Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102725/2/Bi/Km

Linz, 10.04.1995

VwSen-102725/2/Bi/Km Linz, am 10. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn O S, N, V, vom 23. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 14.

März 1995, VerkR96-565-1993, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 1.800 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt werden.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich daher auf 180 S; ein Verfahrenskostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3b StVO 1960.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3b StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt, weil er am 23. November 1992 gegen 20.35 Uhr den PKW von einer hinter dem Haus L S 31 befindlichen Abstellfläche auf die H gelenkt habe, wobei er einen dort abgestellten PKW beschädigt habe. Obwohl sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe er es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil der Sachverhalt ausreichend geklärt schien, und der Rechtsmittelwerber in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, eine Verhandlung aber nicht ausdrücklich verlangt hat (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er kenne den Geschädigten und nehme auch an, daß dieser ihn kenne, weil er in seiner Niederschrift vom 23. November 1992 angegeben habe, er kenne ihn vom Namen her. Insofern ersehe er keinen strafbaren Tatbestand einer Fahrerflucht.

Er habe sich an der Unfallstelle von den Leuten, die ihn festgehalten hätten, losreißen können und sei weggelaufen, jedoch am nächsten Vormittag wieder zu seinem Fahrzeug gekommen, das immer noch an der gleichen Stelle gestanden sei. Es sei bereits früher der Fall gewesen, daß er in solchen Streßsituationen sich an weitere Vorfälle nicht mehr erinnern konnte. Zum Beispiel habe er bei einer Rauferei in einem Gasthaus das Lokal verlassen müssen, um nicht wieder in eine solche Situation zu geraten. Er ersuche daher, von der Verhängung einer Geldstrafe Abstand zu nehmen und das Verfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker eines PKW am 23. November 1992 gegen 20.35 Uhr an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt war, indem er beim Rückwärtsausparken den abgestellten PKW des Zeugen R D streifte, sodaß dieser leicht beschädigt wurde.

Aus dem Verfahrensakt geht weiters hervor, daß der Rechtsmittelwerber aus dem Fahrzeug stieg, wobei es anschließend mit den beim Fahrzeug befindlichen und den aus dem nahen Haus geholten Personen zu einem Streitgespräch kam, in dessen Verlauf der Rechtsmittelwerber zu Fuß den Unfallort verließ. Der Rechtsmittelwerber erstattete am nächsten Tag um 9.55 Uhr beim Gendarmerieposten L Anzeige.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei dem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der Zeuge R D, Zulassungsbesitzer des bei dem Unfall beschädigten PKW, gab am 23. November 1992 beim Gendarmerieposten L im Zuge der Unfallserhebungen an, er sei aus dem Haus geholt worden und habe mit dem PKW-Lenker O S, den er von früher her flüchtig kenne, die Angelegenheit in Ruhe bereden wollen, weil der Schaden am PKW sehr gering gewesen sei. Als die Gendarmerie verständigt worden sei, sei der Rechtsmittelwerber ins Haus gegangen und verschwunden, wobei er vermutlich über die vordere Haustür geflüchtet sei. Er sei offensichtlich stark betrunken gewesen, weil er eine "gewaltige Fahne" gehabt habe und leicht geschwankt sei.

Der Rechtsmittelwerber hat am 24. November 1992 beim Gendarmeriepostenkommando L angegeben, er sei beim Rückwärtsausparken an dem abgestellten PKW leicht angefahren und habe beabsichtigt, den angerichteten Schaden eventuell mit dem PKW-Besitzer zu regeln. Bei dem PKW hätte sich eine größere Menge Leute befunden, die alle auf ihn eingestürmt seien und ihn angeschrien hätten, sodaß es unmöglich gewesen sei, den Schaden zu klären. Er wisse auch bis heute nicht, wem das Auto gehöre, an das er angefahren sei. Die Anwesenden seien gegen ihn handgreiflich geworden bzw. hätten sie ihn an der Kleidung festgehalten, worauf er derart in Panik geraten sei, daß er sich losgerissen habe und vom Unfallort geflüchtet sei. Er sei die ganze Nacht in der Gegend um L umhergeirrt und habe sich am folgenden Vormittag, als er sich von seinem Schock erholt gehabt habe, entschlossen, die Gendarmerie in L aufzusuchen.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat steht fest, daß ein Identitätsnachweis im gegenständlichen Fall nicht stattgefunden hat. Der Rechtsmittelwerber, der offensichtlich noch am nächstfolgenden Vormittag keine Kenntnis von der Person des Geschädigten hatte, hat zwar sein Fahrzeug an der Unfallstelle belassen, war dort aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage, die Person des Geschädigten festzustellen.

