Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102077/7/Ki/Shn

Linz, 15.09.1994

VwSen-102077/7/Ki/Shn Linz, am 15. September 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des G W, vom 16. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 10. Juni 1994, Zl.VerkR96-1502/92, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 14. September 1994, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 10. Juni 1994, VerkR96-1502/1992, über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.300 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 25.1.1992 gegen 14.40 Uhr den PKW auf der Westautobahn A1 im Gemeindegebiet Sattledt in Richtung Wien gelenkt hat, wobei er zwischen Strkm 198,0 und 197,5 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h überschritt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der Strafe (130 S) verpflichtet.

I.2. Dagegen hat der Berufungswerber fristgerecht bei der Erstbehörde berufen und beantragt, den Strafbescheid gegen ihn aufzuheben und die Strafverfolgung einzustellen.

In der Berufungsbegründung weist der Beschuldigte daraufhin, daß sich kein Fahrzeug mit dem Kennzeichen in seiner Verfügungsberechtigung befinde und er daher niemals der Lenker dieses Fahrzeuges gewesen sein kann. Da auch alle anderen Begleitumstände höchst eigenartig seien, würden berechtigte Zweifel bestehen, daß der Beamte möglicherweise tatsächlich den Falschen verfolgt hätte.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hat, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. September 1994. Bei dieser mündlichen Verhandlung wurden der Beschuldigte sowie GI K D, letzterer als Zeuge, einvernommen. An der Verhandlung hat überdies ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen.

I.5. Der Beschuldigte hat im Rahmen seiner Einvernahme die Tat bestritten und sich auf erhebliche Widersprüche in bezug auf das Tatgeschehen berufen.

Der Zeuge D hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung im wesentlichen ausgeführt, daß die verfahrensgegenständliche Amtshandlung nicht so einfach war und er sich deshalb trotz des relativ lange zurückliegenden Zeitraumes noch an das Wesentliche erinnern könne.

Zum Tatgeschehen selbst konnte er jedoch nur Angaben allgemeiner Natur machen, nämlich über die allgemein übliche Vorgangsweise bei Nachfahrten mit dem Dienstfahrzeug. Konkret auf den verfahrensgegenständlichen Fall konnte er keine Aussage machen. Er konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nicht aufklären, warum in der Anzeige ein unrichtiges Kennzeichen (das tatsächliche Kennzeichen des Beschuldigtenfahrzeuges lautet ) angeführt wurde.

I.6. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die Aussage des Gendarmeriebeamten - bezogen auf den konkreten Fall - nicht ausreicht um die Täterschaft des Beschuldigten mit einer für die Bestrafung ausreichenden Sicherheit anzunehmen.

Dem Zeugen ist zwar einzuräumen, daß es sich um einen erfahrenen Gendarmeriebeamten handelt, der in der Lage ist, Geschwindigkeitsüberschreitungen im Zuge einer Nachfahrt durch Schätzung festzustellen, er hat aber - bezogen auf den konkreten Fall - selbst eingeräumt, daß er in seiner Aussage nur die allgemein übliche Vorgangsweise beschrieben hat, konkret auf den verfahrensgegenständlichen Fall könne er diesbezüglich keine Aussage machen. Dieser Umstand ist insoferne verständlich, zumal auch einem fundierten und erfahrenen Gendarmeriebeamten nicht zuzumuten ist, derart routinemäßige Vorfälle, welche bereits mehr als zwei Jahre zurückliegen, exakt wiederzugeben. Aus diesem Grunde sind dem Beamten auch im Rahmen der Aussage hervorgekommene Widersprüche, wie etwa die Aussage, er wäre zu Beginn der Verfolgung auf der Westautobahn Richtung Wien unterwegs gewesen bzw in weiterer Folge, es sei möglich, daß er am Pannenstreifen eine Amtshandlung durchgeführt hat, nicht vorwerfbar.

Dazu kommt noch, daß der Gendarmeriebeamte im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch keinen Aufschluß darüber geben konnte, warum er ein - offenbar - unrichtiges Kennzeichen in der Anzeige angegeben hat.

I.7. Aufgrund der oben dargelegten Umstände hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rechtlich erwogen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Wie bereits unter Pkt.I.6. dargelegt wurde, konnte der unabhängige Verwaltungssenat durch die Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten, welcher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zur Anzeige gebracht hat, von der Berechtigung des Tatvorwurfes nicht überzeugt werden. Es ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, daß bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h die Nachfahrstrecke von 500 m ausreicht, um die gefahrene Geschwindigkeit zu schätzen, es bedarf jedoch letztlich detaillierter Ausführungen des Meldungslegers, nach welchen Kriterien er zu seinem Schätzergebnis gekommen ist.

Um ein verwertbares Schätzergebnis zu erhalten, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein, nämlich insbesondere annähernd gleichbleibender Tiefenabstand, genaue Kenntnis der Geschwindigkeitsanzeige bzw deren Fehlergröße, längerzeitiges Nachfahren mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Darüber hinaus muß die Geschwindigkeitsfeststellung mindestens zweimal erfolgen.

Gerade bei einer - wenn auch zulässigen - doch relativ kurzen Nachfahrstrecke ist unabdingbar die Minimalforderung zu stellen, daß diese Angaben und zwar auf den konkreten Fall bezogen zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Falle aber sind weder in der Anzeige noch in der zeugenschaftlichen Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren sämtliche dieser Kriterien entsprechend deutlich hervorgekommen. Bei der Einvernahme im Berufungsverfahren konnte sich der Zeuge dann nicht mehr auf den konkreten Fall erinnern, diesbezüglich wurde nur die allgemein übliche Vorgangsweise beschrieben.

Darüber hinaus konnte auch nicht aufgeklärt werden, warum ursprünglich ein falsches Kennzeichen in der Anzeige angeführt wurde.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß nicht hinreichend nachgewiesen werden kann, daß der Beschuldigte die vorgeworfene Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat.

Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat kann somit nicht erwiesen werden, es war daher der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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