Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560295/3/Kü/TO/Ba

Linz, 19.12.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von A F, L, W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. Juni 2013, GZ: SO-SH-22148-2013 CS, betreffend Einstellung der Leistung auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs (Bedarfsorientierte Mindestsicherung) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF. iVm §§ 4, 5, 13, 27, 31 und 34 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), LGBl.Nr. 74/2011 idF LGBl.Nr. 18/2013.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. Juni 2013, GZ: SO-SH-22148-2013 CS, wurde dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mitgeteilt, dass die mit Bescheid vom 19. Oktober 2011, Zl. SO-SH-22148-2011CS, zuerteilte Leistung mit 30. Juni 2013 eingestellt wird. Dies unter Bezugnahme auf die Rechtsgrundlagen der §§ 4 ff iVm 13, 27, 34 und 35 Oö. BMSG iVm § 1 Oö. BMSV.

 

Begründend wurde festgehalten, dass aufgrund polizeilich durchgeführter Ermittlungsarbeiten feststehe, dass der Bw nur in W, L, gemeldet sei, hauptwohnsitzmäßig sich jedoch seit mindestens Februar 2009 in A, H aufhalte und somit dort seinen Lebensunterhalt habe. Aufgrund dieses Umstandes sei die örtliche Zuständigkeit des Magistrates der Stadt Wels nicht mehr gegeben. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Die zu Unrecht bezogene Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung sei somit zurückzubezahlen. Die Rückerstattung erfolge in Form einer Kürzung der laufenden Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung im Ausmaß von bis zu 50%.

 

2. In der vom Bw rechtzeitig eingebrachten Berufung wird dagegen vorgebracht:

„Der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt ist unrichtig. Insbesondere entsprechen die polizeilichen Ermittlungen, nach denen ich mich „hauptwohnsitzmäßig seit mindestens Februar 2009 in A, H“  aufhalte und somit dort meinen Lebensunterhalt habe, nicht den Tatsachen und entbehrt sohin die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid jeglicher Grundlage.

 

Ich wurde - nachweisbar – erst im Dezember 2009 aus der Haft in Deutschland entlassen.

Die Wohnung L, W, habe ich erst im Februar 2010 bezogen.

 

Meine zeitweiligen Aufenthalte in A begründen sich wie folgt:

Mit meiner ehemaligen Lebensgefährtin (wohnhaft in A) habe ich gemeinsam zwei leibliche Kinder, 14 Monate und 6 Jahre. Nachdem das Kleinkind leider vor 14 Monaten mit einer Querschnittlähmung zur Welt gekommen ist, ist die Kindsmutter gezwungen, oft zur notwendigen Nachbetreuung und ärztlichen Versorgung – nachweisbar – die Kinderklinik in 4020 Linz, Krankenhausstrasse 26-30, aufzusuchen. In diesen Zeiten komme ich meiner väterlichen Sorgepflicht nach, und betreue unser gemeinsames sechsjähriges Kind. Ausschliesslich aus diesem Grund bin ich notwendigerweise zeitweise in A aufhältig.

 

Abgesehen von diesen sporadisch notwendigen Zeiten der Kinderbetreuung ist mein ständiger Aufenthalt und Lebensmittelpunkt in W, L, und ist sohin die örtliche Zuständigkeit des Magistrats Wels nach wie vor gegeben.“

 

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 26. Juli 2013 vorgelegt. Damit ist gemäß § 49 Oö. BMSG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung begründet.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhand­lung konnte gemäß § 67d Abs.1 AVG unterbleiben, zumal sich der ent­scheidungswesentliche Sachverhalt aus dem Verfahrensakt ergibt und zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist österreichische Staatsbürger und hat seit Februar 2010 unter der Adresse L in W seinen Hauptwohnsitz. Seit 1. Oktober 2011 bezieht der Bw eine Leistung sozialer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts – Mindeststandard für alleinstehende Personen gemäß § 1 Abs.1 Z 1 OÖ. BMSV. Die beiden leiblichen Kinders des Bw (6 Jahre und 14 Monate) leben bei der ehemaligen Lebensgefährtin in A, H. Der Bw hält sich unter dieser Adresse immer wieder zu Kinderbetreuungspflichten auf. Aufgrund eines polizeilichen Ermittlungs-verfahrens wurde eine Anzeige wegen Verdachtes auf Vergehen gegen das Meldegesetz an die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen weitergleitet. Diese hat von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens Abstand genommen. Der Bw ist seit 2. Oktober 2013 an der Anschrift A, H, mit Nebenwohnsitz gemeldet.

