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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106050/2/Wei/Bk

Linz, 02.06.1999

VwSen-106050/2/Wei/Bk Linz, am 2. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Dezember 1998, Zl. VerkR 96-4900-1998-Pc, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 4 Abs 1 und 2 StVO 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis insofern aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt. Im übrigen wird die Berufung gegen die Spruchpunkte 1. und 3. in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt.

II. Aus Anlaß der Berufung wird im Spruchpunkt 3. die Geldstrafe auf den Betrag von S 1.500,-- herabgesetzt, die Ersatzfreiheitsstrafe hingegen bestätigt. Der Strafausspruch zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird zur Gänze bestätigt.

III. In den erstinstanzlichen Strafverfahren zu den Spruchpunkten 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses hat der Berufungswerber je einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von S 150,-- (insgesamt S 300,--) zu leisten. Im Berufungsverfahren zum Spruchpunkt 1. hat er einen weiteren Kostenbeitrag in Höhe von S 300,-- zu bezahlen. Im übrigen entfällt die Verpflichtung zur Leistung weiterer Beiträge zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungwerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 25.2.1998, um 3.55 Uhr, im Ortsgebiet von Traun, Linzerstraße, Höhe Haus Nr. , das Kfz mit dem Kennzeichen gelenkt und haben es dabei unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand,

1.an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil Sie die Unfallstelle vor dem Eintreffen der erhebenden Gendarmeriebeamten verlassen haben,

2.und bei dem eine Person verletzt wurde, Hilfe zu leisten,

3.die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.§ 4 Abs. 1 lit.c u. § 99 Abs. 2 lit.a StVO 1960

2.§ 4 Abs. 2 1. S. u. § 99 Abs. 2 lit.a StVO 1960

3.§ 4 Abs. 2 2. S. u. § 99 Abs. 2 lit.a StVO 1960"

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde jeweils "gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960" (richtig: Strafrahmen des § 99 Abs 2 StVO 1960) folgende Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen):

Zu 1. S 1.500,-- (48 Stunden);

zu 2. S 3.000,-- (72 Stunden);

zu 3. S 2.000,-- (48 Stunden).

Gemäß § 64 VStG wurde ein einheitlicher Beitrag (richtig wären getrennte Beiträge) zu den Kosten der Strafverfahren in Höhe von S 650,-- (10 % der Gesamtstrafe) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 15. Dezember 1998 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung

vom 29. Dezember 1998, die noch am gleichen Tag und damit rechtzeitig zur Post gegeben wurde. Die Berufung wendet sich gegen alle Spruchpunkte und strebt die Aufhebung des Straferkenntnisses an.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende unstrittige S a c h v e r h a l t :

2.1. Der Bw wurde von der Gendarmerie Traun am 26. Februar 1998, dem Tag nach dem Unfall, als Verdächtiger einvernommen. Er gab an, daß er sich in der Nacht vom 24. auf 25. Februar 1998 bei seiner Freundin aufhielt, wo er nur ein Glas Wein konsumiert hätte. Gegen 04.00 Uhr hätte er die Wohnung verlassen und wäre mit seinem PKW Volvo 244 Kz , von der W in die W gefahren, wo er an der Kreuzung mit der Linzerstraße rechts in diese eingebogen wäre. Er habe auf ca 50 km/h beschleunigt und seinen Wagen etwa in der Mitte der Fahrbahn gelenkt. Kurz vor der Kreuzung mit der alten B 139 dürfte er zu weit auf die linke Seite gekommen sein, wobei er links vorne mit einem Mofa und dessen Lenkerin kollidierte. Die Mopedlenkerin, die über die Motorhaube gegen die Windschutzscheibe und in weiterer Folge auf die Fahrbahn flog, hätte er erst Sekundenbruchteile vor dem Zusammenstoß gesehen.

Nach dem Zusammenstoß wäre er sofort ausgestiegen und zur verletzten Dame gegangen. Er hätte den Fahrer eines weißen Transporters aufgehalten, der mit seinem Handy Hilfe herbeirufen konnte. Nach irrtümlicher Wahl der Nummer 122 (Feuerwehr) verständigte dieser Fahrer die Rettung, wobei der Bw ihm die Unfallstelle mit Linzerstraße bekanntgab. In der Folge stellte der Bw sein Fahrzeug auf der rechten Straßenseite ab. Daraufhin erklärte er dem Lenker, daß er fahren könnte, da die Rettung verständigt wurde und er bei der Verletzten bleiben werde. Auch einer älteren Dame, die mit einem roten PKW zu dieser Zeit eintraf, erklärte der Bw, daß sie fahren könnte, da schon alles verständigt worden wäre. Nachdem die Fahrzeuglenker weggefahren waren, ging der Bw zur Verletzten. Diese wäre auf dem Rücken gelegen und hätte fürchterlich geschrien. Sie hätte ihm auf seine Fragen keine Antwort gegeben und er hätte am Kopf eine stark blutende Verletzung gesehen. Daraufhin wäre er in Panik geraten und mit seinem PKW nach Hause gefahren. Andere Personen waren im Zeitpunkt des Verlassens des Unfallortes nicht anwesend.

