Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401101/61/Gf/Rt

Linz, 31.12.2013

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Beschwerde des S, vertreten durch die RAe Dr. K und Mag. B, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 16. März 2011 und am 13. Dezember 2012 zu Recht erkannt:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 11. bis zum 17. März 2011 wird als rechtswidrig festgestellt.

 

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.673,90 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 22. Februar 2011 wurde der Rechtsmittelwerber, ein Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, nach vorangegangener Zustimmung zur Rückübernahme durch das Bundesasylamt Wien vom 1. Februar 2011 seitens der Polizeiinspektion R von Deutschland nach Österreich abgeschoben.

1.2. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Salzburg vom 22. Februar 2011, Zl. 1‑1046334/11, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (in der damals geltenden Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, im Folgenden: FPG 2009), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung um 12:00 Uhr dieses Tages in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) S sofort vollzogen.

Am 24. Februar 2011 wurde der Rechtsmittelwerber um 14.00 Uhr ohne näher dokumentierte Begründung aus der Schubhaft entlassen. Allerdings geht in diesem Zusammenhang aus einem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 22. Februar 2011, Zl. 1-1046334/11, hervor, dass bis zu diesem Zeitpunkt an die afghanische Botschaft noch kein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt worden war, weil noch geklärt habe werden müssen, ob der Beschwerdeführer „rückkehrwillig“ ist, weil nur unter dieser Voraussetzung im Wege des Bundesministeriums für Inneres ein derartiger Antrag gestellt werden könne; weiters findet sich auf diesem Aktenvermerk die – offenbar in der Folge angebrachte – handschriftliche Anmerkung, dass der Rechtsmittelwerber nicht rückkehrwillig sei.

1.3. Am Tag nach seiner Entlassung aus der Schubhaft hat der Beschwerdeführer eine Bahnreise von Salzburg nach Wien angetreten und wurde in deren Zuge um 14:30 Uhr in Vöcklabruck festgenommen, da er über keine gültigen Personal- und Reisedokumente verfügte und auch keinen Fahrausweis bei sich hatte. In der Folge wurde über ihn mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. Februar 2011, Zl. Sich40-1343-2011, nach § 76 Abs. 1 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ S sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 19. Juli 2009 von Italien aus kommend widerrechtlich und ohne gültige Personal- und Reisedokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und hier am 20. Juli 2009 einen Asylantrag gestellt habe. Ab dem 14. August 2009 sei er in die Grundversorgung des Landes Salzburg aufgenommen worden, dann jedoch am 10. November 2009 in der Anonymität untergetaucht. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 2009, Zl. 0908635, sei sein Asylantrag abgewiesen und gleichzeitig seine Ausweisung verfügt worden; dieser Bescheid sei in der Folge in Rechtskraft erwachsen; ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. November 2010 abgewiesen worden.

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Zell am See vom 18. Jänner 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010, sei dem Rechtsmittelwerber aufgetragen worden, an einer näher bestimmten Adresse Unterkunft zu nehmen und sich jeden zweiten Tag zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr bei der Polizeiinspektion M zur Überprüfung seiner Anwesenheit zu melden. Dieser Verpflichtung habe er jedoch nicht entsprochen. Vielmehr sei er neuerlich in der Anonymität untergetaucht und lediglich zufällig, nämlich zunächst bei dem Versuch, das Bundesgebiet in Richtung BRD zu verlassen, am 22. Februar 2011 festgenommen und nach Österreich zurückgeschoben worden. Am 24. Februar 2011 sei er zwar wieder aus der Schubhaft entlassen worden, doch am nächsten Tag habe er zur Sicherung des Aufenthaltsverbotsverfahrens und der Abschiebung neuerlich in Schubhaft genommen werden müssen.  

Dies deshalb, weil er sich im Hinblick auf jene seit dem 10. Dezember 2009 durchsetzbare Ausweisung unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte und in diesem Zusammenhang bewusst eine mehrfache Umgehung der einschlägigen österreichischen Ordnungsvorschriften in Kauf genommen habe; weil er keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt habe, sodass diese weiterhin als nicht hinreichend gesichert anzusehen sei; weil er völlig mittellos, nicht im Besitz einer Krankenversicherung und sein Aufenthalt als unstet anzusehen sei; und weil er – abgesehen von einem Onkel, von dem er nur den Vornamen kenne – keine familiären oder sonstigen sozialen Beziehungen oder Bindungen zu Österreich habe. Außerdem sei ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf auch deshalb anzunehmen, weil er zweifelsfrei habe erkennen lassen, dass er weder gewillt sei, sich der Fremdenpolizeibehörde tatsächlich zur Verfügung zu halten noch freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren, wobei sich die bereits eingesetzten gelinderen Mittel offenkundig als untauglich erwiesen hätten.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft hat der Rechtsmittelwerber eine am 14. März 2011 per Telefax an den Oö. Verwaltungssenat übermittelte Beschwerde erhoben.

Darin wurde eingewendet, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich keine strafbaren Handlungen begangen habe. Außerdem würden "maßgebende Institutionen" die Ansicht vertreten, dass "eine Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht möglich" sei.

Dass der Rechtsmittelwerber die gegen ihn angeordneten behördlichen Aufträge nicht befolgt habe, sei lediglich auf sein jugendliches Alter und seine fundamentale Rechtsunkenntnis zurückzuführen. Um ihn entsprechend aufzuklären, wäre eine höchstens einwöchige Anhaltung in Schubhaft zweifelsfrei ausreichend gewesen. Jedenfalls unzulässig sei es aber, den Rechtsmittelwerber lediglich zu dem Zweck in Haft zu halten, um ihn zu einer freiwilligen Rückkehr in seinen Heimatstaat, in dem unmenschliche Verhältnisse herrschen würden, zu bewegen.

Aus allen diesen Gründen wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft – allerdings explizit erst ab dem 11. März 2011 – beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat am 15. März 2011 Teile der Bezug habenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass bezüglich des Staates Afghanistan derzeit weder ein nationaler noch ein internationaler Abschiebestopp existiere. Vielmehr sei lediglich erlassmäßig vorgesehen, dass im Falle einer dorthin in Aussicht genommenen Abschiebung eine Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres einzuholen sei. Eine solche könne jedoch erst dann erteilt werden, wenn ein Heimreisezertifikat vorliege, was derzeit deshalb noch nicht der Fall sei, weil die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers mangels entsprechender Dokumente noch nicht zweifelsfrei habe geklärt werden können. Schließlich könne auch keine Rede davon sein, dass die Schubhaft zum Zweck der Belehrung des Fremden über die Rechtslage verhängt worden sei.

Daher wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.6.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat (zunächst) Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Aktenteile der belangten Behörde zu Zl. Sich40-1343-2011, des Bundesasylamtes (Außenstelle Salzburg) zu Zl. 0908635, der BH Zell am See zu Zl. 506/353-886/1/1-2010 und der BPD Salzburg zu Zl. E1/6681/2011 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 16. März 2011, zu der als Parteien der Beschwerdeführer sowie eine Vertreterin der belangten Behörde erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme hat sich der oben unter 1.1. bis 1.3. dargestellte Sachverhalt aufgrund der glaubwürdigen und sich inhaltlich nicht widersprechenden Parteienaussagen als zutreffend bestätigt. Darüber hinaus konnten aufgrund dieser Aussagen noch folgende entscheidungswesentliche Feststellungen getroffen werden:

1.6.1.1. Bei seiner Aufgreifung hatte der Beschwerdeführer drei Dokumente samt den jeweiligen englischsprachigen Übersetzungen bei sich. In der Folge wurden diese Dokumente überprüft und dabei festgestellt, dass es sich um einen Personalausweis (im Akt jenes Dokument, das der Form nach wie ein Reisepass aussieht, allerdings nur arabische Schriftzeichen trägt), seine eigene Heiratsurkunde und eine Geburtsurkunde seiner vermeintlichen Ehefrau handelt. Aus dem vorläufigen Bericht der PI S vom 15. März 2011, Zl. E1/6526/2011-Irl (vgl. BEILAGE 1 zum h. Verhandlungsprotokoll), ergibt sich, dass es sich dabei um Verfälschungen bzw. Fälschungen handeln dürfte. Ob der Beschwerdeführer ein afghanischer Staatsangehöriger ist, konnte nicht mit Sicherheit bestätigt werden; vielmehr muss dieser Umstand von der afghanischen Botschaft im Zuge des beantragten Heimreisezertifikates überprüft werden.

1.6.1.2. Der Onkel des Beschwerdeführers ist namentlich bekannt und lebt in der H in W. Der Rechtsmittelwerber hat ihn jedoch während seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich erst ein Mal, und zwar in W, persönlich getroffen. Außer diesem Onkel hat er keine Verwandten oder Bekannten im Bundesgebiet; er verfügt weder über Bargeld noch über sonstiges Vermögen, ist allerdings – von offenkundigen Vergehen gegen melde- und einreiserechtlichen Vorschriften abgesehen – auch nicht straffällig geworden. Am fremdenpolizeilichen Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Klärung seiner Identität, hat er bislang nicht konstruktiv mitgewirkt.

1.6.1.3. Hinsichtlich der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer hat die belangte Behörde ohne zeitliche Verzögerung alle jene Schritte gesetzt, die bislang möglich waren. Allerdings musste noch die Prüfung der Dokumente des Beschwerdeführers abgewartet werden, um mit Erfolgsaussicht den Antrag für das Heimreisezertifikat bei der Botschaft des Heimatstaates des Rechtsmittelwerbers einbringen zu können.

 

1.6.1.4. Im Hinblick auf die Frage, ob der Beschwerdeführer den bescheidmäßigen Auftrag der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011 zur verpflichtenden Unterkunftnahme und zur periodischen Meldepflicht bei der PI M auch tatsächlich kognitiv erfasst hat, insbesondere, ob ihm dieser Bescheid übersetzt und/oder im Beisein eines Dolmetschers erklärt wurde, hat der Rechtsmittelwerber angegeben, diesen Bescheid zwar eigenhändig unterschrieben, allerdings nicht verstanden zu haben, was der Inhalt dieses Bescheides ist. Insbesondere sei ihm nicht erklärt worden, dass er für den Fall der Zuwiderhandlung mit einer Inschubhaftnahme zu rechnen habe.

