Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102689/14/Bi/Fb

Linz, 22.11.1995

VwSen-102689/14/Bi/Fb Linz, am 22. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn T S, G, W, vom 23. März 1995 gegen die Punkte 1) bis 5) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wels vom 17. März 1995, III-St-1903/94, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 10. November 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 1) bis 5) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 134 Abs.1 iVm 64 Abs.1, 102 Abs.1 iVm 36e und 99 Abs.3 KFG 1967, §§ 20 Abs.2 und 97 Abs.5 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 idF BGBl.Nr. 522/93.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat in den Punkten 1) bis 5) des oben angeführten Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 64 Abs.1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967, 2) §§ 102 Abs.1 iVm 36e und 134 Abs.1 KFG 1967, 3) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, 4) §§ 99 Abs.3 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 und 5) §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, Geldstrafen von 1) 5.000 S, 2) 700 S, 3) 5.000 S, 4) 500 S und 5) 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 6 Tagen, 2) 36 Stunden, 3) 6 Tagen, 4) 24 Stunden und 5) 48 Stunden verhängt, weil er am 13. Mai 1994 um 23.25 Uhr den PKW in W, auf der L in Höhe des Objektes Nr. 179 in östliche Richtung gelenkt habe, 1) ohne im Besitz einer für diese Gruppe gültigen Lenkerberechtigung zu sein, 2) wobei die Begutachtungsplakette nicht mehr gültig gewesen sei, da diese die Lochung 12/93 aufgewiesen habe, 3) den PKW mit einer Geschwindigkeit von ca 130 km/h gelenkt und somit die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um ca 80 km/h überschritten zu haben, 4) das Fernlicht im Ortsgebiet verwendet zu haben, obwohl keine höhere Geschwindigkeit gefahren hätte werden dürfen und 5) das von einem Sicherheitswachebeamten mit dem roten Licht des Anhaltestabes deutlich erkennbare Haltezeichen nicht beachtet zu haben.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 1.220 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu ent scheiden (§ 51c VStG). Am 10. November 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers und des Zeugen RI F S durchgeführt.

Der Vertreter der Erstinstanz hat sich entschuldigt. Der als Zeuge geladene GI J E ist nicht erschienen.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe das Fahrzeug zum Vorfallszeitpunkt nicht gelenkt, sondern dieses in einem Lokal einer ihm unbekannten Person geliehen. Als er später nachgesehen habe, sei das Auto auf dem ursprünglichen Parkplatz gestanden, und er habe den Schlüssel mitgenommen. Etwas später sei die Polizei gekommen und die Beamten hätten ihn und seine Frau wegen des Fahrzeuges verhört. Als er dann zur Polizei mußte, sei er zu zwei Vorfällen, nämlich zu dem vom 13. Mai und zu dem vom 28. März 1994, gleichzeitig vernommen worden, vielleicht habe er dabei etwas verwechselt. Er sei im gegenständlichen Fall zu 44.000 S verurteilt worden, obwohl er sich keiner Schuld bewußt sei und hoffe auf Gerechtigkeit.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstinstanz sowie Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber gehört, der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und die Aussage der Gattin des Rechtsmittelwerbers, D M S, vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der BPD W vom 20. Juni 1994 verlesen wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Meldungsleger RI S hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Vorfall so geschildert, daß er zusammen mit GI E an diesem Abend Dienst hatte und eine Sektorenfahndung durchgeführt wurde. Auf der Linzer Straße fuhr um ca 23.25 Uhr ein PKW stadtauswärts und GI E trat auf die Straße, um den PKW, der augenscheinlich eine überhöhte Geschwindigkeit innehatte, anzuhalten. Der Meldungsleger hat ausgeführt, daß er bereits beim Herannahen des PKW den Eindruck gehabt habe, daß der Lenker nicht stehenbleiben würde, und er habe sich daher sofort auf dessen Kennzeichen konzentriert und habe es auch ablesen können. Der PKW habe erwartungsgemäß nicht angehalten, wobei er sich nur noch erinnern könne, daß sich darin offensichtlich außer dem Lenker, den er nicht erkennen habe können, ein Beifahrer und seiner Erinnerung nach auch noch weitere Personen befunden hätten. Als der PKW an ihnen vorbeigefahren sei, sei der Lenker kurz auf die Bremse gestiegen, sodaß die Bremsleuchten aufgeleuchtet hätten, und der Zeuge führte aus, daß bei alten Kennzeichen durch die aufleuchtenden Bremsleuchten ein Ablesen erschwert worden sei, nicht aber bei den neuen Kennzeichen.

Als Zulassungsbesitzerin wurde die Gattin des Rechtsmittelwerbers erhoben, und die beiden Beamten fuhren mit dem Polizeifahrzeug zur Adresse G 12, wo der PKW aber nicht gesehen wurde. Anschließend suchten beide Polizeibeamte den Nahbereich dieses Hauses ab, fanden das Fahrzeug aber nirgends. Die Zulassungsbesitzerin wurde telefonisch gefragt, ob mit dem PKW zur Zeit jemand unterwegs sei, und sie antwortete ihnen, der PKW sei vor dem Haus abgestellt.

Sie wurde ersucht, zum Auto zu kommen, und als die Polizei beim Haus G 12 eintraf, kamen auch die Zulassungsbesitzerin und der Rechtsmittelwerber zum Fahrzeug. Der Rechtsmittelwerber wurde gefragt, wo er sich zum Zeitpunkt der versuchten Anhaltung aufgehalten hätte und laut Meldungsleger habe er zuerst angegeben, er habe sich zuhause aufgehalten, dann, er habe sich im Gasthaus "M" aufgehalten, und es sei auch die Rede davon gewesen, daß das Fahrzeug gestohlen worden sei. Bei der darauffolgenden erkennungsdienstlichen Untersuchung wurde festgestellt, daß am Fahrzeug keine Spuren von Gewaltanwendung sichtbar waren. Auf dieser Grundlage bestand beim Meldungsleger der Verdacht, daß der Rechtsmittelwerber zum maßgeblichen Zeitpunkt mit dem Fahrzeug gefahren sein könnte, wobei an auch deutliche Zeichen einer Alkoholisierung feststellbar waren. Der Rechtsmittelwerber habe aber vor dem Haus G 12 der um 23.55 Uhr des 13. Mai 1994 an ihn ergangenen Aufforderung, sich einer Atemalkoholuntersuchung zu unterziehen, mit der Begründung nicht Folge geleistet, er habe den PKW nicht gelenkt. Zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführte Erhebungen im Lokal "M" hätten ergeben, daß der Rechtsmittelwerber, der dort Lokalverbot habe, sich sicher schon mehrere Wochen lang nicht mehr dort sehen habe lassen, wobei das Lokal um 22.00 Uhr schließe. Zum Zeitpunkt der Amtshandlung sei das Lokal jedenfalls geschlossen gewesen.

Der Rechtsmittelwerber hat sich dahingehend verantwortet, er sei bis ca 22.00 Uhr mit Freunden zuhause gewesen, wobei er schon etwas getrunken hatte. Seine Frau habe schon geschlafen und er sei, nachdem die Freunde weggegangen wären, noch ins Lokal "M" gegangen. Es sei richtig, daß er dort Lokalverbot habe, dieses sehe aber so aus, daß er ein bis zwei Getränke bekomme und dann gehen müsse. An diesem Abend sei im Lokal ein Sparvereinstreffen gewesen und es könne daher sein, daß sich weder der Wirt noch die Angestellte an ihn erinnern konnten. Im Lokal habe er einen ihm unbekannten, ca 25jährigen Mann getroffen, den er aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr beschreiben könne, und dieser habe ihn ersucht, ihm das Auto zu borgen, weil er seine Freundin abholen wolle. Er habe zu diesem Zeitpunkt die Reserveschlüssel eingesteckt gehabt und sei mit dem Mann auf die Straße gegangen, habe ihm die Schlüssel gegeben, das Fahrzeug gezeigt und ihm gesagt, er solle das Fahrzeug wieder dort abstellen. Er könne den Umstand, daß er einem Unbekannten das Fahrzeug geborgt habe, nur auf seine Alkoholisierung zurückführen. Das Lokal habe ca um 23.00 Uhr geschlossen, und er sei dann nachhause gegangen. Dabei habe er festgestellt, daß das Fahrzeug vor der Tür abgestellt war und der Schlüssel steckte. Er habe den Schlüssel mit hineingenommen. Anschließend habe die Polizei seine Frau angerufen, die schon geschlafen habe, und gefragt, wo sich das Auto befinde. Seine Gattin habe geantwortet, das Fahrzeug sei vor der Tür geparkt, weil sie nicht angenommen habe, daß jemand damit gefahren sei. Sie habe auch nicht gewußt, daß er die Reserveschlüssel eingesteckt gehabt hatte. Sie sei ersucht worden hinunterzukommen und er sei mit ihr gegangen. Die beiden Polizisten hätten ihn mit der Frage konfrontiert, ob er das Fahrzeug gelenkt habe, und es könne durchaus sein, daß er infolge seiner Alkoholisierung gesagt habe, das Fahrzeug sei gestohlen worden. Er habe diese Aussage aber bei der Kriminalpolizei widerrufen. Er habe den Beamten erzählt, daß er zunächst in der Wohnung und dann im Lokal "M" gewesen sei, was ihm diese aber nicht geglaubt hätten.

Die Gattin des Rechtsmittelwerbers, die Zulassungsbesitzerin des PKW , hat am 20. Juni 1994 bei ihrer Befragung vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der Erstintanz ausgesagt, sie habe an diesem Abend schon geschlafen, als um ca 23.50 Uhr die Polizei angerufen habe. Der Polizist habe am Telefon zu ihr gesagt, daß jemand mit ihrem Auto gefahren sei, und sie solle zum Auto kommen. Sie sei mit ihrem Mann zum Auto hinuntergegangen und sei dort nach den Autoschlüsseln gefragt worden, die sie aus der Wohnung geholt habe. Die Autoschlüssel seien dort gewesen, wo sie immer aufbewahrt würden, sie vermisse aber bereits sei drei bis vier Monaten den Reserveschlüssel. Sie könne nicht angeben wer mit dem Fahrzeug zur fraglichen Zeit gefahren sei. Sie wisse nicht, ob ihr Mann mit dem Auto gefahren sei, und sie wisse auch nicht, ob er im Lokal "M" gewesen sei. Sie seien bis 22.00 Uhr zusammen in der Küche gesessen und hätten dort Cola-Rotwein getrunken.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gelangt der unabhängige Verwaltungssenat auf dieser Grundlage zu der Auffassung, daß die Aussagen des Rechtsmittelwerbers zwar in einigen Punkten den Aussagen seiner Gattin widersprechen und auch Widersprüche im Hinblick auf die zeugenschaftliche Aussage des Meldungslegers vorhanden sind, insbesondere im Hinblick auf den behaupteten Aufenthalt im Lokal "M" an diesem Abend.

Fest steht aber, daß der Meldungsleger bei der versuchten Anhaltung um 23.25 Uhr nur in der Lage war zu erkennen, daß sich mehrere Personen im Fahrzeug befanden, nicht aber, wer das Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt gelenkt hat. Daß der Rechhtsmittelwerber bei irgendeiner Tätigkeit gesehen wurde, die in einem Zusammenhang mit einem Lenken des Fahrzeuges stand, z.B. das Abziehen des Zündschlüssels o.ä., wurde vom Zeugen nicht behauptet.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß Grundlage für die in Rede stehenden Tatvorwürfe die Anzeige des Meldungslegers ist, die im wesentlichen den im Rahmen der zeugenschaftlichen Einvernahme vor dem unabhängigen Verwal tungssenat von diesem unter der Wahrheitspflicht des § 289 StGB stehend gemachten Angaben entspricht. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, daß der Rechtsmittelwerber lediglich aufgrund eines Verdachtes des Meldungslegers beschuldigt wurde, das Fahrzeug um 23.25 Uhr des 13. Mai 1994 gelenkt zu haben. Bereits aus der Anzeige ergibt sich, daß der Meldungsleger offenbar die Person des Lenkers zum damaligen Zeitpunkt nicht erkannt hat, und auch im Rahmen der mündlichen Einvernahme hat sich dahingehend nichts anderes ergeben. Der Verdacht des Lenkens wurde dahingehend untermauert, daß für den Meldungsleger feststand, daß die Zulassungsbesitzerin selbst - sie war zum Vorfallszeitpunkt im 9. Monat schwanger - nicht gefahren sein konnte, und der Rechtsmittelwerber widersprüchliche Angaben über die Verwendung des Fahrzeuges und seinen Aufenthaltsort für den Lenkzeitpunkt machte, wobei der Rechtsmittelwerber auch damals angab, das Fahrzeug einer unbekannten Person geborgt zu haben.

Nach dem Wortlaut der zugrundezulegenden Gesetzesbestimmungen in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung reicht der bloße Verdacht des Lenkens nicht aus, sondern das objektive Tatbestandselement des Lenkens des Fahrzeuges muß von der Behörde bewiesen werden.

Die von der Erstinstanz dafür herangezogene Anzeige in Verbindung mit der nunmehrigen Zeugenaussage des Meldungslegers im Rahmen der mündlichen Verhandlung reicht nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates als Grundlage für den in Rede stehenden Tatvorwurf nicht aus, weil der Meldungsleger selbst zugestanden hat, den Lenker nicht erkannt zu haben.

Allein aus der widersprüchlichen und in vielerlei Hinsicht eher unglaubwürdigen Verantwortung des Rechtsmittelwerbers vermag der unabhängige Verwaltungssenat die Lenkereigenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht nachzuvollziehen. Es war daher nach dem Grundsatz "in dubio pro reo", im Zweifel zugunsten des Beschuldigten, spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall des Verfahrenskostenersatzes ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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