Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253540/13/Py/Hu

Linz, 04.12.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Dragonerstraße 31, 4601 Wels, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. August 2013, SV96-556-2012, mit dem das gegen Herrn x, vertreten durch x, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. Oktober 2013 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der Einstellungsbescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch die Wortfolge "Herr x" gegen die Wortfolge "Herr x" ersetzt wird.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. August 2013, AZ.: SV96-555+556-2012, wurde das gegen Herrn x eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der Beschäftigung des bosnischen Staatsangehörigen Herrn x, geb. am x, als Dienstnehmer gegen Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, ohne diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben, gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

In der Begründung bringt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen vor, dass vom zuständigen Krankenversicherungsträger ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhält­nis nicht festgestellt wurde und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren daher eingestellt wird.

 

2. Gegen diesen – dem Finanzamt Grieskirchen Wels als am Verfahren beteiligte Organpartei nachweislich am 20. August 2013 zugestellten – Einstellungsbescheid hat das Finanzamt Grieskirchen Wels am 3. September 2013 – und somit rechtzeitig – Berufung erhoben. Darin bringt das Finanzamt Grieskirchen Wels vor, dass seitens der belangten Behörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde, sondern lediglich aufgrund einer Auskunft der Gebietskrankenkassa die Einstellung des Verfahrens verfügt wurde. Diese Information der Krankenkasse vom 19. August 2013, wonach kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wird von der Finanzbehörde nicht geteilt. Auch für den Fall, dass von der Durchführung eines Beitragszuschlagsverfahrens gemäß § 113 ASVG Abstand genommen wird, kann dies keinesfalls als Vorfrage für die angezeigte Übertretung herangezogen werden.

 

Inhaltlich bringt die Organpartei in ihrer Berufung vor, dass aufgrund der Angaben des Herrn x in der mit ihm am 8. August 2012 aufgenommenen Niederschrift von einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit auszugehen ist, weshalb die Fortführung des Strafverfahrens und der Ausspruch einer entsprechenden Bestrafung beantragt wird.

 

3. Mit Schreiben vom 5. September 2013 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. Oktober 2013. An dieser nahmen der Beschuldigte mit seinem Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der berufungswerbenden Organpartei und ein Vertreter der belangten Behörde teil. Als Zeugen wurden Herr x und x einvernommen. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs wurde die Verhandlung gemeinsam mit der im Verfahren zu VwSen-253539 anberaumten Berufungsverhandlung durchgeführt (vgl. § 51e Abs.7 VStG).

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Beschuldigte betreibt am Standort x, die Firma "x". Anlässlich einer mit Herrn x, geb. am x, am 8. August 2012 aufgenommenen Niederschrift brachte das Finanzamt Grieskirchen Wels bei der belangten Behörde folgenden Sachverhalt zur Anzeige:

 

"Im Zuge von Ermittlungen am 8.8.2012 hat Herr x, geb. x, niederschriftlich angegeben, dass er und x (Bruder) im Zeitraum 6. und 7. August 2012, jeweils von 6:30 Uhr bis 19:00 Uhr, auf einer Baustelle von x, in einem Dorf nahe Gmunden (eventuell Altmünster), Verspachtelungen durchgeführt haben. Hinsichtlich dieser Verspachtelungsarbeiten gibt es aber keinen schriftlichen Vertrag. Es wurde auch hinsichtlich einer Haftung nichts ausgemacht. Das Material (Spachtelmasse) wurde auch von x zur Verfügung gestellt. Ebenso die benötigten Leitern, weil x solche nicht besitzt.

 

x hat seit 9.7.2012 eine Gewerbeberechtigung zum Verspachteln bereits montierter Gipskartonplatten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber wiederholt, in vergleichbaren Sachverhalten ausgesprochen, dass einfache Hilfsarbeiten, wie das Aufstellen und Verspachteln von Zwischenwänden (Gipskartonwänden) – unabhängig vom Vorhandensein gewerberechtlicher Bewilligungen und der Vorlage von schriftlichen "Werkverträgen" – kein selbstständiges Werk darstellen.

 

Aufgrund des Sachverhalts ist davon auszugehen, dass x und x als Dienstnehmer von x anzusehen sind. Es gibt keinen schriftlichen Werkvertrag, Material (Spachtelmasse) und Leitern wurden vom Auftraggeber beigestellt. Es wurde auch nichts hinsichtlich der Übernahme einer Haftung ausgemacht.

 

x und x wurden von x aber nicht zur Sozialversicherung angemeldet, weshalb eine Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorliegt. Die Einleitung eines entsprechenden Verwaltungsstrafverfahrens wird beantragt."

 

Mit E-Mail vom 19. August 2012 teilte die Oö. Gebietskrankenkassa der belangten Behörde mit, dass nach deren Recherchen eine Dienstnehmereigenschaft des Herrn x bzw. des Herrn x zu Herrn x nicht vorliegt.

 

Im Berufungsverfahren konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, wer tatsächlich Verspachtelungsarbeiten in welchem Zeitraum und auf welcher Baustelle durchgeführt wurden und welche konkreten, für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmale bei dieser Tätigkeit vorlagen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 11. Oktober 2013. In dieser gab es sowohl seitens des Beschuldigten als auch seitens der einvernommenen Zeugen völlig unterschiedliche Angaben zu den von der Organpartei angezeigten Bauarbeiten. Zunächst war nicht zweifelsfrei feststellbar, welche Baustellen tatsächlich wann und mit welchen Personen abgearbeitet wurden. Es liegt in weiterer Folge auch kein widerspruchsfreies Beweisergebnis vor, welche Tätigkeiten mit welchen relevanten Sachverhaltsmerkmalen ausgeführt wurden. Einerseits sprach der Zeuge x davon, dass Rigipsplatten im Dachboden eines Einfamilienhauses zu verlegen waren und er diese Arbeiten gemeinsam mit seinem Bruder durchgeführt habe, andererseits gab er an, dass es sich lediglich um Spachtelarbeiten handelte. Der Bruder des Zeugen, Herr x, gab an, dass bei diesen Arbeiten auch Herr x selbst mitgearbeitet hat, was von diesem wiederum ausdrücklich bestritten wurde. Strittig blieb zudem auch die tatsächliche Dauer der Arbeitsausführungen.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539a Abs.2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs.3 ASVG).

 

Gemäß § 539a Abs.2 ASVG können durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.

 

5.2. Zunächst ist festzuhalten, dass der Unabhängige Verwaltungssenat nach § 38 AVG die Vorfrage, ob der vom Beschuldigten nicht zur Sozialversicherung gemeldete Herr x in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlag, selbst zu beurteilen hat oder – sofern ein diesbezügliches Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre - das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auch hätte aussetzen können. Durch die Beurteilung der Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptfrageverfahren – die Feststellung der Pflichtversicherung – entschieden. Der Unabhängige Verwaltungssenat war daher gehalten, selbst über das Vorliegen einer der Pflichtversicherung unterliegenden Tätigkeit zu entscheiden. Die Auskunft der Oö. GKK im E-mail vom 18. August 2013 stellt daher keine die Verwaltungsstrafbehörde bindende Entscheidung dar (vgl. VwGH v. 16.3.2011, Zl. 2008/08/0040).

 

Die gegenständliche Anzeige beruht auf den allgemeinen Aussagen des Beschuldigten anlässlich seiner Befragung im Zusammenhang mit seinem Bemühen um Erlangung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Konkrete Wahrnehmungen der Kontrollorgane oder Aussagen des Beschuldigten über das tatsächliche Geschehen vor Ort liegen jedoch nicht vor. Aufgrund der völlig divergierenden und sich widersprechenden Aussagen hinsichtlich der in Rede stehenden Baustellen und mangels gesicherter Beweisergebnisse des tatsächlichen Geschehens vor Ort war es dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht möglich, mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zweifelsfrei eine konkrete Tathandlung des Beschuldigten festzustellen.

 

Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs.2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, war daher mangels ausreichender Beweise für einen Schuldspruch des Bw spruchgemäß zu entscheiden und die von der Organpartei erhobenen Berufung gegen den Einstellungsbescheid abzuweisen.  

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

H I N W E I S

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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