Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102466/18/Fra/Ka

Linz, 22.05.1995

VwSen-102466/18/Fra/Ka Linz, am 22. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Wolfgang A, betreffend Übertretungen der §§ 4 Abs.2 und 4 Abs.1 lit.c StVO 1960, nach der am 12. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. In der Straffrage wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen auf je 2.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 2 Tage herabgesetzt werden.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafen, ds insgesamt 400 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretungen nach 1.) § 4 Abs.2 StVO 1960 und nach 2.) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß je § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. je eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, weil er am 9.

Juni 1994 gegen 1.30 Uhr den PKW der Marke Alfa Romeo mit dem Kz.: auf der Riedlbacher Bezirksstraße Richtung Esternberg im Ortschaftsbereich Wetzendorf im Gemeindegebiet Esternberg gelenkt hat, wobei er ca. bei km 5,230 an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt war und es unterließ, von diesem Unfall sofort die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, 2.) es weiters unterlassen hat, an der erforderlichen Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (es war nicht feststellbar, ob er sich zum Zeitpunkt der Unfallsfahrt körperlich und geistig in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges fahrtauglichen Zustand befand - eine Kontaktaufnahme zwischen Gendarmerie und ihm erfolgte erst ca. 6 Stunden nach dem Unfall, das Fahrzeug wurde von der Unfallstelle entfernt und konnte die Gendarmerie eine sichtbare Bremsspur nicht mehr eindeutig zuordnen, die Gendarmerieerhebungen wurden daher wesentlich erschwert). Ferner hat die Erstbehörde gemäß § 64 VStG zum Verfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde - dem ersten Anschein nach verspätet - eingebrachte Berufung, denn laut Zustellnachweis (Rückschein) wurde das Straferkenntnis am 25. November 1994 übernommen. Der letzte Tag der Berufungsfrist war somit der 9. Dezember 1994. Das Rechtsmittel wurde jedoch laut Eingangsstempel der Erstbehörde am 12.12.1994 abgegeben. Aufgrund eines Vorhaltes des O.ö. Verwaltungssenates teilte der Vertreter des Berufungswerbers mit Stellungnahme vom 28.12.1994 unter Hinweis auf eine angeschlossene Fotokopie des Aufgabescheines mit, daß die Berufung am 9. Dezember 1994 bei der Post überreicht worden ist. Die Berufung sei daher nicht am 12.12.1994 bei der Erstbehörde persönlich abgegeben worden, dies sei ein Irrtum. Möglich sei, daß eine Kanzleiangestellte zu diesem Irrtum beigetragen hat, weil sie am 14. Dezember 1994 angerufen wurde, ob sie sich erinnern könne, daß sie am 12. Dezember 1994 etwas persönlich abgegeben habe. Die Kanzleiangestellte habe jedoch nicht mehr im Akt nachgeschaut und erklärt, sie könne sich erinnern. Dies sei jedoch ein anderes Rechtsmittel gewesen und es wurde festgestellt, daß in der gegenständlichen Berufungssache die Aufgabe per Post erfolgte. Unter Vorhalt dieser Stellungnahme gab die Erstbehörde mit Schriftsatz vom 12.1.1995, VerkR96-5361-1994/ah, dem O.ö. Verwaltungssenat bekannt, daß der Posteingang in der Einlaufstelle administriert werde.

Nachdem die schriftliche Berufung bei der Abteilung einlangte, habe das Kuvert gefehlt und es war kein Vermerk "persönlich abgegeben" angebracht. Die verantwortliche Bedienstete der Einlaufstelle der BH Schärding sei mit dem Sachverhalt konfrontiert worden und habe diese mitgeteilt, es sei kein Kuvert zu finden und sie könne sich erinnern, daß Frau B der Anwaltskanzlei Dr. Brandt/Dr. Wagner am 12. Dezember 1992 die gegenständliche Berufung persönlich in der Einlaufstelle deponiert habe. Die Bedienstete Frau H sei ersucht worden, der Sache genauer nachzugehen, wobei sie laut ihren Angaben nach fernmündlicher Rückfrage bei der Anwaltskanzlei die Auskunft erhalten haben soll, diese Berufung sei persönlich am 12.

Dezember 1994 bei der Einlaufstelle abgegeben worden; aus diesem Grunde habe sie nachträglich auf dieser Berufung den Vermerk "persönlich abgegeben" angebracht. Am 11. Jänner 1994 habe Frau H nach Kenntnis des jetzigen Sachverhaltes mitgeteilt, sie könne zu diesem Fall kein Kuvert finden; diese würden nur einen Monat aufbewahrt und wären bereits am 10. Jänner 1994 Briefumschläge der Vernichtung zugeführt worden. Die BH Schärding könne daher nicht exakt beurteilen, ob das Rechtsmittel nun tatsächlich am 12. Dezember 1994 persönlich in der Einlaufstelle abgegeben oder dieses am 9. Dezember laut kopierten Aufgabeschein am Postamt Schärding aufgegeben wurde.

