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des Landes Oberösterreich
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VwSen-102963/15/Bi/Fb

Linz, 17.10.1995

VwSen-102963/15/Bi/Fb Linz, am 17. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Franz S, 4560 Kirchdorf/Krems, vom 14. Juni 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 26.

Mai 1995, VerkR96-3635-1993/Bi, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 9. Oktober 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in allen drei Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 27 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 18 Abs.1, 16 Abs.1 lit.a, 16 Abs.1 lit.c und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß 1) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, 2) §§ 16 Abs.1a iVm 99 Abs.3a StVO 1960 und 3) §§ 16 Abs.1c iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S, 2) 1.500 S und 3) 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 24, 2) 36 und 3) 36 Stunden verhängt, weil er am 13. Mai 1993 um 18.07 Uhr den PKW, Kennzeichen , auf der Grieskirchner Landesstraße von Bad Schallerbach kommend in Richtung B134 gelenkt habe, wobei er 1) im Bereich von Strkm 14,900 bis 16,800 im Gemeindegebiet von Wallern/Tr beim Fahren hinter einem Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, 2) auf der Daxberg Bezirksstraße im Bereich von Strkm 10,200 bis 9,500 im Gemeindegebiet von St. Marienkirchen/Polsenz mehrere Fahrzeuge überholt habe, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden gewesen sei, und er 3) nicht einwandfrei habe erkennen können, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, zumal er zu Beginn seines Überholvorgangs aufgrund des Tiefenabstandes der vor ihm fahrenden Fahrzeuge eine Behinderung oder Gefährdung der Lenker dieser Fahrzeuge nicht ausschließen habe können.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 400 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwal tungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 9. Oktober 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters Rechtsanwalt Dr. J sowie der Zeugen Anita M und GI Josef S und des technischen Amtssachverständigen Ing. Hubert S durchgeführt.

Ein Vertreter der Erstinstanz ist nicht erschienen.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Angaben des Meldungslegers vom Nachfahrabstand von 0,5 bis maximal 5 m seien insofern zu bezweifeln, als der Zeuge allenfalls im Rück- oder Außenspiegel, nicht aber in direkter Sicht diesen Abstand festgestellt haben konnte. Er sei in einem solchen von mindestens 10 m bei einer Geschwindigkeit von sicher nicht schneller als 50 km/h hinter dessen PKW nachgefahren, wobei der Sachverständige mit 1 sec die Reaktionszeit zu lang angenommen habe, da er bremsbereit gefahren sei und normalerweise eine Reaktionszeit von 0,5 bis 0,6 sec anzunehmen sei.

Bereits der Sachverständige im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens habe ausgeführt, daß über den Ablauf des Überholmanövers auf der Daxberg Bezirksstraße nur unvollständige Angaben vorlägen und insbesondere nichts darüber bekannt sei, wo die einzelnen Überholmanöver begonnen und beendet wurden und wie schnell er während dieses Überholmanövers gefahren sei. Auch seien die Tiefenabstände zwischen den von ihm überholten Fahrzeugen nicht angegeben.

Vom Meldungsleger wurden mehrere Überholmanöver zwischen km 10,2 und 9,5 der Daxberg Bezirksstraße angegeben, wobei es unmöglich sei, auf eine Länge von 700 m bei einer Kolonnengeschwindigkeit von 90 km/h drei Fahrzeuge zu überholen. Er beantrage weiterhin die Einvernahme der Zeugin Anita M.

Er habe beim gegenständlichen Überholmanöver andere Fahrzeuge nicht gefährdet oder behindert und im übrigen die Vermutung, daß sich der Gendarmeriebeamte außer Dienst schon aufgrund seiner Ausführungen, er habe ständig provokant gestikuliert und gelacht, offensichtlich gewissen Emotionen unterworfen sah, weshalb anzunehmen sei, daß seine Angaben nicht ganz wertfrei getätigt worden seien. Objektive Beweismittel für das Verfahren lägen damit nicht vor. Das Straferkenntnis gehe außerdem davon aus, daß sämtliche vorgeworfenen Delikte um 18.07 Uhr des 13. Mai 1993 begangen worden seien, obwohl offensichtlich mehrere Straßen befahren worden seien. Hinsichtlich der Tatvorwürfe auf der Daxberg Bezirksstraße werde daher Verjährung eingewendet.

Er habe jedenfalls vor dem Überholen einwandfrei erkennen können, daß er sein Fahrzeug am Ende des Überholmanövers wiederum in den Verkehr einordnen würde können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

In eventu scheinen die verhängten Strafen wesentlich überhöht, weil er keine Vorstrafen aufzuweisen habe und die Strafe seinen Einkommensverhältnissen nicht entsprächen.

Er beantragt daher die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt Lokalaugenschein unter Beiziehung eines Amtssachverständigen samt Einvernahme der Zeugen S und M und sodann die Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhand lung, bei der der Rechtsmittelwerber und sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört und die genannten Zeugen einvernommen wurden.

Das Beweisverfahren hat zweifelsfrei ergeben, daß beim Meldungsleger GI S, der die angezeigten Übertretungen im Rahmen einer privaten Fahrt wahrgenommen und laut eigenen Angaben bereits während der Fahrt dem hinten sitzenden Sohn die wesentlichen Daten diktiert hat, offensichtlich aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit keine ausreichenden und vollständigen Erinnerungen an seine Wahrnehmungen vom 13. Mai 1993 mehr vorhanden waren. Der Zeuge konnte sich zum einen nicht mehr konkret an die Überholmanöver erinnern, nämlich insofern, als ihm nach Vorhalt seiner bisherigen Angaben in der Anzeige vom 22. Mai 1993 bei seiner Einvernahme am 26. August 1993 und am 2.