 

Dem gegenüber hat die Vertreterin der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass sich aus der Niederschrift der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010 (Beginn 9.30 Uhr; vgl. BEILAGE 2 zum h. Verhandlungsprotokoll) ergebe, dass eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers als Dolmetscher beigezogen war, wobei sich aus dem letzten Absatz zweifelsfrei ergebe, dass der Rechtsmittelwerber zur Unterkunftnahme und periodischen Meldepflicht angewiesen worden sei und er dies auch inhaltlich verstanden habe.

 

Über entsprechende Nachfrage des Oö. Verwaltungssenates hat die seinerzeitige Sachbearbeiterin der BH Zell am See mitgeteilt, dass sie zwar ihr Gespräch mit dem Dolmetscher in englischer Sprache geführt habe, dieses aber dann für den Beschwerdeführer jeweils derart übersetzt worden sei, dass aufgrund gezielter Nachfrage der Eindruck habe gewonnen werden können, dass er dem Gesprächsinhalt durchaus habe folgen können; außerdem habe er zugesagt, sich um 14:00 Uhr desselben Tages bei der PI M seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, allerdings sei er dort nicht erschienen (vgl. ONr. 7 des h. Aktes).

 

Insgesamt ergibt sich daraus, dass der Rechtsmittelwerber zwar verstanden haben dürfte, dass er dazu verpflichtet ist, an einem näher bestimmten Ort seine Unterkunft zu nehmen und sich in periodischen Abständen bei der PI M zu melden; allerdings ergibt sich kein Hinweis dafür, dass ihn die Sachbearbeiterin der BH Zell am See oder der von ihr beigezogene Dolmetscher auch konkret darüber aufgeklärt hätte, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Sanktion der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte.

 

Ergänzend dazu war festzustellen, dass weder die Verletzung der bescheidmäßigen Anordnungen durch den Beschwerdeführer noch die Nichtbefolgung der Ladung zur Abgabe der Fingerabdrücke tatsächlich zur Verhängung der Schubhaft geführt haben. De facto war sein Fehlverhalten vielmehr bis zu dem am 22. Februar 2011 aus Anlass einer Rückübernahme aus der BRD erlassenen Festnahmeauftrag völlig sanktionslos geblieben.

1.6.2. Mit h. Erkenntnis vom 17. März 2011, Zl. VwSen-401101/9/Gf/Mu, hat der Oö. Verwaltungssenat der Beschwerde insoweit stattgegeben, als er die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers seit dem 11. März 2011 als rechtswidrig sowie gleichzeitig festgestellt hat, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die mit der gegenständlichen Beschwerde relevierte Frage, ob die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft (seit dem 25. Februar bzw.) seit dem 11. März 2011 sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig war bzw. ist, – nur – dann bejaht werden könne, wenn 1.) ein Schubhafttatbestand gemäß § 76 Abs. 2a FPG vorliege, 2.) eine dem Zweck dieses Tatbestandes entsprechende Sicherungsnotwendigkeit bestehe und zudem 3.) durch eine derartige Maßnahme insgesamt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.

1.6.2.1. Im vorliegenden Verfahren habe die belangte Behörde die Schubhaftverhängung auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt. Dies setze in dem Fall, dass – wie hier – bereits eine durchsetzbare Ausweisung vorliege, voraus, dass diese im Wege der Abschiebung gesichert werden müsse.

Hier sei der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 2009, Zl. 0908635, abgewiesen und der Rechtsmittelwerber gleichzeitig nach Afghanistan ausgewiesen worden. Dagegen sei kein Rechtsmittel erhoben und das außerordentliche Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. November 2010 abgewiesen worden. Die Ausweisung sei daher im gegenständlichen Fall allseits unbestritten jedenfalls seit dem 10. Dezember 2010 rechtskräftig und vollstreckbar gewesen, sodass daher zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides am 25. Februar 2011 die Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG vorgelegen seien.

1.6.2.2. Hinsichtlich der Beurteilung der Sicherungsnotwendigkeit (nicht: Sicherungsbedürfnis, weil durch diesen Terminus suggeriert werden würde, dass es insoweit nicht auf eine objektivierbare, sondern auf die subjektive Einschätzung der Organwalter der Fremdenpolizeibehörde ankäme) sei anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob mit Blick auf das Ziel der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme eine Beschränkung der persönlichen Freiheit unabdingbar war. Es sei also zunächst (und zwar nicht mit der vorgefassten Tendenz: "im Zweifel pro Haft", sondern im Gegenteil: mit der Grundhaltung, dass prinzipiell gelindere Mittel anzuordnen sind, sodass die Verhängung der Haft stets nur eine äußerste Notmaßnahme darstellen kann) zu untersuchen, ob anhand der Umstände des konkreten Falles tatsächlich nur im Wege einer Haft zuverlässig erreicht werden kann, dass die intendierte fremdenpolizeiliche Maßnahme auch effektiv umgesetzt werden kann.

Solche inzident für eine derartige Sicherungsnotwendigkeit sprechenden Kriterien könnten beispielsweise die fehlende Wahrscheinlichkeit einer freiwilligen Ausreise, die für eine Rückkehr in den Abschiebe- bzw. Heimatstaat fehlenden finanziellen Mittel, die im Heimatstaat fehlende soziale Bindung, die angesichts fehlender Sanktionen gegebene Wahrscheinlichkeit einer illegalen Rückkehr des Fremden nach Österreich o.Ä; nicht jedoch eine allgemeine, d.h. nicht im Zusammenhang mit dem Zweck der Sicherungsnotwendigkeit stehende Gleichgültigkeit gegenüber generellen Ordnungsvorschriften oder strafrechtliche Verbote, ein allgemein unkooperatives Verhalten, eine allgemein mangelnde soziale, insbesondere berufliche Integration, etc. sein.

Habe daher der Fremde beispielsweise seine persönliche Identität zu verschleiern versucht und war dieser weder polizeilich gemeldet noch tatsächlich durch längere Zeit hindurch an einer bestimmten Unterkunft aufhältig, so bestehe eine hohe Gefahr des Untertauchens, die umgekehrt prinzipiell eine entsprechende Sicherungsnotwendigkeit begründe. Hingegen entfalle diese von vornherein, wenn der Fremde bloß gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen hat und/oder wegen eines Suchtgiftdeliktes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sich seither aber tatsächlich durchgehend an einer der Fremdenpolizeibehörde bekannten Unterkunft aufgehalten hat.

Im gegenständlichen Fall habe die Schubhaftverhängung bezweckt, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde für die Durchführung des Ausweisungsverfahrens auch tatsächlich zur Verfügung stehen und dieses nicht dadurch, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verhängung dieser Maßnahme und deren effektiver Durchsetzung im Wege der Abschiebung an seinem bisherigen Aufenthaltsort faktisch nicht greifbar wäre, erschweren oder gar verunmöglichen können solle.

Dass der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels entsprechender Reise- und Personaldokumente nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt sei, über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich verfügte, werde auch von ihm selbst gar nicht behauptet. Zwar habe er sich danach bis zu seiner Inschubhaftnahme am 25. Februar 2011 gelegentlich in der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle aufgehalten; dieser Aspekt habe jedoch kein spezifisches Wohl-, sondern bloß ein auf Grund der Umstände zielgerichtetes Verhalten für jenen Zeitraum, in dem noch mit einer positiven Erledigung des Asylverfahrens gerechnet werden konnte, dargestellt.

Von einer sozialen oder beruflichen Integration des Rechtsmittelwerbers könne ebenfalls keine Rede sein. In Österreich lebe lediglich sein Onkel, den er während seines bisher nahezu zweijährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet lediglich ein Mal persönlich getroffen habe. Außerdem liege eine – zudem glaubwürdige – Erklärung seines Onkels, dass der Beschwerdeführer für den Fall seiner Freilassung bei ihm Unterkunft nehmen könnte und von ihm verpflegt werden würde, nicht vor.

Dass er trotz des Umstandes, dass seine Ehefrau dort lebt, keinesfalls nach Afghanistan freiwillig zurückkehren oder abgeschoben werden möchte, habe der Rechtsmittelwerber mehrfach, und zwar auch im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat am 16. März 2011, explizit bekräftigt. Angesichts dessen liege es auf der Hand, dass er eine Abschiebung nicht widerstandslos über sich ergehen lassen, sondern – wäre er in Freiheit – von der einfachsten und deshalb am nächsten liegenden Möglichkeit, nämlich: Verschleierung seines jeweiligen aktuellen Aufenthaltsortes, Gebrauch machen werde, um sich dieser zu entziehen.

Alle diese sowie jene von der belangten Behörde darüber hinaus in ihrem Schubhaftbescheid und in der öffentlichen Verhandlung angeführten Gründe (fortgesetzte Verwendung verfälschter Dokumente; Nichtentsprechung der angeordneten gelinderen Mittel; unvorhersehbares Untertauchen in der Anonymität; Mittellosigkeit) sprächen im vorliegenden Fall für eine dementsprechende Sicherungsnotwendigkeit; sie würden insgesamt betrachtet deutlich jene – nämlich: dass sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Inschubhaftnahme zeitweise tatsächlich in der Bundesbetreuung aufgehalten hat; in diesem Zusammenhang sei jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass ihm bis dahin die Aussichtslosigkeit seines Asylantrages noch in keiner Weise bewusst war, sodass ein insoweit kooperatives Verhalten gleichsam als selbstverständlich erscheinen müsse – dagegen sprechenden Argumente überwiegen, und zwar insbesondere auch deshalb, weil das Bestehen einer derartigen Sicherungsnotwendigkeit im sog. Spätstadium des Asylverfahrens stets dann umso mehr angenommen werden könne, wenn nicht zwingende Gründe dagegen sprechen (vgl. VwGH v. 25. März 2010, 2008/21/0617).

1.6.2.3. Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend sei schließlich im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch zu untersuchen gewesen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch normale (diese Bezeichnung sei deshalb angebracht, weil dadurch umgekehrt die Haft als das "Ausnahmemittel" deutlicher in den Vordergrund trete), d.h. im Verhältnis zum Entzug der persönlichen Freiheit im Wege der Haft gelindere Sicherungsmittel zu erreichen gewesen wäre.

