Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102575/11/Bi/Fb

Linz, 17.11.1995

VwSen-102575/11/Bi/Fb Linz, am 17. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitzender: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitzer: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn O S, T, P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C S, E, W, vom 2. Februar 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 16.

Jänner 1995, VerkR96-3979-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. Oktober 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 idF BGBl.Nr.

518/1994.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt, weil er am 15. Oktober 1994 um 6.20 Uhr den LKW, Kennzeichen , auf der S Bezirksstraße durch das Ortsgebiet von S bis auf Höhe des Hauses S in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.100 S und der Barauslagenersatz für das Alkomatröhrchen von 10 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12.

Oktober 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters Rechtsanwalt Dr. S und der medizinischen Sachverständigen Dr. H durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz hat sich entschuldigt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe die ganze Nacht über in seinem Lokal in S gearbeitet und erst während der Aufräumarbeiten vor dem Wegfahren in der Früh ein Cola-Rum getrunken. Er habe zum damaligen Zeitpunkt große Probleme mit seinem Zahnfleisch gehabt und die ganze Nacht über seine Zähne mit Pyralvex-Lösung eingepinselt. Nach dem Genuß des Cola-Rum habe er wieder die Zähne eingepinselt und dann zwischen 6.15 Uhr und 6.20 Uhr das Lokal verlassen. Unmittelbar nach dem Herausfahren vom Parkplatz habe ihn ein Gendarm angehalten und ihn sofort zum Alkotest aufgefordert. Er sei mit dem Gendarmeriefahrzeug nach P gebracht worden, wobei bereits vom Gendarmeriefahrzeug über Funk Anweisung gegeben wurde, den Alkomat vorzubereiten, sodaß dieser bei ihrem Eintreffen beim Gendarmerieposten P sofort betriebsbereit gewesen sei.

Die beiden um 6.38 Uhr und 6.39 Uhr durchgeführten Messungen hätten jeweils ein Ergebnis von 0,41 mg/l Atemluftalkoholgehalt ergeben, was seiner Meinung nach nur auf die Pyralvex-Lösung zurückzuführen sei. Er habe den Gendarmeriebeamten mitgeteilt, wogegen er Medikamente einnehme, allerdings sei ihm damals der Name der Medikamente gegen die Venenthrombose nicht eingefallen und er habe in der Hektik auch vergessen, auf die Pyralvex-Lösung hinzuweisen.

Vor dem gegenständlichen Vorfall sei er wegen extremer Zahnprobleme bei mehreren namentlich genannten Ärzten und einem Kieferchirurgen in Behandlung gewesen und habe vor dem Vorfall eine Teilprothese bekommen. Er habe eine 1 x 3 cm große Gaumenplatte, die seitlich mit Spangen an den Zähnen befestigt war, getragen und zum Zeitpunkt des Vorfalls aufgrund einer massiven Zahnfleischentzündung im vorderen Bereich alle eineinhalb bis zwei Stunden die Pyralvex-Lösung mittels Pinsel aufgetragen. Er habe sonst keine Schmerzmittel eingenommen und auch die ganze Nacht keinen Alkohol getrunken bis auf dieses eine Cola-Rum, das er bereits den Gendarmeriebeamten gegenüber angeführt habe.

Auf dieser Grundlage bezweifelt der Rechtsmittelwerber, zum Zeitpunkt der Anhaltung einen iSd § 5 Abs.1 StVO 1960 relevanten Blutalkoholgehalt aufgewiesen zu haben und macht außerdem Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs.1 StVO deshalb geltend, weil diese Bestimmung an den Alkoholgehalt der Atemluft anknüpfe, obwohl Untersuchungen gezeigt hätten, daß verbliebene Alkoholmengen im Mund- und Rachenraum bzw verschiedene nichtalkoholische Stoffe zu einer Alkomatanzeige führen, ohne daß diese in irgendeiner Verbindung mit dem Blutalkoholgehalt bzw der daraus resultierenden Alkoholbeeinträchtigung stünde. Zu diesem Themenkreis wurde die Einholung eines medizinischen und technischen Sachverständigengutachtens beantragt und im übrigen Aufhebung des Erkenntnisses und Einstellung des Verfahrens begehrt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie den Beweisantrag des Rechtsmittelwerbers vom 7. Dezember 1994 im Rahmen des Lenkerberechtigungsentzugsverfahrens, in dem geltend gemacht wird, daß er um 6.15 Uhr des Vorfallstages mit Pyralvex-Lösung behandelt habe und sich die Anzeige des Alkomat auf die in dieser Lösung enthaltenen Alkoholbestandteile gründet. Dazu wurde die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens begehrt und der Beipacktext der Pyralvex-Lösung vorgelegt, aus der hervorgeht, daß diese einen nicht unerheblichen Anteil Ethylalkohol enthält. Der Beweisantrag wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung verlesen und sowohl der Rechtsmittelwerber als auch sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört. Außerdem wurde beim Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich die sich aus der Aktenlage ergebende und unbestritten gebliebene Situation beim Vorfall vom 15. Oktober 1994 nachvollzogen.