Ein Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs.5 StVO 1960 ist aber nur dann erbracht, wenn sich die am Verkehrsunfall beteiligten oder dadurch geschädigten Personen Name und Anschrift durch Vorzeigen entsprechender Lichtbildausweise nachgewiesen haben. Daß dem Zeugen D im gegenständlichen Fall der Rechtsmittelwerber zufällig flüchtig bekannt war, vermag einen Identitätsnachweis im gegenständlichen Fall nicht zu ersetzen; außerdem ergibt sich aus dem Verfahrensakt, daß dieser Umstand dem Rechtsmittelwerber nach dem Verkehrsunfall nicht bekannt sein konnte, weil er ja den Geschädigten, nämlich den Zulassungsbesitzer des beschädigten PKW, nicht kannte.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist durchaus nachvollziehbar, daß die Situation, in der sich der Rechtsmittelwerber nach dem Verkehrsunfall befand, indem er sich einer größeren Anzahl von ihm gegenüber nicht gerade positiv eingestellten Personen gegenüber sah, unangenehm war, wobei sich aber aus dem Verfahrensakt kein Hinweis darauf ergibt, daß diese Personen gegen den Rechtsmittelwerber tätig geworden wären - der Stoß, den die damals im 6. Monat schwangere Zeugin M I laut übereinstimmenden Aussagen vom Rechtsmittelwerber bekommen hat, deutet eher auf das Gegenteil hin.

Wenn sich der Rechtsmittelwerber aber schon entschlossen hat, von der Möglichkeit eines Identitätsnachweises keinen Gebrauch zu machen, wäre er verpflichtet gewesen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle, das war im gegenständlichen Fall offenbar der Gendarmerieposten Lambach, vom Verkehrsunfall zu verständigen. Außerdem hätte die Möglichkeit bestanden, auf das Eintreffen der laut Akteninhalt bereits verständigten Gendarmerie zu warten, wobei in Anwesenheit der Gendarmeriebeamten eventuelle Tätlichkeiten anderer Personen gegen ihn mit Sicherheit ausgeschlossen gewesen wären.

Der Rechtsmittelwerber hat sich jedoch vom Unfallort entfernt, ohne die nächste Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen. Sein Erscheinen beim Gendarmerieposten L um 9.55 Uhr des nächstfolgenden Vormittages ist im Sinne der in dieser Hinsicht restriktiven Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr als "ohne unnötigen Aufschub" anzusehen. Er hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand zweifellos erfüllt, wobei sein Argument, er habe sich in einer Schocksituation befunden und sei in der Gegend umhergeirrt, für den unabhängigen Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar ist.

Für einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Schockzustand im medizinischen Sinn liegt kein Anhaltspunkt vor.

Eher anzunehmen ist, daß der Rechtsmittelwerber aufgrund der Situation am Unfallort, des zuvor getrunkenen Alkohols und des Umstandes, daß er seinen PKW am Unfallort zurückgelassen hatte, aufgeregt war. Allerdings muß vom Inhaber einer Lenkerberechtigung und zum Unfallszeitpunkt immerhin 40 Jahre alten PKW-Lenker ein solches Maß an Charakterstärke erwartet werden, daß er sich auf die ihm nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden obliegenden Verpflichtungen besinnt und diesen auch nachkommt. Für das Vorliegen eines Notstandes oder einer notstandsähnlichen Situation ergibt sich aus dem Verfahrensakt ebenfalls kein Anhaltspunkt.

Der Rechtsmittelwerber hat daher sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen, und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw. zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Aus der Begründung des Straferkenntnisses geht hervor, daß die Erstinstanz die finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers (14.000 S netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) miteinbezogen hat, wobei mildernde oder erschwerende Umstände nicht berücksichtigt wurden.

Aus dem Verfahrensakt ergibt sich nicht ob der Rechtsmittelwerber verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aufweist, sodaß im Zweifel von dessen verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit auszugehen ist, die als Milderungsgrund bei der Strafbemessung zu berücksichtigen ist.

Die nunmehr festgesetzte Strafe entspricht vor allem dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, liegt noch im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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