Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360418/2/MK/HK

Linz, 28.11.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See, Hans-Kappacher-Straße 14, 5600 St. Johann im Pongau, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, vom 20.9.2013, AZ: S-14224/13-2, mit dem ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) eingestellt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), vom 20.9.2013, AZ: S-14224/13-2, wurde das gegen E A zur obigen Zahl geführte Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz (in der Folge: GSpG) eingestellt.

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde wie folgt:

 

„Aufgrund einer Anzeige der Finanzpolizei vom 27.3.2013 wurde dem Beschuldigten mit ha. Schreiben vom 23.5.2013 folgende Verwaltungsübertretung vorgeworfen:

 

Sie haben, wie am 26.2.2013, um 10.40 Uhr, in L, W, im Lokal „B", von Organen des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See anlässlich einer Kontrolle festgestellt worden ist, zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht, indem Sie die Aufstellung und den Betrieb von neun Glücksspielgeräten mit den Gehäusebezeichnungen

 

FA1) Dollar Bill Ambassador, SNr: XAR601826, Mindesteinsatz: 0,50 €, Höchsteinsatz: 0,50 €,

FA2) Ambassador B, SNr: XAR602443, Mindesteinsatz: 0,50 €, Höchsteinsatz: 0,50 €,

FA3) Diamond Swipe, SNr: XAR602554, Mindesteinsatz: 0,50 €, Höchsteinsatz: 0,50 €,

FA4)  Ambassador Games Austria, SNr: SCG 159, Mindesteinsatz: 0,35 €, Höchsteinsatz: 0,50 €,

FA5) Multiplayer Act Austrian Casino Game Technology, SNr: 20010250, Mindesteinsatz: 0,10 €,

Höchsteinsatz: 15,00€,

FA6)  Act Multiplayer, SNr: keine, FA-Versiegelungsplaketten Nr. A004720-004727, Minde­steinsatz: 0,10 €, Höchsteinsatz: 15,- €,

FA7) Webak, SNr: 409040, Mindesteinsatz: 0,25 €, Höchsteinsatz: 0,45 €,

FA8) Ambassador Games Austria, SNr: keine, FA-Versiegelungsplaketten Nr. A004737-004743, Mindesteinsatz: 0,50 €, Höchsteinsatz: 0,50 €,und

FA9) Apollo Royal Win, SNr: 8460, Mindesteinsatz: 0,50 €, Höchsteinsatz: 12,- €,

 

seit 26.2.2011 geduldet haben, bei welchen wiederholt Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt wurden und aufgrund der möglichen oa. Einsätze und der in Aussicht gestellten Gewinne in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wurde, weil die dafür erforderliche Konzession des Bundesministeriums für Finanzen nicht vorlag. Verwaltungsübertretung nach

§ 9 Abs. 1 VStG iVm §§ 2 Abs.1 und 4 GSpG und 52 Abs.1 Z1 Tatbild 3 GSpG

 

Laut Anzeige der Finanzpolizei vom 27.3.2013 sind sämtliche Walzengeräte FA1) - FA9) mit einer Start-Taste ausgestattet. Auf jedem dieser Geräte sind mehrere Spiele installiert. Von Organen der Finanzbehörde wurde jeweils nur ein Spiel getestet:

 

So konnte beim Gerät FA1) im Spiel „Dollar Bill" ein Mindesteinsatz von € 0,50 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 48 SG, bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,50 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 998 SG,

 

… FA2) im Spiel „Pigs can fly" ein Mindesteinsatz von € 0,50 und ein da-
mit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 18 SG bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,50 und
ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 398 SG,

 

FA3) im Spiel „„Diamond Swipe" ein Mindesteinsatz von € 0,50 und

ein damit verbundener Höchstgewinn von € 15,--+ 12 SG bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,50 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 268 SG,

 

… FA4) im Spiel „Safe Buster" ein Mindesteinsatz von € 0,35 und ein

damit verbundener Höchstgewinn von € 10,-- + 34 SG, bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,50 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 10,-- + 499 SG,

 

 

… FA5) im Spiel „Hot Shot 5" ein Mindesteinsatz von € 0,10 und ein

damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-, bzw. ein Maximaleinsatz von € 15,00 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 3000,--,

 

… FA6) im Spiel „Hot Shot 5" ein Mindesteinsatz von € 0,10 und ein

damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-, bzw. ein Maximaleinsatz von € 15,00 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 3000,--,

 

… FA7) im Spiel „Neptune's Pearl" ein Mindesteinsatz von € 0,25 und

ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,- + 48 SG, bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,45 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,-- + 498 SG,

 

… FA8) im Spiel „Burning Wild" ein Mindesteinsatz von € 0,50 und ein

damit verbundener Höchstgewinn von € 20,- + 13 SG, bzw. ein Maximaleinsatz von € 0,50 und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 20,- + 148 SG,

 

… FA9) im Spiel „Scatter Fruits" ein Mindesteinsatz von € 0,50 und ein

damit verbundener Höchstgewinn von € 500,--, bzw. ein Maximaleinsatz von € 12,-- und ein damit verbundener Höchstgewinn von € 12000,-,

 

festgestellt werden.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat nun die Zuständigkeiten klar geregelt und ist somit auch ent­schieden der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (27.2.2013, 2012/17/0342, 15.3.2013, 2012/17/0365) aus dem Grund des Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsver­bot gem. Art 4 Abs.1 7. ZP EMRK entgegengetreten.

Mit Erkenntnis vom 13.6.2013, B 42272013-9, legte der VfGH in verfassungskonformer In­terpretation des § 52 Abs.2 GSpG fest, dass hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte es nur darauf ankomme, ob eine Glücksspielveranstaltung mit einem Einsatz von über € 10,-- pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens € 10,™ oder mehr als € 10,--tatsächlich leistet. Es ergibt sich daraus die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können.

Es liegt somit eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit vor, wenn die Möglichkeit besteht, bei einem Gerät Einsätze von über € 10,- zu leisten oder Serienspiel zu ver­anstalten.

 

Auch der VwGH geht von seiner bisherigen Judikatur ab und führt in seinem Erkenntnis vom 23.7.2013, ZI 2012/17/0249 aus:

„ Diesen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob eines der auf den konkreten

- jeweils gesondert zu beurteilenden - Glücksspielgeräten installierten Spielprogramme Spie­le mit einem Einsatz von über € 10,- ermöglichte, das heißt, welcher mögliche Höch­steinsatz an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten jeweils geleistet werden konnte (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden konnten). Derartige Feststellungen wären erforderlich gewesen, um ausgehend von der dargestellten Rechtslage beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungs­strafbehörden gemäß § 52 Abs.1 GSpG besteht."

 

 

Mit Schreiben vom 12.7.2013 erteilte die LPD /SVA1 der zuständigen Abgabenbehörde den Auftrag, bei den Geräten FA1) - FA9) den maximal möglichen Einsatz für die nicht vom Testspiel umfassten installierten Spiele zu ermitteln bzw. festzustellen, ob mit den Geräten Serienspiele veranlasst werden können.

 

Diesem Auftrag ist die Finanzbehörde nicht nachgekommen.

 

Es wurden somit keine Feststellungen getroffen, ob eines der auf den konkreten Glücksspielgeräten installierten Spielprogramme Spiele mit einem Einsatz von über € 10,- er­möglichte.

 

Da sämtliche Geräte mit einer Starttaste, die in gewinnsüchtiger Absicht zu Serienspielen verleitet, ausgestattet waren, und außerdem eine äußerst günstige Relation zwischen Ein­satz und den in Aussicht gestellten Gewinn bestand, war vor dem Hintergrund der Serienspieljudikatur des OGH dieser Sachverhalt unter den Tatbestand des § 168 StGB zu sub­sumieren, wobei zumindest von einem strafbaren Versuch auszugehen war.