4.1. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Rechtsmittelwerber wurde laut Anzeige am 15. Oktober 1994 um 6.20 Uhr als Lenker eines Kraftfahrzeuges vor dem Haus S, Richtung Marktplatz S fahrend, angehalten und vom Meldungsleger RI G aufgrund der von diesem festgestellten Alkoholisierungssymptome wie deutlicher Alkoholgeruch aus dem Mund und gerötete Augenbindehäute zum Alkotest aufgefordert. Als der Rechtsmittelwerber zustimmte, wurde er mit dem Gendarmeriefahrzeug zum Gendarmerieposten P gebracht, wo laut Meßprotokoll um 6.38 Uhr und um 6.39 Uhr eine jeweilige Atemalkoholkonzentration von 0,41 mg/l festgestellt wurde. Bereits aus der Anzeige geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber seinen Alkoholkonsum mit 1 Glas Cola-Rum in der Zusammensetzung 2 cl Rum und 1/4 l Cola in der Zeit von 5.45 Uhr bis 6.15 Uhr angegeben hat. Außerdem geht aus der Anzeige hervor, daß der Rechtsmittelwerber 2 Tabletten für Blutgerinnung und 1 Tablette für Appetithemmung eingenommen hat.

Die medizinische Sachverständige Dr. H hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung gutachtlich ausgeführt, daß, wenn zwischen Trinkende und Meßzeitpunkt weniger als 15 min vergangen sind, eine Verfälschung des Meßwertes durch Mundhaftalkohol durchaus denkbar wäre. Dies gelte nicht nur für den Konsum von alkoholischen Getränken, sondern auch bei der Anwendung von ethanolhaltigen Medikamenten, so auch durch die Pyralvex-Lösung, die laut Austria Codex in 1 ml 0,51 g Ethanol enthält. Der Mundhaftalkohl führe bei der Vermischung mit Ausatmungsluft zu einer momentanen Überhöhung der Atemalkoholkonzentration und damit möglicherweise zu falschen Meßwerten. Bei der Aufnahme ins Gewebe durch Biotransformation sowie die Verdampfung werde die Oberflächenkonzentration jedoch sehr rasch reduziert.

Laut Fachliteratur und der Betriebsanleitung der Firma S sind spätestens 15 min nach Expositionsende keine störenden Einflüsse mehr feststellbar.

Da der Rechtsmittelwerber beantragte, die damalige Situation nachzuvollziehen, wurde eine Simulation der von ihm behaupteten Trinkabfolge und Bepinselung seines Zahnfleisches durchgeführt. Dazu wurde der beim Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich in Verwendung stehende Alkomat V257 verwendet.

Bei der ersten Messung um 11.55 Uhr und 11.56 Uhr ergab sich eine Atemalkoholkonzentration von 0,0 mg/l. Im Anschluß daran, nämlich zwischen 12.00 Uhr und 12.20 Uhr, trank der Rechtsmittelwerber 2 cl 38%igen Inländerrum gemischt mit Cola und bestrich um 12.25 Uhr seine Zahnprothesen - dem Rechtsmittelwerber wurden aufgrund seiner Zahnprobleme mittlerweile sämtliche Zähne gezogen und er trägt im Bereich des Ober- und Unterkiefers Vollprothesen - jeweils im vorderen Sichtbereich mit Pyralvex-Lösung. Anschließend wurden in kurzen Abständen mehrere Untersuchungen der Atemluft durchgeführt. Der erste Test um 12.29 Uhr ergab einen Fehlversuch mit der Anzeige "Mundrestalkohol", ebenso der um 12.31 Uhr durchgeführte Test. Um 12.32 Uhr wurde ein Wert von 0,96 mg/l gemessen, um 12.34 Uhr ein Wert von 0,82 mg/l. Infolge der Probendifferenz wäre die Messung nicht verwertbar gewesen.

Um 12.39 Uhr ergab eine weitere Messung einen Wert von 0,44 mg/l und um 12.41 Uhr eine AAK von 0,20 mg/l. Infolge der Probendifferenz wäre auch diese Messung nicht verwertbar gewesen.

Um 12.44 Uhr, also 19 min nach der Bestreichung des Zahnfleisches, ergab die Messung einen Alkoholwert von 0,39 mg/l und um 12.46 einen Wert von 0,42 mg/l. Diese Messung wäre aufgrund der Probendifferenz von 0,03 verwertbar gewesen.

Um 12.53 Uhr ergab eine neuerliche Messung einen Wert von 0,17 mg und um 12.54 Uhr einen solchen von 0,16 mg/l AAK.

Beide Messungen wären verwertbar gewesen. Danach wurde der Test abgebrochen.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf dieser Grundlage zu der Auffassung, daß das Argument des Rechtsmittelwerbers, der bei der Atemluftuntersuchung festgestellte Alkoholgehalt sei nicht auf den konsumierten Alkohol sondern auf das in der Zahnlösung enthaltene Ethanol zurückzuführen, nicht von der Hand zu weisen ist. Rein rechnerisch läßt sich aus dem vom Rechtsmittelwerber behaupteten und durch nichts widerlegten Alkoholkonsum eine Alkoholbeeinträchtigung iSd § 5 Abs.1 StVO 1960 nicht nachvollziehen. Die Verwendungsbestimmungen für den Alkomat, nämlich die 15 min Wartezeit zwischen Trinkende bzw Ende der Behandlung mit dem alkoholhältigen Lösungsmittel und der Atemluftuntersuchung auf Alkoholgehalt wurden sowohl am 15. Oktober 1994 wie auch am 12. Oktober 1995 eingehalten. Der Test im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat zweifelsfrei ergeben, daß der Alkomat bereits 7 min nach Ende des letzten Alkoholkontakts keinen Fehlversuch aufgrund von Mundrestalkohol mehr angezeigt hat, sondern eine - aufgrund der Probendifferenz aber nicht verwertbare - Messung durchgeführt hat. Zu beobachten ist dabei, daß die jeweils gemessene Atemalkoholkonzentration zwischen 12.32 Uhr und 12.41 Uhr ständig absank, jedoch ist nicht erklärbar, warum um 12.44 Uhr, also 19 min nach dem letzten Alkoholkontakt, ein Wert von 0,39 und 0,42 mg/l AAK festgestellt wurde, während um 12.41 Uhr bereits ein Wert von 0,20 mg/l gemessen wurde.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist nicht auszuschließen, daß am 15. Oktober 1994 durch die Gaumenplatte der Teilprothese des Rechtsmittelwerbers Alkohol aus der Pyralvex-Lösung als Mundrestalkohol auf der Schleimhaut des Gaumens bzw der Gaumenplatte selbst verblieb und dadurch die ungewöhnlich hohe Atemalkoholkonzentration 19 min nach dem letzten Alkoholkontakt hervorrief. Bei der Simulation am 12. Oktober 1995 hat der Rechtsmittelwerber Vollprothesen getragen, sodaß nicht ausgeschlossen werden kann, daß es auch hier zur Anhäufung von Mundrestalkohol bzw einer momentanen Überhöhung der Atemalkoholkonzentration kam, die letztlich die gemessenen Werte erklärt. Nicht nachvollziehbar ist für den unabhängigen Verwaltungssenat, aus welchem Grund nach der Messung um 12.41 Uhr des 12.

Oktober 1995 mit 0,20 mg/l ein Wert um 12.44 Uhr von 0,39 mg/l bzw um 12.46 Uhr ein solcher von 0,42 mg/l erreicht wurde, es also zu einem Ansteigen des Atemalkoholwertes kam.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens nicht ausgeschlossen werden kann, daß der am 15. Oktober 1994 um 6.38 Uhr bzw 6.39 Uhr erzielte Atemluftalkoholgehalt von jeweils 0,41 mg/l nicht auf den getrunkenen sondern den Ethylalkohol aus der Pyralvex-Lösung zurückzuführen war, sodaß nicht mit Sicherheit von einer Alkoholbeeinträchtigung des Rechtsmittelwerbers iSd § 5 Abs.1 StVO 1960 auszugehen war.

Es war daher im Zweifel zugunsten des Beschuldigten spruch gemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum