Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101951/11/Ki/Shn

Linz, 12.07.1994

VwSen-101951/11/Ki/Shn Linz, am 12. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Hermann Bleier, Beisitzer Dr. Manfred Leitgeb, Berichter Mag. Alfred Kisch) über die Berufung des J, vom 27. April 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 21. April 1994, VerkR96/19908/1993, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 auf Grund des Ergebnisses der am 6. Juli 1994 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 AVG 1950 iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG; zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 21. April 1994, VerkR96/19908/1993, über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 18.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Tage) verhängt, weil er am 14. November 1993 um 00.50 Uhr, den PKW, Marke und Type Peugeot 581A01, Kennzeichen , auf der Lamprechtshausener Bundesstraße Nr.156 in Dietzing, Gemeinde Neukirchen a.d.E., Bezirk Braunau/Inn, in Richtung Eggelsberg bis Strkm. 50,72 auf der Lamprechtshausener Bundesstraße 156 in Dietzing, Gemeinde Neukirchen a.d.E.

gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.810 S (10 % der Strafe 1.800 S, als Barauslagen für den Alkomat 10 S) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber erhebt gegen dieses Erkenntnis mit Schriftsatz vom 27. April 1994 rechtzeitig Berufung und macht im wesentlichen geltend, daß er sich zum angenommenen Tatzeitpunkt fahrtüchtig gefühlt hatte bzw daß er zum Lenkzeitpunkt nicht relevant alkoholisiert gewesen wäre. Das Alkomatmeßergebnis liege unter 0,4 mg/l Atemluftalkohol.

Er bemängelt im wesentlichen das Ermittlungsverfahren und vertritt insbesondere die Auffassung, daß das der Bestrafung zugrundeliegende Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn (Dr. B), wonach die Resorption schon nach einer Viertelstunde abgeschlossen ist, nicht richtig sei. Diese Aussage stehe in klarem Widerspruch zum Inhalt anderer medizinischer Gutachten.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung Beweis erhoben. Bei dieser Verhandlung wurde der Rechtsvertreter des Beschuldigten gehört, sowie Herr L als Zeuge und Frau Dr. S als medizinische Amtssachverständige einvernommen.

I.5. Bei seiner Einvernahme hat der Zeuge ausgeführt, daß er sich am Abend des 13. November 1993 mit dem Beschuldigten in der Discothek "Bogner" in Neukirchen getroffen habe. Sie hätten dort gemeinsam Dart gespielt. Herr Witting habe an diesem Abend ungefähr drei oder vier Flaschen Bier getrunken.

Das letzte Bier habe Herr W ungefähr zwischen 00.00 Uhr und 00.30 Uhr getrunken, dann hätten sie bezahlt und die Discothek "Bogner" um 00.30 Uhr verlassen.

Die Amtssachverständige hat in ihrem Gutachten ausgeführt, daß das Meßergebnis der Alkomatuntersuchung um 2.47 Uhr bzw um 2.50 Uhr des 14. November 1993 von 0,39 mg/l einem Blutalkoholgehalt von 0,78 %o entspricht. Rechnet man nun auf den Tatzeitpunkt um 00.50 Uhr (somit etwa zwei Stunden vor der Alkomatuntersuchung) zurück so ergibt sich unter der Berücksichtigung einer durchschnittlichen Elimination, dh stündlichen Abbaurate von 0,15 %o eine wahrscheinliche Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,08 %o (0,78 + 2 Std Elimination 0,3). Berücksichtigt man nach dem Zugunstenprinzip die minimalst mögliche stündliche Abbaurate von 0,1 %o, so errechnet sich eine minimale TatzeitBlutalkoholkonzentration von 0,98 %o. Da gegenständlich vor der letzten Stunde vor dem Delikt noch getrunken wurde (bis 10 min vor dem Wegfahren wurde noch ein halber Liter Bier konsumiert), muß eine Teilresorption berücksichtigt werden und mit der obgenannten Tatzeit-Blutalkoholkonzentration in Verbindung gebracht werden. In einer halben Bier sind unter Zugrundelegung der Alkoholtabelle von Herbich und Meinhardt etwa 20 g Äthanol enthalten, welche bezogen auf das reduzierte Körpergewicht des Herrn W und abzüglich von 10 % Resorptionsdefizit zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,36 %o führen würden (Witmark-Formel Blutalkoholgehalt in %o = Alkoholgehalt in Gramm : kg-Körpergewicht x Reduktionsfaktor 0,7 = 20 g : 70 kg x 0,7 = 20 g : 49 = 0,4 %o - 10 % Resorptionsdefizit = 0,36 %o).

