Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102727/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 20. Juni 1995 VwSen102727/4/Sch/<< Rd>>

Linz, 20.06.1995

VwSen 102727/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 20. Juni 1995
VwSen-102727/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 20. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des AH vom 1. April 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 29. März 1995, VerkR96-3605-1994-OJ/GA, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 29. März 1995, VerkR96-3605-1994-OJ/GA, über Herrn AH, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 15. Juli 1994 um 12.21 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in Linz, Bundesstraße 126, nächst dem Haus Leonfeldnerstraße 449 gelenkt und dabei überholt habe, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert hätten werden können.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 200 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Am Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses fällt auf, daß die Fahrtrichtung, die der Berufungswerber bei Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung eingehalten hat, nicht angeführt ist, obwohl diese bei Überholdelikten naturgemäß wesentlich ist. Dieser Mangel wäre allerdings einer Behebung durch die Berufungsbehörde zugänglich gewesen, sodaß er nicht zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens führen konnte. Zu diesem Ergebnis des Berufungsverfahrens haben jedoch folgende Umstände geführt:

Am 19. Juni 1995 wurde im Beisein eines technischen Amtssachverständigen der Tatortbereich in Augenschein genommen.

Hiebei stellte sich die Örtlichkeit folgendermaßen dar:

Aus der Fahrtrichtung des Berufungswerbers betrachtet, also in Richtung Linz, nächst dem Hause Leonfeldnerstraße 449, ergibt sich - laut technischem Amtssachverständigen - die größte Überholsichtweite aus überholbereiter Position am Ende der Brücke über den "Kitzelsbach". Diese Überholsichtweite beträgt ca. 210 m auf den ankommenden Verkehr.

Es ist aus technischer Sicht grundsätzlich möglich, in Fahrtrichtung des Berufungswerbers im Tatortbereich ein langsam fahrendes Fahrzeug ohne Behinderung oder Gefährdung des Gegenverkehrs zu überholen. Die Aussage "langsam fahrendes Fahrzeug" kann naturgemäß nicht näher konkretisiert werden, da dies insbesonders davon abhängt, wie schnell der Gegenverkehr unterwegs war und ob der Überholvorgang bereits aus Überschußgeschwindigkeit heraus begonnen wurden bzw. aus der gleichen Geschwindigkeit wie das zu überholende Fahrzeug.

Dem Akteninhalt können keine Fahrgeschwindigkeiten, nämlich weder jene des im Gegenverkehr befindlichen Polizeifahrzeuges noch jene des überholten bzw. überholenden Fahrzeuges entnommen werden. Wie der technische Amtssachverständige schlüssigerweise ausführt, handelt es sich hiebei aber um drei wesentliche Faktoren, um den Überholvorgang beurteilen zu können. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Fahrgeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges noch in etwa ermittelt werden könnte (Einvernahme des Meldungslegers), so ist nicht zu erwarten, daß dies auch für die Fahrgeschwindigkeiten der beiden anderen Fahrzeuge zutreffen wird. Diesbezüglich blieben wohl nur die Angaben des Berufungswerbers selbst, der sich als Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren aber bekanntlich nach allen Seiten hin frei verantworten kann. Zuverlässige Zeugenaussagen wären keinesfalls zu erwarten, was auch im Hinblick auf die Frage, ob der Überholvorgang aus Überschußgeschwindigkeit heraus begonnen wurde oder nicht, gilt.

Dazu kommt noch, daß in der Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz, Wachzimmer Ontlstraße, vom 21. Juli 1994 beim überholten Fahrzeug von einem "Sattelkraftwagen" die Rede ist. Da dieser Terminus dem Kraftfahrgesetz 1967 fremd ist, wäre noch zu erwägen bzw. zu klären gewesen, ob hiebei ein Sattelzugfahrzeug oder ein Sattelkraftfahrzeug gemeint war. Auch diese Frage ist von Bedeutung, da aufgrund völlig unterschiedlicher Längen eine Beeinflussung der geforderten Überholsichtweite bzw. des Überholweges gegeben ist. Im angefochtenen Straferkenntnis fehlen diesbezüglich Feststellungen jeglicher Art.

Schließlich ist zur eingangs angeführten Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz zu bemerken, daß hierin davon die Rede ist, der Lenker des Polizeifahrzeuges habe die Geschwindigkeit verringern müssen, um eine eventuelle Gefahrensituation zu vermeiden. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß der Meldungsleger nicht der Meinung war, daß eine mögliche Gefahrensituation bestand, er sich aber durch das Überholmanöver des Berufungswerbers behindert fühlte; die nähere Umschreibung der Behinderung ist allerdings auch nicht gegeben, da nur von einer Geschwindigkeitsverringerung (Bremsmanöver oder Gaswegnehmen?) die Rede ist. Obwohl also nach der Aktenlage von einer möglichen Gefährdung anderer Straßenbenützer durch das Überholmanöver des Berufungs werbers nicht ausgegangen werden konnte, hat die Erstbehörde dennoch auch diese Möglichkeit in den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses aufgenommen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist daher zusammenfassend zu der Ansicht gelangt, daß zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß durch das Fahrverhalten des Berufungswerbers andere Straßenbenützer behindert werden konnten, der Nachweis hiefür - allein dieser ist für den Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens entscheidend - konnte jedoch nicht erbracht werden, sodaß das Verfahren unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" einzustellen war.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n


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