Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102044/2/Weg/Ri

Linz, 13.10.1994

VwSen-102044/2/Weg/Ri Linz, am 13. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der E, vom 7. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems vom 19. Mai 1994, VerkR96/6601/1993/Bi/Hu, wegen einer Übertretung des Eisenbahngesetzes 1957 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

Im übrigen wird jedoch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wie folgt ergänzt:

"Sie haben ...... Eisenbahnanlagen der Pyhrnbahn ... ohne im Besitze einer Erlaubniskarte zu sein, betreten, obwohl das Betreten der Eisenbahnanlage an dieser Stelle nur mit einer vom Eisenbahnunternehmen ausgestellten Erlaubniskarte gestattet ist .... " Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e Abs.3 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs.1 iVm § 54 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil sie am 29. Oktober 1993 gegen 9.15 Uhr Eisenbahnanlagen der Pyhrnbahn, Bahnkilometer 65,618, im Gemeindegebiet von St. Pankraz betreten hat, obwohl das Betreten von Eisenbahnanlagen, mit Ausnahme der hiefür bestimmten Stellen, nur mit einer vom Eisenbahnunternehmen ausgestellten Erlaubniskarte gestattet ist.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 100 S in Vorschreibung gebracht.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung eingebracht. Darin ist im wesentlichen ausgeführt, daß im gegenständlichen Fall eine Erlaubniskarte nicht erforderlich gewesen sei, weil die Eisenbahnbrücke gleichzeitig als Weg diene und so konstruiert sei, daß ein Nebeneinander von Personen und Zugverkehr ohne Behinderung möglich gewesen sei. Die Berufungswerberin macht desweiteren geltend, sie habe mit ihrer Handlung jedenfalls im öffentlichen Interesse gehandelt und sei durch das Bundesverfassungsgesetz betreffend den umfassenden Umweltschutz, BGBl.Nr. 491/1984, zu diesem Handeln berechtigt gewesen. Beantragt wird die Einholung eines Klimagutachtens über die durch den Bau von neuen Autobahnstrecken bedingte CO2-Zunahme, die Durchführung eines Ortsaugenscheines, sowie ihre und die zeugenschaftliche Einvernahme des Anzeigers. Weiters wird eingewendet, daß die Strafe nicht den Bestimmungen des § 19 VStG entspräche. Es wird letztlich die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe beantragt.

3. Mit Schriftsatz vom 27. September 1994 erklärte der Rechtsfreund der Berufungswerberin, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe zu verzichten, da das Ermittlungsergebnis anläßlich der Verhandlung am 27.

September 1994, betreffend die sonst noch anhängigen Berufungen anderer Demonstranten, bei der Sachentscheidung des O.ö. Verwaltungssenates berücksichtigt werden kann.

4. Im Hinblick auf die eben zitierte Erklärung hat der unabhängige Verwaltungssenat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die Verhandlungsschrift, die anläßlich der mündlichen Verhandlung am 27. September 1994 in zwanzig anderen Berufungsfällen (identische Sachlage) aufgenommen wurde. Das Ergebnis dieser Verhandlung wird der gegenständlichen Entscheidung zugrundegelegt.

5. Demnach steht fest, daß sich an der Eisenbahnbrücke keine erkennbare bauliche Beschaffenheit dahingehend findet, welche auf eine Benützung für die Allgemeinheit hindeutet, wobei diesbezüglich überhaupt nur Fußgänger in Betracht kommen könnten. Falls sich Personen auf der Brücke befinden, müssen sich diese beim Vorbeifahren eines Zuges dicht am Brückengeländer aufhalten, um nicht gefährdet zu werden.

Zwischen Geländer und Seitenwand eines Zuges verbleibt etwa 1 m Freiraum. In Höhe des Brückenlagers verläuft vom Gleiskörper schräg zum Brückengeländer ein ca. 15 cm x 15 cm hoher Schacht (vermutlich Kabelschacht), welcher am Brückengeländer in Richtung des gegenüberliegenden Brückenkopfes geführt ist. Auch der Bahndamm läßt einen Fußweg nicht erkennen.

Das Betreten der Eisenbahnanlage durch die Berufungswerberin erfolgte im Zusammenhang mit einer Demonstration der Umweltschutzorganisation "Greenpeace". Der Veranstaltungszweck diente dem Hinweis auf die globale Problematik der CO2-Emissionen, wobei dies in entsprechend medienwirksamer Weise zum Ausdruck kommen sollte. Der Berufungswerberin war somit darin zu folgen, daß diese Veranstaltung von grundrechtlich geschützten Motiven getragen war. Dafür wurde offenbar die Eisenbahnbrücke lediglich als "Transparentträger" zur mediengerechten visuellen Übermittlung einer politischen Botschaft verwendet.

