Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101092/9/Fra/Ka

Linz, 06.09.1993

VwSen - 101092/9/Fra/Ka Linz, am 6. September 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des J.M., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion .. vom 20. Jänner 1993, AZ.St.8.083/91-H, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach der am 9. Juni 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 (§ 52 lit.c Z24 StVO 1960) und 2 (§ 52 lit.a Z2 StVO 1960) stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

Die Berufung wird jedoch hinsichtlich des Faktums 3 (§ 8 Abs.4 StVO 1960) dem Grunde nach als unbegründet abgewiesen. Die Tatörtlichkeit hat anstelle "bis S.gasse 7" "bis S.gasse 5" zu lauten. Der Strafausspruch wird jedoch behoben. Der Berufungswerber wird unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 21, 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Strafkostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion .. hat mit Straferkenntnis vom 20. Jänner 1993, AZ.St.8.083/91-H, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 52 lit.c Z24 StVO 1960, nach 2.) § 52 lit.a Z2 StVO 1960 und nach 3.) § 8 Abs.4 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, zu 1.) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden), zu 2.) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und zu 3.) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er am 19. Juli 1991 um 18.33 Uhr, 1.) das Herrensportfahrrad, hell lackiert, in L., H.straße 12, stadtauswärts fahrend, Kreuzung mit der S.gasse gelenkt und dabei das Vorschriftszeichen "Halt" mißachtete, 2.) in L., S.gasse 2, stadtauswärts fahrend, Kreuzung mit der H.straße, das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" mißachtete, 3.) in L., S.gasse von der Kreuzung mit der H.straße bis S.gasse Nr.7 den Gehsteig mit dem Fahrrad vorschriftswidrig benützte.

Ferner wurde der Beschuldigten gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Kostenbeitrages in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung. Die Erstbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen. Sie legte den Verfahrensakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor. Dieser entscheidet, weil jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, durch das zuständige Einzelmitglied.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. Juni 1993.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Faktum 1 (§ 52 lit.c Z24 StVO 1960):

Beim Vorwurf einer Übertretung nach § 52 lit.c Z24 StVO 1960 ist die Feststellung zu treffen, daß das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten wurde, von der aus gute Übersicht auf die Kreuzung besteht, damit der Spruch den Anforderungen des § 44a VStG gerecht wird. Eine derartige Feststellung fehlt im Schuldspruch. Die Verfolgungsverjährungsfrist ist bereits abgelaufen. Da während dieser Frist eine taugliche, den oben genannten Anforderungen entsprechende Verfolgungshandlung nicht gesetzt wurde, ist hinsichtlich der gegenständlichen Übertretung Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb diesbezüglich von der weiteren Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und spruchgemäß zu entscheiden war.

Zum Faktum 2 (§ 52 lit.a Z2 StVO 1960):

Das Zeichen gemäß § 52 lit.a Z2 StVO 1960 zeigt an, daß die Einfahrt verboten ist. Gemäß § 2 Abs.1 Z2 StVO 1960 ist die Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße. Es kann sich daher das Einfahrverbot auch lediglich auf den Teil der Straße beziehen, der laut StVO 1960 befahren werden darf, nämlich auf die Fahrbahn.

Laut Wahrnehmungen des Meldungslegers benützte der Beschuldigte in der S.gasse jedoch nicht die Fahrbahn, sondern er lenkte sein Fahrrad ab der Kreuzung H.straße - S.gasse, von der H.straße kommend sofort auf den links- bzw. südseitigen Gehsteig in der S.gasse. Durch dieses Verhalten hat der Beschuldigte jedoch nicht eine Übertretung nach § 52 lit.a Z2 StVO 1960, sondern nur die Übertretung nach § 8 Abs.4 StVO 1960 - wie unten näher ausgeführt - zu verantworten.

Zum Faktum 3 (§ 8 Abs.4 StVO 1960):

Gemäß § 8 Abs.4 StVO 1960 ist die Benützung ua. von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gemäß § 68 Abs.1 3. Satz leg.cit. ist ua. auf Gehsteigen das Radfahren in der Längsrichtung verboten; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt.

Der Berufungswerber vertritt die Auffassung, daß das Fortbewegen des Fahrrades dergestalt, sich mit dem rechten Bein abzustoßen, mit dem linken Bein auf dem Pedal stehen zu bleiben und sich so mit dem rechten Bein Fahrt zu verschaffen, unter "Schieben eines Fahrrades" zu subsumieren sei. Diese Auffassung wird jedoch vom O.ö. Verwaltungssenat nicht geteilt. In Übereinstimmung mit der Erstbehörde wird diese Fortbewegungsart als "Radfahren" qualifiziert. Laut "Duden - Das Stilwörterbuch" versteht man unter Schieben: "Durch Drücken fortbewegen, befördern". Dieses Fortbewegen bzw. Befördern muß nach hs. Auffassung durch ein Gehen erfolgen und nicht dadurch, daß lediglich mit einem Bein die Abstoßbewegung erfolgt, m.a.W.: Die Fortbewegungsart ist dann als Radfahren zu qualifizieren, wenn sie unter Zuhilfenahme des Gleichgewichts- bzw. Balanceeffektes erfolgt, was gegenständlich der Fall war. § 68 Abs.1 StVO 1960 verfolgt offenkundig den Zweck, eine Gefährdung der den Gehsteig benützenden Fußgänger durch Radfahrer möglichst zu vermeiden. Würde man nun die gegenständliche Art der Fortbewegung auch als Schieben qualifizieren, wäre der genannte Zweck beeinträchtigt, zumal durch diese Art der Fortbewegung nicht sofort angehalten werden kann, wie beim Gehen und im übrigen die Gefahr einer Gleichgewichtsinstabilität besteht, wodurch ebenfalls ein Gefahrenmoment für Fußgänger gegeben ist.

Es kann daher die Bestimmung des § 68 Abs.1 letzter Satz StV0 1960, wonach das Schieben eines Fahrrades ua. auf Gehsteigen erlaubt ist, auf die gegenständliche Fortbewegungsart nicht Anwendung finden.

Zu Recht erfolgte der Einwand des Berufungswerbers, daß er sich mit seinem Fahrrad nicht bis zum Hause S.gasse Nr.7, wie ihm dies die Erstbehörde zur Last legt, sondern nur bis zum Haus S.gasse Nr.5 fortbewegt hat. Es handelt sich beim Haus S.gasse Nr.5 um das Jugendzentrum "STUWE". Bei der Berufungsverhandlung mußte auch der Meldungsleger zugeben, daß ihm diesbezüglich was die Fahrtstrecke anbelangt - ein Irrtum unterlaufen ist.

Der diesbezügliche Schuldspruch war daher unter Maßgabe der Berichtigung der Tatörtlichkeit zu bestätigen.

Zur Strafbemessung wird ausgeführt: Gemäß § 21 VStG kann die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf eine Ermahnung. Vorerst ist festzuhalten, daß der Beschuldigte zwar verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aufweist, jedoch keine einschlägigen. Der Beschuldigte war offenbar der rechtsirrigen Auffassung, daß es sich um ein erlaubtes Schieben des Fahrrades gehandelt hat, was jedoch - wie oben ausgeführt - nach hs. Auffassung nicht zutreffend ist. Aus dieser Auffassung kann zwar kein schuldausschließendes jedoch ein geringfügiges Verschulden abgeleitet werden. Durch das Verhalten des Beschuldigten sind weiters keine nachteiligen Folgen entstanden, wobei zusätzlich hinzukommt, daß die Fahrtstrecke um einige Meter kürzer war, als die von der Erstbehörde angenommene. Es lagen daher die Voraussetzungen für eine Ermahnung vor. Diese war auch geboten, um den Beschuldigten in Hinkunft von gleichartigen Verhaltensweisen abzuhalten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

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