Linz, 30.12.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, Staatsangehörige von Rumänien, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. November 2013, 1074801/FRB, betreffend eine Ausweisung der Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. November 2013, 1074801/FRB, wurde gegen die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 66 Abs. 1 und 70 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG jeweils in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet und ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt Folgendes aus:
2.1. Gegen diesen am 6. November 2013 zugestellten Bescheid richtet sich die durch den Vertreter der Bw eingebrachte rechtzeitige Berufung vom 15. November 2013.
Darin stellt die Bw eingangs die Anträge, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben.
Begründend führt die Bw Folgendes aus:
Der Berufung wurden Einkommensnachweise des Herrn X beigelegt.
3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 20. November 2013 den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
3.1. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 nahm der Vertreter folgende Ergänzung vor:
Anlässlich des Rechtsmittels der Berufung wurde auf der Seite 3 des Schriftsatzes vorgebracht, dass durch einen Notariatsakt vom Hrn. X Wohnrecht eingeräumt und Unterhalt geleistet wurde und weiterhin wird.
Diese Angabe ist insofern unpräzise, als dass Hr. X, wie bereits auf der Seite 2 des nämlichen Schriftsatzes zu Punkt „I. Sachverhalt“ vorgebracht, dies in Form einer gerichtlich beglaubigten Erklärung vorgenommen hat. Diese Erklärung wurde der Landespolizeidirektion Oberösterreich am 04.10.2012 vorgelegt.
Der Umstand, dass bei der Einräumung der Rechte nicht die Rechtsform des Notariatsaktes gewählt wurde, vermag jedoch an der Rechtsposition der Bw nichts zu ändern.
Der EuGH hat zur Frage, welche Anforderungen an einen derartigen Nachweis gestellt werden können, in der Rs. C-1/05 Yunying Jia gegen Migrationsverk ausgeführt:
... das unter „Unterhalt [gewährt] zu verstehen ist, dass das Familienmitglied eines in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 43 EG niedergelassenen Gemeinschaftsangehörigen der materiellen Unterstützung dieses Gemeinschaftsangehörigen oder dessen Ehegatten bedarf, um seine Grundbedürfnisse in seinem Herkunftsstaat in dem Zeitpunkt zu decken, in dem er beantragt, dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen. Art. 6 Buchst. b dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Nachweis des Unterhaltsbedarfs mit jedem geeigneten Mittel geführt werden kann ...
Dies ist im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 lit. c zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 2004/38/EG, wo selbst für den Fall mit den umfangreichsten Urkundsanforderungen, dass ein alleinstehender Unionsbürger zum Zweck eines „privaten Aufenthalts“ entsprechende Nachweise vorlegt, als Maximalforderung normiert ist, dass dieser
... der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen
Somit erfüllt die Erklärung des Hrn. X diese Anforderungen, sodass die Bw zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind und einer Ausweisung keinen Raum mehr bietet.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie das og. ergänzende Schreiben des Vertreters.
3.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d AVG).
3.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1., 2. und 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
Unstrittig ist die Bw EWR-Bürgerin. Ebenso ist unbestritten, dass die Bw über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, bei der Tochter und dem Schwiegersohn Unterkunft genommen hat, ihr derzeit Unterkunft und ausreichende Existenzmittel zur Verfügung gestellt werden und sie derzeit weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nimmt. Die Tochter der Bw ist in Karenz und der Schwiegersohn verdient zwischen 3.000,-- und knapp 4.000,-- Euro netto im Monat. Die Bw erhält 152,-- Euro netto pro Monat an Pension.
Die Bw hat mehrere Einkommensnachweise und eine beglaubigte Erklärung des Schwiegersohns vorgelegt.
Die vorgelegten Beweismittel werden von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen, jedoch als nicht ausreichende Nachweise gewertet.
3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
4.1.1. Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden (Abs. 2), hat die Behörde insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
4.1.2. Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.