Die Anordnung gelinderer Mittel bedinge das grundsätzliche, durch entsprechende konkrete Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung hält, d.h. für diese auch faktisch greifbar ist. In diesem Zusammenhang gehe die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist – sonst wäre nicht die Schubhaftverhängung als ein bloßes ultima-ratio-Mittel, sondern im Gegenteil als Standardmaßnahme für die Fremdenpolizeibehörden gesetzlich vorgesehen worden. Daraus folge, dass es dann, wenn die Schubhaft angeordnet wird, der Behörde obliege, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im jeweiligen Fall für ein konkretes Nichtbestehen eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen.

Einer derartigen Prognoseentscheidung seien somit v.a. jene Hinweise in Bezug auf das bisherige Verhalten zu Grunde zu legen, die gegen bzw. für eine Freiheitsentziehung sprechen (wie z.B. ob gelindere Mittel bisher schon angewendet wurden und wenn ja, ob diese erfolgreich waren oder nicht; ob sich auch die näheren Familienangehörigen [legal] in Österreich befinden; ob der Fremde in Österreich sozial integriert ist; ob sich der Fremde grundsätzlich den österreichischen Rechtsvorschriften verbunden fühlt, etc.), wobei insoweit unter dem Aspekt, dass eine Haftanordnung nur eine ultima-ratio-Maßnahme darstellen könne, eben eine formelhafte oder bloß auf allgemeine Erfahrungssätze abstellende Begründung des Schubhaftbescheides nicht hinreiche, sondern diese vielmehr eine konkrete, individuell-fallbezogene Subsumtion mit entsprechender pro- und contra-Abwägung aufweisen müsse, damit gewährleistet sei, dass durch diese keine antizipatorische "pro-Haft-Tendenz" zum Ausdruck komme, d.h. eine haft"begünstigende" Begründungsargumentation objektiv betrachtet verlässlich ausgeschlossen ist. Nur wenn danach mit zwingenden Gründen davon ausgegangen werden könne, dass die effektive Umsetzung (eine bloße "Erschwerung" reiche hingegen nach § 76 FPG – und erst recht nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG – nicht hin) der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit gewährleistet werden kann, erweise sich die Anordnung der Schubhaft auch unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzips als gerechtfertigt.

Im gegenständlichen Fall sei der Beschwerdeführer illegal und unter Verschweigung von für das fremdenrechtliche Verfahren essentiellen Fakten (Personalia, Reiseroute) – wobei ihm dieser Umstand wohl bewusst sein musste – in das Bundesgebiet eingereist. 

Weiters sei, nachdem sein Asylantrag abgewiesen worden war, auch sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen worden.

Dieses Verhalten – nämlich: die Verwendung verfälschter Dokumente, die eine Klärung seiner Identität erheblich erschwert habe, die Nichtvorlage von Reisedokumenten, etc. – lege insgesamt die Annahme nahe, dass die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages offensichtlich primär dazu gedient hat, das Asylverfahren insgesamt in die Länge zu ziehen und auf diese Art seinen faktischen Aufenthalt im EU-Raum, insbesondere auch in Österreich, zu verlängern.

Gesamthaft betrachtet folge daraus, dass der Beschwerdeführer durch diese Handlungen das ihm grundsätzlich entgegen zu bringende Vertrauen objektiv-abstrakt besehen in einem solchen Grad erschüttert habe, der es nicht mehr zulassen würde, mit gutem Grund annehmen zu können, dass er sich zum Zeitpunkt seiner Abschiebung sowohl freiwillig als auch tatsächlich der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten wird; Letzterer könne daher vor dem Hintergrund des hier konkret zu beurteilenden Sachverhalts grundsätzlich nicht entgegengetreten werden, wenn diese davon ausgegangen ist, dass es im vorliegenden Fall solcher Sicherungsmaßnahmen bedurfte, die der dargestellten Motivationslage des Rechtsmittelwerbers auch effektiv entgegenwirken.

Allerdings kämen nach § 77 Abs. 3 FPG als – im Vergleich zur Schubhaftverhängung – gelindere Mittel auch die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer Sicherheitsdienststelle zu melden, in Betracht. Wie sich aus der Textierung dieser Bestimmung, speziell aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergebe, sei die Behörde hinsichtlich der Auswahl zwischen den unterschiedlichen Arten von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich nicht, durch das in § 77 Abs. 1 FPG normierte Verhältnismäßigkeitsprinzip im Ergebnis jedoch insoweit beschränkt, als letztlich nur eine solche Maßnahme gewählt werden dürfe, die sowohl zur Zielerreichung geeignet ist als auch den vergleichsweise geringstmöglichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Fremden nach sich zieht.

Im gegenständlichen Fall habe die Vertreterin der belangten Behörde im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat am 16. März 2011 die Ansicht vertreten, dass angesichts des Zweckes der Sicherungsmaßnahme – Gewährleistung der Möglichkeit der faktischen Durchführung der Abschiebung des Beschwerdeführers zu einem noch konkret festzusetzenden, jedoch in absehbarer Zukunft liegenden Zeitpunkt – die alleinige Anordnung zur Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumen (z.B. in einer bundes- oder landesbetreuten Wohnung oder in der Wohnung seines Onkels) und/oder eine Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle keine zur effektiven Zielerreichung geeigneten Maßnahmen darstellen könnten, weil so in beiden Fällen für den Rechtsmittelwerber eine nicht nur einfache, sondern geradezu verlockende Gelegenheit geschaffen würde, sich zum maßgeblichen Zeitpunkt dem behördlichen Zugriff durch Verschleierung seines Aufenthaltsortes zu entziehen. Konkret wäre "dringend zu befürchten, dass der Beschwerdeführer wieder in die Anonymität abtaucht, wie er dies schon zwei Mal getan hat".

 

Dem sei allerdings zu entgegnen, dass der Rechtsmittelwerber – was dieser in der Verhandlung auch selbst gar nicht bestritten hat – bezüglich des bescheidmäßigen Auftrages der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011 zwar verstanden hat, dass er zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und zur periodischen Meldepflicht bei der PI M verpflichtet ist. Allerdings sei er weder von der Sachbearbeiterin der BH Zell am See noch von dem von dieser beigezogenen "Übersetzer" – hierbei handelte es sich keineswegs um einen Dolmetscher i.S.d. § 39a AVG, sondern, wie aus der Mitteilung der BH Zell am See vom 16. März 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010, zweifelsfrei hervorgeht, lediglich um einen "Bekannten" des Rechtsmittelwerbers, der als afghanischer Staatsbürger auch "etwas Deutsch aber sehr gut Englisch" sprach – auch konkret darüber aufgeklärt worden, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte. Damit aber eine Verfügung i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG gleichsam als pro futuro verwirkt angesehen werden könne, dürfe i.S. eines weitestmöglichen Schutzes der Freiheitsrechte des Fremden gemäß Art. 5 EMRK objektiv kein Zweifel daran bestehen, dass er sich derartigen Maßnahmen in bewusster Kenntnis des Umstandes, dass für den Fall der – auch bloß einmaligen – Zuwiderhandlung seine unmittelbare Inschubhaftnahme droht, widersetzt hat. Auf diese Konsequenzen sei er somit im Vorhinein ausdrücklich in einer ihm verständlichen Sprache hinzuweisen.

 

Dafür, dass dies im gegenständlichen Fall in der beschriebenen Weise erfolgt wäre, fänden sich aber in den vorgelegten Aktenteilen keine entsprechenden Hinweise; vielmehr lasse sich aus der vorerwähnten Mitteilung der Sachbearbeiterin der BH Zell am See vom 16. März 2011 das Gegenteil entnehmen, wobei der persönliche Eindruck, der vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat gewonnen werden konnte, dies noch zusätzlich bekräftigt habe: Denn der Rechtsmittelwerber spricht und versteht kaum Deutsch und seine Englischkenntnisse sind selbst auf einfachstem Niveau vergleichsweise eher noch schlechter.

 

Da zudem in der Folge weder die Verletzung der bescheidmäßigen Anordnungen vom 18. Jänner 2011 noch die Nichtbefolgung der Ladung zur Abgabe der Fingerabdrücke an diesem Tag oder ein sonstiges Fehlverhalten des Beschwerdeführers tatsächlich zur Verhängung der Schubhaft geführt hätten – vielmehr seien diese Verfehlungen de facto bis zu dem am 22. Februar 2011 aus Anlass einer Rückübernahme aus der BRD erlassenen Festnahmeauftrag in jeder Hinsicht völlig sanktionslos geblieben –, sei sohin aus seinem Blickwinkel keineswegs eine zwingende Verhaltensregel vorgelegen, die eine unmittelbar haftbedrohte Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit bedeutet hätte. Vielmehr habe er daraus, dass die Nichtbefolgung der behördlichen Anordnungen sanktionslos geblieben ist, im Gegenteil (und insbesondere unter Zugrundelegung entsprechender Gepflogenheiten seines Heimatstaates) sogar berechtigterweise den Schluss ziehen können, dass es sich insoweit eher bloß um moralische denn um rechtlich verbindliche Verpflichtungen handelte.

 

Weil der Rechtsmittelwerber in der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat ruhig und besonnen gewirkt und zudem jedenfalls nicht den Eindruck hinterlassen habe, bewusst destruktiv zu agieren, und er darüber hinaus weder über finanzielle Mittel noch über eine Unterkunft verfüge, sei es subjektiv-konkret betrachtet nach Abwägung aller beteiligten Interessen geboten gewesen, anstelle seiner Anhaltung in Schubhaft gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG anzuordnen, weil das grundsätzliche, durch die genannten Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten, d.h. für diese auch faktisch greifbar sein wird, insgesamt nicht in einem solchen Maße erschüttert erschienen sei, das es nicht mehr zulassen würde, mit gutem Grund zwingend das Gegenteil annehmen zu müssen.

 

Im besonderen könne der bislang mit der Schubhaftverhängung verfolgte Zweck nämlich auch dadurch erreicht werden, dass er zur Unterkunftnahme in einer bundes- oder landesbetreuten Einrichtung sowie dazu verhalten wird, sich in verhältnismäßig kurzen Abständen (z.B. zweimal täglich oder noch häufiger) bei einer Sicherheitsdienststelle zu melden.

 

Wesentlich sei allerdings, dass ihm dabei die Konsequenz, dass ein (allenfalls auch nur einmaliges) Vergehen gegen diese Anordnung seine unmittelbare Inschubhaftnahme nach sich zieht, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise explizit sowie in einer ihm verständlichen Sprache vor Augen geführt wird.

 

Aus diesen Gründen sei daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 Abs. 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und (antragsgemäß) die Anhaltung des Beschwerdeführers seit dem 11. März 2011 sowie auch dessen allfällige weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen gewesen.