 

Im Übrigen ergibt sich die Gerichtszuständigkeit bei den Geräten FA5), FA6) und FA9) be­reits aus der möglichen Maximaleinsatzhöhe von € 15,- (FA5/FA6) bzw. € 12,- (FA9).

 

Mit 1.3.2013 (BGBl I Nr. 33/2013) trat die Bestimmung des § 22 VStG neu in Kraft. Demnach ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tat­bestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Durch diese generelle ausdrückliche Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit wurde ein Vorrang des konkurrierenden Gerichtsdeliktes manifestiert. Es kann somit keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen.

 

Eine weitere Verfolgung der Beschuldigten ist daher wegen Verletzung des Art. 4 7. ZP EMRK nicht mehr zulässig.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

2. Gegen diesen am 30.09.2013 zugestellten Bescheid richtet sich die am 14.10.2013  eingebrachte, rechtzeitige Berufung.

 

Der Berufungswerber begründet diese wie folgt:

 

„Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung namhaft gemacht.

 

Dem gegenständlich bekämpften Bescheid, mit dem das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 VStG eingestellt wurde, lagen Erhebungen nach dem GSpG, ein Strafantrag mit den dazugehörigen Beweismitteln, aus denen die möglichen Höchsteinsätze bei den als Testspiel durchgeführten virtuellen Walzenspielen ersehen werden konnten, ein Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich mit dem Auftrag, bei den Geräten FA1 bis 9 den maximal möglichen Einsatz für die nicht vom Testspiel umfassten installierten Spiele zu ermitteln bzw. festzustellen, ob Serienspiele veranlasst werden können und eine dazugehörige ausführliche Stellungnahme der Finanzpolizei, Hans-Kappacherstraße 14, 5600 St. Johann/Pg., zu Grunde.

 

Ergänzend wird ausgeführt:

Weitere Erhebungen durchzuführen, obliegt ausschließlich der erstinstanzlichen Behörde. Die Finanzpolizei ist im laufenden Verfahren Partei. Ihr kommt im weiteren Verfahren lediglich eine etwaige Mitwirkung (z.B.: Anwesenheit bei einem durch die Behörde angeordneten Augenschein) zu.

Zu den Geräten und deren weiterer Behandlung im Verfahren wird angemerkt, dass zumindest über jene Geräte (FA1, 2, 3, 4, 7 und 8) verwaltungsstrafrechtlich hätte abgesprochen werden müssen, da die Geräte beim Bespielen einen Maximaleinsatz von nicht über 10,- Euro hatten.

Für die restlichen Geräte (FA5, 6 und 9) hätte von der I. Instanz eine Mitteilung an das zuständige Gericht, sowie Aussetzung des Veraltungsstrafverfahrens bis zur Entscheidung, ob eine gerichtliche Strafbarkeit vorliegt, veranlasst werden müssen.

 

Die Finanzpolizei verweist ausdrücklich erneut auf die o.a. Ausführungen und Unterlagen, welche aus ho. Sicht nicht entsprechend gewürdigt wurden.“

 

 

3.1. Die belangte Behörde legte am 15.10.2013 die Berufung samt ihrem Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde. Gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den Pkt. 1 und 2.

 

3.3. Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs.1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 40.000 Euro zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs.4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt".

 

Nach § 168 Abs.1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der "ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, [...] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird".

 

Werden gemäß § 52 Abs.2 GSpG in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt.

