Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102440/2/Fra/Ka

Linz, 09.01.1995

VwSen-102440/2/Fra/Ka Linz, am 9. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Dieter B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 3. Dezember 1993, VerkR-12729/1993-Wi, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Das angefochtene Straferkenntnis wird gemäß §§ 40 ff iVm § 51 VStG behoben.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil er am 26. August 1993 um 15.35 Uhr im Gemeindegebiet von Pram auf der Innkreisautobahn A 8 auf Höhe des Strkm.46,5 in Fahrtrichtung Wels als Lenker des Motorrades die auf österr. Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h wesentlich (um mindestens 80 km/h) überschritt. Ferner wurde dem Berufungswerber gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Berufungswerber bestreitet die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung, wendet Verfolgungsverjährung ein und weist vorsorglich darauf hin, daß die Geldstrafe überhöht festgesetzt worden sei, weil er als einfacher Arbeiter tätig und für den Unterhalt von Ehefrau und drei Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren aufkommen müsse.

Der Einwand der Verfolgungsverjährung ist nicht zielführend:

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Gemäß Abs.2 leg.cit. beträgt die Verjährungsfrist bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung 6 Monate.

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht und der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten eine am 26.8.1993 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt, weshalb die Verfolgungsverjährungsfrist am 26.2.1994 endete.

Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein.

Die von der Erstbehörde gesetzte Verfolgungshandlung, nämlich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.10.1993, ist jedoch unstrittig während der Verfolgungsverjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten; dies führte zum Ausschluß der Verfolgungsverjährung, wenn auch eine rechtswirksame Zustellung nicht innerhalb dieser Frist erfolgte.

Entscheidend ist, daß der behördliche Akt durch die Postaufgabe innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten ist (vgl. VwGH vom 26.6.1989, 88/12/0172 ua).

Der Beschuldigte ist jedoch insoferne im Recht, als er andeutet, daß kein Verfahren durchgeführt wurde, weil die vorhin erwähnte Aufforderung zur Rechtfertigung nicht zugestellt wurde. Damit wurde der Beschuldigte in seinen Verteidigungsrechten verkürzt und das Verfahren mit einem gravierenden Mangel behaftet. Durch eine derartige Vorgangsweise wird dem Beschuldigten de facto der Instanzenzug verkürzt. Der unabhängige Verwaltungssenat als ein vom Bundesverfassungsgesetzgeber eingerichtetes Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Art.129 B-VG) und ein Garant des fairen Verfahrens (Art.6 Abs.1 MRK) sieht es nicht als seine Aufgabe an, das gleichsam nicht stattgefundene Ermittlungsverfahren zu substituieren, weil damit eine dem Art.6 Abs.1 MRK widersprechende Tätigkeit als Strafverfolgungsorgan verbunden wäre. Durch das materielle Übergehen der Erstinstanz wurde der Beschuldigte auch in seinen Verteidigungsrechten verkürzt und dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Die Erstbehörde wird nun das Verfahren durchzuführen haben.

Kommt sie aufgrund des Ergebnisses dieses Verfahrens wiederum zur Auffassung, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen hat, so steht dem Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis neuerlich das Recht zur Erhebung einer Berufung zu, über die sodann - wenn die Erstbehörde von ihrem Recht, eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, keinen Gebrauch macht - der unabhängige Verwaltungssenat in der Sache zu entscheiden hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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