Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310532/6/Kü/TO/Ba

Linz, 23.12.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die fristgerechte Berufung von Herrn  S E, S, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. April 2013, GZ: UR96-25-2012, wegen Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13. November 2013 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. April 2013, GZ: UR96-25-2012, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs.2 Z 3 iVm § 15 Abs.3 sowie § 79 Abs.2 Z 6 iVm § 24a Abs.1. Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 1.800 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von insgesamt 360 Euro verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

„1. Sie haben zumindest 150 Stück PKW-Altreifen (manche noch auf Felgen) und einzelne Felgen in zumindest zwei Lagerräumen im Wohntrakt des Gebäudes I in P zumindest am 7.6.2012, gegen 16:45 Uhr gesammelt und gelagert. Mangels Profils bzw. aufgrund ihres Alters haben sich die ursprünglichen Besitzer der Reifen, Räder und Felgen entledigt; ihre Sammlung ist überdies erforderlich, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Absatz 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 nicht zu beeinträchtigen. Bei den Reifen und Rädern fehlte es aufgrund ihrer Beschaffenheit an der Straßenverkehrstauglichkeit im Sinne des Kraftfahrgesetzes. Sie waren also weder nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu noch standen sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung und konnten in ihrem Zustand auch nicht mehr verwendet werden. Die Reifen, Räder und Felgen befanden sich in Ihrer Verfügungsgewalt und waren in dem genannten Gebäude zum Verkauf zwischengelagert. Das Erwerben, Lagern und Verkaufen haben Sie auf eigene Rechnung und Gefahr, über einen längeren Zeitraum und mit der Absicht, aus dieser Tätigkeit Einnahmen zu erwirtschaften, ausgeübt.

2. Sie haben die Tätigkeit eines Sammlers nicht gefährlicher Abfälle wie unter 1. beschrieben ausgeübt, ohne im Besitz einer gemäß § 24a Absatz 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 erforderlichen Erlaubnis zu sein. Die erwähnten Reifen, Räder und Felgen standen in Ihrer Verfügungsgewalt und waren in dem unter 1. genannten Gebäude zum Verkauf zwischengelagert. Das Erwerben, Lagern und Verkaufen haben Sie auf eigene Rechnung und Gefahr, über einen längeren Zeitraum und mit der Absicht, aus dieser Tätigkeit Einnahmen zu erwirtschaften, ausgeübt.“

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der vom Bw – wie bereits in der Niederschrift über die Vernehmung des Bw vom 24. September 2012 und vom 23. Oktober 2012 nochmals begründend ausgeführt wird, dass er nicht die Reifen gelagert, sondern nur die Räumlichkeiten dafür zur Verfügung gestellt habe.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 19. April 2013 vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. November 2013, an welcher der Bw teilgenommen hat.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bw ist in Nigeria geboren, österreichischer Staatsbürger, verheiratet, war im Tatzeitraum arbeitslos und bedingt durch sein Bandscheibenleiden auch nicht arbeitsfähig. Vom Eigentümer des Gebäudes I, in P, Herrn D S, wurden dem Bw auf dessen Bitte hin Räumlichkeiten zur Lagerung von Gegenständen zur Verfügung gestellt, da der afrikanische Freund des Bw, Herr O, diesen schon im Vorfeld gebeten hat, sich um Lagermöglichkeiten für die Altreifen zu kümmern. Herr O sammelt europaweit Autoreifen, die er dann zur weiteren Verwendung nach Afrika bringt. Zum Kontrollzeitpunkt waren an die 150 Autoreifen in den Räumlichkeiten des Anwesens I in P, gelagert. Das Wegbringen der Reifen wurde wiederum von Herrn O veranlasst.

 

4.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Aussagen des Bw in den im Akt einliegenden Niederschriften über seine Vernehmungen und in der mündlichen Verhandlung, zumal übereinstimmende und nicht widersprechende Angaben gemacht wurden und der Bw insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck vermittelte. Diesen Feststellungen steht auch nicht die Aussage des Vermieters entgegen, da dieser lediglich ausgeführt hat, wegen der Vermietung der Räumlichkeiten mit dem BW Kontakt gehabt zu haben. Dies wird auch vom Bw selbst so bestätigt.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Hinsichtlich der zur Anwendung gelangenden Rechtsvorschriften des AWG 2002 wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

 

Gemäß § 45 Abs.2 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

 

Der Verhängung eines Straferkenntnisses hat die vollständige Feststellung des Sachverhaltes vorauszugehen, um den Tatvorwurf mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beweisen zu können. Auch unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Schuldvermutung des § 5 Abs.1 VStG im Bereich der Ungehorsamsdelikte hat die Behörde die Erfüllung des objektiven Tatbestandes von Amts wegen zu beweisen (Grundsatz der Amtswegigkeit in § 39 Abs.2 AVG; siehe hiezu auch die Ausführungen in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahren, 6. Auflage, Seite 412f). Das damit ausgedrückte Offizialprinzip verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen. Es ist daher Aufgabe der Behörde, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhalts benötigt werden, durchzuführen. Sie hat weiters die gepflogenen Erhebungen dem Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, um diesen in die Lage zu versetzen, auf den Tatvorwurf bezogenen konkrete Gegenbeweise anbieten zu können.

 

Das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates muss daher aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens festhalten, dass der Tatvorwurf des Straferkenntnisses nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisbar ist. Aufgrund der vom Bw sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren nicht widersprüchlich dargestellten Situation konnte nicht  bestätigt werden, dass der Bw für die Sammlung und Lagerung der Autoreifen verantwortlich zeichnet sondern sich für einen Bekannten um Lagerräume gekümmert hat. Die dem angefochtenen Straferkenntnis zu Grunde gelegten Sachverhaltselemente beruhen daher auf nicht gesicherten Beweisergebnissen, sondern auf mehr oder weniger zwingenden Annahmen und Schlussfolgerungen, weshalb der rechtlichen Beurteilung der Erstinstanz nicht zu folgen ist. Im Zweifel war daher gemäß Art. 6 Abs.2 EMRK davon auszugehen, dass die dem Bw angelastete Verwaltungsübertretung nicht erwiesen ist und er somit nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. In diesem Sinne war der Berufung Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

Hinweis

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

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