Seinen beschädigten Volvo parkte er vor seiner Garage, nahm das hintere Wechselkennzeichen und brachte es angeblich aus Gewohnheit an seinem roten Passat an. Anschließend hätte er das Gartentor verschlossen und wäre ohne Ziel weggegangen. Als er gegen 09.00 Uhr bei der Gendarmerie anrief und angab, daß ein Freund von ihm gefahren wäre, hätte er sich vermutlich in seinem Schock aus der Sache herausreden wollen. Nach diesem Telefonat ging der Bw seinem Beruf nach, reparierte den Computer des Herrn S und erledigte danach noch bis 22.00 Uhr Büroarbeiten. Am 26. September 1998 gegen 09.00 Uhr erschien der Bw dann bei der Gendarmerie Traun und machte seine niederschriftlichen Angaben.

2.2. Die vorfallsbezogene Darstellung des Bw vor der Gendarmerie Traun stimmt in ihren wesentlichen Zügen mit den Angaben der verletzten Zeitungsausträgerin A und des ausgeforschten Kraftfahrers M, der über Ersuchen des Bw mit seinem Handy die Rettung verständigt hatte, überein. Aufnahmen von der Unfallstelle und von den PKWs des Bw sind der Gendarmerieanzeige als Lichtbildbeilage angeschlossen.

Frau M, gab als Auskunftsperson zu Protokoll, daß sie gegen 04.00 Uhr durch lautes Schreien geweckt worden wäre. Sie habe nachgesehen und auf der Straße vor ihrem Haus eine schreiende Frau am Boden liegen gesehen. Auch einen weißen Kastenwagen konnte sie erkennen. Anschließend ging sie zum Telefon und verständigte Rettung und Gendarmerie. Die telefonische Anzeige durch Frau B am Gendarmeriposten Traun um 04.02 Uhr wird in der Gendarmerieanzeige unter Punkt "IX. Sachverhalt" bestätigt. Als Frau B nach insgesamt 4 bis 5 Minuten zur Unfallstelle kam und der Verletzten mitteilte, daß sie die Rettung verständigt hätte, waren keine Personen mehr anwesend. Die Gendarmerie traf gegen 04.10 Uhr an der Unfallstelle ein und begann mit den in der Anzeige vom 31. März 1998, Zl. P-944/98-Bra, näher dargestellten Erhebungen. Da ein Wechselkennzeichen am Unfallort unter den verstreuten Zeitungen gefunden wurde, konnte die Gendarmerie den Bw als Zulassungsbesitzer über EKIS-Anfrage rasch ausforschen. Die Gendarmeriebeamten überprüften die Wohnadresse und fanden dort den roten VW Passat mit dem Kennzeichen am rechten Fahrbahnrand vor dem Haus S abgestellt. Das Eingangs- und Einfahrtstor war abgesperrt. Die Beamten konnten aber den silberfarbenen Volvo vor der Garage wahrnehmen und stellten in der Folge Beschädigungen links vorne fest. Das Wohnhaus war versperrt und wurde nicht geöffnet (vgl näher Anzeige vom 31.03.1998).

2.3. Die belangte Behörde erließ zunächst die Strafverfügung vom 21. April 1998, die dem Bw am 29. April 1998 eigenhändig zugestellt wurde. Mit Eingabe vom 6. Mai 1998 erhob dieser Einspruch mit dem Hinweis, daß er sich nach Akteneinsicht rechtfertigen werde. Anläßlich der von der belangten Behörde veranlaßten Beschuldigtenvernehmung am 6. August 1998 vor dem Stadtamt Traun hielt der Bw seine Angaben vor der Gendarmerie aufrecht und hatte nichts hinzuzufügen. Daraufhin erging das angefochtene Straferkenntnis vom 11. Dezember 1998, in dem die belangte Behörde davon ausging, daß der Bw nach seiner eigenen Darstellung offensichtlich dispositionsfähig war. Sein Verhalten erwecke eher den Eindruck, daß er sein Verschulden verschleiern wollte.

