Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102633/14/Bi/Fb

Linz, 08.05.1995

VwSen-102633/14/Bi/Fb Linz, am 8. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn P S, D, G, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H O und Dr. H N, L, L, vom 20. Februar 1995 gegen die Punkte 1) und 2) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 2. Februar 1995, VerkR96-2182-1994-SR/GA, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 28. April 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis in den Punkten 1) und 2) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind hinsichtlich der Punkte 1) und 2) nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 20 Abs.1 und 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat in den Punkten 1) und 2) des angefochtenen Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) und 2) jeweils §§ 99 Abs.3a iVm 20 Abs.1 StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) und 2) je 48 Stunden verhängt, weil er am 1. Mai 1994 um ca 22.20 Uhr den PKW, Kennzeichen , von F, kommend auf der W Gemeindestraße, Zufahrtsstraße A, D Gemeindestraße in Richtung G 1) beim Anwesen D und 2) beim Anwesen D mit einer nicht den gegebenen Umständen angepaßten Fahrgeschwindigkeit gelenkt habe, da er auf der 3 m breiten Fahrbahn jeweils trotz der unübersichtlichen Kurve ca 80 bis 90 km/h gefahren sei, obwohl nur eine Geschwindigkeit von ca 50 km/h angepaßt gewesen wäre.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 400 S auferlegt.

2. Gegen die Punkte 1) und 2) des Straferkenntnisses hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 28. April 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters, Rechtsanwalt Dr. O, der beiden Zeugen GI E und RI P und des technischen Amtssachverständigen Ing. L durchgeführt. Seitens der Erstinstanz ist niemand erschienen.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er bestreite in beiden Fällen, eine Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h eingehalten zu haben und insbesondere die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Das Verfahren der Erstinstanz sei insofern mangelhaft gewesen, als die Sichtverhältnisse im Bereich der beiden Anwesen nicht konkret festgestellt worden wären, wozu es auch der Durchführung eines Lokalaugenscheines bedurft hätte. Erst dadurch ließe sich, je nach dem Gebot des Fahrens auf halbe Sicht oder auf Sicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit überhaupt feststellen.

Die Meldungsleger hätten zwar bestätigt, sie seien in einer Länge von 700 bis 800 m in einem Abstand von 80 bis 100 m dem Fahrzeug nachgefahren, jedoch sei nicht festgestellt worden, ob dies gerade im Bereich der Anwesen D und erfolgt sei. Die Überprüfung eines erforderlichen konstanten Tiefenabstandes erscheine aber aufgrund des Nachfahrabstandes nicht möglich. Er habe außerdem deponiert, daß seine Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h im Bereich der beiden Anwesen überhaupt nicht einhaltbar sei, wozu die Behörde aber keine Ermittlungen getätigt habe.

Er beantrage daher die Beweiswiederholung unter Durchführung eines Lokalaugenscheines mit Beiziehung eines kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen sowie die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, im übrigen die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich beider Fakten.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber bzw sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört, die beiden Gendarmeriebeamten zeugenschaftlich vernommen, ein Ortsaugenschein unter Beiziehung des technischen Sachverständigen Ing. L durchgeführt und auf dieser Basis ein technisches Sachverständigengutachten erstellt wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 1. Mai 1994 gegen 22.20 Uhr seinen PKW , einen Audi 100 mit 136 PS, von F kommend auf der W Gemeindestraße, der Zufahrtsstraße A und in der Folge auf der D Gemeindestraße in Richtung G. Im Bereich des Golfplatzes befand sich zu diesem Zeitpunkt das Gendarmeriefahrzeug, ein Opel Astra mit 75 PS, in dem die beiden Gendarmeriebeamten saßen. Laut übereinstimmenden Angaben beider Zeugen wurde die Nachfahrt aufgrund der ihnen überhöht scheinenden Geschwindigkeit des ihnen unbekannten PKW-Lenkers aufgenommen, wobei RI P das Gendarmeriefahrzeug lenkte.

Der Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges war zum damaligen Zeitpunkt laserüberprüft, wobei sich herausgestellt hatte, daß bei einer angezeigten Geschwindigkeit von 100 km/h eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 90 km/h anzunehmen war. In der Anzeige wurde diese Tachoabweichung bereits berücksichtigt.

Im Rahmen des Ortsaugenscheines hat sich ergeben, daß der Beginn der Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand ab dem Ende des Badesees, nämlich am Beginn der D Gemeindestraße, erfolgte. Die D Gemeindestraße ist eine auf eine Breite von 3 m asphaltierte Straße, die auf beiden Seiten ein befahrbares Bankett von je 30 bis 40 cm Breite aufweist, sodaß von einer maximalen Straßenbreite mit Bankett von ca 3,80 m auszugehen ist. Die Entfernung vom Beginn der Nachfahrtstrecke bis zum Haus D Nr. beträgt Luftlinie 185 m. Die Straße verläuft im wesentlichen gerade und übersichtlich, beschreibt aber im Bereich des Anwesens eine Kurvenkombination, bei der das verfolgte Fahrzeug aus dem Sichtbereich verschwindet, um kurze Zeit später hinter dem Anwesen wieder aufzutauchen.

Kurz nach dem Anwesen D beschreibt die D Gemeindestraße eine Rechts-Links-Rechts-Kurvenkombination, wobei im Bereich der ersten Rechtskurve vom Sachverständigen im Rahmen eines Fahrversuchs eine Grenzgeschwindigkeit von 75 km/h ermittelt wurde. Vor dieser Rechtskurve beträgt die Sichtweite 70 m, was ein Fahren auf halbe Sicht und eine maximale Fahrgeschwindigkeit vor dem Bremsen von 60 km/h bedeutet.

Die Sichtverhältnisse beim Anwesen D Nr. lassen laut Sachverständigengutachten eine maximale Geschwindigkeit von 80 km/h offen, da die Kurve im Innenradius nicht verbaut ist und vom Scheinwerfer ausgeleuchtet werden kann. Aufgrund der starken Kurvenradien ist dabei aber zu bedenken, daß der Scheinwerferkegel die anschließende Fahrbahn nicht ausreichend ausleuchtet, wodurch eventuelle Fußgänger und schwach beleuchtete Fahrräder nur schwer bzw zu spät erkannt werden können.

Der Sachverständige hat festgestellt, daß, wenn die beiden Gendarmeriebeamten dem Rechtsmittelwerber in einem Abstand von ca 100 m nachgefahren sind, das Fahrzeug des Rechtsmittelwerbers für die nachfahrenden Beamten nur über eine Strecke von 80 m vor dem Anwesen D Nr. sichtbar war, wobei nur eine Zeit von 3 bis 4 sec zur Verfügung stand, um 1) das Fahrzeug in den gleichen Abstand zu bringen, 2) die Geschwindigkeit genau abzulesen, 3) den Abstand zum Fahrzeug zu kontrollieren und 4) die Geschwindigkeit wieder abzulesen.

Der Sachverständige hat auf dieser Grundlage festgestellt, daß in einem so kurzen Zeitabstand keine genaue Aussage über die Geschwindigkeit des Vorderfahrzeuges gemacht werden kann.

Nach dem Anwesen D war der Rechtsmittelwerber aufgrund der dort befindlichen verhältnismäßig starken Kurve, die mit höchstens 70 bis 75 km/h befahren werden könne, gezwungen, sein Fahrzeug abzubremsen und danach wieder zu beschleunigen, sodaß sich der Abstand zwischen seinem und dem nachfahrenden Exekutivfahrzeug vergrößerte, zumal das Exekutivfahrzeug ebenfalls vor dieser Kurve abbremsen mußte, während der Beschuldigte sein Fahrzeug bereits wieder beschleunigen konnte. Die folgenden 200 m bis zum Anwesen Nr. konnten daher aufgrund der Rechts-Links-Rechts-Kurvenkombination nicht in gleichbleibendem Abstand durchfahren werden, wodurch eine genaue Geschwindigkeitsbestimmung nicht möglich scheint.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind auf der Grundlage des durchgeführten Ortsaugenscheins, bei dem die Nachfahrstrecke zunächst abgefahren und dann auch teilweise abgegangen wurde, nachvollziehbar, wobei bereits hinsichtlich der Möglichkeit des Nachfahrens in gleichbleibendem Abstand aufgrund der örtlichen Gegebenheiten erhebliche Zweifel bestanden.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 20 Abs.1 StVO 1960 der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat.

In beiden Punkten des Straferkenntnisses wird dem Rechtsmittelwerber eine Nichteinhaltung der vor den jeweiligen unübersichtlichen Kurven im Bereich der Anwesen D und D angepaßten Geschwindigkeit von 50 km/h vorgeworfen. Dabei ist nicht nur die Leistung und Straßenlage des vom Rechtsmittelwerber damals gelenkten Fahrzeuges zu berücksichtigen, sondern vor allem der Umstand, daß der Rechtsmittelwerber aufgrund der mangelnden Ausleuchtung der Fahrbahn und der teilweise unübersichtlichen Kurven im Bereich der Häuser ausschließen konnte, daß sich dort Fußgänger bzw beim Herannahen schlecht erkennbare Fahrräder befinden. Unter Berücksichtigung aller Eventualitäten waren daher die in den Tatvorwürfen als angemessen bezeichneten Geschwindigkeiten von jeweils 50 km/h durchaus realistisch.

Das Beweisverfahren hat jedoch zweifelsfrei ergeben, daß die Kriterien für eine ordnungsgemäße Nachfahrt zum Zweck der Geschwindigkeitsfeststellung in beiden Fällen nicht erfüllt waren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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