 

4.2. Zur Abgrenzungsregel des § 52 Abs.2 GSpG und zu den Anwendungsumfängen des § 168 StGB sowie des § 52 Abs.1 Z1 GSpG hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2012, zu B 422/2013-9, wie folgt ausgesprochen:

 

1. Gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK (in seiner deutschen Übersetzung) darf ‚[n]iemand […] wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.‘

 

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 14.696/1996 und diesem folgend VfSlg. 15.128/1998 sowie 15.199/1998) widerspricht eine Regelung, wonach durch eine Tat unterschiedliche Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), nicht zwingend dem Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK. Die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen ist daher grundsätzlich zulässig, sofern diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VfSlg. 18.833/2009 und 19.280/2010 im Hinblick auf EGMR 10.2.2009 [GK], Fail Zolothukin, Appl. 14.939/03). Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK liegt dann vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, also der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt daher, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. "Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird" (VfSlg. 14.696/1996). Eine gesetzliche Strafdrohung widerspricht Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft (VfSlg. 15.128/1998), sich also die Entscheidung des Strafgerichts einerseits und der Verwaltungsbehörde andererseits auf das "gleiche Verhalten" gründen (EGMR 23.10.1995, Fall Gradinger, Appl. 15.963/90).

 

2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.199/1998 zu §52 Abs. 1 GSpG in der Fassung BGBl. 695/1993 feststellte, ist es nicht ausgeschlossen (sondern vielmehr die Regel), dass eine an sich unter die Strafdrohung des §52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) fallende Handlung ("wer Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol unterliegen, außerhalb einer Spielbank betreibt [Veranstalter] oder zugänglich macht [Inhaber]") in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des § 168 Abs. 1 erster Fall StGB fallenden Handlung ("wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet […], um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden") begangen wird. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, dass "Veranstalten" eines Glücksspiels im Sinne des § 168 Abs. 1 (erster Fall) StGB heißt, "einem bestimmten oder unbestimmten Kreis von Interessenten Gelegenheit zum Glücksspiel zu geben". In diesen Fällen wird - so der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15.199/1998 zur Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz in der Fassung BGBl. 695/1993 - in der Regel davon auszuge­hen sein, dass das Delikt des Glücksspiels gemäß §168 Abs. 1 {erster oder zweiter Fall) StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 52 Abs. 1 Z 5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) vollständig erschöpft. Zu einem möglichen Verstoß des §52 Abs. 1 Z5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK führte der Verfassungsgerichtshof aus:

 

"Weder aus dem Wortlaut des §52 GSpG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des GSpG ergibt sich, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 52 GSpG die Annahme einer Scheinkonkurrenz nicht zulässig wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer -soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten (vgl. VfSlg. 12469/1990, 13336/1993, 13805/1994, 14631/1996; VfGH 11.3.1998, G 262/97 ua.). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (69 BlgNR XVIII GP, S. 8) zur Novelle des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 344/1991, mit der die Verwal­tungsstrafbestimmung des § 52 Abs.1 eingeführt wurde (die Vorläuferbestimmung normierte lediglich - nicht eigens nach dem Glücksspielgesetz sanktionierte - 'Verbote'), wurde zwar festgehalten, dass ‚(d)er Übergang zu einem kumulativen Verwaltungsstraftatbestand deshalb erforderlich (ist), weil Abgrenzungsprobleme zwischen Gerichten und Verwaltungsstrafbehörden bisher zu einer unbefriedigenden Ahndung von Eingriffen in das Glückspielmonopol führten'. Diese - offensichtliche - Absicht des Gesetzgebers, eine kumulative Bestrafung nach dem GSpG und dem StGB vorzusehen, hat jedoch nicht in einer -eine verfassungskonforme Interpretation ausschließenden - Weise Niederschlag im Wortlaut des Gesetzes gefunden, wie dies vergleichbar mit der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 14696/1996 aufgehobenen Wortfolge des § 99 Abs. 6 lit.c StVO 1960 erfolgt ist. Ist aber eine verfassungskonforme Ausle­gung möglich, dann ist diese vorzunehmen, selbst dann, wenn in den Materialien der Gesetzwerdung entgegenstehende Aussagen enthalten sind (vgl. VfSlg. 10066/1984,11576/1987). § 52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG ist daher - für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung - einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach § 168 Abs.1 erster oder auch zweiter Fall StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens (im Sinne eines weitgehend identen Sachverhaltes im Lichte der angewendeten bzw. in Betracht kommenden materiellen Strafbestimmungen) nach § 52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG aus."

