Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-720359/2/BP/JO

Linz, 10.12.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geboren am X, StA von Rumänien, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. November 2013, GZ: 1073190/FRB, mit dem über die Berufungswerberin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 65 iVm § 67 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2013/114.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. November 2013, GZ: 1073190/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der Bw gleichgehend gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Zum Sachverhalt gibt die belangte Behörde Folgendes an:

 

Sie wurden am 02.08.2013 vom LG Linz, 143 Hv 93/13 i, wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls als Beteiligte nach §§ 127, 130 1. Fall und 12 3. Alternative und 15 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf 3 Jahre, verurteilt.

 

Der Urteilsausfertigung ist zu entnehmen, dass Sie in Wien durch das Leisten von Aufpasserdiensten dazu beigetragen haben, gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen, und zwar am 14.06.2013 bei dem von X begangenen Diebstahl, indem dieser X deren Mobiltelefon im Wert von ca. € 50,- gestohlen hat, indem er den Reißverschluss von deren Rucksack öffnete und aus diesem deren Mobiltelefon entnahm; am 15.06.2013, indem X den Reißverschluss der Handtasche eines unbekannten Opfers öffnete und X in das Innere der Handtasche griff, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil das Opfer den Angriff bemerkte und dessen Handtasche wegzog;

am 15.06.2013 bei dem von X begangenen Diebstahl, indem er den Reißverschluss von nicht mehr feststellbaren Opfern öffnete und in das Innere der Handtasche griff und dessen Handtasche öffnen wollte, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil die Enkelin des unbekannten Opfers hinzukam.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes erstattet Ihr Rechtsvertreter folgende Stellungnahme:

 

„Entgegen der Ansicht der Erstbehörde ist kein Aufenthaltsverbot gerechtfertigt. Von Frau X geht keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung aus. Hätte das Gericht eine Gefährdung gesehen, so hätte dieses aus spezialpräventiven Gründen eine unbedingte oder teilbedingte Strafe verhängt.

Im Übrigen hat Frau X die Tat immer bestritten, da sie nichts angestellt hat. Aus Kostengründen musste sie jedoch die Verurteilung hinnehmen.

Frau X ist zur Gänze in Österreich integriert und wohnen einige von ihren Verwandten, mit welchen sie enge soziale Kontakte hegt, in X und Umgebung. Sie selbst führt mit Herrn X eine Lebensgemeinschaft und wird dieser sie in Kürze im Rahmen seines Unternehmens beschäftigen.

Nachdem Frau X schon seit Jahren in Österreich aufhältig ist, träfe sie ein Aufenthaltsverbot in unzumutbarer Weise und wäre der Eingriff in ihr Familienleben unverhältnismäßig.

Im Übrigen gelobt Frau X, sich an die österreichischen Gesetze zu halten."

 

Die Landespolizeidirektion Oberösterreich hat erwogen:

 

Die von Ihnen als Beitragstätem in mehreren Angriffen gewerbsmäßig begangenen Diebstähle können keinesfalls bagatellisiert werden und geht von Ihnen eine beträchtliche Gefahr für den Schutz fremden Eigentums aus.

 

Eine Verurteilung zu einer bloß bedingten Freiheitsstrafe bedeutet keineswegs generell eine positive Prognose des Gerichts dahin, dass der Täter damit keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt. Derartiges könnte ja im Übrigen auch für den Zeitraum nach der Verbüßung einer Haftstrafe nie verlässlich ausgeschlossen werden.

Primär soll durch eine bedingte Verurteilung vielmehr nur zum Ausdruck gebracht werden, dass insgesamt doch die Überzeugung überwiegt, dass der Täter von der Begehung weiterer Straftaten durch die dann kumulativ hinzutretende Bestrafung wegen des früheren Delikts und somit wegen der insgesamt verschärften Strafdrohung abgehalten werden wird.

 

Darüber hinaus ist die hier anzustellende Gefährdungsprognose allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen und können die Erwägungen des Gerichts insoweit nicht als ausschlaggebend angesehen werden.

 

Festzuhalten ist auch, dass die Verwaltungsbehörden nach ständiger Rechtsprechung des
VwGH an die rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichtes gebunden sind.
Da die Schuld des Fremden an den ihm vorgeworfenen Straftaten bereits durch die
Strafgerichte rechtskräftig festgestellt wurde, können anfällige nachträgliche Erklärungsversuche
des Fremden nicht zu seinen Gunsten ausschlagen.

 

Zur Behauptung, dass Sie in Österreich zur Gänze integriert sind, ist anzuführen, dass eine ev. Integration durch die begangenen Straftaten in der für sie wesentlichen sozialen Komponente erheblich beeinträchtigt ist.