1.7. Dagegen hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich eine Amtsbeschwerde erhoben, aus deren Anlass der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates mit Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2011/21/0092, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben hat.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Verwaltungsgerichtshof zwar die Annahme einer Sicherungsnotwendigkeit i.S.d. § 76 Abs. 1 erster Satz FPG, nicht aber die weitere These, dass dieser durch die bloße Anwendung gelinderer Mittel begegnet werden könne, teile.

Denn der Fremde habe von Anfang an seine Identität, insbesondere sein Geburtsjahr verschleiert. Außerdem habe er sich nach der negativen Beendigung seines Asylverfahrens entgegen der Anordnung gelinderer Mittel und selbst nach dem erstmaligen Verspüren der Schubhaft im Verborgenen aufgehalten. Schließlich habe er auch generell eine hohe Mobilität und die Bereitschaft, sogar das Bundesgebiet zu verlassen, an den Tag gelegt.

Dem gegenüber betreffe das vom Oö. Verwaltungssenat hervorgehobene Unterbleiben einer behördlichen Belehrung über einzelne Rechtsfolgen der Verhängung gelinderer Mittel schon grundsätzlich nur einen Teilaspekt der für die Entscheidung maßgeblichen Gesamtsituation des Fremden. Ein durch diese Unterlassung (allfällig) ausgelöster Irrtum könne überdies deshalb nicht relevant sein, weil schon nach der grundlegenden Definition eines Bescheides als normativer Individualanordnung keine gesetzliche Grundlage dafür bestehen könne, mit einem Bescheid über das Bestehen einer (gemeint wohl: bloß) "moralischen Verpflichtung" abzusprechen. Dazu komme, dass ein Irrtum des Fremden nicht die Pflicht zu dem normativ angeordneten und damit rechtlich gebotenen Handeln, sondern nur die Rechtsfolgen (nämlich einer möglichen Verhängung der Schubhaft) eines Zuwiderhandelns umfasst habe. Insoweit habe jedenfalls die Obliegenheit des Fremden dazu bestanden, bei etwaigen Zweifeln oder Unklarheiten aus Eigenem nachzufragen.

1.8. Mit h. Schriftsatz vom 25. Mai 2012, Zl. VwSen-401101/18/Gf/Rt, hat der Oö. Verwaltungssenat in der Folge gemäß Art. 140 Abs. 1 i.V.m. Art. 129a Abs. 3 und Art. 89 B-VG einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung einiger Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes wegen Verfassungswidrigkeit gestellt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der unter der Überschrift "Dauer der Schubhaft" stehende erste Satz des § 80 Abs. 4 FPG durch die Bestimmung des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG sachlich ergänzt werde. Daraus scheine sich insgesamt folgende Systementscheidung des einfachen Gesetzgebers zu ergeben:

 

* Nach § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG darf eine Anhaltung in Schubhaft grundsätzlich die Dauer von vier Monaten nicht überschreiten;

 

* Ausnahmsweise darf die Schubhaft jedoch (u.a.) dann, wenn der Fremde – wie hier – deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates (noch) nicht vorliegt, zwar länger als vier Monate, jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden (§ 80 Abs. 4 Z. 2 erste Alternative FPG);

 

* Wiederum als Ausnahme von dieser Ausnahme ist schließlich eine Anhaltung in Schubhaft dann länger als sechs Monate, höchstens jedoch für zehn Monate zulässig, wenn entweder

 

– der Fremde deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, weil die Feststellung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit nicht möglich ist, die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt und daher deren Nichtvornahme seinem Verhalten zuzurechnen ist oder

 

– die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder

 

– die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG, d.h. deshalb verhängt wurde, weil der Fremde ein Asylwerber ist und gegen ihn entweder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 1 FPG) oder ein Ausweisungsverfahren eingeleitet (§ 76 Abs. 2 Z. 2 FPG) oder vor Stellung des Asylantrages eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen (§ 76 Abs. 2 Z. 3 FPG) wurde bzw. anzunehmen ist, dass sein Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird (§ 76 Abs. 2 Z. 4 FPG).

 

Davon ausgehend scheine die Anordnung des § 80 Abs. 4 FPG zunächst gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu verstoßen, weil daraus mit Blick auf den gegenständlich anhängigen Fall insgesamt nicht hervorgehe, ob dann, wenn eine Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG – also über einen Asylwerber – verhängt wurde, auch der Grundsatz des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG, wonach diese vier Monate nicht überschreiten darf, maßgeblich ist, oder ob der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG vielmehr so zu verstehen ist, dass in diesem Fall die Dauer der Schubhaft schon a priori länger als sechs Monate betragen kann.

 

Soweit es den Normtext betrifft, sei dieser jedenfalls nicht eindeutig; er scheine eher für die letztere Alternative zu sprechen (vgl. aber dem gegenüber die Gesetzesmaterialien, 952 BlgNR, 22. GP, S. 105: "In den Fällen des Abs. 4 wird eine Schubhaft länger als zwei Monate – grundsätzlich längstens sechs Monate – dauern" [Hervorhebung nicht im Original]). Dies deshalb, weil die Formulierung bereits auf die ursprüngliche Fassung des FPG (BGBl.Nr. I 100/2005) zurückgehe, wonach die grundsätzliche Dauer der Schubhaft noch nicht vier, sondern lediglich zwei Monate betragen habe, was im (Normal-)Fall eines Asylwerbers ohne Reisedokumente aber wohl stets zu kurz und somit deren bis zu sechsmonatige Anhaltung die Regel gewesen sei.

 

Dem gegenüber verstehe die behördliche Praxis den letzten Satz des § 80 Abs. 4 FPG jedoch so, dass diese Bestimmung bloß subsidiär, nämlich erst dann zum Tragen komme, wenn mit der prinzipiell mit vier Monaten befristeten Regel-Anhaltedauer des § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in concreto nicht das Auslangen gefunden werden könne. 

 

Weiters schienen diese Bestimmung und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG; vgl. dazu bspw. VfGH vom 9.3.2011, G 53/10 u.a., und vom 16.12.2010, U 1769/10), insbesondere in dessen Konnex mit dem Schutz der persönlichen Freiheit (Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG, Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 14 EMRK), zu verstoßen, wenn sie – davon ausgehend, dass der letzte Satz des § 80 Abs. 4 FPG in keiner Korrelation zu dessen erstem Satz steht – es der Behörde ohne jede nähere Differenzierung ermöglichten, überhaupt und zudem in unverhältnismäßiger Weise in das nicht nur Staats- und Unionsbürgern, sondern – in adäquater Weise – auch einem Drittstaatsangehörigen verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit einzugreifen.

 

Denn selbst wenn man davon ausgehe, dass auch bei Asylwerbern nach § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Schubhaftverhängung prinzipiell zulässig und § 80 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 FPG insgesamt dahin zu verstehen ist, dass die höchstzulässige Anhaltedauer in Schubhaft grundsätzlich bloß vier Monate beträgt und deren Ausdehnung auf sechs Monate nur dann zulässig ist, wenn eine der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 erster Satz FPG erfüllt ist, sei in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Grundrecht der persönlichen Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat eines der höchsten Rechtsgüter verkörpere, sodass staatliche Beeinträchtigungen stets einer besonderen und zwingenden sachlichen Rechtfertigung bedürften. Aus der Sicht des einfachen Gesetzgebers scheine diese nach dem Normtext des § 76 Abs. 2 erster Satz FPG jedoch ausschließlich in der Notwendigkeit der Sicherung der Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens, nämlich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme samt deren Vollstreckung im Wege der Abschiebung, zu bestehen. In diesem Zusammenhang werde aber lediglich auf die Eigenschaft des Fremden als "Asylwerber" abgestellt; hingegen mache es aber offenbar keinen Unterschied, ob es sich – als Extremfall auf der einen Seite – um einen Fremden handle, der in Österreich bereits durch strafgerichtlich zu ahndende Handlungen (wie z.B. Suchtgift- oder Vermögensdelikte) in Erscheinung getreten ist und somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bildet(e), was wiederum eine erhöhte Sicherungsnotwendigkeit bedingt, oder – als Extremfall auf der anderen Seite – um einen solchen Fremden, der sich nur zufällig und/oder unauffällig im Bundesgebiet aufhalte und dieses auch freiwillig wieder (sogar) in einen außerhalb der EU gelegenen Staat verlassen wolle, was jedoch (primär bloß) an Formalien, nämlich an entsprechenden Reisedokumenten, scheitere. Der Umstand, dass in Konstellationen wie der zuletzt erwähnten, wo eine regelmäßig mehrmonatige (!) Anhaltung in Schubhaft ersichtlich ausschließlich dazu diene, die – vom Fremden selbst überdies in keiner Weise beeinflussbare – Zeitdauer der Ausstellung der erforderlichen Reisedokumente durch seinen Heimatstaat zu überbrücken, lasse eine derartige Anhaltung angesichts der eher bloß geringfügigen Verfehlungen des Fremden nicht nur als offenkundig unverhältnismäßig i.S.d. Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG erscheinen, sondern bereits bedrohlich in die Nähe einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK rücken (wobei der bloße Umstand, dass selbst für offensichtlich problemlose Fälle bislang in Österreich trotz langjähriger politischer Zusicherungen faktisch noch immer keine humaneren Methoden einer effektiven Verfahrenssicherung geschaffen wurden, aus rechtlicher Sicht naturgemäß nicht zum Nachteil des Fremden gereichen könne).

