Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102683/4/Ki/Shn

Linz, 04.05.1995

VwSen-102683/4/Ki/Shn Linz, am 4. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Wojciech Piotr W, vom 19. Februar 1995 gegen Faktum 3 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 2. Februar 1995, Zl.VerkR96-1904-1994/Bi/Hu, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich Faktum 3 behoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt.

II: Hinsichtlich Faktum 3 des angefochtenen Straferkenntnisses entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 2. Februar 1995, VerkR96-1904-1994/Bi/Hu, dem Berufungswerber ua vorgeworfen, er habe am 20.4.1994 um 17.25 Uhr den Kraftwagenzug, Kennz.

auf der Pyhrnpaßstraße B 138, Strkm. im Gemeindegebiet von M kommend in Richtung K gelenkt, wobei er sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugte, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, weil am Kraftwagen der linke Vorderreifen Beschädigungen aufwies, die bis zum Gewebe reichten (Faktum 3). Er habe dadurch § 102 Abs.1 KFG iVm § 4 Abs.4 KDV, jeweils i.Z.m. § 134 Abs.1 KFG 1967 verletzt und es wurde über ihn gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 80 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber erhob mit Schriftsatz vom 19. Februar 1995 Berufung hinsichtlich Faktum 3 des Straferkenntnisses. Er begründet diese Berufung damit, daß er sich, wie üblich, vor Antritt der Fahrt überzeugt habe, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprach. Die festgestellte Beschädigung des linken Vorderreifens könnte nur während der Fahrt passiert sein.

Mit den übrigen Vorwürfen (Fakten 1 und 2) sei er einverstanden.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt Beweis erhoben und überdies das Gutachten eines kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen zur Frage, ob es möglich sei, daß die verfahrensgegenständliche Beschädigung des linken Vorderreifens am Kraftwagen erst nach Fahrtantritt entstanden ist, eingeholt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, da sich bereits aus der Aktenlage eindeutige Anhaltspunkte für die spruchgemäße Entscheidung ergeben haben (§ 51e Abs.1 VStG).

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, so hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Im gegenständlichen Falle wurde anläßlich einer Verkehrskontrolle festgestellt, daß der am vom Berufungswerber gelenkten LKW montierte linke Vorderreifen eine ca 5 cm große Beschädigung aufwies und es wurde ihm vorgeworfen, daß er sich vor Antritt der Fahrt nicht in zumutbarer Weise überzeugt hat, daß das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht. Auf den konkreten Fall bezogen hat der kraftfahrtechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten hinsichtlich Beschädigung des Reifens festgestellt, daß eine derartige Beschädigung in den meisten Fällen durch Überfahren eines scharfkantigen Gegenstandes unterschiedlichen Ausmaßes und unterschiedlicher Form entstehe.

Insbesondere überfahrene Metallgegenstände können derartige Beschädigungen hervorrufen. Die in der Lichtbildbeilage (sh Verfahrensakt) ersichtliche Beschädigung am Reifen zeige keinen markanten Abriebunterschied zwischen dem abgelösten Gummiteil und des anschließenden Laufflächengummis. Es sei daher eher darauf zu schließen, daß seit Auftreten der Beschädigung keine Fahrstrecke über mehrere 1.000 km zurückgelegt worden sei. Eine exakte Aussage, zu welchem Zeitpunkt die Beschädigung entstanden sei, könne jedoch nicht getroffen werden.

Es sei daher festzustellen, daß aus kraftfahrtechnischer Sicht nicht nachgewiesen werden könne, daß die gegenständliche Beschädigung bereits vor Fahrtantritt vorhanden war, da zwar der exakte Zeitpunkt des Entstehens der Beschädigung nicht festgestellt werden könne, jedoch auch keinerlei Umstände vorliegen, die auf eine längerzeitige Verwendung des Reifens bei bereits vorhandener Beschädigung schließen lassen.

Diese Ausführungen des kraftfahrtechnischen Amtssachver ständigen erscheinen der erkennenden Behörde schlüssig und nicht in Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen stehend. Es bestehen daher keine Bedenken, die gutächtliche Feststellung der Entscheidung zugrundezulegen.

Ausgehend von diesem Gutachten ist festzustellen, daß nicht auszuschließen ist, daß die verfahrensgegenständliche Beschädigung des linken Vorderreifens tatsächlich erst nach dem letzten Fahrtantritt entstanden ist, weshalb nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angenommen werden kann, daß sich der Berufungswerber vor Antritt der Fahrt nicht in zumutbarer Weise davon überzeugt hat, daß das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht.

Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat kann somit nicht erwiesen werden, es war daher der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 AVG).

Gegen die Fakten 1 und 2 des Straferkenntnisses wurde nicht berufen; diesbezüglich ist das angefochtene Straferkenntnis bereits rechtskräftig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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