Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102967/7/Bi/Fb

Linz, 09.04.1996

VwSen-102967/7/Bi/Fb Linz, am 9. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn E U, W, U, vom 26. Juni 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 18. Mai 1995, VerkR96/3262-1993/Do/Gra, wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Soweit sich die Berufung gegen den Tatvorwurf der mangelnden Profiltiefe an beiden Hinterreifen richtet, wird ihr Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen entschiedener Sache behoben.

Soweit sich die Berufung gegen den Tatvorwurf der Vornahme einer unzulässigen Änderung am Fahrzeug durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie richtet, wird ihr Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge im Rechtsmittelverfahren sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 22 Abs.1, 44a Z1 und 2 und 45 Abs.1 Z3 VStG, §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 134 Abs.1 und 33 Abs.6 KFG 1967.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 1.300 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 39 Stunden verhängt, weil er am 3. November 1993 vor 9.50 Uhr als Zulassungsbesitzer nicht dafür gesorgt habe, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht.

Mängel: beide Hinterradreifen hätten nicht eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm auf der ganzen Lauffläche aufgewiesen sowie Vornahme einer gemäß § 33 Abs.6 KFG 1967 unzulässigen Änderung am Fahrzeug durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 130 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.1 und 2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er erhebe Einspruch gegen das Straferkenntnis, weil die genannten Anschuldigungen bzw Mängel und Änderung unrichtig und vom Jahr 1993 seien. Das Fahrzeug sei längst nicht mehr in seinem Besitz. Er sei daher nicht gewillt, die Strafe zu akzeptieren, und bitte um neuerliche Überprüfung.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber zur Anzeige gebracht worden war, weil der Meldungsleger Insp. G das oben bezeichnete Kraftfahrzeug, das als Lastkraftwagen zugelassen ist, am 3. November 1993 in L vor dem Haus L beanstandet hat, weil die beiden Hinterreifen die Mindestprofiltiefe von 1,6 mm weit unterschritten hätten - die Indikatoren seien mit dem Profil niveaugleich, nämlich auf einer Höhe von 0,3 bis 0,5 mm gewesen; der linke Reifen habe auf der Innenprofiltiefe in einer Breite von ca 8 cm teilweise überhaupt kein Profil mehr aufgewiesen und an der Seitenwand des rechten Reifens hätten sich in vollem Umfang zahlreiche Risse befunden, die aber nicht bis zum Unterbau durchgeragt hätten und es hätten Teile des Gummis gefehlt - und die gesamte Heckscheibe mit einer schwarzen Klebefolie von der Innenseite abgeklebt gewesen sei.

Der damalige Lenker C U konnte keine Einzelgenehmigung vorweisen, weshalb Anzeige erstattet wurde. Er ließ sofort bei der nächsten Werkstätte die abgefahrenen Reifen wechseln und führte das Fahrzeug am 3. November 1993 um 12.35 Uhr in ordnungsgemäßem Zustand mit 2 neuen Hinterreifen dem Meldungsleger im Wachzimmer L vor.

Das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Rechtsmittelwerber wurde an die Erstinstanz abgetreten, die sodann die Strafverfügung vom 12. November 1993 erließ. Diese wurde vom Rechtsmittelwerber am 19. November 1993 eigenhändig übernommen.

Im Schreiben vom 23. November 1993 hat dieser ein an die Erstinstanz adressiertes Schreiben mit folgendem Wortlaut gerichtet:

"Ich muß Sie darauf hinweisen, daß der Golf mit dem amtlichen Kennzeichen ein LKW (Viscal) ist und daher die von Ihnen beschriebene Folie Original ist.

Hochachtungsvoll U".

Der darauffolgenden Ladung zur mündlichen Verhandlung leistete der Rechtsmittelwerber keine Folge, obwohl er auch diese persönlich übernommen hatte. Anschließend erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

4.1. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zum Tatvorwurf der abgefahrenen Hinterreifen:

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung iSd § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft .... .

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß das Schreiben des Rechtsmittelwerbers vom 23. November 1993, obwohl darin formell kein Bezug zur Strafverfügung vom 12. November 1993 hergestellt wird, als Einspruch gegen die Strafverfügung, und zwar gegen den Teil der Strafverfügung, die den Vorwurf der unzulässigen Änderung am Fahrzeug durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie enthält, anzusehen ist. Einen Willen des Rechtsmittelwerbers, der auf die Beseitigung der gesamten Strafverfügung, nämlich auch betreffend die Tatvorwürfe der abgefahrenen Reifen, gerichtet ist, vermag der unabhängige Verwaltungssenat in diesem Schriftsatz nicht zu erkennen.