Das abgeführte Beweisverfahren, insbesondere die öffentliche mündliche Berufungsverhandlung, hat keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, daß allenfalls ein Irrtum in der Anzeigelegung betreffend die namentliche Erfassung der Beteiligten unterlaufen sein könnte. Die zeugenschaftlich einvernommenen Gendarmeriebeamten, die den Gendarmerieeinsatz geleitet bzw. daran teilgenommen haben, konnten in diesem Zusammenhang glaubwürdige und schlüssige Angaben machen, an denen nicht zu zweifeln war. Auf Grund dieser Aussagen steht auch fest, daß es bei dem zur Anzeige gelangten Vorfall zu keiner Gefährdung von Personen und zu keiner Behinderung des Eisenbahnverkehrs gekommen ist.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 43 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 ist das Betreten von Eisenbahnanlagen, mit Ausnahme der hiefür bestimmten Stellen, nur mit einer vom Eisenbahnunternehmen ausgestellten Erlaubniskarte gestattet. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung ist gemäß § 54 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen.

Durch den oben angeführten und als erwiesen angenommenen Sachverhalt steht sohin zweifelsohne fest, daß die Berufungswerberin das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 54 Abs.1 iVm § 43 Abs.1 Eisenbahngesetz 1957 objektiv verwirklicht hat.

Zur subjektiven Tatseite:

Nach § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im gegenständlichen Fall kann von einer bloß fahrlässigen Begehung nicht ausgegangen werden, sodaß sich gemäß § 5 Abs.2 VStG noch die Frage der entschuldigten Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift stellt. Abgesehen davon, daß ein derartiges Vorbringen nicht erhoben wurde, entschuldigt die Unkenntnis einer Vorschrift nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Angesichts der groß angelegten und professionell durchgeführten Veranstaltung war davon auszugehen, daß die Übertretung des Eisenbahngesetzes 1957 durch sämtliche Teilnehmer (und somit auch durch die Berufungswerberin) zumindest in Kauf genommen wurde. Jedermann muß es jedenfalls naheliegend erscheinen, daß man sich angesichts einer derartigen Veranstaltung zumindest mit dem Eisenbahnunternehmen in Verbindung setzt und sich damit auch über allfällige rechtliche Vorschriften informiert. Dies ist hier offenbar weder durch die Organisatoren noch durch sonstige Teilnehmer an der Demonstration geschehen. Damit ist auch die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind, von der Verhängung einer Strafe absehen. Sie kann unter diesen Voraussetzungen den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach Ansicht der Berufungsbehörde liegen im gegenständlichen Fall beide Voraussetzungen vor. Das Verschulden wird insbesondere deshalb als geringfügig erachtet, weil das tatbestandsmäßige Verhalten in der Ausübung eines Grundrechtes verwirklicht wurde. Die Veranstaltung einer Demonstration rechtfertigt wohl nicht die Verletzung anderer Rechtsvorschriften, läßt es aber zu, diesem Umstand im Rahmen der Verschuldensprüfung Rechnung zu tragen. Eine Bestrafung nach dem Eisenbahngesetz 1957 stellt andererseits keine unzulässige Beschränkung des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes dar. Die Folgen der Verwaltungsübertretung (im Sinne des Tatbildes) sind unbedeutend geblieben. Eine Ermahnung erschien angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhaltes - die Begehung der Verwaltungsübertretung erfolgte nicht aus verachtenswerten Gründen - als das angemessenste Mittel. Die Ermahnung war jedenfalls deshalb notwendig, um die Berufungswerberin von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten, zumal es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ausgeschlossen ist, daß ein Demonstrationsteilnehmer auch wieder an einer anderen Demonstration teilnimmt und dabei möglicherweise wieder eine Verwaltungsübertretung in ähnlicher Form setzt.

Die Korrektur des Spruches war zur Erfassung sämtlicher Tatbestandselemente notwendig. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, daß die Berufungswerberin nicht im Besitze einer Erlaubniskarte gewesen ist. Aus der Anzeige, welche der Vertreter der Berufungswerberin im Zuge des Rechtshilfeersuchens vom 17.

Dezember 1993 zur Kenntnis gelangt ist, ergibt sich jedoch eine dem § 44a VStG gerecht werdende Verfolgungshandlung.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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