Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102496/26/Sch/Rd

Linz, 30.05.1995

VwSen-102496/26/Sch/Rd Linz, am 30. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des FG vom 7. Dezember 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 22. November 1994, VerkR0402/1566/1993 Be/Mag.A., wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 24. Mai 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Faktum a) aufgehoben und das Verfahren diesbezüglich eingestellt wird.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 220 S, jener zum Berufungsverfahren wird mit 440 S (20 % der bezüglich Fakten b) und c) verhängten Geldstrafen) bestimmt.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw. 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Straferkenntnis vom 22. November 1994, VerkR0402/1566/1993 BE/Mag.A., über Herrn FG, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß a) § 14 Abs.3, b) § 4 Abs.1 lit.a und c) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von a) 400 S, b) 1.200 S und c) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von a) 24 Stunden, b) drei Tagen und c) zwei Tagen verhängt, weil er es als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen am 5. Juni 1993 gegen 3.00 Uhr im Gemeindegebiet von Buchkirchen unterlassen habe, a) sich beim Rückwärtsfahren aus einem Parkplatz des Gasthauses "S" von einer geeigneten Person einweisen zu lassen, sodaß er in der Folge mit seinem Fahrzeug gegen den PKW des G R mit dem Kennzeichen gestoßen sei und diesen beschädigte habe, b) nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit welchem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, sein Fahrzeug sofort anzuhalten und c) anschließend die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub vom Verkehrsunfall zu verständigen, obwohl er und der Geschädigte einander weder Name noch Anschrift nachgewiesen hätten.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 260 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Aufgrund des Umstandes, daß die vom Berufungswerber eingebrachte schriftliche Berufung vom 7. Dezember 1994 keine Begründung enthält, wurde dem Berufungswerber mit Schreiben der Berufungsbehörde vom 27. Jänner 1995, VwSen-102496/2/Sch/Rd, unter Hinweis auf die Bestimmung des § 63 Abs.3 AVG mitgeteilt, daß die Zurückweisung der Berufung mangels Begründung in Aussicht genommen sei.

Daraufhin teilte dieser mit, er habe der Berufung anläßlich einer entsprechenden Vorsprache bei der Erstbehörde ein "schriftliches Gutachten" der A. S GesmbH beilegen wollen.

Dieses sei von der Behörde nicht übernommen worden, und zwar mit der Begründung, es sei bei einer Vorladung beim unabhängigen Verwaltungssenat mitzubringen.

Die hiezu von der Erstbehörde eingeholte Stellungnahme in Form eines mit 20. Februar 1995 datierten Aktenvermerkes geht auf diese Frage nicht ein. Vielmehr wird ausgeführt, daß die vom Berufungswerber "mündlich" eingebrachte Berufung auf Verlangen auf der letzten Seite des Straferkenntnisses angebracht worden sei, weshalb die Behörde von der Aufnahme einer Niederschrift Abstand genommen habe.

Daraus erhellt, daß die Erstbehörde diese Berufung offensichtlich als mündliche angesehen hat, welche nach der einschlägigen Rechtslage nicht zu begründen ist. Die Berufungsbehörde kann sich dieser Rechtsansicht zwar nicht anschließen, vermag aber solches nicht zu Lasten eines rechtsunkundigen Bürgers gehen zu lassen.

In der Sache selbst ist folgendes auszuführen:

Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 14 Abs.3 StVO 1960 (Faktum a)):

Gemäß dieser Bestimmung muß sich der Lenker beim Rückwärtsfahren, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, von einer geeigneten Person einweisen lassen.

Die Erstbehörde stellt ihr verurteilendes Erkenntnis in diesem Punkt allein darauf ab, daß es durch die Rückwärtsfahrt des Berufungswerbers zu einem Schadenseintritt gekommen ist.

Ob die Verkehrssicherheit einen Einweiser erfordert hätte, hängt nicht allein davon ab, ob es dabei zu einem Unfall gekommen ist (VwGH 4.11.1971, 2113/70).

Nicht jedes Ausparken aus einer Parklücke verpflichtet schlechthin zur Beiziehung eines Einweisers, sondern es muß dafür eine vom Normalfall abweichende besondere Situation vorliegen (VwGH 30.1.1979, 2727/78).

Die Erstbehörde hat sich mit dieser Frage nicht näher beschäftigt, vielmehr wurde angenommen, daß die Beiziehung eines Einweisers notwendig gewesen wäre, um den eingetretenen Schaden zu verhindern. Abgesehen davon, daß keine näheren Erhebungen diesbezüglich durchgeführt wurden, kann dieser vereinfachten Sicht der Erstbehörde nicht beigetreten werden, zumal man dann wohl zu der Annahme käme, daß jede Rückwärtsfahrt, die zu einer Beschädigung von Sachen geführt hat, einen Verstoß gegen § 14 Abs.3 StVO 1960 darstellen würde, wenn hiebei kein Einweiser zugezogen wurde. Abgesehen davon wird diese Frage letztlich vom Verwaltungsgerichtshof bzw. Obersten Gerichtshof im Einzelfall nicht immer gleich beantwortet. Dies kann aber keinesfalls zu Lasten des Berufungswerbers gehen.

