Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101885/11/Bi/Fb

Linz, 18.07.1994

VwSen-101885/11/Bi/Fb Linz, am 18. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer unter dem Vorsitz Dris. Fragner, sowie durch Dr. Weiß als Beisitzer und Mag. Bissenberger als Berichterin über die Berufung des M, vom 22. März 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 28. Februar 1994, VerkR96/680-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 4. Juli 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sowie der vorgeschriebene Barauslagenersatz sind nicht zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 5 Abs.1 und 99 Abs.1 lit.a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG und 5 Abs.9 StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt, weil er am 17. Dezember 1993 um 1.15 Uhr den PKW, Kennzeichen , in Linz auf der Freistädterstraße bis auf Höhe des Hauses 226a in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.200 S und der Ersatz von Barauslagen für die klinische Untersuchung, die Blutabnahme und die Blutalkoholbestimmung in Höhe von insgesamt 4.082,40 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 3. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 4. Juli 1994 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines ausgewiesenen Vertreters, Rechtsanwalt Dr. G, und der Zeugen RI G RI P durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz und der Zeuge E B haben sich entschuldigt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, es sei richtig, daß er auf einem Fest außerhalb von Linz relativ viel Alkohol zu sich genommen und sich deshalb außer Stande gesehen hätte, nach Linz mit dem PKW zurückzufahren.

Er habe zwei blonde Mädchen, die ihm namentlich nicht bekannt seien, angesprochen und ersucht, ihn mit dem PKW nach Linz zu fahren, da er sich nicht mehr für verkehrstüchtig gehalten habe. Das größere der beiden Mädchen habe sich bereit erklärt, den PKW zu lenken. Er sei zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls daher nur Beifahrer gewesen und habe den Vorfall erst, als er mit den beiden Mädchen zusammen versucht habe, das Auto umzudrehen, richtig mitbekommen. Ein namentlich unbekannter Taxilenker sei vorbeigefahren und habe ihnen mitgeteilt, daß er die Polizei bereits angerufen habe, worauf die beiden Mädchen fluchtartig die Unfallstelle verließen, sodaß es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, deren Namen und Anschriften auszuforschen. Er habe dem Mädchen, das den PKW gelenkt habe, keine Unannehmlichkeiten bereiten wollen und sich deshalb an Ort und Stelle als Lenker des PKW zum Unfallzeitpunkt ausgegeben.

Er weise auch darauf hin, daß er niemals eine Zustimmung zu einer Blutabnahme erteilt habe. Vielmehr sei ihm angedroht worden, den Führerschein sofort abzunehmen, wenn er die Blutabnahme nicht über sich ergehen lasse. Die Blutabnahme sei sohin in rechtswidriger Weise erfolgt und nicht als zulässiger Beweis für das Verfahren nach § 5 StVO heranzuziehen. Er beantrage daher die zeugenschaftliche Einvernahme des Ewald Brunner sowie des Meldungslegers Gerhard Pfingstgräff und im übrigen, das Verfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Abhaltung der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber bzw sein ausgewiesener Vertreter gehört und die eingangs erwähnten Zeugen befragt wurden.

4.1. Folgender Sachverhalt wird der Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt:

Am 17. Dezember 1993 um ca 1.15 Uhr verständigte der Taxilenker E das Verkehrsunfallkommando, daß sich beim Haus Freistädterstraße 226 ein Verkehrsunfall ereignet habe, bei dem sich offenbar ein PKW überschlagen habe. Der Meldungsleger RI Pfingstgräff fuhr mit einem Kollegen zur Unfallstelle und stellte fest, daß im dortigen Bereich der Freistädterstraße am Gehsteig ein PKW auf der Seite lag, wobei sämtliche Insassen des Fahrzeuges nicht mehr anwesend waren. Die Besatzungen mehrerer Funkwägen waren bereits damit befaßt, den Lenker zu suchen, unter anderem der Zeuge RI B. Der am Unfallort anwesende Zeuge Brunner teilte dem Meldungsleger mit, er sei erst nach dem Unfall dazugekommen und habe nur gesehen, daß ein Mann und zwei Frauen versucht hätten, das Auto auf die Räder zu stellen. Als er ihnen zugerufen habe, daß er bereits die Polizei verständigt habe, habe er gesehen, daß die drei Personen Richtung Autobahn davonliefen.

Kurze Zeit später teilte der Zeuge dem Meldungsleger mit, er habe den Mann, den er an der Unfallstelle gesehen habe, auf der Freistädterstraße in der Nähe des Umspannwerkes gesehen.

Dieser Mann - der Rechtsmittelwerber - wurde zur Unfallstelle zurückgebracht, wo der Meldungsleger feststellte, daß dieser offenkundig Alkoholisierungsmerkmale aufwies, jedoch zeitlich und örtlich orientiert war.

Im Rahmen der Befragung gab der Rechtsmittelwerber zunächst an, er habe im Rahmen einer Veranstaltung zwei Mädchen kennengelernt, von denen eines das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gelenkt habe, jedoch kenne er weder Namen noch Anschrift der Mädchen. Er änderte seine Aussage aber noch an der Unfallstelle dahingehend, daß er selbst den PKW zum Unfallzeitpunkt gelenkt habe.

