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VwSen-105924/8/Br

Linz, 23.12.1998

VwSen-105924/8/Br Linz, am 23. Dezember 1998 DVR.0690392 E R K E N N T N I S Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96-13835-1997, vom 11. September 1998, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 23. Dezember 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem Straferkenntnis vom 11. September 1998 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt und folgenden Tatvorwurf erhoben: "Sie haben am 12.9.1997 um 16.27 Uhr den Pkw (D) auf der A 1 in Richtung Wien gelenkt und haben im Gemeindegebiet von Oberwang bei km 253,472 die durch deutlich sichtbar aufgestellte Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h überschritten. 1.1. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung im Ergebnis auf die ihrer Ansicht nach irrtumsfrei vorgenommene Messung mittels Lasermeßgerätes. Sie gelangte zur Überzeugung, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im angelasteten Ausmaß überschritten worden sein müßte. Bei dem vom Anzeiger verwendeten Laser-Geschwindigkeitsmeßgerät handle es sich um ein präzises und geeichtes Meßgerät, dessen einwandfreie Eignung zum Feststellen von Geschwindigkeitsüberschreitungen bereits mehrfach vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden sei. Der Anzeiger habe bei der Geschwindigkeitsmessung sämtliche Vorschriften beachtet und sei daher hinsichtlich der vom Berufungswerber aufgeworfenen Frage, ob der Beamte auch wie vorgeschrieben die Kennzeichentafel bzw. Kühlermaske anvisiert habe, festzustellen gewesen, daß dies mit Sicherheit so gewesen sei. Andernfalls hätte das Meßgerät einen "Error", eine sogenannte Fehlmessung, ausgewiesen.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber begründend folgendes aus: "1. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum die Aussage eines Exekutivbeamten stärker ist als meine Aussage. 2. Bei einer unterstellten Geschwindigkeit von 119 km/h und einer Geschwindigkeitsmessung aus einer Entfernung von 72,3 m stellt sich mein fiktiver Bremsweg wie folgt dar: a) Fahrtstrecke während der Zeit von 1 Sekunde zwischen der Messung und dem Herauswinken durch den Gendarmeriebeamten 33, 06 m b) Fahrtstrecke während meiner "Schrecksekunde" 33,06 m c) Bremsweg ohne Berücksichtigung der Erschwernis durch die aufgestellten Balken, halber Tacho 59,50 m 125,62 m Ich gelange somit erst 53,32 m hinter dem Gendarmeriebeamten zum Stehen, während ich tatsächlich nahezu unmittelbar hinter ihm anhielt. Zum Vergleich sei der gesamte Anhalteweg bei Tempo 80 km/h dargestellt:

- Fahrstrecke a) 22,22 m - Fahrstrecke b) 22,22 m - Bremsweg c) 40,00 m 84,44 m In Unkenntnis österreichischer Rechtsvorschriften bitte ich um Rechtsbelehrung - warum die Verhandlung nicht vor einem ordentlichen Gericht stattfindet - welche Wege zu beschreiten sind, um gegen den Exekutivbeamten eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen (e.h. Unterschrift des Berufungswerbers)" 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96-13835-1997, sowie durch Erörterung des Akteninhaltes unter ergänzender Angaben zur Berufungsausführung anläßlich der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, woran neben dem persönlich erschienenen Berufungswerber auch ein Vertreter der Erstbehörde teilnahm. Der die Messung durchführende Gendarmeriebeamte, GrInsp. Z, wurde als Zeuge vernommen und dabei das fragliche Straßenstück (Meßdistanz) an Hand der im Akt erliegenden Skizze einer eingehenden Erörterung unterzogen. Die Berechnungen des Brems- bzw. Anhalteweges erfolgte durch den Verhandlungsleiter mittels des EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramms von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur oben genannten Zeit und Örtlichkeit seinen Pkw auf der A1 in Fahrtrichtung Wien bei Strkm 153,472. In diesem Bereich verengten sich die Richtungsfahrbahnen nach Wien wegen einer damals bestehenden Baustelle. In Richtung dieses Baustellenbereiches befanden sich abgestufte Geschwindigkeitsbeschränkungen und entsprechende Gefahrenzeichen die auf diese Baustelle hinwiesen. Das Verkehrszeichen "100 km/h-Beschränkung" war 500 Meter und die "80 km/h-Beschränkung" 300 Meter vor der Einmündung in die Engstelle aufgestellt. Die Messung wurde vom Meldungsleger in Richtung des anfließenden Verkehrs vorgenommen, wobei hier die Erfassung der hier zu Last gelegten Fahrgeschwindigkeit 72,3 m vor dem Standort des Meldungslegers erfolgt sein soll. Dies bestätigte der Meldungsleger auch anläßlich der Berufungsverhandlung wieder. Die unter Berücksichtigung der Meßfehlergrenze mit dem Laserverkehrsgeschwindigkeitsmesser "LTI 20/20-E, Nr. 7097" festgestellte Fahrgeschwindigkeit hätte somit letztlich 119 km/h betragen. Zum Zeitpunkt der Anhaltung herrschten trockene Fahrbahn- und gute Sichtverhältnisse. Der Meldungsleger legte in der Berufungsverhandlung dar, er habe die Messung von einer Leitbake aus, wo er das Meßgerät aufgelegt hatte, vorgenommen. Nach der Feststellung der zu hohen Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers habe er das Meßgerät auf dem Boden gelegt, wo auch der Batteriesatz deponiert war. Anschließend habe er das Zeichen zum Anhalten gegeben. Wo nachfolgend das Fahrzeug des Berufungswerbers zum Stillstand gelangte, vermochte er anläßlich der Berufungsverhandlung nicht mehr anzugeben. Es kann aber mit gutem Grund davon ausgegangen werden, daß der Anhaltepunkt zumindest nicht wesentlich hinter dem Standort des Meldungslegers lag. Dies ergibt sich insbesondere aus den Angaben des Berufungswerbers. Wäre das Fahrzeug etwa erst weiter hinter dem Standort des Meldungslegers zum Stillstand gelangt, wäre dies wohl in der Anzeige als weiteres Indiz der hohen Fahrgeschwindigkeit festgehalten worden. Ebenfalls konnte der Zeuge keine Angaben mehr machen, ob unmittelbar vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers ein weiteres Fahrzeug fuhr. Aus der Anzeige ergibt sich, daß die Messung aus 72,3 m vor dem Standort des Meldungslegers erfolgte und die Fahrgeschwindigkeit von 123 km/h angezeigt wurde. Auch die Distanz habe der Meldungsleger nach seinen eigenen Angaben in der Berufungsverhandlung vom Display abgelesen. In die Displayanzeige würde laut Meldungsleger in aller Regel auch den betroffenen Fahrzeuglenkern Einsicht gewährt. Als Angabe des Verdächtigen ist in der Anzeige bereits festgehalten, daß diese Fahrgeschwindigkeit vom Berufungswerber schon damals in Abrede gestellt worden sei.

Im Lichte der bei der Verhandlung getroffenen Feststellungen erweist sich die Verantwortung des Berufungswerbers als durchaus schlüssig und den physikalischen Gesetzen folgend einwandfrei nachvollziehbar. Die hier angelastete Fahrgeschwindigkeit â€" ausgehend von einer Erfassungsdistanz von nur 72,3 m - ist aus nachfolgenden Gründen als unmöglich zu qualifizieren.

Geht man einerseits vom Meßpunkt (Ort der Feststellung der Fahrgeschwindigkeit) bei Strkm 253,544 (Standort des Meldungslegers in der Engstelle [ostwärts d.h. in Fahrtrichtung Wien]) aus, so folgt den Denkgesetzen entsprechend, daß das Zeichen zur Anhaltung oder das Erkennen des Haltezeichens durch den Lenker noch zumindest um die Reaktionszeit zu verkürzen ist. Demnach folgt rechnerisch, daß das Fahrzeug des Berufungswerbers mit über 16 m/sek/2 abgebremst werden hätte müssen, um auf Höhe des Meldungslegers zum Stillstand zu gelangen. Dies ist technisch unmöglich! Als maximale Bremsverzögerung ist bei einem Pkw auf trockener Fahrbahn von einer Bremsverzögerung im Bereich von 8 m/sek/2 auszugehen. Anders gesagt, es hätte unter der Annahme einer realistischen Verzögerungskomponente von 6,5 m/sek/2 â€" was ohnedies mangels einer Gefahrensituation einer sehr starken Bremsung entspricht - erst 55 m hinter dem Meldungsleger zum Stillstand kommen müssen. Der Meldungsleger hatte hier das Gerät ferner auch noch wegzulegen, ehe er das Zeichen zum Anhalten geben konnte. Die Annahme von nur einer Sekunde bis zum Einleiten der Bremsung ist hier äußerst knapp bemessen. Damit wird dem Berufungswerber mit seiner stets gleichlautend gebliebenen Argumentation und Verantwortung gefolgt. Der Berufungswerber hat sich schließlich auch der Mühe unterzogen, von München anzureisen und seine Verantwortung nochmals persönlich unter Beweis zu stellen. Seine Angaben scheinen daher in Verbindung mit seinem inhaltlichen Vorbringen als glaubwürdig.

Unter Bedachtnahme auf die im Rahmen des Berufungsverfahrens als erwiesen anzusehenden Parameter ist das Meßergebnis letztlich nicht logisch nachvollziehbar gewesen. Viel spricht daher dafür, daß die Messung doch einem anderen Fahrzeug gegolten haben könnte, welches allenfalls im Zuge einer allfälligen visuellen Ablenkung des Meldungslegers mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers verwechselt worden ist. Würde man andererseits etwa den Erfassungspunkt des Berufungswerbers auf eine realistische Entfernung weiter in Richtung Salzburg legen wollen, könnte es hier ferner auch nicht mehr als sichergestellt gelten, ob diese Distanz nicht bereits außerhalb der "80km/h-Beschränkung" zu liegen käme. Diese begann erst 300 m vor der Einmündung in die Engstelle. Die Tatbegehung kann daher hier nicht als erwiesen angesehen werden, wobei von einem Irrtum des Anzeigelegers auszugehen ist. Auch der Vertreter der Erstbehörde schloß sich in seiner Schlußerklärung der Ansicht des Berufungswerbers an und gelangte zur Überzeugung, daß hier ein Irrtum vorliegen müsse.

5. Da bereits bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, war hier spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 86/83/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Bremsverzögerung

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