Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102352/13/Weg/<< Ri>>

Linz, 13.06.1995

VwSen 102352/13/Weg/<< Ri>> Linz, am 13. Juni 1995

DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine erste Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer, Berichter: Dr. Wegschaider, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des Rudolf F vom 21. Oktober 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Oktober 1994, VerkR-96/3362/1993/Hä, nach der am 11. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 5 Abs.1, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen verhängt, weil dieser am 12. März 1993 um 23.40 Uhr in Linz, Traundorferstraße Richtung Wiener Straße bis gegenüber Haus Nr.8 den PKW mit dem Kennzeichen gelenkt hat, wobei er sich in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn gerichteten Aufforderung am 13. März 1993 um 0.09 Uhr in Linz, Wachzimmer Kleinmünchen, die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert habe.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.100 S in Vorschreibung gebracht.

2. Der Berufungswerber wendet dagegen sinngemäß ein, daß er aus gesundheitlichen Gründen (physiologische Konstellation und psychisch bedingtes Lungenunvermögen) nicht in der Lage gewesen sei, den Alkomat ordnungsgemäß zu beblasen.

Möglicherweise sei der Alkomat defekt gewesen, zumal auch das auffordernde Straßenaufsichtsorgan beim "Vorzeigen" einen Fehlversuch produziert hätte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Vernehmung des den Alkotest durchgeführt habenden Rev.Insp.

August A sowie der Lebensgefährtin des Beschuldigten, Hermine P, anläßlich der am 11. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der auch die medizinische Amtssachverständige Dr. Susanne H zugegen war. Anläßlich der Verhandlung wurden auch die im Akt aufliegenden ärztlichen Atteste des Dr. Erwin H vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern und der Frau Dr. Edith K zur Verlesung gebracht.

Demnach steht nachstehender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Berufungswerber, ein 47-jähriger unbescholtener KFZ-Mechaniker, begab sich nach einem arbeitsreichen Tag in seiner Werkstätte zum Haus seiner Tochter, um dort eine Küche zu komplettieren. Der Berufungswerber hat während des gesamten Arbeitstages bis zum Eintreffen im Haus seiner Tochter keine alkoholischen Getränke zu sich genommen und auch nichts gegessen. Vor den vorzunehmenden Montagearbeiten in der Küche hat der Berufungswerber eine Jause zu sich genommen und dazu in der Zeit von ca. 20 Uhr bis 20.30 Uhr, aus einem Viertelliterglas, welches mit Wein gefüllt war, etwa die Hälfte getrunken. Der Berufungswerber ist vom Erscheinungsbild ein überarbeiteter Mann mit sehr geringem Körpergewicht und entsprechend geringem Brustkorbumfang. Er ist nach eigenen (glaubwürdigen) Angaben, die auch von der Zeugin Hermine Peter bestätigt werden, beispielsweise nicht in der Lage, einen Luftballon aufzublasen.

Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen bestätigen im wesentlichen den Eindruck, daß der Beschuldigte zumindest in Streßsituationen Lungenfunktionsprobleme hat. Aus den ärztlichen Attesten und aus der gutächtlichen Äußerung der medizinischen Amtssachverständigen Dr. Hasenöhrl ist jedoch umgekehrt eindeutig abzuleiten, daß kein pathologischer Befund erhoben werden konnte und kein Hinweis auf eine manifeste Lungenerkrankung vorliegt, somit der Berufungswerber in der Lage sein müßte, in der Mindestblaszeit von 3 Sekunden den Alkomat mit einem Mindestvolumen an Atemluft von 1,5 Liter zu beblasen. Es sind in erster Linie die mitarbeitsabhängigen Lungenfunktionsparameter um etwa 50% eingeschränkt, was möglicherweise auf eine psychische Sperre, welche allerdings nur auf Grund eines psychiatrischen Gutachtens verifiziert werden könnte, zurückgeführt werden könnte. Es wird aber zur gesundheitlichen Situation insgesamt als erwiesen angenommen, daß der Berufungswerber physisch und psychisch in der Lage ist (und war), den Mindestanforderungen zum Alkotest zu entsprechen.