Zu den Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960 (Fakten b) und c)):

Die Verpflichtungen des § 4 StVO 1960 treffen nicht nur solche Unfallbeteiligte, die einen Verkehrsunfall tatsächlich bemerkt haben, sondern auch jene, die diesen bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten bemerken müssen (VwGH 23.2.1976, 285/74 ua).

Die Annahme, daß der Berufungswerber den Anstoß seines Fahrzeuges an einem anderen geparkten Fahrzeug zumindest hätte bemerken müssen, ist aufgrund des von der Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens gerechtfertigt.

Der anläßlich der Berufungsverhandlung beigezogene tech nische Amtssachverständige führt zu dieser Frage gutachtlich unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß es sich bei dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug um ein solches mit automatischem Getriebe gehandelt hat, - hier gekürzt - nachstehendes aus:

"Unter Hinweis auf den am zweitbeteiligten Fahrzeug entstandenen Sachschaden wird bemerkt, daß ein dadurch entstehender Ruck des eigenen Fahrzeuges nicht interpretiert werden kann als jener, der beim Gangeinlegen entsteht.

Ersterer liegt in der Intensität über jenem, der durch die Gangwahl verursacht wird.

Zur akustischen Wahrnehmungsmöglichkeit wird ausgeführt, daß die Entstehung eines solchen Schadens, wie er am zweitbeteiligten Fahrzeug gegeben war, mit einem Anstoßgeräusch verbunden ist, das sich sowohl von üblichen Umgebungsgeräuschen also auch von jenen Geräuschen, die in einem Fahrzeuginneren üblich sind, im Frequenzbereich wesentlich unterscheidet." Schließlich wurde vom Amtssachverständigen auch auf das vom Berufungswerber beigebrachte "Gutachten" der A. S GesmbH vom 7. Dezember 1994 eingegangen und festgestellt, daß die hierin getroffenen Aussagen an den obigen Ausführungen nichts zu ändern vermögen. Insbesonders wird hierin auf die Problematik von Unfallwahrnehmungsmöglichkeiten nicht eingegangen.

Es kann daher zusammenfassend festgestellt werden, daß der Berufungswerber den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit - noch dazu, wo es sich um ein in bezug auf das andere Fahrzeug sehr knappes Fahrmanöver gehandelt hat, das ihn besonders aufmerksam und vorsichtig hätte sein lassen müssen - hätte wahrnehmen müssen, weshalb er zur Einhaltung der Verpflichtungen gemäß § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960 verpflichtet gewesen wäre.

Schließlich dürfte der Berufungswerber nach seinen eigenen Angaben bzw. der Aktenlage selbst nicht ganz davon überzeugt gewesen sein, daß es durch sein Fahrmanöver nicht doch zu einem - in welchem Umfang auch immer - Unfall gekommen sein könnte, was er weder gegenüber dem erhebenden Gendarmeriebeamten noch anläßlich der Berufungsverhandlung dezidiert in Abrede gestellt hat.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 4 StVO 1960, also die sogenannten "Fahrerfluchtdelikte", gehören zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

Der Schutzzweck dieser Norm geht im besonderen dahin, einerseits einem Unfallgeschädigten langwierige Erhebungen im Hinblick auf den Schädiger zu ersparen und andererseits sofern eine Unfallmeldung nicht erlaubterweise unterbleiben darf - den Unfallhergang - nicht zuletzt unter Bedachtnahme auf den Aspekt der Verkehrssicherheit - zu klären.

Wenngleich die Erstbehörde unzutreffenderweise vom Nichtvorliegen von Milderungsgründen beim Berufungswerber ausgegangen ist, ändert auch diese Tatsache nichts an der Angemessenheit der Höhe der von der Erstbehörde verhängten Geldstrafen, nämlich 1.200 S und 1.000 S. Selbst unter Bedachtnahme auf die Unbescholtenheit des Berufungswerbers können diese nicht als überhöht angesehen werden; sie wurden vielmehr im untersten Bereich des jeweiligen Strafrahmens festgesetzt.

Den von der Erstbehörde angenommenen persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers wurde in der Berufung nicht entgegengetreten, sodaß sie auch der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde zugrundegelegt werden konnten. Diese lassen erwarten, daß der Berufungswerber zur Bezahlung der verhängten Geldstrafen ohne weiteres in der Lage sein wird.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n

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