Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102965/10/Weg/Ri

Linz, 28.12.1995

VwSen-102965/10/Weg/Ri Linz, am 28. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des E... K..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. ..., vom 18.

April 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 5. April 1995, VerkR..., nach der am 21. Dezember 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen die Fakten 1 und 2 (§ 16 Abs.1 lit.a und § 16 Abs.1 lit.c jeweils StVO 1960) wird Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Der Berufung gegen das Faktum 3 des Straferkenntnisses (§ 20 Abs. 2 StVO 1960) wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Schuldvorwurf lautet: "... gegen 22.26 Uhr des 23. Dezember 1994 im Bereich von Str.km ... bis ... der ...straße ... in Fahrtrichtung ... die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um zumindest 15 km/h überschritten zu haben".

Die Strafhöhe zum Faktum 3 wird wie folgt reduziert:

Geldstrafe 500 S, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden.

III. Verfahrenskosten:

Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz vermindert sich auf 50 S, ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.1 lit.

a, 2.) § 16 Abs.1 lit.c und 3.) § 20 Abs.2, jeweils iVm. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 2.000 S (60 Stunden), 2.) 2.000 S (60 Stunden) und 3.) 1.300 S (36 Stunden) verhängt, weil dieser am 23. Dezember 1994 gegen 22.23 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen ... auf der ...straße ... von ... in Richtung ... gelenkt hat, wobei er 1.) im Bereich von Strkm. ... im Gemeindegebiet von ... mehrere Fahrzeuge überholte, wobei andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende gefährdet oder behindert hätten werden können, zumal für diesen Überholvorgang die erforderliche Überholsichtweite nicht gegeben war und er 2.) nicht einwandfrei erkennen konnte, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen hätte können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, zumal er zum Beginn seines Überholvorganges auf Grund des Tiefenabstandes der vor ihm fahrenden Fahrzeuge eine Behinderung oder Gefährdung der Lenker dieser Fahrzeuge nicht ausschließen konnte und 3.) gegen 22.26 Uhr im Bereich von Str.km. ... bis ... der Pyhrnpaßstraße ... die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um ca. 30 km/h überschritten hat.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 530 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde stützt ihr Straferkenntnis im wesentlichen auf die Anzeige der Gendarmeriebeamten ... und ..., wonach der Beschuldigte drei Fahrzeuge vor dem Dienstkraftfahrzeug, in welchem die Beamten saßen, fuhr und etwa bei Kilometer ... eine aus sechs Fahrzeugen bestehende Kolonne zu überholen begann, wobei die Fahrgeschwindigkeit der Fahrzeugkolonne etwa 80 km/h und die des Beschuldigten etwa 110 km/h betragen haben dürfte. Der Überholvorgang sei bei Kilometer 51,100 (=600 m) unmittelbar vor einer unübersichtlichen Rechtskurve beendet gewesen, wobei im Bereich der unübersichtlichen Fahrbahnkuppe bei Kilometer ... der Überholvorgang noch angedauert habe. Bei diesem Überholvorgang sei kein Fahrzeug des Gegenverkehrs gefährdet oder behindert worden. Die angeführte Geschwindigkeitsüberschreitung wurde laut Anzeige durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand unter Abzug einer angenommenen Tachometerabweichung von 10 km/h ermittelt.

Entscheidungsgrundlage der Erstbehörde war letztlich auch ein straßenverkehrstechnisches Gutachten eines Amtssachverständigen des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 26. Mai 1994, wonach für dieses Überholmanöver eine Überholstrecke von ca. 720 m benötigt werde. Der Sachverständige ging dabei von den angegebenen Geschwindigkeiten in der Anzeige sowie davon aus, daß die überholte Fahrzeugkolonne untereinander einen Sicherheitsabstand von 1 Sekunde einhielt. Grundlage für diese Berechnungen des Sachverständigen war ferner, daß zwischen den einzelnen Fahrzeugen keine ausreichende Einordnungslücke vorhanden war, um den begonnenen Überholvorgang allenfalls abzubrechen. Bei einer angenommenen Länge dieser Kolonne von ca. 135 m und den angenommenen Geschwindigkeiten ergäbe sich während des benötigten Zeitraumes von ca. 23 Sekunden eine Überholstrecke von ca. 720 m. Dem steht eine Überholsichtweite von 600 m gegenüber. Selbst wenn eine Einordnungsmöglichkeit zwischen den überholten Fahrzeugen gegeben gewesen sein sollte, ergibt sich nach diesem Gutachten, daß jedenfalls im Bereich des Kuppenverlaufs, wo der Überholvorgang noch nicht abgeschlossen war und wo eine günstigste Sichtweite von 205 m vorliegt, daß in diesem Bereich (auch wenn man von einem einzelnen überholten PKW ausginge) die benötigte Überholstrecke nicht eingesehen werden habe können. Nach diesem Gutachten sei das zur Anzeige gebrachte Überholmanöver technisch nachvollziehbar, ebenso die im Nachfahren über eine Strecke von 600 m festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung.