Auch wurde Ihnen bislang keine Anmeldebescheinigung gem. § 53 NAG ausgestellt.

Zu den verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich bleiben Sie schuldig anzuführen, um welche Personen bzw. um welchen Verwandtschaftsgrad es sich handelt.

 

Aber selbst wenn durch den Aufenthalt von Verwandten in Österreich und Ihre mit Herrn X bestehende Lebensgemeinschaft die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben bedeutet, ist seine Erlassung nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig, weil Ihr oben näher geschildertes persönliche kriminelle Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung von Eigentumsdelikten und der Kriminalität überhaupt.

 

1.2. Gegen den angefochtenen Bescheid erhob die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 22. November 2013 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, in welcher vorerst die Anträge gestellt werden, die Berufungsbehörde möge eine Berufungsverhandlung anberaumen und

 

a)   den hier angefochtenen Bescheid der LPD Linz vom 05.11.2011, zugestellt am 08.11.2013, GZ: 1073190/FRB, dahingehend abändern, dass das gegen die Berufungswerberin ausgesprochene erstinstanzliche - auf zwei Jahre befristete -Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehoben werde und das gegen die Berufungswerberin eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren zur Einstellung bringen; in eventu

 

b)   den hier angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das gegen die Berufungswerberin auf zwei Jahre befristete ausgesprochene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich entsprechend herabgesetzt wird.

 

Die Berufung wird wie folgt begründet:

 

Festzuhalten ist, dass die Erstinstanz den zugrunde liegenden Strafakt weder beigeschafft hat, noch entsprechend aufgearbeitet hat, somit die für ihre Person sprechenden Milderungsgründe keiner Berücksichtigung zugeführt wurden.

 

Das von der Erstbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren ist derartig mangelhaft, da nicht einmal die Verurteilung ordentlich erhoben wurde; die Verurteilung der Berufungswerberin erfolgte nicht durch das Landesgericht Linz sondern durch das Landesgericht für Strafsachen Wien.

 

Das LG Wien als Strafgericht hat im Rahmen der wider die Berufungswerberin erlassenen Verurteilung eine bedingte Haftstrafe ausgesprochen, somit wider sie eine günstige Zukunftsprognose erstellt. Andernfalls hätte gegen sie eine unbedingte Haftstrafe ausgesprochen werden müssen, was allerdings nicht der Fall war.

 

Unberücksichtigt blieb auch, dass der Berufungswerberin lediglich eine Beteiligung als Beitragstäterin angelastet wurde.

 

Noch nie zuvor hat die Berufungswerberin eine strafbare Handlung gesetzt, weder im Inland noch im Ausland.

 

Das Gericht hat diesen Umstand auch erkannt und daher eine gänzlich bedingte Freiheitsstrafe verhängt. Eine negative Zukunftsprognose hat das Gericht nicht unterstellt und dazu auch keinen Anlass gesehen, zumal die Berufungswerberin bislang noch nie mit dem Gesetz in Konflikt kam und die Geschehnisse am 14. und 15.6.2013 zu tiefst bereue.

 

Zur Überprüfung der spezifischen Gefährlichkeit im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt in Österreich ist allerdings festzuhalten, dass betreffend die Frage der Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit durch die Berufungswerberin das Strafgericht die selben Überlegungen und Erwägungen anzustellen hatte, als es auch die Fremdenpolizei vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit des FPG zu tun hat.

 

Vor diesen Hintergründen ist daher das gegen die Berufungswerberin erlassene Aufenthaltsverbot inhaltlich rechtswidrig, dies zumindest im Hinblick auf die ausgesprochene Dauer des selbigen.

 

Die darüber hinaus gehenden Erwägungen, welche die Erstbehörde hätte anzustellen gehabt, wurden allerdings ebenfalls unberücksichtigt belassen.

 

Wie bereits in der Stellungnahme durch den ausgewiesenen Vertreter an die Erstbehörde vorgebracht wurde, hält sich die Berufungswerberin schon seit Jahren durchgehend rechtmäßig in Österreich auf.

 

Die Berufungswerberin lebt mit ihrem Lebensgefährten Herrn X in X in einem gemeinsamen Haushalt.

 

Sie ist in hohem Maße hier in Österreich integriert, beherrscht die deutsche Sprache und bestehen zu ihrem Heimatstaat mittlerweile kaum Bindungen.

 

Einige ihrer Verwandten leben ebenfalls in Österreich und besteht mit diesen enger Kontakt.

