Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102468/15/Bi/Fb

Linz, 10.04.1995

VwSen-102468/15/Bi/Fb Linz, am 10. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Manfred H, vom 9. Dezember 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 17.

November 1994, VerkR96-835-6-1994-Pi/Ri, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 29. März 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 19 Abs.7, 19 Abs.2 und 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.2 und 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt, weil er am 9. April 1994 um 13.58 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen in Eferding von der Friedhofszufahrt auf die B129 gelenkt und dabei den Vorrang eines von rechts kommenden Einsatzfahrzeuges verletzt habe, weil der Lenker des Einsatzfahrzeuges zu einem unvermittelten Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt worden sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

Am 29. März 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung mit Ortsaugenschein in Anwesenheit der rechtsfreundlichen Vertreterin des Rechtsmittelwerbers, Mag.

K, des Vertreters der Erstinstanz, Dr. H, der Zeugen BI L und RI K und des technischen Amtssachverständigen Ing. S durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, zum Zeitpunkt seines Linkseinbiegevorgangs in Richtung Linkseinbiegestreifen der B129 könne sich das Fahrzeug der Meldungsleger nicht auf diesem Fahrstreifen befunden haben, weil sonst eine unfallverhindernde Reaktion gar nicht mehr möglich gewesen wäre. Dazu beantrage er ausdrücklich die Durchführung eines Ortsaugenscheins und die Einholung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens. Die Erstinstanz habe die Aufnahme der bereits beantragten Beweise ohne Begründung verabsäumt, obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, diese Beweise aufzunehmen, und sei mit floskelhaften Begründungen unter Berufung auf die freie Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, daß er den strafbaren Tatbestand einwandfrei begangen habe. Die Nichteinholung der beantragten Beweise werde daher als Verfahrensmangel gerügt.

Er habe beim Einbiegen aus der Friedhofsausfahrt nach links in die B129 wahrgenommen, daß vor der Kreuzung mit der B130 auf dem rechten, für den Geradeausverkehr Richtung Aschach bestimmten Fahrstreifen ein BMW bei Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage (VLSA) zum Stillstand gekommen war, wobei sich in einem gewissen Abstand dahinter ein weiteres Fahrzeug, offenbar das genannte Zivilstreifenfahrzeug befand, welches aber keinesfalls dem für den Linksabbiegeverkehr Richtung Prambachkirchen bestimmten Fahrstreifen benützte. Er selbst beabsichtigte, auf den freien Linksabbiegestreifen einzubiegen und Richtung Prambachkirchen weiterzufahren. Zum Zeitpunkt des Linkseinbiegevorganges war eine Absicht der Meldungsleger, zwecks Anhaltung des BMW-Lenkers auf den mittleren Fahrstreifen zu wechseln, noch nicht erkennbar, wobei zudem auch nicht erkennbar war, daß es sich bei diesem Fahrzeug um ein Zivilstreifenfahrzeug handeln könnte. Bei diesem Sachverhalt habe aber schon begrifflich keine Vorrangsituation vorgelegen, weil er gar nicht beabsichtigt habe, den kurveninnenseitigen Fahrstreifen zu befahren, und diesen auch nicht befahren habe. Das allfällige Abbremsen oder Ablenken des Zivilstreifenfahrzeuges sei nicht durch sein keinesfalls rechtswidriges Fahrverhalten verursacht oder veranlaßt worden.

Der Linksabbiegestreifen begann erst knapp nach der Friedhofszufahrt, sodaß es Zeit-Weg-mäßig technisch gar nicht möglich gewesen wäre, daß zum Zeitpunkt seines Linkseinbiegevorgangs das Fahrzeug der Meldungsleger sich bereits auf diesem Fahrstreifen befunden haben könnte. Bei Beginn des Einbiegevorganges habe sich das Fahrzeug der Meldungsleger auf der B129 zumindest um den Reaktionsweg und Abbrems- bzw Auslenkungsweg in einer Position noch weiter Richtung Linz befunden, nämlich in einer Position, bei der noch gar kein mittlerer Fahrstreifen vorhanden gewesen sei.

Er habe bei diesem Fahrzeug ein eingeschaltetes Blaulicht nicht wahrgenommen, was auch deshalb nicht verwunderlich sei, weil dieses ja offensichtlich hinter der Windschutzscheibe auf der Beifahrerseite eingeschaltet gewesen sei. Er habe nicht wahrgenommen und auch nicht wahrnehmen können, daß es sich bei diesem Fahrzeug um ein Einsatzfahrzeug gehandelt habe.