Der O.ö. Verwaltungssenat geht aufgrund des kopierten Aufgabescheines, welchen der Vertreter des Berufungswerbers dem O.ö. Verwaltungssenat übermittelt hat, und im Hinblick darauf, daß die Bezirkshauptmannschaft Schärding ihre vorläufige Annahme, daß das Rechtsmittel verspätet eingebracht wurde, mit der oben genannten Stellungnahme relativierte, von einer rechtzeitigen Einbringung der Berufung aus.

I.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle, an der der Berufungswerber, sein Rechtsvertreter sowie Herr Amtsrat A als Vertreter der belangten Behörde und Herr Rev.Insp. S teilgenommen haben, in der Sache erwogen: Aufgrund der Schilderungen des Berufungswerbers sowie der zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers ist von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen: Der Beschuldigte lenkte zur Tatzeit am Tatort den in Rede stehenden PKW, wobei es zur einer seitlichen Kollision mit der entgegenkommenden ein Motorfahrrad gelenkt habenden Martina Pichler kam. Sie erlitt bei diesem Unfall laut Akt einen offenen Unterarmbruch links, eine offene Verrenkung, einen Bruch des linken Daumengrundgelenkes, einen offenen Vorfußbruch und einen Zahnbruch. Der Berufungswerber hielt sein Fahrzeug an, schaltete die Alarmblinkanlage ein und ging zu der auf der Wiese seitlich der Straße liegenden Unfallbeteiligten. Diese jammerte aufgrund ihrer Verletzungen und bat den Beschuldigten um Hilfe. Laut Niederschrift des GP Münzkirchen vom 14.6.1994 bat Martina P den Beschuldigten "lieber die Rettung zu rufen, da sich ja in unmittelbarer Nähe Häuser befanden". Der Berufungswerber hat daraufhin der Verletzten noch den Arm verbunden, sie in sein Auto gebracht, mit dem Ziel, sie in das Krankenhaus zu befördern. Er bemerkte daraufhin, daß am linken Hinterreifen seines PKW die Luft ausging, worauf er zu seiner ca. 4 km von der Unfallstelle entfernt wohnenden Freundin fuhr. Er wußte, daß die Freundin zu Hause war und daß sie den PKW ihrer Chefin benützte. Er beließ daraufhin das Unfallfahrzeug bei seiner Freundin, worauf diese mit dem PKW ihrer Chefin die beim Unfall Verletzte in das Landeskrankenhaus Schärding beförderte. Der Beschuldigte fuhr ebenfalls mit und, nachdem er sich beim Aufnahmearzt im Landeskrankenhaus Schärding über den Grad der Verletzungen der Martina P erkundigt hatte, zurück zum GP Münzkirchen, um - wie er sagte - dort den Unfall zu melden, weil dieser, wie er glaubte, für die Unfallaufnahme zuständig sei. Das Amtsgebäude des GP war jedoch nicht beleuchtet. Aus dem Fahrzeug ist er nicht ausgestiegen.

Daraufhin fuhr er mit seiner Freundin zu ihr nach Hause, um zu übernachten. Er verständigte daraufhin noch die Angehörigen der Verletzten vom Unfall telefonisch, wobei er die Schwester der Unfallbeteiligten erreicht hat. Kurz nach 7.00 Uhr fuhr er nach Münzkirchen und wollte beim Gendarmerieposten den Unfall melden. Als er an der Unfallstelle vorbeifuhr, sah er, daß der Unfall von der Exekutive bereits aufgenommen wurde. Er hielt an und gab sich als Unfallbeteiligter zu erkennen.

Darüber befragt, warum er nicht bereits beim GP Schärding den Unfall gemeldet hatte, führte der Beschuldigte aus, geglaubt zu haben, daß der GP Münzkirchen für die Sachverhaltsaufnahme zuständig sei. Darüber befragt, warum er nicht noch in der Nacht den Unfall bei der Gendarmerie gemeldet hatte, führte er aus, keinen Grund dafür gesehen zu haben, weshalb noch in der Nacht die Unfallaufnahme stattfinden sollte.

Rev.Insp. S führte zeugenschaftlich einvernommen und glaubwürdig aus, daß zur Unfallzeit der Gendarmerieposten nicht besetzt war. Ein Beamter war jedoch auf Sektorstreife im Außendienst. An der Glastür des Gendarmeriegebäudes war jedoch deutlich sichtbar ein Informationsblatt mit der Aufschrift angebracht, daß der GP nicht besetzt ist und in dringenden Fällen der GP Schärding mit Angabe der Telefonnummer anzurufen ist. Weiters war die Notruftelefonnummer angebracht und ein Hinweis, daß sich in der Ortsmitte in Münzkirchen die nächste Telefonzelle befindet. Der GP sei in der besagten Nacht sicherlich nicht angerufen worden, weil dies sonst sein Kollege in der Dienstvorschrift vermerkt hätte. Der Vater der Unfallbeteiligten meldete persönlich um ca. 7.00 Uhr Früh am Gendarmerieposten den Unfall und war ziemlich ungehalten, weil die Gendarmerie noch nichts vom Unfall wußte. Der Zeuge bestätigte auch, daß der Beschuldigte nach 7.00 Uhr in der Früh, als er den Unfall aufnahm, vorbeifuhr und anhielt und sich als Unfallbeteiligter zu erkennen gab. Er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen, daß der Beschuldigte Alkoholsymptome aufwies. Ein Alkomattest um 10.43 Uhr und um 10.44 Uhr ergab einen Atemluftalkoholgehalt von 0,00 mg/l.