3. Der Berufungswerber bringt in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß vor, das Straferkenntnis fuße auf einem nicht schlüssigen Gutachten.

Die Schlüssigkeit dieses Gutachtens wird deshalb in Zweifel gezogen, weil die diesem zugrundegelegten Prämissen nicht zutreffend seien. Die Kolonne sei maximal mit 50 km/h gefahren, zumal diese auf einen Kleinbus mit ungarischem Kennzeichen, der eben nur 50 km/h gefahren sei, aufgelaufen sei, woraus sich ergäbe, daß die zur Verfügung gestandene Überholstrecke von 600 m zum gefahrlosen Überholen ausreichend gewesen sei. Jedenfalls hätte - so der Berufungswerber - er bei Gegenverkehr den Überholvorgang jederzeit gefahrlos abbrechen können, zumal dieser durch die Beleuchtung rechtzeitig erkennbar gewesen sei. Desweiteren wird bemängelt, daß der Sicherheitsabstand zwischen den überholten PKW's aus der Position des nachfahrenden Patrouillenfahrzeuges nicht abschätzbar gewesen sei, sodaß der letztlich im Gutachten angenommene jeweilige Sicherheitsabstand von einer Sekunde von Vermutungen und nicht von Fakten ausgehe.

Hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung wird bemängelt, daß diese von keinem geeichten Gerät abgelesen worden sei. Er selbst habe am Beginn des geraden Straßenstückes vor ... den Tempomat in Betrieb gesetzt, was seine Beifahrer ... und R... bestätigen könnten.

Der Berufungswerber beantragt schließlich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines straßenverkehrstechnischen Sachverständigen sowie die Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Zeugen Rev.Insp. W..., durch Vernehmung der Zeugin M... (Gattin und Beifahrerin des Beschuldigten), durch Vernehmung des Beschuligten sowie durch Befragung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. ...

anläßlich der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 1995, bei der auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Insbesondere aufgrund der Zeugenaussage des Rev.Insp. ..., der Beifahrer im Patrouillenfahrzeug war, ergab sich, daß der inkriminierte Überholvorgang nicht in dieser Form stattgefunden haben kann. Das Patrouillenfahrzeug fuhr nach dieser Zeugenaussage zirka als 10. Fahrzeug einer Kolonne.

Zum Zeitpunkt, als der Beschuldigte den Überholvorgang als 7. Fahrzeug einer Kolonne begann, war nach dieser Zeugenaussage deshalb noch eine ausreichende Einordnungsmöglichkeit gegeben, weil zwischen dem 3. und 4.

Fahrzeug dieser Kolonne eine - auch aus der Sicht des Patrouillenfahrzeuges - ausreichende Einordnungsmöglichkeit bestand. Erst als der Beschuldigte diese Einordnungsmöglichkeit nicht nutzte sondern den Überholvorgang fortsetzte und auch die ersten drei Fahrzeuge der Kolonne zu überholen begann, sei eine Gefährlichkeit des Überholmanövers erkennbar geworden, weshalb das Patrouillenfahrzeug ebenfalls zum Überholen der Kolonne ansetzte und sechs Fahrzeuge überholt habe, während der Beschuldigte in diesem Zeitraum noch die ersten drei Fahrzeuge der Kolonne überholt habe.

