Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102136/2/Bi/Fb

Linz, 09.09.1994

VwSen-102136/2/Bi/Fb Linz, am 9. September 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E, vom 28. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 14. Juni 1994, VerkR96/6495/1993, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 37 Abs.3 iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 37 Abs.3 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag verhängt, weil er am 22. Oktober 1993 um 14.55 Uhr den PKW, Kennzeichen , auf der B138 von Klaus in Richtung Windischgarsten unmittelbar bei der Kreuzung mit der Auffahrt zur Schloßkirche Klaus gelenkt habe, wobei er, obwohl ein in einer Kreuzung auf der Fahrbahn stehender Verkehrsposten beide Arme quer zu beiden Fahrtrichtungen gehalten habe, sein Fahrzeug nicht vor der Kreuzung angehalten habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden, wobei sich die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, das Ermittlungsverfahren sei insofern mangelhaft geblieben, als er ausdrücklich die Durchführung eines Ortsaugenscheins zur Abklärung der gegenseitigen Sichtverhältnisse und Überprüfung der von den Zeugen gemachten Entfernungsangaben unter Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen beantragt habe. Er habe keine Möglichkeit gehabt, recht zeitig zu bremsen und sein Fahrzeug vor dem Meldungsleger anzuhalten, da dieser erst unmittelbar vor seiner Annäherung die Fahrbahn betreten und ein Winkzeichen gegeben habe. Das Haltesignal sei nicht ordnungsgemäß gewesen und derart kurzfristig und verspätet, daß er eine Vollbremsung habe einleiten müssen. Gerade auf einer Bundesstraße mit Vorrang müsse ein Haltezeichen zu einem Zeitpunkt abgegeben werden, zu dem es dem Fahrzeuglenker möglich sei, noch vor dem verkehrsregelnden Beamten leicht und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer anzuhalten. Ihm sei ein Anhalten aus technischer Sicht nicht mehr möglich gewesen, was sich auch aus den Angaben der einvernommenen Zeugen ergebe.

Abgesehen davon sei unverständlich, warum ein Gendarmeriebeamter wegen zweier Fahrzeuge, die von einer benachrangten Verkehrsfläche in eine Bundesstraße mit Vorrang einfahren wollten, eine Verkehrsregelung durchführen wollte.

Der Spruch sei insbesondere unrichtig, als gemäß § 37 Abs.3 StVO vor dem Verkehrsposten anzuhalten wäre, ihm aber vorgeworfen würde, er habe nicht vor der Kreuzung angehalten.

Die Geldstrafe erscheine überdies unter Berücksichtigung seiner finanziellen Verhältnisse überhöht.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt festgestellt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 22. Oktober 1993 um ca 14.55 Uhr den PKW auf der B138 von Klaus kommend in Richtung Windischgarsten. Zur selben Zeit führte der Meldungsleger GI anläßlich eines Begräbnisses mit großer Teilnehmerzahl bei der Auffahrt zur Schloßkirche Klaus eine Verkehrsregelung durch.

Der Zeuge Bernhard T bog als Lenker des ersten Fahrzeuges von der Auffahrt zur Schloßkirche kommend nach rechts in Richtung Windischgarsten ein, hinter ihm war der Lenker eines roten PKW im Begriff, nach links Richtung Klaus einzubiegen. Der Meldungsleger befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Fahrbahnmitte der B138 mit Blickrichtung Klaus und gab dem sowohl aus Richtung Klaus als auch dem aus Richtung Windischgarsten ankommenden Verkehr ein deutliches Zeichen zum Anhalten, indem er beide Arme quer zur Fahrtrichtung ausgestreckt hatte.

Der Rechtsmittelwerber, der laut Anzeige mit offensichtlich zu hoher Fahrgeschwindigkeit in Richtung Windischgarsten fuhr, konnte trotz eingeleiteter Vollbremsung nicht mehr vor dem Meldungsleger anhalten, wich nach rechts aus, fuhr hinter dem roten PKW, der seinen Einbiegevorgang beschleunigte, vorbei und kam einige Meter nach dem Meldungsleger mit den rechten Rädern am Gehsteig zum Stehen.

Der Rechtsmittelwerber hat sich damit verantwortet, der Meldungsleger sei am Fahrbahnrand gestanden, sei bei seinem Herannahen zur Fahrbahnmitte gegangen, habe mit einer Aufund Abbewegung des Armes ihm zu verstehen gegeben, daß er langsamer fahren sollte, und gleichzeitig den Querverkehr zum Einbiegen in die Bundesstraße aufgefordert. Er habe das Handzeichen des Gendarmeriebeamten nicht als Haltezeichen gedeutet, sondern als Zeichen zum Langsamerfahren. Als er den Beamten auf der Fahrbahnmitte wahrgenommen habe, sei er nur ca 50 m von diesem entfernt gewesen und mit einer Geschwindigkeit von ca 70 km/h gefahren.