 

Dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgte auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. zB VwGH 22.3.1999, 98/17/0134 und VwGH 8.9.2009, 2009/17/0181).

 

3. Mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBL I 54/2010 wurde unter anderem § 52 Abs. 1 und 2 GSpG geändert. Es entfiel § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG, der das Veranstalten von Glücksspielen mittels Glücksspielapparaten oder Glücksspielautomaten außerhalb einer Spielbank unter Strafe gestellt hatte. Der Grund dürfte darin liegen, dass bereits mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I 126/2008 in §52 Abs. 1 ZI GSpG der Straftatbestand des ‚Veranstaltens‘ von Glücksspielen ge­setzlich verankert wurde, welcher auch die bisherige Regelung betreffend das Veranstalten von Glücksspielen mittels Glücksspielautomaten abdeckte (vgl. Strejcek/Bresich, GSpG2, § 52 GSpG, Rz 10). Mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I 54/2010 verankerte der Gesetzgeber zum einen ausdrücklich die Abgrenzung der Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz gegenüber jener nach § 168 StGB; zum anderen präzisierte der Gesetzgeber mit dieser Novelle das Zurücktre­ten einer allfälligen Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB: Gemäß § 52 Abs. 2 GSpG sind nun Einsätze von über € 10,- für (Automaten)Spiele nicht mehr als ‚geringe Beträge‘ zu qualifizieren, sodass in diesen Fällen die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz "hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt]". (Vor der Novelle BGBl. I 54/2010 lag nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein "geringer Betrag" im Sinne des § 168 StGB dann vor, wenn der Gesamteinsatz eines Spielers im Zuge einer Spielveranstaltung die Summe von ATS 200 - nicht überstieg [vgl. zB OGH 9 Os 137/82]).

 

3.1. Die Erläuterungen zu § 52 GSpG - speziell zum neu gefassten Abs. 2 - in der Fassung BGBl. I 54/2010 besagen, dass die ‚Strafzuständigkeit der Verwaltungsbehörden […] ausschließlich bei Einsätzen pro Spiel bis zu 10 Euro gegeben [ist]. Mit Abs. 2 wird auch der unbestimmte Gesetzesbegriff der geringen Beträge im Sinne des § 168 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB legal definiert. Nur bei Vorliegen solcher geringen Beträge ist eine Strafbarkeit nach § 168 Abs. 1 letzter Halbsatz ausgeschlossen, gleichgültig ob bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Ab Übersteigen dieses Betrages ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln und besteht Gerichtszuständigkeit‘ (RV 658 BlgNR24.GP, 8).

 

3.2. Auf Grund der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I 54/2010 sah sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, seine Rechtsprechung zu § 52 GSpG zu ändern. So führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. August 2012, 2012/17/0156 - nach der Wiedergabe der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zur (verfassungskonformen) Auslegung des §52 Abs. 1 Z5 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 54/2010 und des § 168 StGB - aus:

 

‚[…]‘

Mit BGBl, i Nr. 54/2010 hat der Bundesgesetzgeber in §52 Abs. 2 GSpG eine Vorschrift eingefügt, derzufolge dann, wenn 'in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen Vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet1 werden, es sich 'nicht mehr um geringe Beträge handle und 'insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrete.

 

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 1 Nr. 54/2010, 658 BlgNR, 24. GP, 8, wird zu dieser Neufassung des § 52 Abs. 2 GSpG ausge­führt:

 

'[…]'

Der Gesetzgeber hat damit nunmehr ausdrücklich die bis zum Inkrafttreten der genannten Novelle BGBl. I Nr. 54/2010 nur im Wege verfassungskonformer Auslegung zu ermittelnde Subsidiarität 'eine(r) allfällige(n) Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz' gegenüber einer ‚allfälligen Strafbarkeit‘ nach § 168 StGB festgelegt.