Mit der Erkennbarkeit des Blaulichtes habe sich die Erstinstanz nicht auseinandergesetzt, sondern seine Verantwortung als Schutzbehauptung abgetan.

Aus dem Akteninhalt gehe auch nicht hervor, daß dieses Fahrzeug auch über eine Vorrichtung zur Abgabe von Schallzeichen, nämlich ein Folgetonhorn, verfügt habe. Wenn eine solche Vorrichtung nicht vorhanden sei, handle es sich aber nicht um ein Einsatzfahrzeug, sodaß ihm eine Verletzung der Einsatzfahrzeugregel nicht vorgeworfen werden dürfe.

Hilfsweise werde die Höhe der Strafe bekämpft und im übrigen Einstellung des Verfahrens beantragt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteienvertreter gehört, die beiden Gendarmeriebeamten zeugenschaftlich einvernommen, ein Ortsaugenschein durchgeführt und auf dieser Grundlage ein Gutachten durch den kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen erstellt wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am Samstag, dem 9. April 1994, um 13.58 Uhr den schwarzen PKW im Ortsgebiet von Eferding aus der Friedhofseinfahrt kommend nach links auf die B129 und beabsichtigte, bei der Kreuzung mit der B130 nach links Richtung Prambachkirchen einzubiegen. Zum Zeitpunkt des Einbiegevorganges befand sich auf dem geradeaus führenden Fahrstreifen der B129 ein schwarzer BMW, der vor dem Rotlicht der VLSA angehalten hatte. Die Kreuzung B129 - B130 ist von der Friedhofszufahrt ca 36 m entfernt.

Rechts von der Friedhofsausfahrt liegt in einer Entfernung von etwa 50 m die damals ungeregelte Kreuzung B129 - B134.

Zum für den Tatvorwurf relevanten Zeitpunkt fuhren die beiden Zeugen in einem von außen nicht als Gendarmeriefahrzeug erkennbaren dunkelgrünen Audi 100 mit eingebautem Folgetonhorn und Handblaulicht aus Richtung Wels (B134) kommend nach links in die B129 ein, wobei sie dem vor der Kreuzung angehaltenen BMW aufgrund einer festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung nachfuhren und beabsichtigten, diesen in der Weise anzuhalten, daß dem Lenker vom Linksabbiegefahrstreifen vor der Kreuzung mit der B130 aus Zeichen zum Anhalten gegeben werden sollten.

Bereits beim Passieren der Kreuzung B134 - B129 hatte der auf dem Beifahrersitz befindliche Zeuge RI K das Handblaulicht eingeschaltet und hielt es vor sich gegen die Windschutzscheibe.

Als sich das Zivilstreifenfahrzeug bereits auf der B129 befand und auf die Kreuzung mit der B130 zufuhr, bog der Rechtsmittelwerber aus der Friedhofszufahrt nach links in die B129 ein, sodaß der Lenker des Zivilstreifenfahrzeuges gezwungen war, das Fahrzeug abzubremsen und etwas nach rechts zu verlenken, um eine Kollision zu verhindern. Im Rahmen der darauffolgenden Amtshandlung mit dem Rechtsmittelwerber und dem Lenker des BMW gab der Rechtsmittelwerber an, er habe aufgrund des Rotlichtes der VLSA bei der Kreuzung mit der B130 geschlossen, daß der auf der B129 kommende PKW, der ihm als Einsatzfahrzeug nicht erkennbar gewesen sei, weil er das Blaulicht nicht gesehen habe, vor der Kreuzung mit der B130 würde anhalten müssen.

Der Zeuge L, der Lenker des Zivilstreifenfahrzeuges, hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgesagt, er habe auf der B129 beschleunigt, das Folgetonhorn sei aber nicht eingeschaltet gewesen.

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf der B129 keine Bodenmarkierungen angebracht waren, wobei sich auch die beiden Zeugen nicht an den genauen Beginn des Linksabbiegestreifens erinnern konnten. Dem Argument des Rechtsmittelwerbers, der Linksabbiegestreifen habe in etwa auf Höhe der Friedhofszufahrt begonnen, ist daher nichts entgegenzusetzen. Vor Beginn des Linkseinbiegestreifens ist die B129 zweispurig.