 

Dazu komme, dass in der gegenwärtigen fremdenpolizeilichen Vollzugspraxis für einen Fremden keine vorherseh- und berechenbare, sohin rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Garantie dafür bestehe, dass diese infolge mangelnder gesetzlicher Differenzierung übermäßige Bandbreite an von § 80 Abs. 2 und Abs. 4 FPG potentiell erfassten (Extrem-)Fallkonstellationen zumindest auf der nachgeordneten Ebene der Vollziehung entsprechend zuverlässig korrigiert wird. Denn die anstelle der Schubhaftverhängung vorgesehenen gelinderen Mittel kämen nach der Textierung des § 77 Abs. 1 FPG nunmehr zwar formal im Wege einer Rechtsentscheidung (vor der FPG-Novelle 2011: bloße Ermessensentscheidung) zum Tragen. Allerdings seien deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen derart konzipiert, dass eine konkrete Heranziehung dieser Bestimmung – was für sich besehen wiederum einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu bedeuten scheine – nicht von objektiv nachprüfbaren Kriterien, sondern vielmehr ausschließlich von der subjektiv-persönlichen Einschätzung (des jeweiligen Organwalters) der jeweiligen Fremdenpolizeibehörde (arg.: "wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann") abhänge. Damit sei aber die Bestimmung des § 77 Abs. 1 FPG schon von vornherein nicht geeignet, das bislang in der Vollzugspraxis der Fremdenpolizeibehörden dominierende Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach die Schubhaftanordnung die Standardmaßnahme und ein gelinderes Mittel den Ausnahmefall bildet, entsprechend umzukehren (wobei mangels entsprechender Hinweise in den Erläuterungen [vgl. 1078 BlgNR, 24. GP, S. 37] offen bleibe, ob dies vom Gesetzgeber der FPG-Novelle 2011 in dieser Schärfe überhaupt intendiert gewesen sei). Denn es liege auf der Hand, dass aus der Sicht der Behörde eine Anhaltung in Haft deren jederzeitigen Zugriff auf die Person des Fremden mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit gewährleiste als die in § 77 Abs. 3 Z. 1 bis 3 FPG vorgesehenen Maßnahmen. Wegen sonach schon voraussetzungsgemäßer Ungleichheit könnten daher "Schubhaft" einerseits und "gelindere Mittel" andererseits der Fremdenpolizeibehörde seitens des einfachen Gesetzgebers nicht als adäquate Maßnahmen, sondern nur in der Form überantwortet werden, dass zweifelsfrei klargestellt werde, dass gelindere Mittel stets grundsätzlich anzuwenden sind, während eine Heranziehung der Schubhaft nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Indem der derzeitige Normtext des § 77 Abs. 1 zweiter Halbsatz FPG jedoch darauf abstelle, dass die Anwendung gelinderer Mittel nur dann in Betracht komme, wenn auch dadurch "der Zweck der Schubhaft ..... erreicht werden kann", werde durch diese zwingende Korrelation im Ergebnis eine Gleichstellung von sachlich nicht Vergleichbarem bewirkt. Damit scheine jedoch ein Verstoß gegen das auch den einfachen Gesetzgeber bindende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes und/oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG und Art. I Abs. 1 RassDiskrBVG) vorzuliegen.

 

Ergänzend sei schließlich – insbesondere im Lichte des jüngsten Erkenntnisses des VfGH vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., wonach die in der EGRC gewährleisteten Verbürgungen als "verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte" i.S.d. Art. 144 Abs. 1 B-VG sowie als Prüfungsmaßstab in Verfahren nach Art. 139 Abs. 1 und Art. 140 Abs. 1 B‑VG anzusehen sind – auch noch darauf hinzuweisen, dass Art. 6 EGRC – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK – keinen expliziten Vorbehalt zur Einschränkung der persönlichen Freiheit eines Fremden wegen dessen Betroffenheit von einem schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren mehr vorsehe; vielmehr stelle sich danach die persönliche Freiheit (zumindest grundsätzlich) als eine ebenso schrankenlose Gewährleistung wie die Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 1 und Art. 2 EGRC bzw. Art. 3 EGRC und Art. 4 EGRC) dar. Ob aber die in Art. 52 Abs. 1 EGRC (bloß als Ausnahme vom Grundsatz) vorgesehene Möglichkeit der Einschränkung (auch) der persönlichen Freiheit stets "den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer" diene, könne jedenfalls ebenso wenig vorbehaltlos bejaht werden wie die Frage, ob dadurch, dass in den "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" bezüglich Art. 6 EGRC explizit auf Art. 5 EMRK (und damit auch auf dessen Abs. 1 lit. f) hingewiesen wird, zum Ausdruck gebracht habe werden sollen, dass die unionsrechtliche Gewährleistung (i.S.d. Art. 52 Abs. 3 letzter Satz EGRC) inhaltlich nicht über die Garantie des Art. 5 EMRK hinausgehe.

 

Nach Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 4 EMRK habe jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Entlassung angeordnet wird, wobei diese Entscheidung grundsätzlich binnen einer Woche zu ergehen hat. Dazu komme, dass Art. 13 EMRK vorsieht, dass derjenige, der sich in einem von der EMRK gewährleisteten Recht als verletzt erachtet (arg.: "Everyone whose rights ..... are violated"), einen verfassungsmäßig garantierten Anspruch darauf habe, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen.

 

Diese Garantie scheine jedoch – institutionell bedingt – immer dann missachtet zu werden, wenn gegen einen Fremden die Schubhaft angeordnet und diese auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und/oder § 80 Abs. 2 und 4 FPG gestützt wird, der Fremde jedoch jene die Schubhaft tragende(n) Bestimmung(en) oder § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG für verfassungswidrig halte. Denn ein Individualantrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG scheide wohl mangels unmittelbarer Betroffenheit solange aus, bis über ihn die Schubhaft verhängt wurde. Aber auch eine unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage erhobene Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG oder ein in deren Zuge vom Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellter Gesetzesprüfungsantrag würde – ebenso wie eine für den Fall der Abweisung der Schubhaftbeschwerde nach § 83 Abs. 2 FPG erhobene Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 zweite Alternative B-VG – jeweils nicht dazu führen, dass über die Verfassungsmäßigkeit des  76 Abs. 2 Z. 2 FPG bzw. § 80 Abs. 2 und 4 FPG bzw. § 77 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz FPG und damit über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft effektiv und ehetunlich entschieden wird, im Gegenteil: Weil in jenem Gesetz, das das Verfahren des zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der als bedenklich erachteten gesetzlichen Bestimmungen zuständigen VfGH ein Provisorialrechtsschutz schon grundsätzlich nicht vorgesehen sei, scheine die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit jener die Schubhaft tragenden gesetzlichen Grundlagen somit stets gleichsam "programmgemäß" jedenfalls zu einer massiven Überschreitung der in Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG normierten Höchstfrist von einer Woche, zumindest aber zu einer Verletzung des Rechtes auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK zu führen.

 

Da es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Zuge einer Beschwerde wie der vorliegenden weder zukomme, selbst die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen zu beurteilen, noch aus eigenem anstelle der Schubhaft gelindere Mittel anzuordnen oder der Fremdenpolizeibehörde einen diesbezüglichen verbindlichen Auftrag zu erteilen, sondern von diesem vielmehr bloß die Rechtmäßigkeit der (Schubhaftverhängung bzw.) weiteren Anhaltung zu beurteilen sei (vgl. z.B. VwGH vom 25.3.2010, Zl. 2009/21/0281), könne die gegenständliche Antragstellung sohin auch nicht dadurch gehindert sein, dass sich diese insoweit zum Nachteil der mitbeteiligten Partei auswirke, als dadurch die Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 FPG verzögert wird. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn diese a limine zugunsten des Fremden ausfallen müsste, was gegenständlich allerdings nicht zutreffe.

 

In seiner Erstkonzeption habe Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG noch keine Festlegung dahin, dass die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung (regelmäßig) innerhalb von einer Woche zu ergehen hat, enthalten (vgl. dazu den Entwurf der sog. "Grundrechtskommission", in: BKA–Verfassungsdienst [Hrsg.], Der Schutz der persönlichen Freiheit, Wien 1987, 72 ff). Eine Motivation, die den Verfassungsgesetzgeber in der Folge – obwohl seitens Art. 5 Abs. 4 EMRK ("ehetunlich") in keiner Weise gefordert – dennoch zur Normierung dieser Wochenfrist veranlasste, lasse sich amtlichen Dokumenten, insbesondere den Gesetzesmaterialien, nicht entnehmen; denn in den E zur RV (134 BlgNR, 17. GP, 7) finde sich insoweit nur der den Rechtsschutzbehelf der Maßnahmenbeschwerde tangierende Hinweis: "Durch Abs. 1 zweiter Satz wird das Beschwerderecht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts selbstverständlich nicht berührt" und auch der AB (667 BlgNR, 17. GP, 3) führe in diesem Zusammenhang lediglich aus: "Der Ausschuß hielt es für zweckmäßig, diese Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu ergänzen. Es wird daher ausdrücklich vorgesehen, daß im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzuges die Freilassung des Betroffenen anzuordnen ist." Auch die im engen Konnex damit stehende, "den vom Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit in Art. 6 vorgegebenen Standard" umsetzende (vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 3) Novellierung des FPG 1954 (BGBl.Nr. 21/1991) liefere hierfür keinen Anhaltspunkt. Vor dem Hintergrund, dass damals Asyl- und Fremdenrechtsfälle – und damit auch Schubhaftbeschwerden – faktisch lediglich in vergleichsweise geringer Anzahl aufgetreten seien und zugleich auch dem Art. 13 EMRK in der Judikatur des EGMR noch keine maßgebliche Bedeutung gekommen sei, habe diese Wochenfrist in der Vollzugspraxis in aller Regel auch kein ernsthaftes Problem dargestellt (wobei schon die damalige – die Unabhängigen Verwaltungssenate in keiner Weise berücksichtigende – Prognose des Gesetzgebers bezüglich der künftigen finanziellen Zusatzbelastung symptomatisch erscheine: "Mehrkosten können sich in geringer Höhe durch eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes bei den Fremdenpolizeibehörden ergeben"; vgl. die E zur RV, 9 BlgNR 18. GP, 2). 

 

Zwischenzeitlich hätten sich jedoch die maßgeblichen Rahmenbedingungen drastisch geändert: 1.) hätten sich die im Jahresdurchschnitt wenigen Fälle zu Beginn der 90-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mittlerweile zu einer nicht mehr abebbenden Flüchtlingswelle entwickelt, die keineswegs nur die in geographischer Randlage situierten Mitgliedsstaaten tangiere, sondern der heute die Europäische Union insgesamt politisch hilflos gegenüberstehe. Dazu komme 2.), dass die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften ausschließlich zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenate seither kontinuierlich – vornehmlich im Zuge der Verwaltungsreformgesetze – mit einer Fülle von weiteren gesetzlichen Aufgaben betraut worden seien, die im Zuge einer Gesamtbetrachtung die Schubhaftprüfung (wie aus den entsprechenden Tätigkeitsberichten hervorgehe) als eine bloße und angesichts der Einrichtung des Asylgerichtshofes zudem auch "artfremde" Nebenaufgabe erscheinen lassen würden. Von entscheidendster Bedeutung sei jedoch in diesem Zusammenhang 3.), dass – wie im Zuge der Rechtsentwicklung allgemein üblich – auch hier die von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts entwickelten Anforderungen an eine Schubhaftprüfung in den vergangenen 20 Jahren sowohl in inhaltlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht stetig angestiegen seien (wie – um hier nur die markantesten Entwicklungslinien anzuführen – etwa: [regelmäßig] keine Beschränkung auf Beschwerdepunkte; keine bloße Grobprüfung; Prognoseentscheidung bezüglich der Absicht, sich dem Verfahren zu entziehen; Kooperationsbereitschaft und soziale Integration des Fremden, insbesondere etwa auch unter Einbeziehung des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 EU-Türkei; strafrechtlich relevantes Verhalten; faktische Durchsetzbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, insbesondere auch unter Einbeziehung der aktuellen politischen Situation im Abschiebestaat unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK; vollumfängliche Einbeziehung des parallel laufenden und allenfalls auch Familienmitglieder betreffenden Asylverfahrens bzw. Prognostizierung des hypothetischen Ergebnisses desselben – z.B., ob ein humanitäres Bleiberecht nach dem NAG gewährt werden wird – als Vorfrage; Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf gelindere Mittel; Identitätsfeststellung und Feststellung der Minderjährigkeit des Fremden; Prüfung der Haftfähigkeit, insbesondere des Vorliegens einer behaupteten Traumatisierung; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Durchführung einer mündlichen Verhandlung, selbst wenn dies innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist nicht möglich ist [vgl. jüngst VwGH v. 28. August 2012, Zl. 2010/21/0291, S. 12: "Die gesetzlich gebotene mündliche Verhandlung kann auch nicht deswegen unterbleiben, weil die belangte Behörde ihre Durchführung innerhalb der Entscheidungsfrist für 'faktisch unmöglich' hält"] – freilich ohne dass der VwGH [nach zweijähriger Verfahrensdauer] in diesem Zusammenhang eine entsprechende Konfliktlösung zumindest andeuten würde). Es sei offensichtlich, dass diese Kriterien – insbesondere wenn sie, was in der Praxis ja regelmäßig der Fall sei, in Kombination auftreten – innerhalb der Frist von einer Woche nicht erfüllt werden könnten, zumal die Fremdenpolizeibehörde auch nicht einmal eine Pflicht zur Aktenvorlage treffe, ganz abgesehen davon, dass diese im Regelfall schon von Gesetzes wegen bloß einen Mandatbescheid gemäß § 57 AVG zu erlassen habe (und ihrerseits hierbei nicht an eine Wochenfrist gebunden sei !). 

 

All dies berücksichtigend liege daher nach h. Auffassung auf der Hand, dass die ursprüngliche Sichtweise, dass sich der Unabhängige Verwaltungssenat jeweils selbst so zu organisieren habe, dass diese Frist jedenfalls eingehalten werden kann, gegenwärtig nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Im Lichte der zuvor aufgezeigten aktuellen Rahmenbedingungen sei Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG heute vielmehr so auszulegen, dass eine entsprechende Aufgabenübertragung durch den Fremdenrechtsgesetzgeber an eine Institution wie die Unabhängigen Verwaltungssenate, die vorrangig mit dem Vollzug anderer Materien betraut seien und zudem in keiner Weise über eine eigenständige Personal- und Budgethoheit verfügen würden, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nur in der Weise erfolgen könne, dass zugleich auch eine adäquate Ressourcenausstattung erfolgt.

 

Dem sei jedoch – wie zuvor gezeigt – schon a priori nicht entsprochen worden. Indem der einfache Gesetzgeber diese Anforderungen auch anlässlich der jüngsten Novellierung des FPG trotz explizit eingestandener zusätzlicher Aufgabenübertragung zweifelsfrei wiederum nicht erfüllt habe (vgl. die RV, 1078 BlgNR, 24. GP, 1 f und 5), erweise sich die Bestimmung des § 83 Abs. 2 FPG nunmehr offenkundig als verfassungswidrig, weil sie im Lichte der effektiv und nachhaltig geänderten rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen schon von vornherein nicht geeignet sei, die Verheißungen des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG zu erfüllen.

 

(Nur ergänzend dürfe darauf hingewiesen werden, dass den Vorgaben der letztgenannten Verfassungsbestimmung erst recht nicht entsprochen werden könne, wenn jene die Schubhaft tragenden Bestimmungen vom Fremden selbst im Wege eines Individualantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG angefochten worden wären, weil § 63 Abs. 3 VfGG in diesem Zusammenhang eine [längere] Frist von einem Monat vorsieht [wobei sich selbst diese im Regelfall als viel zu kurz erweist], die jedoch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz PersFrBVG ihrerseits als verfassungsrechtlich offenkundig bedenklich erscheine).

 

Die angefochtenen Bestimmungen erschienen schließlich auch noch insoweit als verfassungsrechtlich bedenklich, als im FPG keine Möglichkeit eingeräumt sei, dem Rechtsbehelf der Schubhaftbeschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Das Fehlen jeglicher effektiver Form eines vorläufigen Rechtsschutzes scheine nicht nur zur bewussten Inkaufnahme einer unverhältnismäßigen Dauer der vorangehenden Freiheitsentziehung für den Fall, dass die Schubhaft ex post als rechtswidrig festgestellt werden sollte, und damit zu einer Verletzung der Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 PersFrBVG zu führen, sondern auch insoweit zu einer Missachtung des Art. 13 EMRK und/oder des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Bundesverfassung.

 

1.9. Mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a. (ho. eingelangt am 8. November 2012), hat der VfGH die h. Gesetzesprüfungsanträge teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

 

In der Sache wurde dazu begründend ausgeführt (vgl. die RN 35 ff dieser Entscheidung), dass ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur dann und insoweit gerechtfertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des mit einer Maßnahme verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Behörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grundrecht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und Verhältnismäßig ist (VfSlg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine Regelung wie § 76 Abs. 1 FPG nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSlg 17891/2006 u. 18145/2007).

 

Weiters spreche auch schon der klare Gesetzeswortlaut des § 77 Abs. 1 FPG gegen ein Verständnis dieser Bestimmung dahin, dass es dadurch zu einer unsachlichen rechtlichen Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln komme. Denn § 77 Abs. 1 FPG gebe der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSlg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich zwingenden Auslegung sei der Inhalt des § 77 Abs. 1 FPG gegenüber der Behörde ausreichend determiniert und differenziere dieser auch im gebotenen Maße zwischen der Verhängung von Schubhaft und der Anordnung von gelinderen Mitteln.

 

Auch die Bedenken, dass die §§ 76 und 77 FPG eine Verletzung von Art. 13 EMRK darstellen, seien deshalb unbegründet, weil ein Fremder, der auf Grund von Gesetzen, die gegen die EMRK verstoßen, in Schubhaft genommen wird, die Möglichkeit hätte, gemäß § 82 FPG eine Beschwerde beim UVS einzubringen; dieser hätte binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden (VfSlg 18081/2007); gegen einen negativen Bescheid wäre dann eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den VfGH zulässig, der ihr auf Antrag des Fremden die aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Selbst wenn die Schubhaft also aufgrund von gegen die EMRK verstoßenden Gesetzen verhängt werden würde, stünde eine den Anforderungen des Art. 13 EMRK genügende wirksame Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung.

 

Die gegen § 80 Abs. 2 und 4 FPG vorgebrachten Bedenken, dass danach die im Einzelfall geltende höchstzulässige Schubhaftdauer nicht festzustellen sei, seien schon deshalb nicht zu teilen, weil aus dem klaren Wortlaut des § 80 Abs. 2 Z. 1 FPG abgeleitet werden könne, dass gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Schubhaft grundsätzlich nur für eine Höchstdauer von vier Monaten verhängt werden darf; die in § 80 Abs. 3 und 4 FPG formulierten Fälle seien also als ausdrückliche Ausnahmen zu der in Abs. 2 Z. 1 festgelegten höchst zulässigen Dauer der Schubhaft zu verstehen. Außerdem bestehe die Pflicht zur Achtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Vollziehung des FPG zu jedem Zeitpunkt des Vollzuges der Haft, sodass § 80 Abs. 4 FPG keineswegs eine undifferenzierte Dauer der Verhängung der Schubhaft ermögliche.

 

Schließlich könne eine strukturelle Überlastung des UVS, die zu einer Missachtung der gesetzlichen Entscheidungsfrist führt, nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Bestimmung, die der verfassungsmäßig vorgegebenen Frist entspricht, zurückwirken.

 

1.10. In der Folge hat der Oö. Verwaltungssenat ergänzend Beweis erhoben im Wege der Durchführung einer neuerlichen öffentlichen Verhandlung am 13. Dezember 2012, zu der der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter (entschuldigt) jedoch nicht erschienen sind.

 

Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 17. März 2011 aus der Schubhaft entlassen wurde.

Unter Bindung an die vom VwGH in seiner oben unter 1.7. angeführten Entscheidung vom 19. April 2012, Zl. 2011/21/0092, geäußerte Rechtsmeinung hat daher der Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 17. Dezember 2012, Zl. VwSen-401101/31/Gf/Rt, ausgesprochen, dass die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer und dessen Anhaltung vom 25. Februar bis zum 17. März 2011 nicht rechtswidrig war.

1.11. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Mit Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl. 2013/21/0026, hat der VwGH die h. Entscheidung vom 17. Dezember 2012, Zl. VwSen-401101/31/Gf/Rt, insoweit, als diese auch über die Anhaltung vom 25. Februar 2011 bis zum 10. März 2011 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend wird dazu ausgeführt, dass der Oö. Verwaltungssenat "insgesamt die Prüfung der tatsächlichen Abschiebbarkeit des Beschwerdeführers unterlassen" habe, weil "die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten" nicht abgeklärt worden sei. Denn aus dem Erkenntnis des VwGH vom 19. April 2012, Zl. 2011/21/002, ergebe sich nämlich, dass die Rechtswidrigkeit der Schubhaft nur "vorbehaltlich der Abschiebbarkeit" des nunmehrigen Beschwerdeführers zu verneinen sei, was jedoch im Verfahren vor der Erlassung des angefochtenen Ersatzbescheides nicht geprüft worden ist. Hieraus sei die Rechtswidrigkeit der weiteren Erledigung der Schubhaftbeschwerde abzuleiten.

1.12. Mit h. Erkenntnis vom 30. April 2013, Zl. VwSen-401101/44/Gf/Rt, wurde die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 11. bis zum 17. März als rechtswidrig festgestellt.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall – wie dies in der öffentlichen Verhandlung am 13. Dezember 2012 festgestellt worden sei (vgl. oben, 1.10.) – am 17. März 2011 aus der Schubhaft entlassen; in seiner Beschwerde vom 14. März 2011 habe er beantragt, festzustellen, dass seine Anhaltung in Schubhaft (nicht schon seit dem 25. Februar 2011, sondern erst) seit dem 11. März 2011 rechtswidrig sei.

Im Gefolge des Erkenntnisses des VwGH vom 19. März 2013, Zl. 2013/21/0026, habe der Oö. Verwaltungssenat daher nunmehr bloß über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 11. März 2011 bis zum 17. März 2011 zu befinden.

Bei diesem Ersatzbescheid handele es sich sohin lediglich um eine Feststellungsentscheidung auf Basis der im Zeitraum zwischen dem 11. und dem 17. März 2011 maßgeblichen Sach- und Rechtslage, also um eine Entscheidung gemäß § 83 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.F. BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG 2009); eine darüber hinausgehende (gleichsam retrospektive Prognose‑)Entscheidung gemäß § 83 Abs. 4 FPG 2009 sei hingegen nicht (mehr) zu treffen, weil sich der Beschwerdeführer nach dem 17. März 2011 und insbesondere auch zum Zeitpunkt der Erlassung des h. Ersatzbescheides vom 17. Dezember 2012 nicht mehr in Schubhaft befunden habe.

Es sei somit (auch) im Zuge der Erlassung des nunmehrigen Ersatzbescheides nur mehr eine Feststellung dahin zu treffen, ob die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zwischen dem 11. und 17. März 2011 im Lichte des FPG 2009 rechtmäßig gewesen sei.

Diesbezüglich habe der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2011/21/0092, festgehalten, dass "somit der Aufrechterhaltung der nach § 76 Abs. 1 FPG angeordneten Schubhaft auch ab dem 11. März 2011 – vorbehaltlich der Abschiebbarkeit des Beschwerdeführers (vgl. dazu den Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 22. Februar 2011) – keine Rechtswidrigkeit anhaftet". (In jenem Aktenvermerk sei festgehalten, dass bis zu diesem Zeitpunkt "noch kein HZ beantragt" worden sei, "es fehlt noch das Fingerabdruckblatt. ..... Ein HZ kann über BMI aber nur beantragt werden, wenn er [gemeint: der Beschwerdeführer] 'rückkehrwillig' ist. Über die Schubhaftbetreuung soll eruiert werden, ob er zurückkehren will. Wenn ja, über Verein Menschenrechte oder BH Zell am See HZ beantragen, Fingerabdruckblatt mitschicken".) Zur Klarstellung dieser Parenthese habe der VwGH in seinem nunmehrigen Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl. 2013/21/0026, ausgesprochen, dass der Oö. Verwaltungssenat "ungeachtet der ..... Enthaftung und ohne die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten abzuklären, insgesamt die Prüfung der tatsächlichen Abschiebbarkeit des Beschwerdeführers unterlassen" habe (Hervorhebungen jeweils nicht im Original).

Offenbar sei demnach zusätzlich zur Durchführung der öffentlichen Verhandlung (und zwar innerhalb der Wochenfrist des § 83 Abs. 2 Z. 2 FPG 2009) auch noch die tatsächliche Praxis der afghanischen Botschaft in Bezug auf die Ausstellung von Heimreisezertifikaten – insbesondere, ob diese entscheidend davon abhängt, ob der Fremde bereit ist, in diesen Staat zurückzukehren – zu ermitteln gewesen.

In diesem Zusammenhang sei zunächst vorweg darauf hinzuweisen, dass für ein nicht mit eigenständigen Ermittlungsorganen ausgestattetes Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle eine verfahrensrechtlichen Ansprüchen genügende – d.h. auf nachprüfbaren Fakten beruhende und nicht bloß auf Behauptungen oder Meinungen ("Berichten") von mehr oder weniger maßgebenden Institutionen fußende – Feststellung einer derartigen Praxis angesichts der Kürze der nach § 83 Abs. 2 Z. 2 FPG 2009 zur Verfügung stehenden Entscheidungsfrist schon aus tatsächlichen Gründen nicht durchführbar gewesen sei.

Dazu komme auch die rechtliche Unzulässigkeit, eine fremdstaatliche Verwaltungsbehörde bzw. deren Organwalter für Zwecke eines innerstaatlichen Administrativverfahrens (erst recht nicht unter allfälliger Fristsetzung) zur Bekanntgabe der von ihr gepflogenen Verwaltungspraktiken verhalten zu können (vgl. dazu insbesondere Art. 31 Abs. 2  und Art. 37 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen – WÜD, BGBl.Nr. 66/1966).

Und schließlich habe der Rechtsmittelwerber in seiner Beschwerde vom 14. März 2011 auch nur die in keiner Weise näher belegte Behauptung dahin aufgestellt, dass "sämtliche maßgebenden Institutionen" die Ansicht vertreten würden, dass "eine Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht möglich" sei (vgl. oben, 1.4.). Dem gegenüber habe die Fremdenpolizeibehörde schon in ihrer Gegenschrift vom 15. März 2011 klargestellt, dass in Bezug auf den Staat Afghanistan zum damaligen Zeitpunkt weder ein nationaler noch ein internationaler Abschiebestopp existiert habe. Vielmehr habe das Bundesministerium für Inneres lediglich im Erlassweg angeordnet gehabt, dass im Falle einer dorthin in Aussicht genommenen Abschiebung dessen Zustimmung einzuholen ist; zuvor bestehe jedoch die Notwendigkeit, die Identität des Beschwerdeführers zu klären und ein Ersatzreisedokument bei der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu beschaffen (vgl. oben, 1.5.). Weiters habe im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat am 16. März 2011 festgestellt werden können, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich der Erlangung eines Heimreisezertifikates einerseits ohne zeitliche Verzögerung alle jene Schritte gesetzt gehabt habe, die bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen seien; allerdings habe andererseits noch die Prüfung der Dokumente des Beschwerdeführers, dessen Identität und Staatszugehörigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war, abgewartet werden müssen, um den Antrag für das Heimreisezertifikat bei der Botschaft des Heimatstaates des Rechtsmittelwerbers einbringen zu können (vgl. oben, 1.6.1.3.). Und selbst in der Beschwerde an den VwGH vom 7. Februar 2013 (S. 6) habe dieser nicht einmal behauptet, dass seine Abschiebung nach Afghanistan im März 2011 tatsächlich undurchführbar gewesen wäre, sondern nur formal releviert, dass der Oö. Verwaltungssenat diesbezüglich amtswegige Ermittlungen durchzuführen gehabt hätte. Abgesehen davon, dass das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 AVG durch die in Art. 6 PersFrSchG i.V.m. § 83 Abs. 2 FPG normierte Wochenfrist für eine Entscheidung über eine Schubhaftbeschwerde selbstredend als entsprechend relativiert anzusehen sei und im Ergebnis zudem keinerlei konkrete Hinweise dafür vorliegen würden, dass die afghanische Botschaft im März 2011 kategorisch keine Heimreisezertifikate ausgestellt hätte (vgl. dazu v.a. auch BVerwG vom 29. Juni 2010, 10 C 10.09, RN 14 ff), komme zuletzt im gegenständlichen Fall noch dazu, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung (17. März 2011) die für eine entsprechende Antragstellung notwendigen Voraussetzungen (insbesondere ein Identitätsnachweis) eben noch gar nicht vorgelegen hätten.

Dennoch würden alle diese Einwände letztlich nicht dazu führen, dass die vom VwGH mit dessen Erkenntnissen vom 19. April 2012, Zl. 2011/21/0092, und vom 19. März 2013, Zl. 2013/21/0026, gemäß § 63 Abs. 1 VwGG überbundene Rechtsmeinung deshalb (i.S.d. § 62 Abs. 1 VwGG i.V.m. § 68 Abs. 4 Z. 3 AVG) tatsächlich undurchführbar wäre.

Vielmehr seien die beiden VwGH-Erkenntnisse vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung gemäß § 83 Abs. 2 FPG ein Feststellungserkenntnis verkörpere, insgesamt wohl dahin zu verstehen, dass der Oö. Verwaltungssenat danach bereits im Zuge der Erlassung der (Erst-)Erledigung der Schubhaftbeschwerde vom 17. März 2011 auch die Frage der tatsächlichen Durchführbarkeit der Abschiebung zu klären gehabt hätte, und zwar – wie dies erst ex post konkretisiert worden sei – insbesondere (auch) im Wege der Prüfung der administrativen Praxis der afghanischen Botschaft in Bezug auf die Ausstellung von Heimreisezertifikaten. Weil es sich insoweit aber eben um eine bloße Feststellungsentscheidung handeln würde, könne daher eine dementsprechende Säumnis ex post nicht mehr nachgeholt werden, d.h.: Die entsprechende damalige Unterlassung dürfe im Zuge des Verfahrens zur Erlassung eines Ersatzbescheides nicht substituiert werden. Wäre Derartiges zulässig, würde dies nämlich dazu führen, dass auf diesem Weg die gesetzliche, im gegenständlichen Zusammenhang sogar verfassungsmäßig vorgegebene Entscheidungsfrist von bloß einer Woche (vgl. Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG) für die Behörde verlängert und damit im Ergebnis umgangen werden würde.

Deshalb habe dann, wenn der VwGH in Bezug auf einen Feststellungsbescheid auf dessen Rechtswidrigkeit erkannt habe, der Ersatzbescheid – sofern ein solcher (wie hier: im Interesse der Rechtssicherheit und im Hinblick auf den Kostenausspruch) überhaupt zu erlassen ist – nur mehr darin zu bestehen, die Rechtswidrigkeitsfeststellung des VwGH zu übernehmen; ein ursprünglich fehlendes, die Gesetzmäßigkeit der behördlichen Vorgangsweise rechtfertigendes Sachverhaltselement könne hingegen – anders als bei Rechtsgestaltungsbescheiden – ex post nicht mehr nachgetragen werden.