Das vom Sachverständigen errechnete Zeit-Weg-Diagramm ergab jedoch die technische Unvollziehbarkeit dieser Angaben, weil diesfalls der Überholvorgang des Patrouillenfahrzeuges erst im Bereich der nach der Fahrbahnkuppe anschließenden Rechtskurve (ca. 350 m nach der Fahrbahnkuppe) beendet hätte werden können, während nach Aussage des Rev.Insp. ... das Überholen der sechs Fahrzeuge schon vor der Fahrbahnkuppe abgeschlossen gewesen sei. Der Sachverständige führt hinsichtlich der Plausibilität der Angaben des Rev.Insp. ...

aus, eine Erklärung könne darin gesehen werden, daß eben die angegebenen Geschwindigkeiten (110 km/h : 80 km/h) nicht der Realität entsprachen. Nimmt man die vom Berufungswerber angegebene Geschwindigkeit der durch das ungarische Fahrzeug ins Stocken geratenen Kolonne an, nämlich ca. 50 km/h, so wäre wegen der sich daraus ergebenden erforderlichen Überholsichtweite von 468 m eine ausreichende Überholstrecke zur Verfügung gestanden. Diesfalls wäre auch das Überholmanöver des Patrouillenfahrzeuges, welches erst nach Str.km ... begonnen werden konnte, und welches noch im Bereich vor der Bergkuppe beendet worden sei, einigermaßen erklärbar.

Noch eine andere Erklärungsmöglichkeit ergäbe sich dann, wenn - selbst bei den von den Meldungslegern angegebenen Geschwindigkeiten - der Überholvorgang dort begonnen worden wäre, wo dies der Beschuldigte bzw. dessen zeugenschaftlich vernommene Gattin während des Ortsaugenscheines angaben.

Welche Gegebenheiten nunmehr zum Tatzeitpunkt vorliegend waren, läßt sich nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit klären. Es steht zumindest - auch auf Grund der Aussage des vernommenen Gendarmeriebeamten - fest, daß zum Zeitpunkt des Beginns des Überholmanövers bei Kilometer ... wegen der ausreichenden Lücke zwischen drittem und vierten Fahrzeug der Kolonne keine anderen Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden hätten können, zumal zumindest für den Überholvorgang der ersten drei Fahrzeuge die erforderliche Überolsichtweite gegeben war.

Es steht desweiteren fest, daß das von den Gendarmeriebeamten geschilderte Überholmanöver und das Überholmanöver des Patrouillenfahrzeuges in der vom Zeugen geschilderten Form nicht stattfinden konnte. Es wird deshalb im Zweifel für den Beschuldigten auch das Überholmanöver der ersten drei der die Kolonne anführenden Fahrzeuge als kein solches gesehen, das eine Subsumtion unter § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 zuläßt.

Zur festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung führt der Sachverständige aus, daß durch Nachfahren in annähernd gleichem Abstand über 600 m eine ausreichende Beobachtungsstrecke, die eine Geschwindigkeitsschätzung zuläßt, vorhanden war.

Zur Frage, ob im Hinblick auf die gegenständliche Messungsart (Ablesen der Geschwindigkeit auf dem eigenen Tacho, welcher nicht geeicht und eingestellt war) zugunsten des Beschuldigten Abzüge möglich seien, führt dieser aus, daß bei der gegenständlichen Meßart auf Grund verschiedener Imponderabilien theoretisch noch ein Abzug von 10 km/h bis 15 km/h in Anschlag zu bringen sei. Zugunsten des Beschuldigten wird sohin angenommen, daß er zwischen Kilometer ... bis ... seinen PKW mit zumindest 115 km/h lenkte. Dem steht auch die von der Zeugin ... bestätigte Inbetriebnahme des Tempomaten nicht entgegen, weil selbst der Beschuldigte einbekannte, daß eine exakte Einstellung des Tempomaten auf 100 km/h nur schwer möglich sei und die Temporegelung im gegenständlichen Fall durchaus höher eingestellt gewesen sein könnte.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Nachdem zumindest die Übertretungen nach § 16 Abs. 1 lit.a und § 16 Abs.1 lit.c , jeweils StVO 1960, nicht mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit nachweisbar sind, war im Sinne dieser Gesetzesstelle zu den Fakten 1 und 2 die Einstellung zu verfügen.

Hinsichtlich der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung war nach dem Zugunstenprinzip von geringeren Werten auszugehen. Die letztlich als erwiesen angenommene Geschwindigkeitsüberschreitung um 15 km/h bei erlaubten 100 km/h hat iSd § 19 VStG wegen des geringeren Ausmaßes der mit der Tat verbundenen Gefährdung der Verkehrssicherheit die spruchgemäße Strafreduktion zur Folge.

6. Die Kostenentscheidung ist eine gesetzliche Folge der §§ 64 und 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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