Er vertritt daher die Auffassung, daß die Strafverfügung im Schuldspruch hinsichtlich der Tatvorwürfe, beide Hinterreifen hätten nicht eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm aufgewiesen, in Rechtskraft erwachsen ist. Auf dieser Grundlage hätte aber im Straferkenntnis nicht mehr über eben diesen Tatvorwurf abgesprochen werden dürfen und war dieses daher insofern wegen entschiedener Sache zu beheben.

Zum Tatvorwurf der unzulässigen Änderung am Fahrzeug durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie:

Gemäß § 33 Abs.6 KFG 1967 sind Änderungen an Teilen und Ausrüstungsgegenständen von genehmigten Fahrzeugen, durch die deren Eigenschaften oder deren Wirkung im Sinne der Verkehrs- oder Betriebssicherheit herabgesetzt werden können, unzulässig.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch muß geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Dem Rechtsmittelwerber wird die "Vornahme einer gemäß § 33 Abs.6 Kraftfahrgesetz 1967 unzulässigen Änderung am Fahrzeug durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie" zur Last gelegt, ohne daß ihm innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist die Bestimmung des § 33 Abs.6 KFG 1967 wörtlich vorgeworfen worden wäre. Tatbestandsmerkmal des Tatvorwurfs ist, daß durch das Bekleben der Heckscheibe mit einer verdunkelnden Folie die Eigenschaften oder die Wirkung dieses Teiles des Fahrzeuges, im gegenständlichen Fall der Heckscheibe, im Sinne der Verkehrs- oder Betriebssicherheit herabgesetzt werden könnte.

Ein derartiger Tatvorwurf ist aber innerhalb der sechsmonatigen Verfolungsverjährungsfrist nicht ergangen und aus der bloßen Zitierung der Bestimmung des § 33 Abs.6 KFG 1967 war es dem Rechtsmittelwerber nicht möglich, sich diesbezüglich konkret zu verantworten.

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Da eine Spruchkorrektur nach dem Eintritt der Verfolgungsverjährung aber nicht mehr nachgeholt werden kann, war der Berufung insofern Folge zu geben.

Am Rande ist aber zu den Berufungsausführungen zu bemerken, daß die von der Verfolgungsverjährung zu unterscheidende Strafbarkeitsverjährung im Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich drei Jahre beträgt, sodaß die Argumente des Rechtsmittelwerbers, die Anschuldigungen bezüglich der Mängel und der Änderung seien aus dem Jahr 1993, das Fahrzeug nicht mehr in seinem Besitz, und er akzeptiere daher die Strafe nicht, ins Leere gehen. Ob das Fahrzeug noch im Besitz des Rechtsmittelwerbers ist, ist schon deshalb irrelevant, weil sich der Tatvorwurf auf den 3. November 1993 - Strafbarkeitsverjährung ist daher noch nicht eingetreten - und nicht auf die Gegenwart bezieht.

4.2. Zum Strafausspruch der Erstinstanz ist auszuführen, daß diese entgegen den Bestimmungen des § 22 Abs.1 VStG - "Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen" - eine Gesamtstrafe verhängt hat.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Kumulationsprinzip anzuwenden, wenn das beanstandete Fahrzeug in zwei- oder mehrfacher Hinsicht nicht den in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen hat (vgl Erkenntnis vom 22. März 1989, 85/18/0103 ua).

Im gegenständlichen Fall wurde eine Gesamtstrafe im Ausmaß von 1.300 S Geldstrafe bzw im Fall der Uneinbringlichkeit 39 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen, die der unabhängige Verwaltungssenat aufzuteilen nicht berechtigt ist, weil die Überlegungen der Erstinstanz bei der Strafbemessung für die einzelnen Mängel am Fahrzeug nicht nachvollziehbar sind; auch aus dem sonstigen Akteninhalt läßt sich dazu nichts ersehen.

Für die Erstinstanz besteht jedoch die Möglichkeit, gemäß § 52a VStG für den in Rechtskraft erwachsenen Teil der Strafverfügung die Strafe im Rahmen des ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraumes neu festzusetzen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskostenbeiträge ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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