Die Zeugen B und L haben übereinstimmend angegeben, der Beamte sei mit quer zur Fahrbahn ausgestreckten Armen in der Fahrbahnmitte gestanden, und der Beschuldigte sei mit einer derartigen Geschwindigkeit gefahren, daß offensichtlich war, daß er nicht mehr rechtzeitig zum Stehen kommen würde.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 37 Abs.3 StVO 1960, wenn ein auf der Fahrbahn stehender Verkehrsposten beide Arme quer zu beiden Fahrtrichtungen hält, dies als Zeichen für "Halt" für den Verkehr in diesen Fahrtrichtungen gilt. Bei diesem Zeichen haben die Lenker der in diesen Fahrtrichtungen fahrenden Fahrzeuge vor dem Verkehrsposten, wenn das Zeichen jedoch auf einer Kreuzung gegeben wird, vor der Kreuzung anzuhalten.

Gemäß § 2 Abs.1 Z17 leg.cit. ist eine Kreuzung eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig, in welchem Winkel.

Dem Einwand des Rechtsmittelwerbers, im gegenständlichen Bereich handle es sich gar nicht um eine Kreuzung, weshalb ihm ein Nichtanhalten vor dem Verkehrsposten vorzuwerfen gewesen wäre, vermag sich der unabhängige Verwaltungssenat nicht anzuschließen. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgeführt, daß eine Stelle, an der ein Feldweg in eine Straße einmündet, nicht als Kreuzung zu werten ist (OGH vom 24. September 1970, 2 Ob 249/60), jedoch handelt es sich im gegenständlichen Fall um eine zwar gegenüber der Bundesstraße deutlich erkennbar untergeordnete, jedoch sehrwohl für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte asphaltierte Landfläche. Der Einwand der mangelhaften Spruchkonkretisierung ist daher nicht nachvollziehbar.

Dem Berufungsvorbringen ist jedoch im Ergebnis insofern nichts entgegenzuhalten, als gemäß § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit zumindest fahrlässiges Verhalten erforderlich ist.

Die im Verwaltungsstrafverfahren heranzuziehende Definition des Strafgesetzbuches unterscheidet diesbezüglich zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit. Bewußt fahrlässig handelt derjenige, der die Sorgfalt außer Acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Unbewußt fahrlässig handelt, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirklicht, ihn aber nicht herbeiführen will. Maßstab für das Ausmaß der objektiven Sorgfaltspflicht ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter daher nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl VwGH vom 12. Juni 1989, 88/10/0169).

Im gegenständlichen Fall würde dies bedeuten, daß ein objektiv sorgfaltswidriges und daher fahrlässiges Verhalten nur dann anzunehmen wäre, wenn ein einsichtiger und besonnener Kraftfahrzeuglenker in der Situation des Rechtsmittelwerbers anders gehandelt hätte, als dieser.

Bereits aus der Anzeige geht hervor, daß selbst für den Meldungsleger zum Zeitpunkt des von ihm gegebenen Haltezeichens "offensichtlich" war, daß dem aus Richtung Klaus kommenden Rechtsmittelwerber ein rechtzeitiges Anhalten nicht mehr möglich sein würde. Aus dem Verfahrensakt geht hervor, daß offensichtlich nur der Meldungsleger zu diesem Zeitpunkt ausreichende Sicht auf den herannahenden PKW hatte, nicht aber der Zeuge B (der ja Richtung Windischgarsten eingebogen war) und auch nicht die Zeugin L, die laut ihren Zeugenaussagen offensichtlich die Situation im Kreuzungsbereich beobachtete und durch ein lautes Quitschen auf den PKW des Rechtsmittelwerbers aufmerksam wurde. Übereinstimmend bestätigt wurde, daß der Rechtsmittelwerber eine Vollbremsung eingeleitet hat, seinen PKW aber nicht mehr vor der Kreuzung anhalten konnte. Er hat damit in seiner Situation alles ihm mögliche getan, um den PKW zum Stehen zu bringen, sodaß im Hinblick auf den ihm zur Last gelegten Tatvorwurf des Nichtanhaltens vor der Kreuzung nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates kein fahrlässiges Verhalten zu erblicken ist.

Bereits in der Anzeige und auch in den Zeugenaussagen ist davon die Rede, daß der Rechtsmittelwerber offensichtlich mit zu hoher Geschwindigkeit in Richtung Windischgarsten unterwegs war, wobei die Unmöglichkeit des rechtzeitigen Anhaltens darauf zurückzuführen sein könnte. Ein entsprechender Tatvorwurf ist in der Strafverfügung vom 22. November 1993 enthalten; die Entscheidung über ein weiteres Tätigwerden in dieser Hinsicht obliegt der Erstinstanz.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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