Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102543/7/Weg/Km

Linz, 30.06.1995

VwSen-102543/7/Weg/Km Linz, am 30. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des Dr. G... K..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H...

L..., vom 23. Jänner 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion ... vom 9. Jänner 1995, St-..., nach der am 28. Juni 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion ... als im Wege des § 29a VStG zuständig gewordene Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 7.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen verhängt, weil dieser am 3. August 1993 um 16.58 Uhr in ...

im K... bei Strkm. ... mit dem PKW ... die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat, weil die Fahrgeschwindigkeit 102 km/h betrug, wie mit einem Meßgerät festgestellt wurde.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, daß er durch das Ortsgebiet von ... mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h fuhr und daß er kurz vor Ende des Ortsgebietes die Geschwindigkeit erhöht habe. Anläßlich der mündlichen Verhandlung wird dieses Vorbringen durch den Berufungswerber dahingehend ergänzt, daß er die Geschwindigkeit kurz vor dem Ortsende deswegen erhöhte, weil er der Ansicht gewesen sei, sich schon außerhalb des Ortsgebietes zu befinden. Er sei wegen des nicht sichtbar gewesenen Verkehrszeichens "Ortsende" und der straßenbaulichen Gegebenheiten irrtümlich der Meinung gewesen, sich schon außerhalb des Ortsgebietes zu befinden. Es liege nicht in seinem Verschulden, daß das Verkehrszeichen "Ortsende" nicht wahrnehmbar gewesen sei.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Befragung des Berufungswerbers sowie durch die zeugenschaftliche Vernehmung der Gendarmeriebeamten Rev.Insp. ... und Gr.Insp. ... anläßlich der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 1995, bei der auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Demnach steht fest, daß die ...straße Nr. ... am Ortsende von ... in Fahrtrichtung ....l auf den letzten ca. 200 m einen geraden Verlauf nimmt und aufgrund der baulichen Gegebenheit bzw. der dort endenden Bebauung (lt. Gr.Insp.

...) von den meisten Kfz-Lenkern angenommen wird, das Ortsgebiet schon verlassen zu haben. Diese Annahme ist jedoch nicht richtig, weil sich das Verkehrszeichen "Ortsende" tatsächlich erst am Ende dieses gerade verlaufenden Straßenstückes und zwar in Fahrtrichtung ...

auf der linken Straßenseite befindet. Dieses Verkehrszeichen ist allerdings, wie sich beim Lokalaugenschein zeigte, durch eine Föhre dergestalt verwachsen, daß es in der Annäherungsphase auf diesem geraden Straßenstück nicht gesichtet werden kann. Erst beim unmittelbaren Passieren dieses Verkehrszeichens (bzw. allenfalls 30 m vorher) ist bei aufmerksamster Betrachtung des linken Fahrbahnrandes ein Teil dieses Verkehrszeichens sichtbar. Bei dem dieses Verkehrszeichen verdeckenden Baum handelt es sich - wie erwähnt - um eine Föhre, die langsamwüchsig ist und die mit Sicherheit auch zum Tatzeitpunkt schon einen Großteil dieses Verkehrszeichens verdeckte. Die Föhre selbst ist heute 4 m hoch. Die Aussagen der Gendarmeriebeamten im erstinstanzlichen Verfahren bezüglich der Erkennbarkeit dieses Verkehrszeichens erwiesen sich als unrichtig. So ist es wegen dieses erwähnten Baumes nicht möglich, vom Standort des Meßbeamten bzw. auf der Höhe dieses Standortes (jedoch am linken Fahrbahnrand in Richtung ...) die Entfernung dieser Ortstafel mittels Laserpistole zu messen. Auch zum Zeitpunkt dieser angeblichen Messung Ende März 1994 war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Verkehrszeichen durch diesen Baum schon verwachsen.

Möglicherweise hat also der Gendarmeriebeamte den äußersten Teil dieses Verkehrszeichens oder den davorstehenden Baum distanzmäßig erfaßt. Wenn Rev.Insp. ... in seiner Aussage vor der Erstbehörde ausgeführt hat, daß er dem Beschuldigten die Ortstafel "Ortsende" von seinem Standort (= Anhalteort) aus gezeigt hat, weil sie von dort auch einzusehen war, so zog er diese Aussage bei der mündlichen Verhandlung wieder zurück, weil vom Anhalteort tatsächlich keine wie immer geartete Sichtmöglichkeit auf dieses Verkehrszeichen bestand.

Der Berufungswerber, ein 51-jähriger sowohl verwaltungsstrafrechtlich als auch justizstrafrechtlich völlig unbescholtener Staatsbürger, wurde also mit einer Situation konfrontiert, bei der selbst der aufmerksamste Kfz-Lenker einer Fehleinschätzung unterliegen kann. Er vermutete aufgrund der baulichen Gegebenheiten und des Straßenverlaufes, daß er das Verkehrszeichen "Ortsende" schon hinter sich gelassen haben muß, zumal in weiterer Folge (es besteht in das unbebaute Freiland ausreichend Sicht) ein derartiges Verkehrszeichen nicht mehr sichtbar war. Er beschleunigte daraufhin seinen PKW (P..., 8 Zylinder, über 300 PS), um die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Am Ende dieser Beschleunigungsphase wurde er von einem Lasergerät erfaßt und dabei eine Geschwindigkeit von 102 km/h gemessen. Damit steht zwar objektiv fest, daß der Berufungswerber die im Ortsgebiet zulässige Geschwindigkeit überschritten hat, was auch nicht bestritten wurde, es steht aber andererseits fest, daß der Beschuldigte durch die verdeckte Anbringung des Verkehrszeichens "Ortsende" die Beschleunigungsphase ohne verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verschulden einleitete.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.2 VStG entschuldigt die Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift (hier das Vorliegen des Ortsgebietes mit der in Ortsgebieten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h) nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das unerlaubte seines Verhaltens ohne Kennntnis der Verwaltungsvorschriften nicht einsehen konnte.

Die hiezu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes formt diesen Rechtssatz aus. So liegt ein auf einer unverschuldeten rechtsirrigen Auslegung fußender Schuldausschließungsgrund vor, wenn einer Person guter Glaube zugebilligt wird (VwGH 10.5.1967 Slg 7143A). Eine irrige Gesetzesauslegung - so der Verwaltungsgerichtshof entschuldigt nur dann, wenn sie unverschuldet ist (VwGH 10.1.1969, 1031/68, 8.11.1978 Slg 9684A). Die Rechtsfigur des entschuldbaren Tatirrtums gibt es auch im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens (VwGH 5.6.1978, 2599/77).

Der unabhängige Verwaltungssenat kann im glaubhaft vorgebrachten Irrtum des Berufungswerbers um das Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung keine schuldhafte Handlung, die zu einer Bestrafung führen würde, erkennen. Es wird also dem Berufungswerber beigepflichtet, einem entschuldbaren Irrtum unterlegen zu sein, zumal (durch den Lokalaugenschein auch objektiviert) alle Umstände für das Vorliegen einer durch guten Glauben verursachten Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift sprechen.

Im Hinblick auf § 45 Abs.1 Z2 VStG war von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, da Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

5. Festzuhalten ist, daß durch die Exekutive veranlaßt werden wird, das in Rede stehende Verkehrszeichen für Verkehrsteilnehmer sichtbar zu machen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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