 

4.2. Dieser entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Berufungsvorbringen des Bw und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 Oö BMSG ist bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage, weiters der körperliche, geistige und psychische Zustand der hilfebedürftigen Person sowie deren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und das Ausmaß ihrer sozialen Integration.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist die Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinne des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§7).

 

Eine soziale Notlage gemäß § 6 Abs.1 Oö. BMSG liegt bei Personen vor,

1. die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaften leben,

nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Nach § 6 Abs.2 Oö. BMSG umfasst der Lebensunterhalt im Sinn des Abs.1 den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse, wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

Gemäß § 6 Abs.3 Oö. BMSG umfasst der Wohnbedarf nach Abs.1 den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

 

Gemäß § 8 Abs.2 OÖ. BMSG wird bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung das Einkommen der (des) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin oder Ehegatten, Lebensgefährtin oder Lebensgefährten bzw. Lebenspartnerin oder Lebenspartner insoweit als Einkommen der hilfebedürftigen Person betrachtet, als es jenen Betrag übersteigt, der ihr oder ihm zustünde, wenn sie oder er selbst auf bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen wäre.

 

Gemäß § 34 Abs.1 OÖ. BMSG ist die Leistung mit schriftlichem Bescheid einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wegfällt. Dies gilt auch dann, wenn der Hilfsbedürftige seinen Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt, in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde verlegt.

Gemäß § 34 Abs.4 OÖ. BMSG ist die Leistung mit Bescheid neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß bedarfsorientierter Mindestsicherung maßgebende Voraussetzung ändert.

 

Gemäß § 35 Abs.1 OÖ. BMSG haben Hilfeempfänger (deren gesetzliche Vertreter) jede ihnen bekannte Änderung der für die Hilfeleistung maßgeblichen Umstände, insbesondere Änderungen der Vermögens-, Einkommens. Familien- oder Wohnverhältnisse, Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten sowie maßgebliche Umstände im Sinn des § 16, unverzüglich nach deren Eintritt oder Bekanntwerden, längstens aber binnen zwei Wochen bei jener Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, in deren Zuständigkeitsbereich sie ihren Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren Aufenthalt, haben.

Gemäß § 35 Abs.2 OÖ. BMSG haben Hilfebedürftige oder deren gesetzliche Vertreter, denen bedarfsorientierte Mindestsicherung

  1. gemäß § 22 Abs.5 oder
  2. wegen Verletzung der Anzeigenpflicht nach Abs.1 oder
  3. wegen bewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen

zu Unrecht zugekommen ist, diese rückzuerstatten oder dafür angemessenen Ersatz zu leisten. Rückerstattungspflichten wegen unbewusst unwahrer Angaben oder bewusster Verschweigung wesentlicher Tatsachen unterliegen nicht der Verjährung.

 

5.2. § 1 Abs.6 des Meldegesetzes 1991 umschreibt den Wohnsitzbegriff wie folgt.

„Ein Wohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.“

 

Gemäß § 1 Abs.7 Meldegesetz ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

 

Gemäß § 1 Abs.8 Meldegesetz sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

 

Dem Vorbringen des Bw, dass er sich immer wieder an der Adresse A, H aufgehalten, um seinen väterlichen Sorgepflichten nachzukommen, insbesondere um das ältere Kind während der Abwesenheit der Kindesmutter zu betreuen, wird Glauben geschenkt. Fest steht auch, dass die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen nach polizeilichen Erhebungen kein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung der Meldepflicht eingeleitet hat. Diese Sachlage lässt den Schluss zu, dass der Bw auf Grund seiner persönliche Situation und seinen Wohnsitz nicht zu Unrecht Leistungen aus Bedarfsorientierter Mindestsicherung bezogen hat. Erst der im Berufungsverfahren neue eingetretene Umstand und zwar die Anmeldung des Bw an der Adresse A, H, am 2.10.2013, lässt eine Haushaltgemeinschaft und somit eine Änderung der Lebensumstände erkennen, die allenfalls den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entgegenstehen oder zumindest einer Neubeurteilung der nunmehr zuständigen Behörde bedürfen. Dabei erscheint es nicht weiter relevant, dass der Bw an dieser Adresse nur mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, da auf die tatsächlichen Verhältnisse im Entscheidungszeitpunkt abzustellen ist. Für die Beurteilung des Kriteriums „Mittelpunkt der Lebensbeziehungen“ gemäß § 1 Abs.8 Meldegesetz sind maßgebliche Bestimmungskriterien, u.a. das Zusammenleben mit den leiblichen Kinder und deren Betreuung, erfüllt.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Der Bw wird darauf hingewiesen, dass eine neuerliche Antragstellung möglich ist, sofern sich die Lebensumstände ändern.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

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