2.4. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis der belangten Behörde in allen Spruchpunkten im wesentlichen mit rechtlichen Argumenten. Ein Verstoß gegen § 4 Abs 1 lit c StVO liege nicht vor, weil nicht das Eintreffen der Gendarmerie am Unfallort, sondern die Notwendigkeit der Mitwirkung maßgebend sei. Die Anwesenheit des Bw bzw des Fahrzeuges an der Unfallstelle wäre im gegenständlichen Fall nicht notwendig gewesen.

Auch der Vorwurf nach § 4 Abs 2 Satz 1 sei nicht berechtigt. Zunächst wird darauf hingewiesen, daß diesbezüglich auch ein gerichtliches Strafverfahren anhängig ist. Der Bw habe an der Unfallstelle tatsächlich versucht zu helfen. Durch das Verhalten der Verletzten wäre eine Hilfeleistung faktisch unmöglich gewesen. Über Veranlassung des Bw wäre daher die Rettung verständigt worden. Er habe auch andere Personen nicht weggeschickt, sondern ihnen nur ein Verbleiben oder Wegfahren freigestellt.

Schließlich sei auch der Vorwurf nach § 4 Abs 2 Satz 2 nicht berechtigt, weil eine Verständigung der Gendarmerie ebenfalls erfolgte. Das Verlassen der Unfallstelle sei durch die Situation bedingt gewesen. Die Verletzungsfolgen und die Reaktion der Verletzten hätten zu einem Schock des Bw geführt, der ihn zur vorliegenden Fehlreaktion veranlaßte. Die weiteren Vorgänge wären übliche gewesen, wie sie tagtäglich abliefen. Das Geschehen wäre dem Bw erst im Nachhinein auf Grund der Darlegungen der Gendarmerie zu Bewußtsein gekommen. Die behördliche Aufnahme wäre jedenfalls nicht erschwert worden. Es sei allgemein bekannt, daß Einvernahmen zum Unfallgeschehen auch zu späteren Zeitpunkten nachgeholt werden. Das Vorgehen des Bw wäre nicht bewußt, sondern auf Grund der Schockreaktion erfolgt. Sein Verhalten hätte keinen nachteiligen Einfluß auf die Unfallsfeststellungen bzw die Versorgung der Verletzten gehabt.

Die verhängten Geldstrafen seien überhöht. Es wären die bisherige Unbescholtenheit und der Unfallschock nicht berücksichtigt worden.

2.5. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten ohne Gegenäußerung zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung der Berufungsausführungen festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht substantiell bestritten wurde. Es kann daher auf die obige Sachverhaltsdarstellung unter 2.1. und 2.2. verwiesen werden.

4. Der unabhängig Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im gegenständlichen Fall ist die StVO 1960 idFd 19. StVO-Novelle und der Novelle BGBl I Nr. 3/1998 anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

a.wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b.wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c.an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Nach § 4 Abs 2 Satz 1 StVO haben die in Abs 1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind. Sind sie dazu nicht fähig, haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. § 4 Satz 2 verpflichtet sie ferner, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Gemäß § 99 Abs 2 lit a) StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, den Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 2 StVO zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

4.2. Nach § 99 Abs 6 lit c) StVO idFd 19. StVO-Novelle (BGBl Nr. 518/1994) liegt keine Verwaltungsübertretung vor, wenn eine in Abs 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 ua Zlen (vgl EuGRZ 1997, 169 ff = JBl 1997, 447 ff = ZVR 1997/90) hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "in Abs 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" wegen des darin liegenden Ausschlusses der Subsidiarität des § 99 Abs 1 StVO als verfassungswidrig aufgehoben. Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art 4 Abs 1 des 7. ZP zur EMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, liegt nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs darin, daß eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war. Dies sei der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt. Die Bedeutung Art 4 Abs 1 7. ZP zur EMRK sah der Verfassungsgerichtshof mit der Bundesregierung in der verfassungsrechtlichen Absicherung der Lehre von der Scheinkonkurrenz. Diesen Standpunkt hat der Verfassungsgerichtshof in jüngeren Erkenntnissen weiterentwickelt und im Wege einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung die Annahme von Scheinkonkurrenz durch die Verwaltungsstrafbehörden gefordert, wenn die gerichtlich strafbare Handlung im Einzelfall den Unwert eines Täterverhaltens vollständig erschöpft (vgl die Erk. VfGH 11.3.1998, G 262/97 und G 328/97; VfGH 19.6.1998, G 275/96 und VfGH 7.10.1998, G 51/97 und G 26/98).

Durch das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996 ist die Subsidiaritätsklausel im § 99 Abs 6 lit c) StVO in der Altfassung erweitert worden. Dementsprechend enthält auch die neue Subsidiaritätsklausel idFd StVO-Novelle, BGBl I Nr. 3/1998, keine Einschränkung mehr.

4.3. Der Bw ist mit seinen Einwänden gegen die Bestrafung nach § 4 Abs 2 Satz 1 StVO wegen unterlassener Hilfeleistung im Recht. Dies folgt schon daraus, daß das vom Bw unbestrittene Verlassen des Unfallortes vor dem Eintreffen fachkundiger Hilfe als Imstichlassen eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB anzusehen ist. An die Hilfeleistungspflicht nach dieser strafrechtlichen Vorschrift werden grundsätzlich strenge Anforderungen gestellt ( vgl dazu näher Kienapfel, BT I, 3. A, Rz 30 ff zu § 94; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, Rz 13 ff zu § 94). Der Täter muß dem Verletzten seine Fürsorge zuwenden und darf nicht untätig bleiben (vgl Kienapfel, aaO Rz 31 f zu § 94). Im Hinblick auf die grundsätzliche Strafbarkeit des dem Bw angelasteten Verhaltens nach § 94 Abs 1 StGB, hätte die belangte Behörde die Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs 6 lit c) StVO beachten müssen. Selbst wenn der Bw aus subjektiven Gründen nicht gerichtlich bestraft werden könnte, änderte dies nichts an der Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes, weil nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde jedenfalls eine in die gerichtliche Zuständigkeit fallende strafbare Handlung objektiv vorliegt.

Im übrigen hat der Bw eingewendet, daß er die Verständigung der Rettung veranlaßt und auch versucht habe, der verletzten Zeitungsausträgerin zu helfen, was aber durch deren Verhalten nicht möglich gewesen wäre. Insofern hat die belangte Behörde nicht aufgezeigt, inwieweit der Bw in der konkreten Situation dennoch fähig gewesen wäre zu helfen. Es kann nach der Aktenlage nicht ausgeschlossen werden, daß der Bw persönlich nicht in der Lage gewesen wäre Erste Hilfe zu leisten. Die unverzügliche Sorge für fremde Hilfe genügt diesfalls nach dem § 4 Abs 2 2. Halbsatz StVO. Durch die aktenkundige Verständigung der Rettung, die der Bw unverzüglich durch einen am Unfallort eintreffenden Kraftfahrer veranlaßt hat, erscheint die von der StVO geforderte Hilfeleistung erfüllt. Der Schuldspruch nach § 4 Abs 2 Satz 1 ist daher auch aus diesem Grund nicht berechtigt. Das angefochtene Straferkenntnis war insofern aufzuheben und gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

4.4. Im übrigen ist die Berufung unbegründet. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs 1 lit c) StVO liegt entgegen der Ansicht des Bw vor.

Der unfallsbeteiligte Fahrzeuglenker hat am Unfallort an der Feststellung des Sachverhaltes durch Organe der öffentlichen Aufsicht mitzuwirken. Dabei darf die Endstellung des Fahrzeuges grundsätzlich nicht verändert werden (vgl Messiner, StVO10, § 4 E 103, E 115). Veränderungen an der Stellung der Unfallfahrzeuge dürfen nur in den allerdringendsten Fällen erfolgen (vgl Zitat der Regierungsvorlage in Messiner, StVO10, Anm 7 zu § 4). Die Mitwirkungspflicht umfaßt auch die Person des Unfallbeteiligten insofern, ob er lenkberechtigt und körperlich und geistig in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges geeigneten Zustand war (vgl Messiner, StVO10, § 4 E 96, E 105). Das Eintreffen der Organe der öffentlichen Sicherheit ist deshalb abzuwarten (vgl Messiner, StVO10, § 4 E 120 = VwGH 29.1.1986, 84/03/0196, ZVR 1987/1). Das Entfernen von der Unfallstelle vor Abschluß der Erhebungen erfüllt den Tatbestand des § 4 Abs 1 lit c) StVO (vgl Messiner, StVO10, § 4 E 111).

