Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108967/16/Fra/Ka

Linz, 05.11.2003

 

 

 VwSen-108967/16/Fra/Ka Linz, am 5. November 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung der Frau DL, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. GD gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 21.2.2003, Zl. S3240/02-VS, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2003, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) 1.) wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 80 Euro (EFS 50 Stunden) und 2.) wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.b leg.cit. eine Geldstrafe von 65 Euro (EFS 32 Stunden) verhängt, weil sie am 26.4.2002 um 19.53 Uhr in Linz, Poschacherstraße 7, den PKW, Kz.: gelenkt hat und und 1.) es als Lenkerin dieses Kraftfahrzeuges unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten, 2.) es als Lenkerin dieses Kraftfahrzeuges unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben ist. Ferner wurde gemäß § 64 VStG jeweils ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Bundespolizeidirektion Linz eingebrachte Berufung. Die BPD Linz - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung iVm einem Lokalaugenschein am 22. Juli 2003 sowie eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens erwogen:

 

3.1. Unstrittig ist, dass die Bw das in Rede stehende Kraftfahrzeug zu der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Zeit am angeführten Ort gelenkt hat und bei einem Ausparkmanöver gegen das an der genannten Örtlichkeit abgestellte Motorfahrrad mit dem Kz.: gestoßen ist. Dieses Mofa ist bei diesem Ausparkmanöver umgestürzt und wurde beschädigt (beim rechten Außenspiegel wurde die Halterung gebrochen, die Ölschraube wurde beschädigt und die Schlussleuchte ist zersprungen). Die Bw hielt das von ihr gelenkte Kraftfahrzeug nicht an und verständigte auch nicht die nächste Sicherheitsdienststelle.

 

3.2. Mit ihrem Vorbringen bestreitet die Bw im Wesentlichen die subjektive Tatseite. Die Bw meint, dass das Verwaltungsstrafverfahren mangelhaft geblieben sei, weil der Zeuge Z im Ermittlungsverfahren nicht dahingehend befragt wurde, welche sonstigen Umstände vorgelegen haben, die Anlass gewesen sein könnten, dass sie das Umfallen eines Mopeds nicht bemerkt haben könnte. Der Zeuge wäre zu befragen gewesen, wie weit er vom Ort des Geschehens entfernt war, wie die Verkehrssituation war, ob er sie mit dem Kind einsteigen gesehen habe und ob er eine Wahrnehmung darüber gemacht habe, dass sie das Radio eingeschaltet hatte. Die subjektive Einschätzung des Zeugen Dipl.Ing. Z, der Anstoß und das Umfallen eines Mopeds hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrgenommen werden müssen, beruhe möglicherweise darauf, dass er keine Kenntnis von den näheren Umständen (quengelndes Kind, Autoradio) hatte. Die Einschätzung eines Zeugen für sich alleine sei nicht geeignet, eine verlässliche Grundlage im Verwaltungsstrafverfahren zu bilden, zumal sie keinen Grund hatte, Fahrerflucht zu begehen. Selbst eine geringfügige Beschädigung am Moped würde von ihr ohne Befassung der Haftpflichtversicherung bzw durch Rückzahlung an diese zu regulieren gewesen sein, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass man einer verwaltungsstrafrechtlich und strafrechtlich vollkommen unbescholtenen Person nicht a priori unterstellen könne, sie würde sich durch Fahrerflucht einer minimalen Zahlungsverpflichtung entziehen. Die Bw stellt den Antrag, der Oö. Verwaltungssenat wolle der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

3.3. Im Grunde dieses Vorbringens wurde der Zeuge Dipl.Ing. Z im Rahmen der Berufungsverhandlung zu seinen Wahrnehmungen befragt. Er gab an, zur Vorfallszeit mit seiner Lebensgefährtin bei offener Balkontüre vor dem Fernseher gelegen zu sein, als er einen "Tuscher" gehört habe. Als er vom Balkon - dieser befindet sich im 1. Stock des Hauses, P - auf die Straße hinunter gesehen habe, habe er gesehen, wie eine Person das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug in Betrieb genommen hatte. Er habe auch noch gesehen, dass die Rückfahrscheinwerfer geleuchtet haben, woraus er geschlossen habe, dass bei dem Fahrzeug der Rückwärtsgang eingelegt gewesen sei. Das Fahrzeugheck habe über das umgestürzte Mofa geragt. Er habe noch den Eindruck gehabt, dass die Person allenfalls aus ihrem Fahrzeug aussteigt, um nachzusehen. Die Lenkerin sei jedoch weder ausgestiegen, noch habe sie die Tür geöffnet, sondern sei in Richtung Bulgariplatz weggefahren. Seiner Einschätzung nach hätte die Bw die Kollision wahrnehmen müssen.

 

Die Bw brachte vor, das Fahrzeug von der gegenständlichen Örtlichkeit weggelenkt zu haben. Sie könne sich nicht erinnern, dass hinter ihrem PKW ein Mofa gestanden wäre. Sie sei mit ihrem damals zwei Jahre alten Sohn beschäftigt gewesen. Sie habe das Fahrzeug aufgesperrt und habe ihren Sohn rechts hinten in das Fahrzeug gesetzt. Sie wisse nicht mehr, ob sie beim Ausparken den Retourgang eingelegt gehabt habe. Sie sei in Richtung Bulgariplatz weggefahren und habe nicht mitbekommen, dass sie ein Mofa umgefahren hätte. Das Kind sei quengelig gewesen. Die Bw räumte auch ein, dass sie etwas längere Zeit stehen geblieben sei. Die Ursache dafür konnte sie konkret nicht mehr angeben. Sie meinte, dass sie vielleicht wegen eines vorbeifahrenden Autos nicht sofort aus der Parklücke ausfahren habe können.