 

Sie pflegt ein intensives und aufrechtes Familienleben mit ihren Angehörigen. Die Berufungswerberin hilft im Unternehmen ihres Lebensgefährten mit und kümmert sich um den gesamten Haushalt. Nachdem ihr Lebensgefährte über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügt und sämtliche Kosten von ihm getragen werden, bis die Berufungswerberin im Unternehmen ganztägig beschäftigt werden kann, ist ihr Lebensunterhalt gesichert. Aber auch früher ist die Berufungswerberin nie dem Staat zur Last gefallen und hat sämtliche Beiträge und Abgaben entrichtet. Von ihr geht daher keinerlei Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit für die Interessen der Republik Österreich aus.

 

Insbesondere vor dem Hintergrund des Artikel 8 EMRK, aber auch ihres verfassungsgesetzlich gewährleistenden Rechts nach Artikel 3 EMRK (Verbot einer erniedrigenden oder menschenunwürdigen Behandlung zugeführt zu werden) erweist sich das gegen sie erlassene Aufenthaltsverbot als inhaltlich rechtswidrig.

 

Die Erstbehörde hat die persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin betreffenden Umstände keinerlei Würdigung zugeführt, sondern letztendlich als ausschlaggebendes Kriterium zur Erlassung des wider sie ausgesprochenen erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots nur die strafgerichtliche Verurteilung als Beurteilungsmaßstab herangezogen.

 

Dies erweist sich insofern als rechtswidrig, als eben auch nach den Bestimmungen des FPG eine individuelle und auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung zu erfolgen hat. Die einschlägigen Bestimmungen des FPG sind keine zwingende Bestimmung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots, sondern räumen der Erstbehörde (ebenso der Berufungsbehörde) Ermessen im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung ein.

 

Im Rahmen dieses Ermessens sind sämtliche für die Berufungswerberin sprechende Umstände ebenfalls einer entsprechenden Würdigung zuzuführen und nicht nur die zu ihren Lasten sprechenden Umstände.

 

Im Zuge einer vom Gesetz geforderten und zu erwartenden rechtskonformen Interessenabwägung hätte die Erstbehörde daher erkennen müssen, dass vor dem Hintergrund der hohen Integration, des aufrechten Familienlebens (im Sinne Artikel 8 EMRK) und vor dem Hintergrund ihres langjährigen Aufenthalts in Österreich die wider sie ergriffene aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht in Relation zu der wider sie ergangenen strafgerichtlichen Verurteilung steht, somit jedenfalls gegen sie kein Aufenthaltsverbot - im Rahmen einer rechtskonformen Interpretation der zugrunde liegenden Bestimmungen des FPG - hätte erlassen werden dürfen.

 

Darüber hinaus erweist sich auch die festgesetzte Zeitdauer des erstinstanzlich erlassenen Aufenthaltsverbot als unverhältnismäßig und ist für die Berufungswerberin unverhältnismäßig benachteiligend, da die von der Erstbehörde (nur ansatzweise im angefochtenen Bescheid enthalten) Beweiswürdigung und Zukunftsprognose betreffend ihrer Person jedenfalls jedweder konkreten Begründung entbehrt, sondern vielmehr eine ihre Person betreffende tendenzielle negative Beweiswürdigung durchgeführt wurde, die noch dazu im Wesentlichen am zugrunde liegenden Sachverhalt insofern vorbeigeht, als eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den zu ihren Gunsten sprechenden Rechten und ihrer Lebenssituation nicht erfolgt ist.

 

Vor dem Hintergrund der langjährigen Aufenthaltsdauer in Österreich ist auch das verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht gemäß Artikel 3 EMRK beeinträchtigt, als die wider Berufungswerberin erlassene fremdenpolizeiliche Maßnahme (zweijährig befristetes Aufenthaltsverbot) nicht mehr in Relation zu den ihre Person betreffenden persönlichen Beeinträchtigungen steht.

 

Bei richtiger rechtlicher Würdigung des zugrunde liegenden Sachverhalts, auch im Hinblick auf das von ihr erstattete Gelöbnis, mich hinkünftig wohl zu verhalten, wäre daher das wider sie eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren zur Einstellung zu bringen gewesen.

 

Von der Berufungswerberin gehen keinerlei wie auch immer geartete Gefahren mehr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit der Republik Österreich mehr aus.

 

Vor all diesen Hintergründen ist daher im Sinne der gestellten Berufungsanträge vorzugehen.

Weitere Vorbringen behalte ich mir ausdrücklich vor.

