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des Landes Oberösterreich
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VwSen-102880/7/Ki/Shn

Linz, 26.06.1995

VwSen-102880/7/Ki/Shn Linz, am 26. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Alois W, vom 13. April 1995, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22. März 1995, Zl.VerkR95-14645-1994, aufgrund des Ergebnisses der am 23. Juni 1995 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, daß das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Fakten 1 und 2 behoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt wird.

Bezüglich Faktum 3 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich vollinhaltlich bestätigt.

II: Bezüglich der Fakten 1 und 2 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Bezüglich Faktum 3 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 2.000 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG zu II: §§ 64 Abs.1 und 2 bzw 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 22. März 1995, VerkR96-14645-1994, dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 29.8.1994 gegen 19.10 Uhr sein Fahrrad Marke Austria Viking, weiß lackiert, auf der W und auf der V im Ortszentrum von V in Richtung Hauptstraße gelenkt, wobei er es 1) beim Einbiegen von der W nach links in die V unterlasen habe, die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung durch ein Handzeichen anzuzeigen.

2) Er es beim Befahren der V unterlassen habe, das Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand zu lenken.

3) Obwohl vermutet werden konnte, daß er das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte - es seien bei ihm deutliche Symptome einer Alkoholbeeinträchtigung wie deutlicher Alkoholgeruch aus dem Mund, stark gerötete Augenbindehäute, lallende und undeutliche Sprache festgestellt worden - habe er sich um 19.13 Uhr beim Haus V Nr. 22 gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Dadurch habe er § 11 Abs.2 StVO 1960 (Faktum 1), § 7 Abs.1 StVO 1960 (Faktum 2) und § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 (Faktum 3) verletzt und es wurden über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a 1960 hinsichtlich Faktum 1 und Faktum 2 jeweils Geldstrafen von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden) bzw hinsichtlich Faktum 3 gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von jeweils 10 % der Strafe (insgesamt 1.040 S) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mündlich vor der belangten Behörde am 13. April 1995 Berufung und begründet diese, daß er sich keiner Übertretung schuldig fühle. Er verweise auf seine bisherige Rechtfertigung.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 23. Juni 1995 Beweis erhoben. An der Berufungsverhandlung haben der Beschuldigte sowie als Zeuge RI Ernst E teilgenommen. Vertreter der belangten Behörde sind ohne Angabe von Gründen nicht zur Verhandlung erschienen.

I.5. Der Berufungswerber bestritt bei seiner Einvernahme im wesentlichen den ihm zur Last gelegten Sachverhalt. Der Vorfall habe sich bereits am Vormittag um ca 9.20 Uhr ereignet und er sei, als ihn der Gendarmeriebeamte angesprochen habe, auf dem Fahrrad sitzend am Gehsteig gestanden. Der Beamte habe ihm zugerufen, ob er mitfahre und auf die Frage, wohin, festgestellt, daß es schon passe. Er könne sich nicht erinnern, wo er sich zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt aufgehalten habe, wahrscheinlich dürfte er sich zu Hause die Nachrichten im Fernsehen angesehen haben. Einen Zeugen hiefür konnte er jedoch nicht benennen.

RI E verblieb bei seiner im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Aussage hinsichtlich der Tatzeit. Zu dem vom Berufungswerber behaupteten Zeitpunkt sei er außer Dienst gewesen. Diesen Umstand konnte der Zeuge durch die Diensteinteilung des Gendarmeriepostens Vöcklamarkt für den Monat August 1994 belegen. Der Berufungswerber sei ihm aufgrund seiner Fahrweise aufgefallen und im Hinblick auf die festgestellten Alkoholisierungssymptome habe er ihn zum Alkotest aufgefordert. Dieser sei vom Berufungswerber verweigert worden.

I.6. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die Aussage des Zeugen der Entscheidung zugrundegelegt werden kann. Die Aussage wurde unter Wahrheitspflicht getätigt und ist in sich schlüssig und den Denkgesetzen nachvollziehbar. Der Zeuge ist geschulter Gendarmeriebeamter, von dem zu erwarten ist, daß er in der Lage ist, den relevanten Sachverhalt entsprechend zu beurteilen. Auch ist ihm nicht zu unterstellen, daß er dem Berufungswerber willkürlich die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen anlasten würde. Der Beschuldigte konnte sich in jede Richtung verteidigen.

Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin für ihn belastend gewertet werden, im konkreten Falle wirkten jedoch die Angaben des Zeugen glaubwürdiger. Für diesen Umstand spricht auch, daß der Berufungswerber letztlich nicht sagen konnte, wo er sich zum behaupteten Tatzeitpunkt tatsächlich aufgehalten haben sollte und er konnte auch trotz ausdrücklicher Befragung keinen Zeugen namhaft machen, der einen anderweitigen Aufenthaltsort des Berufungswerbers zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt bestätigen könnte.

I.7. Nach Würdigung der erhobenen Beweise hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

I.7.1. Gemäß § 11 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.

Gemäß § 7 Abs.1 StVO 1960 in der zur Tatzeit geltenden Fassung hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.

Die Verjährungsfrist beträgt in Anwendung des § 31 leg.cit.

ua bei Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960 sechs Monate.

Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs.2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wesentlich ist, daß sich eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.

Ein wesentliches Tatbestandsmerkmal iSd § 44a Z1 VStG stellt hinsichtlich § 11 Abs.2 StVO 1960 der Umstand dar, daß der Fahrtrichtungswechsel so rechtzeitig angezeigt wird, daß sich die anderen Straßenbenützer auf diesen Vorgang rechtzeitig einstellen können (vgl ua VwGH vom 22. März 1995, Zl.94/03/0319). Auf diesen Umstand ist weder der Meldungsleger in seiner Anzeige vom 1. September 1994 eingegangen, noch hat die belangte Behörde dem Berufungswerber dieses Sachverhaltselement im erstinstanzlichen Strafverfahren vorgeworfen. Es wurde lediglich festgestellt, daß der Berufungswerber beim Einbiegen kein Handzeichen gegeben habe.

Hinsichtlich § 7 StVO 1960 erfordert eine konkrete Tatumschreibung einerseits die Konkretisierung, wie weit rechts ein Fahrzeuglenker gefahren ist und andererseits die konkrete Angabe, wie weit ihm dies zumutbar und möglich war (vgl VwGH vom 14.12.1988, 88/02/0164). Die bloße Tatanlastung, der Berufungswerber habe es beim Befahren der V unterlassen, das Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand zu lenken, genügt diesem Konkretisierungsgebot nicht.

Da hinsichtlich der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen keine tauglichen Tatvorwürfe iSd § 32 Abs.2 VStG innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG erhoben wurden, ist mittlerweile Verjährung eingetreten und es ist der erkennenden Behörde verwehrt, diesbezüglich eine Spruchergänzung vorzunehmen. Das Straferkenntnis war daher in den Spruchpunkten 1 und 2 aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

I.7.2. Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 in der zur Tatzeit geltenden Fassung sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen zu Lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Wer sich bei Vorliegen der im § 5 StVO bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich einem Arzt vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, begeht gemäß § 99 Abs.1 lit.b leg.cit. eine Verwaltungsübertretung.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat eindeutig ergeben, daß der Berufungswerber zum tatgegenständlichen Zeitpunkt ein Fahrzeug gelenkt hat und der Gendarmeriebeamte RI E überdies im Hinblick auf die festgestellten Symptome vermuten konnte, daß der Berufungswerber sich zum Zeitpunkt des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat. Der Meldungsleger als geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht war somit berechtigt, die Atemluft des Berufungswerbers auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Nachdem der Berufungswerber der Aufforderung nicht nachgekommen ist, hat er dieses Verhalten iSd zitierten Bestimmungen der StVO 1960 verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten.

Zur Straffestsetzung ist diesbezüglich festzustellen, daß die Erstbehörde den Ermessensspielraum nicht überschritten hat. Dazu wird festgestellt, daß die in der Straßenverkehrsordnung 1960 festgelegten "Alkoholdelikte" zu den gröbsten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zählen, weil sie in besonderem Maße geeignet sind, die durch die Strafdrohung geschützten Interessen der Verkehrssicherheit zu schädigen. Der erhebliche Unrechtsgehalt dieser Übertretung spiegelt sich im Strafrahmen von 8.000 S bis 50.000 S wider.

Auch unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (Unfallrente monatlich 3.990 S, keine Sorgepflichten, Vierteleigentümer eines Zweifamilienhauses) wurde die verhängte Geldstrafe von der belangten Behörde im Hinblick auf die nachgewiesenen vier einschlägigen Vormerkungen sehr milde bemessen.

Strafmilderungsgründe sind auch im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen, weshalb im Hinblick auf die verhältnismäßig geringe Strafbemessung sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen eine Herabsetzung der Strafe nicht vertretbar ist.

Aufgrund der dargelegten Umstände gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung von dem ihr eingeräumten Ermessen iSd Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Eine Rechtswidrigkeit der Strafbemessung kann daher nicht festgestellt werden und es war spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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