 

Da § 52 Abs. 2 GSpG auf die Leistung eines Einsatzes von mehr als EUR 10,-- in einem einzelnen Spiel abstellt, hat die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden nach den für die Spiele geleisteten Einsät­zen zu erfolgen.

 

Eine Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand ergibt sich daher nur für die Veranstaltung von Spielen, bei denen der Einsatz EUR 10,-- überstieg. Im Übrigen verbleibt die Zuständigkeit bei den Verwaltungsstrafbehörden.

 

2.4. Da somit im Falle des Betreibens eines Glücksspielgeräts (unabhängig davon, ob es sich um einen Glücksspielautomaten oder um elektronische Lotte­rien handelt) die Zuständigkeit des Gerichts nur für jene Spiele gegeben ist, bei denen der geleistete Einsatz EUR 10,-- überstieg, im Übrigen aber die Zuständig­keit der Verwaltungsbehörden gegeben ist, durfte die belangte Behörde aus der Feststeilung, dass an den gegenständlichen Apparaten auch mit Einsätzen über EUR 10,-- gespielt worden sei, nicht ableiten, dass hinsichtlich sämtlicher, mit den Apparaten durchgeführter Spiele eine Zuständigkeit des Gerichts nach § 168 Abs.1 StGB gegeben gewesen sei.

 

2.5. Die belangte Behörde war daher auf dem Boden ihrer Sachverhaltsfeststellungen schon deshalb nicht befugt, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

3.3. Diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch VwGH 27.2.2013, 2012/17/0342, zuletzt VwGH 15.3.2013, 2012/17/0365), welche auch dem angefochtenen Bescheid des UVS Niederösterreich zugrunde liegt, wider­spricht jedoch dem Doppelbestrafungsverbot gemäß Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK:

 

Gemäß dem im Beschwerdefall präjudiziellen - und auch in den zitierten Er­kenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblichen -Verwaltungsstraftatbestand des §52 Abs.1 Z1 GSpG in der Fassung BGBl. I 54/2010 ist zu bestrafen, ‚wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspie­lungen im Sinne des § 2 Abs.4 [GSpG] veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs.2 [GSpG] daran beteiligt‘.

 

Daran anknüpfend grenzt §52 Abs.2 GSpG in der Fassung BGBl. I 54/2010 die Strafbarkeit nach § 52 Abs.1 (Z1) GSpG und jene nach § 168 StGB sowie damit auch die Zuständigkeit der Verwaltungs- (§ 52 Abs.1 GSpG) und Strafgerichts­barkeit (§ 168 StGB) voneinander ab: ‚Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen Vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10,-- Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bun­desgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück.‘

 

Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs.2 GSpG (iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs.1 Z1 GSpG) kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen (höchstens oder über € 10,--) abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs.1 Z1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs.4 GSpG. Die Strafbarkeit knüpft somit nicht - wie dies aus der Textierung des § 52 Abs.2 GSpG missverstanden werden könnte - an das Verhalten des konkreten Spielers - also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter 10,-- Euro an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet - an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen er­möglicht ("wer … veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht …"- § 52 Abs. 1Z 1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs.1 (Z1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zustän­digkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit - bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg. 15.199/1998 mwN) - darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücks­spielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugäng­lich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens 10,-- Euro oder mehr als 10,-- Euro ermöglicht. Würde auf die tatsächlichen Einsätze des jeweiligen Spielers abge­stellt {wie dies der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tun), würde eine Tat, also ein Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person (nämlich des in § 52 Abs.1 [Z1] GSpG und § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere straf­bare Handlungen zerlegt, obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ("essential elements") aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu 10,-- Euro pro Spiel geleis­tet werden können, erschöpft sich vollständig in dem gemäß § 168 Abs.1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf (Automaten-)Glücksspiele bzw. die darauf installierten Spielprogramme mit Einsätzen über 10,-- Euro.

 

Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs.2 (iVm § 52 Abs.1 Z1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehör­den von jener der Strafgerichte darf es somit nur darauf ankommen, ob eine "Glücksspielveranstaltung" {also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielau­tomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über 10,-- Euro pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens 10,-- Euro oder mehr als € 10,- tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam).

 

3.4. Die belangte Behörde hat somit dem § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der vom Beschwerdeführer betriebenen Glücksspielautoma­ten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte. Da der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen Ausspielungen mit zwei Glücks­spielautomaten, welche einen Höchsteinsatz von € 10,50 pro Spiel ermöglichten, veranstaltete und deswegen auch in erster Instanz strafgerichtlich gemäß § 168 StGB verurteilt wurde, scheidet eine doppelte Bestrafung wegen ein und dersel­ben Tat nach § 52 Abs. 1Z 1 (iVm § 52 Abs. 2) GSpG aus.

 

3.5. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungs­regelung des § 52 Abs.2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde - auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich ge­währleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B-VG bzw. Art. 2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs.2 B-VG - stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veran­lasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungs­strafbehörden gemäß § 52 Abs.1 GSpG besteht.“

 

4.3. Zusammenfassend ist der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu entnehmen, dass – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – nicht die tatsächlich geleisteten Einsätze für ein Spiel für die Beurteilung der behördlichen oder der gerichtlichen Zuständigkeit herangezogen werden dürfen. Vielmehr ist darauf abzustellen, welcher Einsatz möglich gewesen wäre bzw. ob ein Serienspiel durchgeführt hätte werden können.

 

4.4. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Verwaltungsbehörde im Falle einer Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen (vgl ua VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134). Diese Verpflichtung trifft im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren somit den UVS Oberösterreich.

 

4.4.1. Diese Schlussfolgerung wurde nicht zuletzt durch die Feststellung der Organe der Abgabenbehörde in deren im Akt befindlichen Anzeige vom 27.02. 2013 bestätigt, wonach "[b]ei Auslösung des Spiels im Wege der Automatic-Start-Taste [...] diese Taste nur einmal betätigt werden [muss] um die beschriebenen Abläufe sehr rasch kontinuierlich hintereinander ablaufen zu lassen. Der wechselnde Vorgang von Einsatzabbuchung vom Spielguthaben und Walzenlauf erfolgt so lange fortgesetzt nacheinander, bis das Spielguthaben verbraucht ist, der Einsatz höher als das Spielguthaben ist oder die Taste erneut betätigt wird.".

 

4.4.2. Aufgrund der eindeutig belegten Ausgestaltung des Geräts mit einer "Automatic-Start-Taste" und der beschriebenen Funktionsweise dieser Taste werden nach Auffassung der erkennenden Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenats erwerbsmäßig Serienspiele ermöglicht.

 

Im gegebenen Zusammenhang liegt daher der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor, da allein schon das unternehmerische Zugänglichmachen ebenso wie das Aufstellen bzw. zur Verfügungstellen von Glücksspielgeräten eine Versuchshandlung iSd § 15 Abs.2 StGB hinsichtlich des Tatbildes der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (vgl dazu § 168 Abs.1 StGB 2. Tatbildvariante) und überhaupt das vorsätzliche Verschaffen einer Spielgelegenheit – etwa durch den "Spielautomatenaufsteller" oder einen "die Gewinnabgeltung besorgenden Gastwirt" (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 168 Rz 14 uHa Rainer, SbgK § 168 Rz 12) – auf mit "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten schon vor dem ersten Spielgeschehen den strafbaren Versuch der Veranstaltung von Serienglücksspielen im Sinne der 1. Tatbildvariante des § 168 Abs.1 StGB darstellt (vgl allgemein zu den Begehungsweisen Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 14 ff, die etwa die Förderung einer Glücksspielzusammenkunft schon "durch Beistellung entsprechender Räume oder Spielutensilien, durch Werbung oder durch sonstige Dienstleistungen" bejahen, und Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 §168 Rz 9 ff). Allein der Umstand des zur Verfügung Stellens derartiger Geräte stellt bei entsprechendem Tatvorsatz somit jedenfalls schon den strafbaren Versuch der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (§ 168 Abs.1 2. Tatbildvariante) sowie allenfalls auch die strafbare Beteiligung am Versuch der Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 168 Abs.1 1. Tatbildvariante) dar.