Dies lasse sich im Übrigen insbesondere auch daraus schließen, dass dann, wenn diese Sichtweise nicht geboten wäre, der VwGH – wenn und weil die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3a VwGG (wie hier) offenkundig vorliegen – den angefochtenen Bescheid nicht wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, sondern vielmehr unmittelbar in der Sache entschieden hätte (vgl. z.B. jüngst VwGH v. 29. Jänner 2013, Zl. 2012/02/0226).

1.13. Mit Erkenntnis vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0120, hat der VwGH der dagegen erhobenen Amtsbeschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich stattgegeben und das h. Erkenntnis vom 30. April 2013, Zl. VwSen-401101/44/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass dann, wenn eine Aufhebung des Bescheides deshalb erfolgt, weil die für die Beurteilung des Falles wesentlichen Tatsachenfeststellungen nicht getroffen worden seien, die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustandes darin bestehe, jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens vorzunehmen, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen. Da aufgrund der zwischenzeitlichen Beendigung der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft nunmehr die allgemeine sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 73 AVG zum Tragen komme, bestehe sohin im gegenständlichen Fall für den Oö. Verwaltungssenat die Verpflichtung, die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten abzuklären. Derartige Erhebungen könnten nicht nur unmittelbar bei Botschaftsangehörigen, sondern auch im Wege von Anfragen bei Mitarbeitern österreichischer Behörden, etwa beim Bundesministerium für Inneres, vorgenommen werden. Vor allem sei aber in concreto erforderlich, sich mit dem Aktenvermerk der LPD Salzburg vom 22. Februar 2011 auseinanderzusetzen, wonach bei fehlender Rückkehrwilligkeit die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht hätte beantragt werden können.

2. Vor dem Hintergrund der letztgenannten Entscheidung des VwGH hat der Oö. Verwaltungssenat zur Abklärung der im Jahre 2011 maßgeblichen Abschiebepraxis zum einen eine entsprechende Anfrage an die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistans sowie an das Bundesministerium für Inneres gerichtet und zum anderen die bei der LPD Salzburg zuständigen Sachbearbeiter um eine nähere Erläuterung des do. Aktenvermerkes vom 22. Februar 2011 ersucht.

2.1. Die afghanische Botschaft und das Innenministerium habe sich hierzu weder innerhalb der erbetenen Frist noch bis dato geäußert.

2.2. Die LPD Salzburg hat am 11. Dezember 2013 hinsichtlich des in ihrem Aktenvermerk vom 22. Februar 2011, Zl.: 1-1046334/11, enthaltenen Zitates: „Ein HZ kann über BMI aber nur beantragt werden, wenn er ‚rückkehrwillig‘ ist.“ und der handschriftlich beigefügten Anmerkung: „lt. Mitteilung von Fr. M ist er nicht rückkehrwillig“ bekannt gegeben (vgl. ONr. 56 des h. Aktes), dass beim Bundesministerium für Inneres eine – allerdings nicht öffentlich, sondern nur für spezifisch berechtigte Bedienstete zugängliche – Informationsplattform (namens „ARGUS“) eingerichtet ist, mittels der zielgerichtet abgefragt werden kann, wie die Behörde im Zuge der Beantragung der Ausstellung von Heimreisezertifikaten jeweils in Bezug auf eine spezifische Staatsangehörigkeit des Fremden konkret vorzugehen hat.

Im gegenständlichen, den Staat Afghanistan betreffenden Fall kam (bzw. kommt) die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nur dann in Betracht, wenn der Schubhäftling rückkehrwillig ist. Dies traf jedoch hier – wie sich aus der vorzitierten handschriftlichen Anmerkung ergibt – nicht zu, sodass die LPD Salzburg damals deshalb, weil sich ergab, dass der Beschwerdeführer nicht rückkehrwillig war, von vornherein kein Ersuchen an das Bundesministerium für Inneres um die Beantragung eines Heimreisezertifikates bei der afghanischen Botschaft gestellt hat.

2.3. In einer Stellungnahme vom 17. Dezember 2013, Zl. BMI-1038000/0010-II-3/2013 (= ONr. 57 des h. Aktes), hat das Bundesministerium für Inneres u.a. darauf hingewiesen, dass der Ausstellung von Heimreisezertifikaten durch die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan für nicht rückkehrwillige afghanische Fremde auch schon im Jahr 2011 eine sehr zeitaufwändige Prüfung der Staatsangehörigkeit und der Identität durch die in Afghanistan zuständigen Stellen voranzugehen hatte. Deshalb hätten im Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 2012 bis zum 31. August 2012 lediglich 4 afghanische Staatsangehörige in ihren Herkunftsstaat zwangsweise rückgeführt werden können; derzeit würden keine zwangsweisen Rückführungen nach Afghanistan vorgenommen werden.

2.4. Daraus ergibt sich für den gegenständlichen Fall folgende Würdigung der diesbezüglich vorliegenden Beweismittel:

2.4.1. Dass der Rechtsmittelwerber nicht freiwillig in seinen Heimatstaat zurückkehren wollte, geht  übereinstimmend nicht nur aus der Stellungnahme der LPD Salzburg, sondern auch aus der Begründung des Schubhaftbescheides der belangten Behörde hervor und wurde auch vom Beschwerdeführer selbst nie in Abrede gestellt (vgl. auch dessen abschließende Stellungnahme vom 23. Dezember 2013).

Mangels gegenteiliger Indizien war daher davon auszugehen, dass der Rechtsmittelwerber während seiner Anhaltung in Schubhaft tatsächlich rückkehrunwillig war.

2.4.2. Darauf, dass der Inhalt der zuvor unter 2.2. dargestellte Mitteilung der LPD Salzburg vom 11. Dezember 2013 – nämlich, dass seitens der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan (jedenfalls) im November 2011 nur dann anstandslos ein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde, wenn deren Staatsbürger dazu bereit war, freiwillig in sein Heimatland zurückzukehren – auch tatsächlich den damaligen Gepflogenheiten entsprach, deutet nicht nur der Umstand hin, dass objektiv besehen keinerlei Anzeichen dafür, weshalb diese Information der Mitarbeiter der LPD Salzburg als unglaubwürdig erscheinen sollte, vorliegen: Vielmehr ist auch das Faktum, dass der Beschwerdeführer von der LPD Salzburg offenkundig unmittelbar nachdem für diese feststand, dass er rückkehrunwillig ist, wieder aus der Schubhaft entlassen wurde, als ein gewichtiges Indiz für eine derartige, bei der afghanischen Botschaft tatsächlich bestanden habende Praxis im Zusammenhang mit der Ausstellung von Heimreisezertifikaten zu werten.

Dem gegenüber zog die Rückführung von rückkehrunwilligen afghanischen Staatsbürgern – wie sich dies aus der Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres vom 17. Dezember 2013, Zl. BMI-1038000/0010-II-3/2013 ergibt – in aller Regel ein derart zeitaufwändiges Verfahren nach sich, dass in einem Zeitraum von 8 Monaten lediglich 4 Abschiebungen, in der Praxis also diese mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht durchgeführt werden konnten.     

Dazu kommt schließlich auch, dass die belangte Behörde diesen Feststellungen in ihrer Gegenschrift vom 15. März 2011 auch nicht Substantielles entgegen gesetzt, sondern bloß pauschal darauf verwiesen hat, dass hinsichtlich des Staates Afghanistan (zu jenem Zeitpunkt) weder ein nationaler noch ein internationaler Abschiebestopp existiere, sondern lediglich erlassmäßig vorgesehen sei, dass im Falle einer dorthin in Aussicht genommenen Abschiebung eine Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres einzuholen sei; eine solche könne jedoch erst dann erteilt werden, wenn ein Heimreisezertifikat vorliege (was aber damals eben gerade deshalb noch nicht der Fall gewesen sei, weil die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers mangels entsprechender Dokumente noch nicht zweifelsfrei habe geklärt werden können). Die Frage der Rückkehrwilligkeit als Voraussetzung für die demgegenüber problemlose Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde damit jedoch ebensowenig angesprochen wie in deren jüngster Stellungnahme vom 19. Dezember 2013, die darauf hinausläuft, dass zur Durchführung der Abschiebung damals weder ein Reisepass noch ein Heimreisezertifikat erforderlich gewesen wäre, sondern eine bloße Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit hingereicht hätte: Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht näher belegt wurde (und aus rechtlicher Sicht die Haftbehörde das Risiko einer diesbezüglichen Fehleinschätzung trägt), spricht dagegen nicht nur die von der obersten Behörde (Bundesministerium für Inneres) am 17. Dezember 2013 abgegebene Äußerung, sondern auch das von der belangten Behörde unbestritten gebliebene Faktum, dass auch im unmittelbar vor dem von ihr angeführten Wirksamkeitsbeginn der Verschärfung der Einreisebestimmungen (1. Oktober 2012) gelegenen Zeitraum, nämlich zwischen dem 1. Jänner 2012 und dem 31. August 2012 lediglich 4 afghanische Staatsangehörige zwangsweise in ihren Herkunftsstaat rückgeführt werden konnten.

2.4.3. In freier Beweiswürdigung gelangt der Oö. Verwaltungssenat daher zu der Überzeugung, dass die Rückkehrwilligkeit in den Heimatstaat nach der von der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan im November 2011 gepflogenen Praxis eine essentielle Voraussetzung für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb eines gleichermaßen kalkulierbaren wie auch im Rahmen des § 80 FPG (i.d.F. BGBl.Nr. I 13/2011) liegenden Zeithorizontes bildete.

2.5. Davon ausgehend steht im gegenständlichen Fall allseits unbestritten fest, dass sich der Beschwerdeführer standhaft geweigert hat, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren.

Unter derartigen Voraussetzungen wäre aber seitens der afghanischen Botschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden, sodass sich insgesamt besehen ergibt, dass der Rechtsmittelwerber in Ermangelung eines solchen keinesfalls in seinen Heimatstaat hätte abgeschoben werden können.

Wegen tatsächlicher Undurchführbarkeit der beabsichtigten Abschiebung erweist sich damit aber auch die zu diesem Zweck – nämlich zu deren Sicherung – verhängte Schubhaft als rechtswidrig.  

3. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG i.V.m. § 83 Abs. 2 FPG 2009 und i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG war daher festzustellen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 11. bis zum 17. März 2011 rechtswidrig war.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 1.673,90 Euro (Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro; Gebühren: 14,30 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

Hinweis

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin noch keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde dieser Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab dessen Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

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