Im gegenständlichen Fall können bis zum Tatzeitpunkt um 00.50 Uhr zugunsten des Herrn W nur 25 % (0,09 %o) als teilresorbiert angenommen werden. Wenn man nun diesen Teilresorptionswert mit der obgenannten TatzeitBlutalkoholkonzentration in Verbindung bringt, so läßt sich bei Herrn Witting für diese Zeit nach dem Zugunstenprinzip eine aktuelle minimale Blutalkoholkonzentration von 0,71 %o errechnen. Die wahrscheinliche bzw durchschnittliche aktuelle Blutalkoholkonzentration würde 0,81 %o betragen (unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen stündlichen Abbaurate von 0,15 %o). Ob nun vom günstigsten errechneten Minimalwert von 0,71 %o zum Tatzeitpunkt auszugehen ist oder vom wahrscheinlichen Blutalkohol von 0,81 %o ist Frage der Beweiswürdigung.

I.6. In freier Beweiswürdigung gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die gutächtliche Feststellung der Amtssachverständigen schlüssig ist und nicht mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen in Widerspruch steht. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß üblicherweise etwa im Zeitraum von 20 bis 30 Minuten vor dem Verlassen eines Gastlokales noch ein halber Liter Bier getrunken wird. Das Gutachten ist daher der Entscheidung zugrundezulegen.

I.7. Unter Zugrundelegung der im Berufungsverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse geht der unabhängige Verwaltungssenat zusammenfassend von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Der Beschuldigte hat den Abend des 13. November 1993 in der Discothek "Bogner" in Neukirchen verbracht. Er hat dort etwa drei bis vier Flaschen Bier getrunken, wobei der letzte halbe Liter Bier vor der letzten Stunde vor dem angenommenen Tatzeitpunkt (00.50 Uhr) konsumiert wurde. Um 00.30 Uhr hat er die Discothek verlassen und das im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Kraftfahrzeug in Richtung Uttendorf gelenkt. Dabei ist es um 00.50 Uhr zu einem Verkehrsunfall gekommen. Die in weiterer Folge durchgeführte Untersuchung der Atemluft mittels Alkomaten ergab um 2.47 Uhr einen Wert von 0,39 mg/l bzw um 2.50 Uhr einen Wert von 0,41 mg/l.

I.8. Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rechtlich erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 %o) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person als vom Alkohol beeinträchtigt.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist.

Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Im gegenständlichen Falle wurde anläßlich einer Untersuchung der Atemluft des Beschuldigten mittels Alkomat um 2.47 Uhr (ein Wert von 0,39 mg/l = 0,78 %o Blutalkoholgehalt (niedrigerer Wert) festgestellt. Bei einer für den Beschuldigten günstigsten Abbaurate von 0,1 %o pro Stunde errechnet sich sohin für die Tatzeit um 0.50 Uhr ein Wert von 0,71 %o, sodaß die unwiderlegbare Rechtsvermutung des § 5 Abs.1 2. Satz StVO 1960 nicht zum Tragen kommt.

Nachdem dem Beschuldigten auch sonst nicht nachgewiesen werden kann, daß er zum Tatzeitpunkt tatsächlich im Sinne der zitierten Bestimmung der StVO 1960 alkoholisiert gewesen wäre, eine ärztliche Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung wurde nicht vorgenommen, kann dem Beschuldigten eine Alkoholbeeinträchtigung nicht nachgewiesen werden.

Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat kann somit nicht erwiesen werden, es war daher der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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