 

Abschließend wird noch der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge ein entsprechendes Ermittlungsverfahren über die hier eingebrachte Berufung einleiten und der Bw nach Vorliegen der entsprechenden Ermittlungsergebnisse Akteneinsicht und die Möglichkeit zur Erstattung einer inhaltlichen Stellungnahme einräumen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 25. November 2013 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt von der Landespolizeidirektion Oberösterreich dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig klar und unbestritten feststeht. Nachdem sohin bloß die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war, waren keine weiteren Erhebungen mehr erforderlich und dem gestellten Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht zu folgen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 114/2013, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

3.1.2. Bei der Bw handelt es sich um eine rumänische Staatsangehörige, also grundsätzlich um eine dem Adressatenkreis des § 67 FPG zurechenbare Person, weshalb diese Bestimmung auch zur Überprüfung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes heranzuziehen ist. Laut ZMR-Auszug ist die Bw seit dem Jahr 2010 im Bundesgebiet aufhältig und erreicht sohin nicht den 10-jährigen Aufenthalt im Sinne des vorletzten Satzes des § 67 Abs. 1 FPG, weshalb diese Bestimmung auch nicht zur Anwendung gebracht werden kann.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten der Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "tatsächlich" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konkretheit vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von tatsächlich könnte demnach auch "wirksam feststellbar", im Umkehrschluss: nicht fiktiv oder potentiell, verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

3.2.2.1. Die Bw wurde am 02.08.2013 vom LG für Strafsachen Wien, 143 Hv 93/13 i, wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls als Beteiligte nach §§ 127, 130 1. Fall und 12 3. Alternative und 15 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf 3 Jahre, verurteilt.

 

3.2.2.2. Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird bzw., ob die oa. Tatbestandselemente gegeben sind. 

 

Der Urteilsausfertigung ist zu entnehmen, dass die Bw in Wien durch das Leisten von Aufpasserdiensten dazu beigetragen hatte, gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen, und zwar

am 14.06.2013 bei dem von X begangenen Diebstahl, indem dieser X deren Mobiltelefon im Wert von ca. € 50,- gestohlen hat, indem er den Reißverschluss von deren Rucksack öffnete und aus diesem deren Mobiltelefon entnahm;

am 15.06.2013, indem X den Reißverschluss der Handtasche eines unbekannten Opfers öffnete und X in das Innere der Handtasche griff, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil das Opfer den Angriff bemerkte und dessen Handtasche wegzog;

am 15.06.2013 bei dem von X begangenen Diebstahl, indem er den Reißverschluss von nicht mehr feststellbaren Opfern öffnete und in das Innere der Handtasche griff und dessen Handtasche öffnen wollte, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil die Enkelin des unbekannten Opfers hinzukam.

 

3.2.3.1. Gewerbsmäßiger Diebstahl, wenn auch nur im Rahmen einer Beitragstäterschaft begangen, ist fraglos geeignet die Tatbestandselemente der tatsächlichen aber auch der erheblichen Gefährdung der genannten öffentlichen Interessen zu erfüllen, weshalb diese als im vorliegenden Fall gegeben anzusehen sind.

 

3.2.3.2. Betreffend die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt der Bw in Österreich ist auszuführen, dass die bei der Bw konstatierte kriminelle Energie an insgesamt 2 Tagen auftrat. Von einer Verfestigung kann hier wohl nicht unbedingt ausgegangen werden. Dabei tritt hinzu, dass die Bw nicht als unmittelbare Täterin, sondern als Beitragstäterin durch Aufpasserdienste die gewerbsmäßigen Diebstähle bzw. deren Versuche begünstigte. Hinsichtlich der Beurteilung der kriminellen Energie ist dies von Relevanz, da der psychologische Unwertgehalt bei Beitragstätern doch etwas gemindert und differenziert zu betrachten sein wird. Weiters ist anzumerken, dass die Bw davor nie strafrechtlich in Erscheinung trat, was ebenfalls zu ihren Gunsten auszulegen ist. Darüber hinaus kann sie auf ein – wenn auch noch nicht langfristiges – Wohlverhalten von rund einem halben Jahr verweisen.

 

Es ist aus Sicht des erkennenden Mitglieds des UVS des Landes Oberösterreich nicht erkennbar, inwieweit die – wenn auch nicht zu verharmlosenden - Taten der Bw geeignet sind, zwangsläufig von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen. Dem widersprechende grundlegende Erwägungen sind weder dem Akt noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen. Der Annahme einer ungünstigen Zukunftsprognose kann sohin nicht gefolgt werden.

 

3.3.1. Zusammengefasst ist also festzuhalten, dass das Verhalten der Bw aus derzeitiger Sicht nicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gegenwärtig zu gefährden.

 

Da es aber bereits an der Tatbestandsmäßigkeit nach § 67 Abs. 1 FPG mangelt, war – ohne auf die weiteren Berufungsvorbringen einzugehen und ohne die zurecht beanstandete Interessensabwägung hinsichtlich Art 8 EMRK und § 61 FPG zu ergänzen – der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

3.3.2. Nachdem die Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte auf die Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung gemäß § 67 Abs. 5 FPG verzichtet werden. 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Bernhard Pree

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum