Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102952/2/Ki/Shn

Linz, 18.07.1995

VwSen-102952/2/Ki/Shn Linz, am 18. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Martin Z, vom 13. Juni 1995 gegen die Punkte 1, 2 und 3 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 31. Mai 1995, Zl.St.6.525/95 In, zu Recht erkannt:

I: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich vollinhaltlich bestätigt.

II: Zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz hat der Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von insgesamt 1.640 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafen, zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat dem Berufungswerber mit mündlich verkündetem Straferkenntnis vom 31. Mai 1995, St.6.525/95 In, vorgeworfen, er habe am 7.5.1995 um 00.43 Uhr in Linz, vom Haus H kommend in Ri. H ein Fahrrad 1) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, 2) den Gehsteig bzw Schutzinsel vorschriftswidrig benützt, 3) bei Dunkelheit ein unbeleuchtetes FR gelenkt, 4) ein FR gelenkt, das nicht a) mit einer helltönenden Glocke zum Abgeben von Warnzeichen, b) mit einer vorschriftsmäßigen Lampe, c) mit einem vorschriftsmäßigen roten Rücklicht, d) mit einem vorschriftsmäßigen roten Rückstrahler, e) mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen, f) mit Reifen oder Felgen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend sind od. an jedem Rad mit mind. zwei nach beiden Seiten wirksamen gelben Rückstrahlern von mind. 20 cm2 ausgerüstet war.

Er habe dadurch §§ 1) 5/1 StVO, 2) 8/4 StVO, 3) 60/3 StVO, 4) 66 Abs.2 Z a) 2, b) 3, c) 4, d) 5, e) 6, f) 7 StVO verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn hinsichtlich Faktum 1) gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) und hinsichtlich der Fakten 2) bis 4) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von jeweils 100 S (Ersatzfreiheitsstrafen je sechs Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 830 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber legt mit Schriftsatz vom 13. Juni 1995 fristgerecht einen Berufungsschriftsatz vor und erklärt ausdrücklich, daß das Straferkenntnis in seinen Punkten 1, 2 und 3 angefochten und als Berufungsgrund Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht werde.

Er sei bei der Abgabe des (vor der belangten Behörde abgegebenen) Geständnisses einem Irrtum unterlegen, weil er davon ausgegangen sei, daß das Schieben eines Fahrrades mit dem Lenken eines Fahrrades gleichzusetzen sei. Er sei daher davon ausgegangen, daß er durch das Schieben des Fahrrades, wobei er nur diese Tatsache mit seinem Geständnis bestätigt habe, die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen habe. Bei dem von ihm gelenkten Fahrrad handle es sich um ein sogenanntes Akrobatik-Fahrrad mit einer Höhe von 20 Zoll und einer äußerst niedrigen Sitzhöhe, welche nur kurz über den Knien liege. Ein Schieben dieses Fahrrades sei aufgrund der Ausgestaltung nur möglich, indem man sich auf dem Fahrradsattel sitzend mit den Füßen vom Boden abstoße und dadurch das Fahrrad in Bewegung bringe. Ausgehend davon habe er das Fahrrad geschoben und nicht gelenkt, weshalb die vorgeworfenen objektiven Tatbestände nicht gegeben wären.

Die Erstbehörde habe sich nicht mit den Milderungsgründen auseinandergesetzt. Diese würden bei weitem die Erschwerungsgründe überwiegen und sei der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tathandlungen noch ein Jugendlicher iSd § 20 VStG gewesen, weshalb die Erstbehörde zumindest die zu Punkt 1) verhängte Geldstrafe um die Hälfte hätte reduzieren müssen. Auch hinsichtlich der Punkte 2, 3 und 4 hätte die Behörde von ihrem Recht gemäß § 21 VStG Gebrauch machen und von einer Strafe absehen müssen.

Es sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß der Beschuldigte über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge und daher die von der Erstbehörde verhängte Strafe für diesen wirtschaftlich eine Katastrophe darstelle.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil die Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung (Auslegung des Begriffes "Lenken eines Fahrzeuges") bzw die Strafhöhe bemängelt und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.

Gemäß § 8 Abs.4 leg.cit. ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, verboten.

Gemäß § 60 Abs.3 leg.cit. sind während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, Fahrzeuge auf der Fahrbahn zu beleuchten; ausgenommen hievon sind Fahrräder, die geschoben werden.

Dazu wird vorerst festgestellt, daß der vom Meldungsleger in der Anzeige vom 8. Mai 1995 festgestellte und der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhalt in keiner Weise bestritten wird. Strittig ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob das Fortbewegen eines Fahrrades derart, daß auf dem Sitz des Fahrrades sitzend durch Abstoßen vom Boden mit den Füßen Schwung geholt wird, als Lenken bzw Fahren iSd zitierten Gesetzesbestimmungen zu qualifizieren ist.

Mit dieser Frage hat sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bereits in seiner Entscheidung vom 6. September 1993, VwSen-101092/9/Fra/Ka, auseinandergesetzt und festgestellt, daß die Fortbewegung auf einem Fahrrad derart, daß das linke Bein auf dem Pedal gehalten wird und man sich mit dem rechten Bein immer wieder abstößt, nicht bloß als ein Schieben, sondern als Fahren (und damit wohl auch als Lenken) zu qualifizieren ist.

Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach derjenige, der ein Motorrad - und wohl auch ein Fahrrad - auf dem er sitzt, mit beiden Füßen anschiebt und daher ohne Anwendung von Maschinenkraft rollen läßt, dieses lenkt (VwGH 31.10.1984, 83/03/0121, ZVR 1986/80) besteht auch im vorliegenden Falle keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzuweichen. Wenn bereits die oben dargelegte Fortbewegung eines Fahrrades als Lenken bzw Fahren zu qualifizieren ist, so hat der Berufungswerber durch die ihm vorgeworfene Fortbewegungsart seines Fahrrades dieses iSd zitierten Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung gelenkt bzw benutzt, weshalb er die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen tatsächlich verwirklicht hat und die Bestrafung somit zu Recht erfolgt ist.

Was die Argumentation des Berufungswerbers hinsichtlich der §§ 20 und 21 VStG anbelangt, so ist dieser § 100 Abs.5 StVO 1960 (idF der 19. StVO-Novelle) entgegenzuhalten. Diese Bestimmung legt ua ausdrücklich fest, daß bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 die Bestimmungen der §§ 20, 21 und 50 VStG keine Anwendung finden. Aufgrund dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kommt somit im vorliegenden Falle hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs.1 StVO weder ein Absehen von der Strafe (§ 21 VStG) noch eine außerordentliche Milderung der Strafe (§ 20 VStG) zur Anwendung.

Im übrigen wird zur Strafbemessung festgestellt, daß gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

Die in der Straßenverkehrsordnung 1960 festgelegten "Alkoholdelikte" zählen zu den gröbsten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, weil sie in besonderem Maße geeignet sind, die durch die Strafdrohung geschützten Interessen der Verkehrssicherheit zu schädigen. Der erhebliche Unrechtsgehalt dieser Übertretung spiegelt sich im gesetzlich festgelegten Strafrahmen von 8.000 S bis 50.000 S wider.

Der Gesetzgeber hat hier das Lenken eines Fahrzeuges, und damit auch eines Fahrrades, in alkoholisiertem Zustand generell pönalisiert und damit dem Umstand Rechnung getragen, daß auch von einem alkoholisiertem Radfahrer auf öffentlichen Verkehrsflächen eine gravierende Gefährdung der Verkehrssicherheit ausgehen kann. Durch die Androhung einer entsprechend hohen Bestrafung soll diese Gefährung (einschließlich einer Selbstgefährdung) hintangehalten werden.

Im Hinblick auf den festgelegten Strafrahmen bzw auf § 100 Abs.5 StVO 1960 konnte die belangte Behörde selbst bei Vorliegen allfälliger Milderungsgründe bzw ungünstiger sozialer Verhältnisse keine geringere als die Mindeststrafe verhängen, weshalb die Herabsetzung der gemäß § 99 Abs.1 lit.a verhängten Geldstrafe nicht zulässig ist.

Bezüglich der hinsichtlich Fakten 2 und 3 verhängten Geldstrafen von jeweils 100 S wird festgestellt, daß diese im Hinblick auf den gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) bereits äußerst gering bemessen wurden. Durch die Geldstrafe von jeweils 100 S wurde lediglich die Ordnungswidrigkeit des Verhaltens des Berufungswerbers geringfügig geahndet und sind diesem diese geringfügigen Geldstrafen auch bei den gegebenen Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnissen zumutbar. Sowohl aus generalpräventiven als auch aus spezialpräventiven Gründen ist in diesen Fällen die Anwendung der §§ 20 bzw 21 VStG nicht vertretbar.

Im Hinblick auf die oben dargelegten Erwägungen kann somit eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung nicht festgestellt werden und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Es wird darauf hingewiesen, daß es einem Beschuldigten, wenn ihm aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, freisteht, einen angemessenen Aufschub oder eine Teilzahlung zu beantragen (§ 54b Abs.3 VStG). Ein entsprechender Antrag wäre gegebenenfalls bei der Behörde erster Instanz (BPD Linz) einzubringen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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