Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102640/15/Bi/Fb

Linz, 19.05.1995

VwSen-102640/15/Bi/Fb Linz, am 19. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. W S, F, W, vertreten durch Dr. P Z, Rechtsanwalt in W, G, vom 1. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 9.

Februar 1995, III-St-1309/94/B, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 5. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Punkt 2) des Straferkenntnisses zur Gänze Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Hinsichtlich Punkt 1) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als von einer Geschwindigkeit von 143 km/h auszugehen ist, wobei der Zeitpunkt der Übertretung auf "gegen 15.27 Uhr" abgeändert wird; die Geldstrafe wird in Punkt 1) auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich im Punkt 1) auf 70 S; im übrigen entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1, 44a Z1 und 19 VStG, §§ 20 Abs.2, 18 Abs.1 und 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 und 2) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.300 S und 2) 600 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48 und 2) 36 Stunden verhängt, weil er am 25. März 1994 um 15.30 Uhr im Gemeindegebiet von E auf der M (A), Fahrtrichtung L, als Lenker des Kraftfahrzeuges 1) zwischen Strkm 19,000 und 18,000 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 30 km/h überschritten habe, 2) bei Strkm 17,500 nicht einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten habe, daß jederzeit ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 190 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 5. Mai 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters des Rechtsmittelwerbers, Rechtsanwalt Dr. L, des Zeugen RI W sowie des technischen Sachverständigen Ing. L durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz hat sich entschuldigt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe den aufgezeigten Widersprüchen und Unklarheiten im Ermittlungsverfahren nicht Rechnung getragen. So sei das Deckkennzeichen verschwiegen worden, obwohl nur so die Identität des Fahrzeuges nachgewiesen werden könnte. Er sei dadurch in seinem Recht auf Durchführung eines fairen Verfahrens verletzt worden. Es sei überdies "rechtspolitisch bedenklich, wenn durch Anonymität der Verifizierung entzogene Methoden verwaltungsstrafrechtliche Vorwürfe erhoben würden". Logischerweise sei auch damit der vorgelegte Eichschein nicht relevant, da er sich auf ein Fahrzeug mit einem Kennzeichen beziehe, welches zum damaligen Zeitpunkt nicht damit ausgestattet gewesen sei. Weiters sei seinem Beweisantrag auf Einvernahme eines informierten Vertreters der Firma O zum Nachweis dafür, daß der Vorwurf gemäß dem Punkt 2) des Straferkenntnisses unzutreffend sei, nicht nachgekommen worden. Unberücksichtigt sei auch der Umstand geblieben, daß nach den vorliegenden Aufnahmen als Tatzeitpunkt 15.26 Uhr angeführt ist, wobei für diesen Zeitpunkt keine objektiven Beweise vorhanden seien. Er beantrage daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhand lung, bei der der Vertreter des Rechtsmittelwerbers gehört, der angeführte Zeuge einvernommen, der in Rede stehende Videofilm eingesehen und auf dieser Grundlage ein technisches Amtssachverständigengutachten erstellt wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Rechtsmittelwerber hat nicht bestritten, am 25. März 1994 nachmittags den PKW Audi 80, , auf der M Richtung L gelenkt zu haben.

Aus der Aussage des Meldungslegers geht hervor, daß dieser zur selben Zeit mit einem Kollegen in dem nicht als Gendarmeriefahrzeug erkennbaren Zivilstreifenfahrzeug , einem grauen Mercedes 300 E, das zu diesem Zeitpunkt ein Deckkennzeichen, beginnend mit -.... aufwies und in dem eine ProViDa-Anlage eingebaut war, ebenfalls Richtung L unterwegs war.

RI W hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgesagt, der PKW habe das Zivilstreifenfahrzeug mit überhöht scheinender Geschwindigkeit überholt, sodaß die Beamten beschlossen hätten, diesem nachzufahren. Sie hätten dazu das Zivilstreifenfahrzeug in Nachfahrposition in einen ungefähren Abstand von 100 m gebracht und die ProViDa-Anlage bei km der A eingeschaltet. Da der Videofilm zu diesem Zeitpunkt bereits fast zur Gänze bespielt war, wurde die Nachfahrt nur für 9 sec auf Videofilm aufgenommen und wurde zum anderen aufgrund der kurzen Nachfahrtstrecke im Ausmaß von insgesamt 396 m durch das Gerät keine Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt, weil der Police-Pilot nicht eingeschaltet war.

Auf dem Videofilm ist einwandfrei erkennbar, daß der PKW des Rechtsmittelwerbers in einer Entfernung von ca 100 m vor dem Gendarmeriefahrzeug fuhr, auf einen PKW aufschloß und schließlich zum Überholen ansetzte. Beim Fahrstreifenwechsel auf die Überholspur endet der Videofilm, sodaß der im Punkt 2) des Straferkenntnisses formulierte Tatvorwurf nicht mehr in dieser Weise festgehalten ist.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, daß die Nachfahrstrecke über 22 Leitlinien und deren Abstand erfolgte, was aufgrund einer Leitlinien- und einer Abstandslänge von jeweils 9 m eine Nachfahrstrecke von 396 m ergibt.

Bei Beginn des Videofilms befindet sich das Gendarmeriefahrzeug bereits in Nachfahrposition hinter dem PKW des Rechtsmittelwerbers, wobei eine Geschwindigkeit des Gendarmeriefahrzeuges von 160 km/h angezeigt wird. Anschließend ist erkennbar, daß beim Aufschließen und Umspuren des Beschuldigtenfahrzeuges sich der Nachfahrabstand etwas verringert, wobei über die genaue Reduzierung des Abstandes keine Aussage durch den Sachverständigen getroffen werden konnte, weil die Filmqualität bzw der verhältnismäßig kleine Bildschirm ein Abzählen der Leitlinien und deren Abstände in dieser Entfernung nicht mehr ermöglichte. Der Sachverständige hat diese Abstandsverkürzung zugunsten des Rechtsmittelwerbers mit 30 m angenommen, wobei aus dem Film ersichtlich ist, daß sich zum Zeitpunkt des Umspurens des Fahrzeuges die Geschwindigkeit auf 156 km/h verringerte. Bei einer tatsächlichen Nachfahrstrecke von 370 m ergibt sich somit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 41,11 m/sec, sohin eine Geschwindigkeit von 148 km/h. Bei Abzug einer Toleranz von 3 % - der Tachometer und die ProViDa-Anlage des Gendarmeriefahrzeuges sind geeicht, nicht aber die Verbindung vom Getriebe zu den Reifen, sodaß je nach Reifengröße bzw deren Zustand geringfügige Abweichungen möglich sind - ergibt sich somit eine gesicherte Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Rechtsmittelwerbers von 143,7 km/h.

Der Rechtsmittelwerber wurde auf einem Parkplatz angehalten, vermochte aber keinen Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung anzugeben.

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses hat der Meldungsleger glaubwürdig dargelegt, daß der Rechtsmittelwerber auf den PKW der Firma O, der sich auf dem Überholstreifen befand, aufgeschlossen hat, wobei jedoch hinsichtlich der genauen Umstände der Feststellung des Nachfahrabstandes aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit keine konkreten Aussagen mehr gemacht werden konnten. Das Kennzeichen dieses PKW wurde nicht notiert und auch eine Anhaltung erfolgte nicht.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf, sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

Die bereits unter Abzug aller Toleranzgrößen zugunsten des Rechtsmittelwerbers ermittelte und widerum zu seinen Gunsten abgerundete Geschwindigkeit von 143 km/h ist aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens als gesichert anzunehmen und daher dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundezulegen. Daraus ergibt sich auch die Spruchänderung.

Die Einwendungen des Rechtsmittelwerbers im Hinblick auf das Deckkennzeichen des Gendarmeriefahrzeuges sind in diesem Zusammenhang deshalb irrelevant, weil die Identität des Fahrzeuges in Verbindung mit dem vorgelegten Eichschein für das ProViDa-Gerät jederzeit feststellbar ist. Daß das Zivilstreifenfahrzeug zum damaligen Zeitpunkt als Gendarmeriefahrzeug nicht erkennbar war, weil es mit einem Deckkennzeichen ausgestattet war, mag zwar den Interessen des Rechtsmittelwerbers zuwiderlaufen, ändert aber nichts an der Beweiskraft des vorgelegten Videofilms. Von rechtspolitisch bedenklichen, durch Anonymität der Verifizierung entzogenen Methoden kann nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates keine Rede sein, weil außer dem jederzeit nachvollziehbaren Film auch die glaubwürdigen Aussagen eines unter der Wahrheitspflicht des § 289 StGB sowie unter Diensteid stehenden Gendarmeriebeamten sowie der Zulassungsschein für das Zivilstreifenfahrzeug und der Eichschein für die ProViDa-Anlage, beides unbedenkliche Urkunden, zur Verfügung standen. Die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, der Eichschein sei nicht relevant, weil er sich auf ein Fahrzeug mit einem Kennzeichen bezieht, welches zum damaligen Zeitpunkt damit (?) nicht ausgestattet war, ist vielmehr den logischen Denkgesetzen folgend nicht nachvollziehbar.

Die beim Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich verwendeten Deckkennzeichen, ds Kennzeichen einer oberösterreichischen Bezirkshauptmannschaft, für die auch ein Zulassungsschein existiert, werden jeweils nur für ein bestimmtes Zivilstreifenfahrzeug verwendet und nicht untereinander ausgetauscht. Da die einzelnen Gendarmeriefahrzeuge außerdem im Sprachgebrauch der Gendarmerie noch jeweils eigene Bezeichnungen tragen, ist davon auszugehen, daß es für ein und dasselbe Fahrzeug jeweils drei verschiedene Zuordnungskriterien gibt. Das Deckkennzeichen ist somit nur eine Möglichkeit - und davon im täglichen Gebrauch die unwichtigste -, die Identität eines Gendarmeriefahrzeuges festzustellen. Von einem anonymen Beweismittel kann im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht die Rede sein.

Daß die Geschwindigkeit von 143 km/h über der auf Autobahnen grundsätzlich erlaubten Geschwindigkeit von 130 km/h liegt, steht wohl außer Zweifel. Aus dem Videofilm ergibt sich weiters, daß die Geschwindigkeitsfeststellung am 25. März 1994 zwischen 15.26 Uhr und 15.27 Uhr erfolgte, sodaß der Spruch des Straferkenntnisses im Punkt 1) diesbezüglich abzuändern war. Die Lichtbilder mit der nunmehr vorgeworfenen Uhrzeit wurden dem rechtsfreundlichen Vertreter des Rechtsmittelwerbers am 10. August 1994, also innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, zur Kenntnis gebracht. Die Gefahr einer Doppelbestrafung durch die Spruchabänderung scheidet aus, weil der Rechtsmittelwerber angehalten wurde; die in der Anzeige angeführte Zeit 15.30 Uhr ist offenbar die der Amtshandlung.

Aufgrund all dieser Überlegungen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber zweifellos den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeitsüberschreitung in einem geringeren Ausmaß auch die verhängten Strafen entsprechend herabzusetzen waren, wobei die von der Erstinstanz angenommenen finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers von diesem nicht angefochten und daher auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt werden. Mildernd war im gegenständlichen Fall nichts zu werten; erschwerend waren fünf einschlägige Vormerkungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aus den Jahren 1991, 1992 und 1993 zu berücksichtigen. Die beiden (bislang) letzten Vormerkungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen stammen aus einer Zeit nach dem 25. März 1994 und waren daher nicht mehr als Erschwerungsgründe heranzuziehen.

Beim unabhängigen Verwaltungssenat entsteht aufgrund der einschlägigen Vormerkungen der Eindruck, daß der Rechtsmittelwerber offensichtlich nur durch höhere Strafen dazu zu bewegen ist, Geschwindigkeitsbeschränkungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers. Die Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S, Ersatzfreiheitsstrafen bis zwei Wochen vor) und hält sowohl generalsowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 51i VStG darf, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht genommen werden, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

Da sich der Meldungsleger an die konkreten Umstände der dem Rechtsmittelwerber im Punkt 2) vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht mehr erinnern konnte, war im Zweifel zugunsten des Rechtsmittelwerbers diesbezüglich mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen.

zu II.:

Der Ausspruch über den Kostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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