Es kann ex post betrachtet nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob die hypothetische Mitwirkung des Bw zu einem anderen Erhebungsergebnis der Gendarmerie geführt hätte. Auszuschließen ist dies aber im gegenständlichen Fall keineswegs, zumal schon im Hinblick auf den Unfallhergang der Verdacht besteht, daß der Bw alkoholisiert oder sonst in seiner Lenkfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein könnte. Auch der Unfallhergang hätte sich zumindest noch genauer rekonstruieren lassen, wäre das Fahrzeug des Bw am Unfallort in seiner Endposition verblieben. Einen triftigen Grund für die Veränderung der Fahrzeugposition gab es offensichtlich nicht. Der Bw hätte daher das Eintreffen der Gendarmerie abwarten und sich zur Verfügung halten müssen.

Auch gegen die Verständigungspflicht nach § 4 Abs 2 Satz 2 StVO hat der Bw verstoßen. Richtig ist zwar, daß die Gendarmerie wenige Minuten nach der Entfernung des Bw am Unfallort eintraf. Die Verständigung hat aber Frau B, vor deren Haus sich der Unfall ereignet hatte, ohne die Initiative des Bw vorgenommen. Der Bw ersuchte auch den nachkommenden Fahrer des Transporters nicht, die Gendarmerie zu verständigen. Er zog es vielmehr vor, noch bevor Frau B nach 4 bis 5 Minuten aus ihrem Haus zur Unfallstelle kam (vgl deren Aussage in der Niederschrift vom 02.03.1998), sich zu entfernen und erst Stunden später bei der Gendarmerie telefonisch zu melden. Die Verständigung durch den Bw hätte aber sofort erfolgen müssen.

Der Einwand des Unfallschocks ist schon im Hinblick auf die Darstellung des Geschehens durch den Bw nicht glaubhaft. Wie die belangte Behörde schon zutreffend ausführte, ist der Bw offensichtlich dispositionsfähig geblieben und hat durchaus überlegt gehandelt. Sein Verhalten erweckt zumindest den Eindruck, daß er jedenfalls einen frühen Kontakt mit der Gendarmerie im zeitlichen Naheverhältnis zum Unfall vermeiden wollte. Seine Einlassung in Richtung Schock und Panik ist als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Im übrigen ist dem Bw die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach einem Unfallbeteiligten pflichtgemäßes Verhalten trotz eines "Unfallschrecks" zumutbar ist, weil von einem Kraftfahrer ein solches Maß an Charakter und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schreck über einen Unfall zu überwinden vermag (vgl Messiner, StVO10, § 4 E 15).

4.5. Bei der Strafzumessung ging die belangte Behörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 10.000,--, keinem relevanten Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Strafmildernde oder straferschwerende Umstände wurden nicht festgestellt. Insofern ist dem Bw zuzubilligen, daß er nach der Aktenlage unbescholten ist, weshalb ihm mangels entgegenstehender Hinweise der Milderungsgrund nach § 34 Z 2 StGB iVm § 19 Abs 2 VStG zugute kommt.

Die Strafen waren nach dem Strafrahmen des § 99 Abs 2 StVO zu bemessen. Danach ist eine Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen vorgesehen.

Für die Übertretung nach § 4 Abs 1 lit c) StVO hat die belangte Behörde S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) und für die Übertretung nach § 4 Abs 2 Satz 2 StVO S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Eine Begründung für diese Differenzierung wurde nicht gegeben. Für den erkennenden Verwaltungssenat erscheint sie auch nicht plausibel, weshalb eine Angleichung in der Form vorgenommen wird, daß für die Nichtverständigung der Gendarmerie ebenso wie für die Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes eine Geldstrafe in Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wird. Der Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen des Bw fällt angesichts des gegenständlichen Unfalles mit nicht unerheblichen Verletzungsfolgen doch ins Gewicht. Das unbestrittene Fehlverhalten des Bw läßt sich durch Panik oder "Unfallschock" weder erklären noch entschuldigen. Die gegenständlichen Strafen liegen im untersten Bereich des Strafrahmens. Sie können auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der absoluten Unbescholtenheit nicht noch geringer ausfallen, weil aus general- und spezialpräventiven Gründen eine Strafe verhängt werden muß, die das Fehlverhalten des Bw deutlich sanktioniert und noch ausreicht, um künftiges Wohlverhalten zu erzielen.

5. Bei diesem Ergebnis entfiel im Strafverfahren zu Spruchpunkt 2. gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Im Berufungsverfahren zu Spruchpunkt 3. war gemäß § 65 VStG kein weiterer Kostenbeitrag zu leisten. Im Strafverfahren zu Spruchpunkt 1. hatte der Bw gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG Kostenbeiträge in erster und zweiter Instanz zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

 

 

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