Beide Zeugen sagten aus, daß es am Vorfallstag nicht geregnet habe, konnten sich aber nicht daran erinnern, ob die Sonne gescheint habe.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, daß es sich bei dem in Rede stehenden Handblaulicht um einen Scheinwerfer handelt, der nur in einer Richtung Licht ausstrahlt, wobei die Lichtgebung ähnlich wie bei einem Hochstrahlungsblitz und mit etwa zwei Blitzen in der Sekunde erfolgt. Festgestellt wurde weiters, daß dieses Handblaulicht innen auf der Beifahrerseite gegen die Windschutzscheibe gehalten wird, wobei die Blitze zwar von vorne, nicht aber von der Seite erkennbar sind. Das Blaulicht wird für einen Beobachter erst hinter der Windschutzscheibe sichtbar, wenn Beobachtungsrichtung und Fahrtrichtung achsengleich sind, daraus folgt, daß der Rechtsmittelwerber das Blaulicht erst erkennen konnte, wenn das Gendarmeriefahrzeug vollständig in die B129 eingebogen war und sich auf die Kreuzung mit der B130 zubewegte.

Der Sachverständige hat ausgeführt, daß, wenn beim Zivilstreifenfahrzeug das Folgetonhorn nicht eingeschaltet war, es für den Rechtsmittelwerber nicht möglich war, das Zivilstreifenfahrzeug als Einsatzfahrzeug zu erkennen, weil sich aus dem Zeit-Weg-Verhalten des Rechtsmittelwerbers ergibt, daß er das auf der B129 beschleunigende Einsatzfahrzeug schon erkennen hätte müssen, bevor er es gesehen habe, was nur möglich gewesen wäre, wenn er es zuvor gehört hätte. Außerdem hatte der Rechtsmittelwerber beim Einbiegen nach links aufgrund der Rotschaltung der Richtungsampel auf die von rechts und links in die B129 in einer Entferung von ca 30 m einbiegenden Lenker zu achten, wobei die Sicht auf den aus Richtung Zentrum kommenden Verkehr durch den vor der Ampel stehenden BMW verdeckt war.

Der Amtssachverständige ist davon ausgegangen, daß der Rechtsmittelwerber zwar erkennen mußte, daß ein Fahrzeug von der B134 kommend in die B129 einbog, aber, wenn von links kein Fahrzeug kam, deshalb in die B129 einbiegen konnte, weil er denselben Einbiegevorgang durchführte wie das in etwa 50 m Entferung einbiegende Gendarmeriefahrzeug. Bei Normalfahrweise könne unter diesen Bedingungen weder eine Gefährdung noch eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer entstehen.

Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers deckt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen mit dem Lenker des Einsatzfahrzeuges, der angeführt hat, er habe sein Fahrzeug ohne blockierende Reifen zum Stillstand abbremsen müssen.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß im gegenständlichen Fall die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers ebenso glaubwürdig ist wie die Aussagen der beiden Zeugen, wobei diesbezüglich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen verwiesen wird. An Ort und Stelle konnte jedoch die Beobachtung gemacht werden, daß das Zivilstreifenfahrzeug, das vom ersten Anblick her wie ein normaler PKW aussieht, erst als Einsatzfahrzeug erkennbar wird, wenn dem Betracher die Blaulichtblitze auf der Beifahrerseite bewußt werden. Dazu ist aber eine längere Beobachtungszeit erforderlich, die aufgrund der Kürze der Wegstrecke und der Beschleunigung des Zivilstreifenfahrzeuges für den Rechtsmittelwerber nicht zur Verfügung stand. Damit, daß ein dunkelgrüner Audi 100 mit Deckkennzeichen und zwei nicht als Gendarmeriebeamten erkennbaren Insassen ein Einsatzfahrzeug der Gendarmerie sein könnte, konnte der Rechtsmittelwerber nicht rechnen, zumal nach übereinstimmenden Aussagen das Folgetonhorn sei nicht eingeschaltet gewesen ist.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß im gegenständlichen Fall sehr wohl die Einsatzfahrzeugregel zur Anwendung kam, zumal es sich beim in Rede stehenden Zivilstreifenfahrzeug ohne Zweifel um ein Einsatzfahrzeug im Sinn des § 2 Abs.1 Z25 StVO 1960 handelte. Die Verwendung des Handblaulichtes allein ohne Einschalten des Folgetonhorns reicht für die rechtliche Qualifikation als Einsatzfahrzeug aus.

Ein Tatvorwurf im Hinblick auf die Mißachtung der Einsatzfahrzeugregel kann dem Rechtsmittelwerber aber aus dem Grund nicht gemacht werden, weil er aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der Annäherungsgeschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges verbunden mit dem - erst nach genauerer Betrachtung erkennbaren - Handblaulicht unter gleichzeitiger Beachtung des von links zu beobachtenden Verkehrs auch unter Anwendung größter Sorgfalt nicht erkennen mußte, daß es sich beim herannahenden Zivilstreifenfahrzeug um ein Einsatzfahrzeug handelte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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