Der Rechtsmittelwerber wurde dann um 2.32 Uhr einer klinischen Untersuchung durch den Polizeiarzt Dr. A F unterzogen, bei der dieser Fahruntüchtigkeit und eine Alkoholbeeinträchtigung feststellte. Um 2.40 Uhr wurde dem Rechtsmittelwerber Blut abgenommen - auf dem Alkoholerhebungsbogen wurde die Rubrik "über Aufforderung zugestimmt" angekreuzt und dieser Teil vom Rechtsmittelwerber unterschrieben -, dessen Auswertung einen Blutalkoholgehalt zur Tatzeit von 2,43 %o ergab.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Meldungsleger RI P seinen Eindruck von der Befragung des Rechtsmittelwerbers an der Unfallstelle so geschildert, daß dieser offensichtlich zufällig zwei ihm unbekannte Mädchen bei einer Veranstaltung getroffen und sie angesprochen hat, ihn mit seinem Fahrzeug nach Linz zu bringen. Der Meldungsleger äußerte jedoch insbesonders dahingehend Zweifel, ihm sei nicht klar, warum der Rechtsmittelwerber, wenn er die Namen der Mädchen nicht gekannt habe, seine Verantwortung dahingehend geändert habe, er sei selbst gefahren. Für ihn sei er zwar merkbar alkoholisiert gewesen, aber nicht so weit, daß er die Verhältnisse nicht mehr abklären hätte können. Aus der Schilderung des Taxilenkers habe er den Eindruck gehabt, der Rechtsmittelwerber habe zusammen mit den Mädchen weglaufen wollen, und nicht, daß die Mädchen weglaufen wollten und er sich bemüht habe, diese aufzuhalten.

RI B hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er sei seit fast 20 Jahren bei der motorisierten Verkehrsgruppe und habe öfter mit solchen Unfällen zu tun.

Zunächst sei festgestellt worden, daß im PKW keinerlei Blutspuren aufzufinden waren, jedoch sei aufgrund der Unfallendlage des Fahrzeuges nicht auszuschließen gewesen, daß doch eine Person verletzt worden sei. Aus diesem Grund sei die Umgebung des Unfallortes genau abgesucht worden. Der Rechtsmittelwerber habe sich im kurzen Gespräch mit ihm derart in Widersprüche verwickelt - wobei auch von einer Freundin als Lenkerin die Rede gewesen sei - daß er ihn schließlich dezidiert gefragt habe, wer nun gefahren sei. Er habe ihm auch angeboten, mit ihm zu dieser angeblichen Freundin hinzufahren, was der Rechtsmittelwerber abgelehnt habe. Daraufhin habe ihn der Zeuge vor die Alternative gestellt, entweder habe die Freundin den PKW gelenkt, dann würde er mit ihm zur Freundin hinfahren, oder er selbst habe den PKW gelenkt. Der Rechtsmittelwerber habe daraufhin geantwortet, dann habe eben er den PKW gelenkt.

Der Rechtsmittelwerber blieb im Rahmen der mündlichen Verhandlung bei seiner Verantwortung, das größere der beiden ihm unbekannten Mädchen habe das Fahrzeug gelenkt und den Unfall verursacht, wobei es ihm auch im nachhinein nicht gelungen sei, Namen und Anschrift dieser Mädchen festzustellen. Er habe sich schon öfter von ihm unbekannten Personen mit seinem eigenen Fahrzeug heimbringen lassen und dabei sei nie etwas passiert. Er habe sich von dem Mädchen auch keinen Führerschein zeigen lassen. Den Schaden am PKW habe er selbst bezahlt.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat entstand im Rahmen der mündlichen Verhandlung der Eindruck, daß der Rechtsmittelwerber die Person, die das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gelenkt hat, mit Sicherheit kennt. Nicht auszuschließen ist auch, daß es sich dabei um seine Freundin handelt, die er zu schützen versucht. Insbesondere aus den glaubwürdigen Aussagen des Zeugen RI B, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Eindruck eines erfahrenen und auch überlegt handelnden Polizeibeamten hinterlassen hat, geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, daß der Rechtsmittelwerber die Verantwortung, er selbst habe den PKW gelenkt, als ihm offensichtlich günstig erscheinende Alternative gewählt hat, als er aufgefordert wurde, den Namen der Freundin bekanntzugeben. Aus welchen Gründen er diese Verantwortung gewählt hat, konnte auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht eruiert werden. Zwar sind seit der Übertretung schon mehr als sechs Monate vergangen, sodaß diese Person verwaltungsstrafrechtlich nicht mehr verfolgt werden könnte, jedoch ist gegen den Rechtsmittelwerber ein Gerichtsverfahren wegen § 89 StGB anhängig, sodaß es ihm, wie jedem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren freisteht, sich in jeder ihm günstig erscheinenden Richtung zu verantworten.

Unter diesem Gesichtspunkt wurde auf die Einvernahme des Zeugen E verzichtet.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß für den unabhängigen Verwaltungssenat im Rahmen der mündlichen Verhandlung jedenfalls der Eindruck entstanden ist, daß der Rechtsmittelwerber selbst das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht gelenkt hat. Daß er sich einer klinischen Untersuchung und einer Blutabnahme unterzogen hat, deren Ergebnisse im wesentlichen nicht angezweifelt wurden, ergibt sich als Folge seiner Verantwortung, läßt diese aber keineswegs unglaubwürdig erscheinen.

Auch aus der für den Beschuldigten grundsätzlich bestehenden Mitwirkungspflicht (vgl ua VwGH vom 15. Dezember 1989, 85/18/0134) im Verwaltungsstrafverfahren ergibt sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates keinerlei Verpflichtung für den Rechtsmittelwerber, eine ihm offenbar nahestehende Person zu belasten.

Aus den oben angeführten Gründen sah sich der unabhängige Verwaltungssenat veranlaßt, nach dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber nicht der Lenker des Fahrzeuges zum Unfallzeitpunkt war, weshalb das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen § 5 Abs.1 StVO 1960 einzustellen war.

zu II.:

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten und den Ersatz der Barauslagen ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. F r a g n e r

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