhebliche Verfahrensmängel auf und sei infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung rechtswidrig.

Abschließend wurde unter anderem beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die verhängten Geldstrafen zu reduzieren.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Schreiben vom 15.05.2013, eingelangt am 21.05.2013, die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da in den jeweiligen Einzelfällen eine 2.000 Euro übersteigende Strafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige 8a. Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.09.2013.

Zur Verhandlung ist der Bw mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung und ein Vertreter der Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB gekommen. Als Zeugen sind G F und J B, für deren Vernehmung eine Dolmetscherin bestellt wurde, erschienen. Eine Befragung der Zeugen fand jedoch auf Grund des Verhandlungsergebnisses nicht statt. 

Es wurde vorgebracht, der Bw verfüge über ein monatliches Einkommen von 400 Euro netto und sei für seine 13 – jährige Tochter sorgepflichtig. Er sei einschlägig unbescholten.

 

Mit Schriftsatz vom 20.09.2013 wurden vom Bw Vereinbarungen mit den drei betretenen Arbeitnehmern vorgelegt, in denen diese den Erhalt der im angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde jeweils errechneten Entlohnungsdifferenz in bar und darüber hinaus bestätigten, dass damit sämtliche Ansprüche aus der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit für das Unternehmen des Bw in Österreich bereinigt und verglichen wurden.

 

Darüber hinaus wurde die Berufung auf die Strafhöhe eingeschränkt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Weil sich die Berufung nunmehr ausschließlich gegen das Strafausmaß des angefochtenen Bescheids richtet, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen. Demnach ist es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, sich inhaltlich mit der Entscheidung der Erstbehörde auseinander zu setzen.

 

3.2. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird festgestellt:

Die in der mündlichen Verhandlung angegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (siehe Pkt. 2.2. dieses Erkenntnisses) werden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.

Durch die Bezahlung des Betrags der festgestellten Unterentlohnung im Ausmaß von 64,05%, 67,83% und 73,51%, war der Bw um Schadensgutmachung bemüht, darüber hinaus hat er sich einsichtig und geständig gezeigt. Der Bw wurde im Jahr 2011 gem. §§ 7i Abs.2 iVm § 7d Abs.1 AVRAG zu SV96-93-2011 rechtskräftig verurteilt.

 

3.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass den Angaben des Bw in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten wurde. Entgegen der Aussage des Bw aber konnte seine Unbescholtenheit nicht festgesellt werden, wurde der Bw doch, wie dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist, bereits im Jahr 2011 rechtskräftig wegen einer Übertretung des AVRAG verurteilt.

 

Es besteht auch kein Grund an der Richtigkeit oder Echtheit der vom Bw vorgelegten Vereinbarungen zu zweifeln, obwohl die Zahlung nicht durch z.B. einen Überweisungsbeleg nachgewiesen wurde, sind doch die Unterschriften auf den vorgelegten Vereinbarungen jenen auf den mit den Arbeitern abgeschlossenen Arbeitsverträgen sehr ähnlich.

Die Höhe der Unterentlohnung der ungarischen Bauhilfsarbeiter im festgestellten Ausmaß wurde nicht bestritten.

 

3.4. Gemäß § 7i Abs.3 AVRAG zweiter Satz, ist der Strafrahmen der Geldstrafe bei Beschäftigung einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers ohne ihr oder ihm  zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, pro Arbeitnehmer/in von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, festgesetzt, wenn nicht mehr als 3 Arbeitnehmer/innen von der Unterentlohnung betroffen sind. Sind hingegen mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall 4.000 Euro bis 50.000 Euro.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG idgF sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Nach Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 – 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Weil § 19 VStG in der derzeit geltenden Fassung mit 1. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist diese geltende Rechtsgrundlage der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde zu legen.

 

Die belangte Behörde hat zum Grad des Verschuldens keine Ausführungen gemacht.

Das AVRAG sieht keine Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb zu dessen Beurteilung § 5 Abs.1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Die vorgeworfene Verbotsnorm des § 7i Abs.3 AVRAG ist ebenfalls ein Ungehorsamsdelikt (Kühteubl/Wieder, Das neue Lohn- und SozialdumpingbekämpfungsG, ZAS 2011/36, D.1.a. mwN).

Als Verschuldensgrad wird Fahrlässigkeit angenommen, hat der Bw doch nicht dargetan, dass ihn an der Übertretung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.

 

Auf der Grundlage des § 7i Abs.3 AVRAG beträgt die Mindeststrafe, weil nicht mehr als drei Arbeitnehmer beschäftigt wurden, bei denen eine Unterentlohnung festgestellt wurde, grundsätzlich 1.000 Euro pro Arbeitnehmer/in.

 

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass  die Intensität der  Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich das Vorenthalten des gebührenden Lohns bis über 70%, erheblich ist und dadurch verstärkt wird, dass drei Arbeiter davon betroffen waren.

Zwischenzeitig jedoch kommen dem Bw durch Nachzahlung des gebührenden Lohns, sein Geständnis und seine Einsichtigkeit Milderungsgründe zugute. Zu berücksichtigen ist überdies, dass er bei einem geringen Verdienst noch Sorgepflichten für seine minderjährige Tochter hat.

Der Milderungsgrund der absoluten verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt wegen einer bereits rechtskräftigen Verurteilung nicht zum Tragen.

 

Die Rechtswohltat des § 7i Abs.4 AVRAG, das Absehen von einer Strafe bei Begleichung der Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist, kann hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil eine Unterschreitung des Grundlohns im Bereich von 64% bis über 73% nicht als gering anzusehen ist.

 

Bei Abwägung dieser Strafzumessungskriterien konnte mit den nunmehr festgesetzten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen sowohl in spezialpräventiver, aber auch in generalpräventiver Hinsicht das Auslangen gefunden werden.

 

Weil die Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe in Relation der Obergrenze für die Geldstrafe zur Obergrenze für die Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist, war diese auf jeweils 67 Stunden zu reduzieren.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend zu reduzieren. Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist wegen des teilweisen Obsiegens kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann