Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102733/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 26. Juni 1995 VwSen102733/4/Sch/<< Rd>>

Linz, 26.06.1995

VwSen 102733/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 26. Juni 1995
VwSen-102733/4/Sch/<< Rd>> Linz, am 26. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau KG, vertreten durch RA vom 8. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 3.

Februar 1995, VU/S/3612/12-H, wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 3) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, daß die zu Faktum 1) verhängte Geldstrafe auf 3.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage sowie die zu Faktum 2) verhängte Geldstrafe auf 2.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herabgesetzt werden.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 500 S.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 bzw. 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 3. Februar 1995, VU/S/3612/94-H, über Frau KG, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960, 2) § 4 Abs.5 StVO 1960 und 3) § 17 Abs.1 iVm § 15 Abs.4 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 5.000 S, 2) 3.000 S und 3) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) fünf Tagen, 2) drei Tagen und 3) einem Tag verhängt, weil sie es am 9. Juni 1994 um 0.15 Uhr in Linz, auf der Nebenfahrbahn der Salzburgerstraße vor dem Haus Wegscheiderstraße 3 als Lenkerin des Kombi mit dem Kennzeichen 1) unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten, 2) unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben sei und 3) sie beim Vorbeifahren an einem Fahrzeug einen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit nicht entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, an dem sie vorbeigefahren sei, eingehalten habe.

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 900 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 und Abs.2 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 17 Abs.1 iVm § 15 Abs.4 StVO 1960 (Faktum 3)):

Gemäß dieser Bestimmungen ist beim Vorbeifahren ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, an dem vorbeigefahren wird, einzuhalten.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses beschränkt sich in diesem Punkt auf die Wiedergabe der verba legalia.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es nicht ausreichend, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern ist die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt.

So genügt es zB. bezüglich des Deliktes nach § 5 Abs.1 StVO 1960, wenn im Spruch festgestellt wurde, der Beschuldigte habe zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Hingegen erfordert zB. § 15 Abs.4 StVO 1960, daß der zu geringe Seitenabstand entfernungsmäßig (so etwa durch eine bestimmte Zahl oder eine Bandbreite zwischen zwei Zahlen) im Spruch festgehalten wird (so VwGH 9.9.1981, Slg.

10521A).

Nach der Sachlage steht fest, daß die Berufungswerberin an ein abgestelltes Fahrzeug angefahren ist, als überhaupt kein Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Diese Feststellung hätte in den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses aufgenommen gehört.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sieht sich als Berufungsbehörde verhalten, Ergänzungen bzw.

Abänderungen eines erstbehördlichen Bescheidspruches restriktiv zu handhaben, um dadurch hinzuwirken, daß einem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren auch faktisch zwei Instanzen zur Verfügung stehen und er nicht vor die Situation gestellt wird, daß ihm quasi von der Erstbehörde die "erste Hälfte" des Deliktes und von der Berufungsbehörde dann die "zweite Hälfte", letztere zum ersten Mal, vorgehalten wird.

Das Verwaltungsstrafverfahren war daher in diesem Punkt aus den obigen formellen Erwägungen heraus einzustellen.

Zu den Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960 (Fakten 1) und 2)):

Diesbezüglich ist es der Berufungswerberin nicht gelungen, die Tatvorwürfe zu entkräften. Zum einen steht völlig außer Zweifel und wurde auch nicht bestritten, daß die Berufungswerberin einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und diesen auch wahrgenommen hat.

Zur Frage des angeblichen Unfallschocks ist auf die umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach ist ein solcher nur anzunehmen, wenn nach Lage des Falles davon auszugehen ist, daß einem Unfallenker nach einem Verkehrsunfall ein koordiniertes und zielgerichtetes Handeln nicht möglich war. Im vorliegenden Fall ist die Berufungswerberin nach dem Verkehrsunfall in Linz, nächst dem Hause Wegscheiderstraße 3, zu sich nach Hause in die H gefahren. Das Zurücklegen dieser - dem unterfertigten Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich bekannten - Entfernung spricht eindeutig gegen einen Schockzustand, noch dazu, wo die Berufungswerberin bei der polizeilichen Einvernahme die Fahrtroute genau beschrieben hat (siehe Niederschrift vom 10. Juni 1994). Es mag sein, daß die Berufungswerberin nach dem Unfall verständlicherweise erschrocken war, dies hätte sie aber nicht vom Anhalten des Fahrzeuges bzw. vom Melden des Verkehrsunfalles abhalten dürfen. Desweiteren hat sich die Berufungswerberin in der Folge laut ihren eigenen Angaben zu Hause schlafen gelegt, sodaß sie weder die Türklingel noch das Telefon gehört habe (die Meldungsleger hatten versucht, auf diesem Wege mit der Berufungswerberin in Verbindung zu treten). Dies stellt aber keinen Entschuldigungsgrund dar, da die Meldepflicht unabhängig davon gegeben war (sie gilt auch für Personen ohne Türklingel und Telefonanschluß).

In der Berufungsschrift wird weiters ausgeführt, daß sich die Berufungswerberin am nächsten Tag in der Früh darüber im klaren geworden sei, daß sie sofort zur Polizei fahren müsse und dies auch sofort getan habe.

Die Unfallpflichten des § 4 StVO 1960 sind aber sofort bzw.

ohne unnötigen Aufschub zu erfüllen. Es geht nicht an, einen Verkehrsunfall erst einmal "überschlafen" zu wollen und am nächsten Tag (laut Aktenlage nach etwa 24 Stunden) einen Unfall zu melden. Abgesehen davon dürfte die Meldung nicht am nächsten Tag "in der Früh" erfolgt sein, zumal die mit der Berufungswerberin aufgenommene Niederschrift mit 10.6.1994, 13.30 Uhr, datiert ist.

Die Berufung war daher in diesen beiden Punkten dem Grunde nach abzuweisen.

Zur Strafzumessung ist folgendes zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 4 StVO 1960, also die sogenannten "Fahrerfluchtdelikte", gehören zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 liegt ua darin, einem Unfallgeschädigten langwierige Erhebungen im Hinblick auf den Schädiger zu ersparen. Gerade diesem Zweck hat die Berufungswerberin diametral entgegengehandelt, zumal sie nur dadurch rasch ausgeforscht werden konnte, daß der Verkehrsunfall von einem unbeteiligten Zeugen wahrgenommen wurde, welcher das Kennzeichen des Fahrzeuges der Berufungswerberin notiert hat.

Andererseits kommt der Berufungswerberin der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute, der bei der Strafzumessung jedenfalls Niederschlag finden muß.

Die Erstbehörde erwähnt zwar diesen Milderungsgrund in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses. In Anbetracht der Höhe der verhängten Geldstrafe vertritt die Berufungsbehörde aber nicht die Ansicht, daß er auch tatsächlich Eingang bei der Strafbemessung gefunden hat. In spezialpräventiver Hinsicht kann angesichts dieses wesentlichen Milderungsgrundes erwartet werden, daß auch mit den herabgesetzten Geldstrafen das Auslangen gefunden wird, um die Berufungswerberin von der neuerlichen Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten. Abgesehen davon lagen Erschwerungsgründe nicht vor.

Die persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin (angebliches monatliches Nettoeinkommen ca. 8.000 S) lassen erwarten, daß diese zur Bezahlung der Geldstrafen ohne unzumutbare Beeinträchtigung ihrer Lebensführung in der Lage sein wird.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n

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