In rechtlicher Hinsicht hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

Vorerst wird auf die ausführlichen und zutreffenden rechtlichen Erwägungen der Erstbehörde im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen. Der O.ö. Verwaltungssenat tritt diesen Erwägungen vollinhaltlich bei und führt im Hinblick auf den von ihm ergänzend festgestellten Sachverhalt aus:

Der Berufungswerber räumt selbst ein, daß, wenn eine Telefonmöglichkeit bestanden hätte, dies der richtige Weg gewesen wäre, um Rettung und Gendarmerie zu verständigen, indem er in seinem Berufungsschriftsatz ua formuliert "nachdem auf freier Strecke keine Telefonmöglichkeit vorhanden war". Daß dem nicht so ist, kann aufgrund des Lokalaugenscheines ausgegangen werden. Gleich neben der Unfallstelle befindet sich die Tischlerei Höller, ca. 100 m von der Unfallstelle entfernt befindet sich eine weitere Siedlung. Der Berufungswerber hat jedoch gar nicht versucht, telefonisch Hilfe herbeizuholen oder die Gendarmerie zu verständigen, sondern er hat die verletzte Martina P vorerst mit seinem PKW, sodann mit dem PKW seiner Freundin in das LKH Schärding gebracht. Er hat gesehen, daß die Unfallbeteiligte offensichtlich schwer verletzt ist. Weiters hat er gleich nach der Wegfahrt vom Unfallort festgestellt, daß am linken Hinterradreifen die Luft ausgeht. Wenn nun der Berufungswerber argumentiert, daß der Umstand, daß er seinen Unfallwagen trotz einer Reifenpanne einige Kilometer weit gelenkt habe, für sich und eben dafür spreche, daß er trotz dieser Reifenpanne die Verletzte ins Spital bringen wollte und er mit dieser Argumentation zum Ausdruck bringen will, daß ihm keine Verletzung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 anzulasten sei, so kann dem nicht beigetreten werden. Dem Berufungswerber war nicht klar, welche Verletzungen Martina P aufwies. Aufgrund der Reifenpanne hat er damit rechnen müssen, daß er auf freier Strecke nicht mehr weiterfahren konnte, womit er die Unfallbeteiligte in zusätzliche Gefahr brachte, denn wenn er tatsächlich aufgrund der Panne irgendwo zum Stillstand gekommen wäre, hätte er damit rechnen müssen, daß von dort aus keine unmittelbare Möglichkeit zum Telefonieren bestand. Daher ist auch sein Argument nicht durchschlagend, daß er deshalb die Möglichkeit des Telefonierens nicht in Erwägung zog, weil die Rettung ohnehin mindestens 25 Minuten von Schärding bis zur Unfallstelle brauche und er schneller im Krankenhaus sei. Als Führerscheininhaber muß ihm auch bekannt sein, daß jedermann unter den Voraussetzungen des § 4 Abs.2 StVO 1960 verpflichtet ist, die Herbeiholung einer Hilfe bei einem Verkehrsunfall zu ermöglichen. In einem solchen Fall darf die Benützung des Fernsprechers nicht verweigert werden. Der Beschuldigte hat aber auch, was die Unterlassung der sofortigen Meldung anlangt, keine plausible Erklärung dafür liefern können, warum er sodann die nächste Möglichkeit, nämlich beim GP Schärding und die übernächste Möglichkeit nämlich beim GP Münzkirchen, die Meldung des Unfalles zu erstatten, nicht wahrgenommen hat. Was den Gendarmerieposten Münzkirchen betrifft, so hat der Berufungswerber selbst angegeben, im Auto sitzengeblieben zu sein, sodaß er die oben dargestellte Information auch nicht gelesen hat.

Zweifellos hat er mit dieser Verhaltensweise die ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt. Den zeitlichen Vorrang der Hilfeleistungspflicht vor der Meldepflicht hat ebenfalls die Erstbehörde bereits hervorgehoben und dieser wäre auch bei sofortiger telefonischer Meldung von dem Haus neben der Unfallstelle gewährleistet gewesen.

Zur Strafe wird ausgeführt:

Den Erwägungen der Erstbehörde zur Strafbemessung wird grundsätzlich beigetreten. Nachdem jedoch der Berufungswerber keine einschlägigen Vormerkungen aufweist und bei der Berufungsverhandlung sein Fehlverhalten eingestanden hat, wurde eine Strafreduzierung vorgenommen, weil aufgrund dieser Einsicht auch davon auszugehen ist, daß sich der Berufungswerber in Hinkunft - sollte er wieder an einem Unfall beteiligt sein - gesetzeskonform verhalten wird. Die nunmehr verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und ist eine weitere Herabsetzung aufgrund des Unrechts- und Schuldgehaltes der Übertretungen nicht vertretbar.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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