Dezember 1993 vor der Bezirkshauptmannschaft Eferding keine Aussage mehr darüber möglich war, wo konkret der Rechtsmittelwerber aus der Position hinter dem Fahrzeug des Zeugen zu überholen begonnen hat, wieviele Fahrzeuge auf der angegebenen Straßenstrecke und bei den jeweils geschilderten Überholmanövern überholt wurden und wieviele Überholmanöver auf der angegebenen Strecke tatsächlich durchgeführt wurden.

Der Zeuge konnte nur mehr darüber Aussagen machen, daß die Überholmanöver nicht wegen Gegenverkehr abgebrochen wurden, konnte aber nichts darüber sagen, ob er selbst vom Rechtsmittelwerber bei einem Überholmanöver konkret behindert wurde bzw ob bei den vor ihm fahrenden Fahrzeugen die Bremslichter aufgeleuchtet haben.

Der bereits in der Anzeige angeführte Nachfahrabstand sei so bestimmt worden, daß der Meldungsleger als Lenker eines VW Passat im Rückspiegel vom Fahrzeug des Rechtsmittel werbers zeitweise nicht einmal mehr die Motorhaube sehen habe können. Allerdings konnte der Meldungsleger keine konkreten Angaben zur im Ortsgebiet von Wallern/Tr tatsächlich gefahrenen und dem Sicherheitsabstand zugrundezulegenden Geschwindigkeit machen.

Die Zeugin Anita M konnte sich zwar an die gegenständliche Fahrt erinnern, nicht aber konkret an Überholmanöver des Rechtsmittelwerbers und an den von diesem eingehaltenen Sicherheitsabstand in Wallern/Tr.

Auf dieser Grundlage war es dem technischen Amtssachverständigen nicht möglich, Berechnungen über die Zulässigkeit von Überholmanövern auf der angegebenen Strecke aus technischer Sicht anzustellen, wobei unter Annahme der vom Meldungsleger zunächst angegebenen Anfangsgeschwindigkeit von 80 km/h und einer mittleren Beschleunigung des Beschuldigtenfahrzeuges von 1,5 m/sec2 eine Überholstrecke von 313 m und eine erforderliche Sichtweite von knapp unter 700 m bei Beginn des vom Meldungsleger örtlich eingeschränkten Überholbereiches gegeben gewesen wäre. Weitere Überholmöglichkeiten konnten mit den Aussagen des Meldungslegers rein rechnerisch nicht in Einklang gebracht werden.

Der Sachverständige hat sich zum Nachfahrabstand insoweit geäußert, daß, wenn die Motorhaube für den Meldungsleger nicht mehr sichtbar gewesen sei, der Nachfahrabstand jedenfalls unter 10 m betragen haben müsse, wobei 10 m Sicherheitsabstand einer Geschwindigkeit von knapp unter 40 km/h bzw dem damit verbundenen Reaktionsweg gleichzusetzen seien.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Dem Rechtsmittelwerber wird vorgeworfen, im Ortsgebiet von Wallern/Tr den Sicherheitsabstand nicht eingehalten zu haben.

Wallern/Tr liegt im Bezirk Grieskirchen, daher wäre die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens örtlich zuständig gewesen. Tatsächlich wurde Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Eferding erstattet, die das Verfahren an die Wohnsitzbehörde des Rechtsmittelwerbers, nämlich die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems abgetreten hat.

Auf dieser Grundlage war Punkt 1) des Straferkenntnisses wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz zu beheben. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte nach dem Grundsatz in dubio pro reo auf der Grundlage der obigen Ausführungen zur Heranziehbarkeit der Aussagen des Meldungslegers.

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Dem Rechtsmittelwerber wird vorgeworfen, auf einer bestimmten eingeschränkten Straßenstrecke mehrere Fahrzeuge überholt zu haben, obwohl dafür nicht genügend Platz gewesen sei.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muß dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen.

Der Spruch muß außerdem geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Ist im Spruch die Tat so umschrieben, daß eine Zuordnung zu mehreren Tatbeständen möglich ist, so verstößt der Spruch auch gegen § 44a Z1 VStG (vgl VwGH vom 29. Jänner 1987, 86/08/0208).

Dem Rechtsmittelwerber wurde im Punkt 2) des Straferkenntnisses konkret der Gesetzestext vorgeworfen, ohne ein konkret angenommenes Fehlverhalten in den Tatvorwurf aufzunehmen und dieses Fehlverhalten unter den konkreten Tatbestand zu subsumieren. Es geht aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht hervor, wieviele Überholmanöver die Erstinstanz tatsächlich angenommen hat, wobei an sich jedes einzelne Überholmanöver eine eigene Verwaltungsübertretung darstellen würde.

Die Behebung des Straferkenntnisses erfolgte daher auf der Grundlage des § 44a Z1 VStG, wobei das Verfahren im Zweifel für den Beschuldigten (siehe oben) einzustellen war.

Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:

Dem Rechtsmittelwerber wird vorgeworfen, innerhalb einer konkret bezeichneten Straßenstrecke Überholmanöver durchgeführt zu haben, ohne die Möglichkeit seines Wiedereinordnens ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer vor Beginn des Überholmanövers abschätzen zu können.

Die Aufhebung des Straferkenntnisses erfolgte auf der Grundlage des Unmittelbarkeitsgrundsatzes des § 51i VStG und die Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf die obigen Ausführungen nach dem Grundsatz in dubio pro reo.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

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