 

Mit anderen Worten: Bereits durch die Beistellung, betriebsbereite Aufstellung und öffentliche Zugänglichmachung eines mit "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräts, bei dem sämtliche der angezeigten Spiele mit dieser Taste ausgelöst werden können, wird der strafbare Versuchsbereich der Tatbilder des § 168 Abs.1 StGB als Ausführungshandlung oder zumindest ausführungsnahe Handlung in Bezug auf die Veranstaltung von Serienglücksspielen und die Förderung der Abhaltung von Serienglücksspielen beschritten.

 

Darüber hinaus ist nach den gegebenen Umständen zu erkennen, dass der Bw im Sinne des § 5 Abs.1 2. Halbsatz StGB die Verwirklichung des Tatbildes ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden hat:

Schon die Tatsache, dass auf den mit "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten Glücksspiele im Sekundentakt ablaufen zeigt ganz offensichtlich, dass solche Ausspielungen sowohl vom Veranstalter als auch vom Lokalbetreiber und Inhaber ebenso wie von sonstigen unternehmerisch Beteiligten (etwa dem beteiligten Geräteeigentümer) in gewinnbringender Absicht beigestellt, betrieben bzw. veranstaltet werden. Dies indiziert mindestens den erforderlichen dolus eventualis in Bezug auf die beiden Tatbilder des § 168 Abs.1 StGB. So ist im Regelfall davon auszugehen, dass Veranstalter und/oder Lokalbetreiber ebenso wie sonstige unternehmerisch Beteiligte (etwa der beteiligte Geräteeigentümer) es für möglich halten und sich auch damit abfinden, dass mit der Verschaffung einer Spielgelegenheit bzw. der Zugänglichmachung von entgeltlichen Glücksspielen auf entsprechend ausgestatteten Geräten ebenso wie schon mit der erwerbsmäßigen Beistellung solcher Geräte auf unrechtmäßige (monopolwidrige) Art und Weise Geld verdient wird. Dementsprechend gehen auch Kirchbacher/Presslauer im Wiener Kommentar zum StGB (vgl dieselben in WK² § 168 Rz 13) unter Hinweis auf eine "realistische Sicht" davon aus, dass wohl "jedem Automatenbetreiber, der keine Vorkehrung gegen 'Serienspiele' trifft, ein entsprechender dolus eventualis unterstellt werden" müsse. Beim Einsatz von Glücksspielgeräten mit "Automatic-Start-Taste" werden aber sogar nicht nur keine Vorkehrungen gegen Serienspiele getroffen, sondern solche Serienspiele geradezu provoziert. Im Fall der Betätigung der "Automatic-Start-Taste" durch den Spieler wird – wie oben dargelegt – der wechselnde Vorgang der Einsatzabbuchung mit anschließendem Walzenlauf so lange selbsttätig fortgesetzt, bis das gesamte Spielguthaben verbraucht, der Einsatz höher als das (verbleibende) Spielguthaben ist oder die Taste erneut betätigt wird.

 

4.5. Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist nach der selbstständigen Beurteilung dem Tatbestand des § 168 Abs.1 StGB zu unterstellen und nach dem § 168 Abs.1 iVm. § 15 Abs.2 StGB gerichtlich strafbar.

 

 

5. Auf Grund der – in § 52 Abs.2 GSpG teilweise normierten bzw. sich im Lichte des verfassungsgesetzlich verankerten Doppelbestrafungs- und ‑verfolgungsverbots gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK stillschweigend ergebenden – Subsidiarität hat eine Verfolgung wegen des verdrängten Verwaltungsstraftatbestands des § 52 Abs.1 Z 1 GSpG zu unterbleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

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