 

Aufgrund des plausiblen Argumentes des Bw, dass es nicht auf die subjektive Einschätzung eines Unbeteiligten ankommenden könne, sondern bezüglich der Wahrnehmbarkeit des Anstoßes objektive Maßstäbe anzulegen seien, holte der Oö. Verwaltungssenat ein verkehrstechnisches Guachten zu der Frage ein, ob unter Zugrundelegung der aktenkundigen Fakten in Bezug auf die Beschädigung des Mofas sowie unter Zugrundelegung der Zeugenaussage des Dipl.-Ing. Z davon ausgegangen werden könne, dass die Bw den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen hätte können. Das diesbezüglich vom Amtssachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik, Herrn Ing. H, erstellte Gutachten vom 1.10.2003, AZ. VT-010191/829-2003-Hag lautet wie folgt:

 

"Das gegenständliche Mofa war in einer Schrägstellung zum Fahrbahnrand abgestellt und wurde durch den rückwärtsfahrenden PKW Fiat Marea 185 mit dem Kennzeichen W-17720 A umgestoßen.

Der möglicherweise am PKW im Heckbereich entstandene Schaden ist nicht bekannt, es liegt keine Schadensbeschreibung bzw. Foto des PKW vor. Das Mofa wurde durch die Kollision wie folgt beschädigt: Halterung des rechten Außenspiegels abgebrochen, Schlußleuchte gebrochen, Seitenteil rechts im Bereich des Schriftzuges abgeschürft, Ölablassschraube beschädigt.

Auf den Schadensfotos der Polizei ist das Mofa auf dem rechts befindlichen Seitenständer abgestellt. Ob das Mofa zusätzlich einen Hauptständer hat und daher eventuell auf den Hauptständer abgestellt wurde, geht aus den vorhandenen Unterlagen nicht hervor. Bei den nachstehenden Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass das Mofa durch den Seitenständer abgestützt wurde.

Aus Kollisionsversuchen, die von der EVU (Europäische Vereinigung für Unfallforschung) veröffentlicht wurde, geht hervor, dass der Anstoß eines PKW an ein Motorrad, das über den Seitenständer abgestellt ist, nur dann sicher wahrnehmbar war, wenn am stoßenden PKW Schäden auftraten.

Das Anstoßgeräusch war nicht sicher wahrnehmbar. Die durchgeführten Frequenzanalysen zeigten, dass das Kollisionsgeräusch gegenüber beim Ausparken üblichen Umgebungsgeräuschen unauffällig blieb. Das Kollisionsgeräusch war nur bei offenen Wagenfenster sicher wahrnehmbar.

Das Anstoßen an ein Mofa macht sich auf Grund des großen Masseunterschiedes nicht durch einen Stoß bemerkbar, sondern durch die Erhöhung des Fahrwiderstandes. Diese Fahrwiderstanderhöhung blieb bei allen Versuchen, bei denen eine Berührung PKW-Mofa unterblieb, unbemerkt.

Da vom stoßenden PKW kein Schaden bekannt ist und auch keine Fotos vorliegen, ist unter Zugrundelegung der vorstehend kurz beschriebenen Anstoßversuche, aus technischer Sicht der Nachweis einer sicheren Wahrnehmung des gegenständlichen Anstoßes, als Stoßgeräusch oder über eine merkbare Erhöhung des Fahrwiderstandes nicht zu führen.

In Bezug auf eine mögliche optische Wahrnehmbarkeit kann keine Aussage getroffen werden, da dazu die Fahrzeugpositionen bzw die Anstoßstellung genau bekannt sein müßten."

Das oa Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Es war daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

 

In ihrer abschließenden Stellungnahme vom 21.10.2003 zum oa Gutachten brachte die Bw vor, weder eine Fahrwiderstandserhöhung bemerkt, noch ein Kollisionsgeräusch wahrgenommen zu haben. Die Fenster ihres Fahrzeuges seien jedenfalls alle geschlossen gewesen. Auch aus Gründen der Außentemperatur hätte keine Veranlassung bestanden, etwa ein Fahrzeugfenster zu öffnen. An ihrem Fahrzeug selbst sei überhaupt keine Beschädigung festzustellen gewesen, dies sei auch durch die Beschädigungen am Mofa schlüssig nachvollziehbar. Es seien ausschließlich Beschädigungen auf der rechten Mopedseite dokumentiert, wobei ein Bruch der Halterung des rechten Außenspiegels und eine Abschürfung des Schriftzuges im Bereich des Seitenteiles rechts schlüssig nur vom Kontakt des Mofas mit dem Rauhasphalt stammen können. Die Berührung zwischen ihrem Fahrzeug und Mofa habe daher an der linken Seite des Mofas stattgefunden, wo auch keine Beschädigungen am Mofa selbst dokumentiert seien. Dies passe auch schlüssig zu ihrer Angabe, dass am Heck ihres Fahrzeuges keine Beschädigungen entstanden seien.

 

Das oa Sachverständigengutachten korrespondiert mit den Angaben der Bw, sie hätte den Anstoß nicht wahrgenommen. Mangels Erfüllung der subjektiven Tatseite war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

 
 

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