Die Amtshandlung, die zur gegenständlichen Verweigerung des Alkotestes führte, wurde von Rev. Insp. A durchgeführt. Die fünf vergeblichen Blasversuche wurden mit einem einzigen Teströhrchen durchgeführt. Ob nun möglicherweise das Teströhrchen selbst einen Defekt aufwies, konnte nicht verifiziert werden, zumal dieses Teströhrchen nicht vorhanden ist. Rev. Insp. A nahm ebenfalls (zu Demonstrationszwecken) eine Beblasung des Alkomaten vor, wobei von zwei Versuchen einer ungültig war. Der Beschuldigte wurde - so das Ergebnis der Aussagen bei der mündlichen Verhandlung - über den Blasvorgang etwa so aufgeklärt, daß ihm befohlen wurde, "fest hineinzublasen", bzw. nachdem zwei Tests ungültig waren "gescheit hineinzublasen". Über die Mindestsekundendauer wurde der Beschuldigte offenbar nicht aufgeklärt. Es wurde ihm auch nicht befohlen, so lange hineinzublasen, bis das Straßenaufsichtsorgan die Beblasung etwa mit dem Wort "Stop" der Beendigung zuführen will.

Es steht sohin - zumindest im Zweifel - nicht fest, daß der Berufungswerber über den Blasvorgang, insbesondere über den Umstand der Mindestzeit (in welcher Form auch immer) tatsächlich aufgeklärt wurde.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die Art der Beblasung und etwa auch der Umstand, daß zwei gültige Meßergebnisse notwendig sind, ist in keiner dem Fahrzeuglenker im Regelfall zugänglichen Rechtsquelle (Gesetz, Verordnung) enthalten. Die diesbezüglichen Verwendungsrichtlinien sind einerseits der Bedienungsanleitung des Herstellers und andererseits den Verwendungsrichtlinien für Atemalkoholanalysegräte des Bundesministeriums für Inneres vom 11. Februar 1988 zu entnehmen.

Ein Verhalten kann nur dann eine Verwaltungsübertretung begründen, wenn gegen Gesetze oder Verordnungen also allgemein zugängliche Rechtsquellen verstoßen wird oder wenn hinsichtlich der nicht zugänglichen Rechtsquellen eine ausreichende Aufklärung seitens eines Exekutivorgans erfolgt. Aus der jüngst erschienenen Abhandlung " Alkohol im Straßenverkehr, die Alkoholbestimmungen der StVO." von Dr. Walter Hacksteiner, Orak Verlag, Wien 1995, ist zu diesem Problemkreis auf Seite 203 folgendes festgehalten:

"Hingegen sind "tatsächliche" Aufklärungen über den richtigen Blasvorgang .... jedenfalls geboten, da diesbezügliche Regelungen nicht in für Fahrzeuglenker zugänglichen Rechtsquellen (Gesetz, Verordnung) enthalten sind".

Der Autor kommt in weiterer Folge zum Ergebnis, daß die Verweigerung der Atemluftprobe dann keinen Verstoß gegen § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 darstellt, wenn gegen Verhaltensnormen verstoßen wird, die in nicht allgemein zugänglichen Rechtsquellen enthalten sind.

Der Verwaltungssenat modifiziert diese Ansicht Hacksteiners, dergestalt, daß zwar die Tatbildverletzung objektiv vorliegt, jedoch das Fehlverhalten des Beschuldigten nicht von der Schuldform der Fahrlässigkeit umfaßt ist und somit die subjektive Tatseite im gegenständlichen Fall nicht gegeben ist. Das bedeutet aber iSd § 5 Abs.1 VStG Straflosigkeit.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Guschlbauer

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