Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-109084/18/Gf/Ka

Linz, 28.08.2003

VwSen-109084/18/Gf/Ka Linz, am 28. August 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der AS, vertreten durch die RAe Dr. RG, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Mai 2003, Zl. S-1936/03-VP, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung, nach der am 29. Juli und am 28. August 2003 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Mai 2003, Zl. S-1936/03-VP, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Tage) verhängt, weil sie sich am 31. Dezember 2002 im Anschluss an einen Verkehrsunfall im LKH Freistadt geweigert habe, sich einem Alkomattest zu unterziehen; dadurch habe sie eine Übertretung des § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 128/2002 (im Folgenden: StVO) begangen, weshalb sie nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wird darin ausgeführt, dass der der Rechtsmittelwerberin angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender Wahrnehmungen der einschreitenden Sicherheitsorgane sowie eines medizinischen Sachverständigengutachtens als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder erschwerende noch mildernde Umstände hervorgekommen; die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung der Beschwerdeführerin von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihr am 19. Mai 2003 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 2. Juni 2003 - und damit rechtzeitig per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht ergebe, weshalb die belangte Behörde bedenkenlos dem Sachverständigengutachten gefolgt sei, obwohl in diesem auf die sich schon aus der Krankengeschichte ergebenden Umstände (Hyperventilation, schweres Schädel-Hirn-Trauma, fehlende zeitliche und örtliche Orientierung) gar nicht eingegangen worden sei. Ausserdem hätte die im Krankenhausbefund diagnostizierte schwergradige Alkoholisierung zu einer Bewusstseinsstörung bzw. Unansprechbarkeit führen können, was aber trotz gegenteiliger Feststellungen des Erstgerichtes sowohl vom Sachverständigen als auch von der Erstbehörde stillschweigend übergangen worden sei. Schließlich hätte das von der belangten Behörde angeforderte Gutachten nicht von einem Allgemeinmediziner, sondern von einem Psychologen erstellt werden müssen.

Da zudem nicht bloß die Mindeststrafe verhängt worden sei, wird aus allen diesen Gründen die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu Zl. S-1936/03-VP sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 29. Juli und am 28. August 2003, zu der als Parteien die Beschwerdeführerin sowie Dr. SN und Mag. FH für deren Rechtsvertreter bzw. Mag. CB als Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen BI NG (GP Neumarkt), Polizeiarzt Dr. GH (BPD Linz) und Notarzt Dr. CW (LKH Freistadt) erschienen sind.

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden:

Am 31. Dezember 2002 fuhr die Beschwerdeführerin nach einem Besuch bei einer Freundin in Freistadt mit ihrem PKW zurück nach Linz. In der Ortschaft Galgenau im Gemeindegebiet von Kefermarkt kam sie gegen 19.00 Uhr von der Straße ab, überschlug sich und kam schließlich in einer angrenzenden Wiese zum Stillstand.

Nach notärztlicher Erstversorgung wurde sie ins LKH Freistadt verbracht. In der Ambulanz stellte der behandelnde Arzt - i.e. der dritte Zeuge - einen Verdacht auf eine Gehirnerschütterung, eine Schädelprellung mit Bluterguss sowie eine Prellung des rechten Unterschenkels mit einer Schürfwunde fest. Zudem war er der Auffassung, dass die Rechtsmittelwerberin zu diesem Zeitpunkt nicht zielorientiert handeln konnte. Nachdem der dritte Zeuge das Röntgenzimmer verlassen hatte, wurde sie dort in der Folge - da an der Unfallstelle von den einschreitenden Gendarmeriebeamten deutliche Alkoholisierungssymptome (nämlich insbesondere Alkoholgeruch aus dem Mund und gerötete Augenbindehäute) festgestellt worden waren - mehrmals zur Durchführung eines Atemalkoholtestes aufgefordert, den sie jedoch verweigerte.

2.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den insoweit jeweils übereinstimmenden, glaubwürdigen und in sich widerspruchsfreien Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen.

3. Über die gegenständliche Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 Z. 1 StVO begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.162 Euro bis zu 5.813 Euro zu bestrafen, der sich weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig ist, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben und von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht zu einer solchen Atemluftuntersuchung aufgefordert wurde.

3.2. Dass die Beschwerdeführerin den Tatbestand der zuvor angeführten Deliktsnorm erfüllt hat, steht im gegenständlichen Fall allseits unbestritten fest,.

Auf der Ebene des Verschuldens wendet sie jedoch der Sache nach ein, zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig i.S.d. § 3 Abs. 1 VStG gewesen zu sein.

3.2.1. Diesbezüglich ergibt sich aus dem schon von der Erstbehörde eingeholten Gutachten des zweiten Zeugen vom 3. April 2003, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass ihr nach dem Verkehrsunfall jegliches Auffassungs- und Erinnerungsvermögen gefehlt habe, angesichts einer bloß ungesicherten Diagnose einer Gehirnerschütterung sowie einer Schädelprellung, die i.d.R. noch keine Auswirkungen auf die Gehirntätigkeit und die kognitiven Fähigkeiten nach sich zieht, nicht haltbar sei.

Bei seiner Einvernahme am 29. Juli 2003 schränkte der Sachverständige diese Feststellung jedoch ausdrücklich darauf ein, dass sie lediglich anhand der Aktenlage erstellt wurde und dass die Frage, ob tatsächlich eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Bewusstseinsstörung vorlag, letztlich nur vom behandelnden Arzt selbst beantwortet werden kann, wobei dieser als Unfallchirurg fachlich jedenfalls dazu in der Lage ist, eigenständig zu beurteilen, ob die an die Beschwerdeführerin gestellten Fragen zielgerichtet beantwortet wurden (vgl. das h. Verhandlungsprotokoll vom 29. Juli 2003, Zl. VwSen-109084/10/Gf/Ka, S. 4 f).

3.2.2. Davon ausgehend hat der dritte Zeuge bei seiner Einvernahme mehrfach angegeben, dass die Rechtsmittelwerberin seinem subjektiven Eindruck nach damals "die Situation nicht richtig erfasst hat", "nicht zielorientiert handeln konnte", "nicht dispositionsfähig war" bzw. "eine echte Bewusstseinsstörung hatte"; Anweisungen (wie z.B. auf dem Röntgentisch liegen zu bleiben) wurden trotz entsprechender Hinweise auf damit verbundende Gefahren (z.B. im Falle einer Halswirbelverletzung) geradezu apathisch nicht beachtet (vgl. das h. Verhandlungsprotokoll vom 28. August 2003, Zl. VwSen-109084/17/Gf/Ka, S. 3 f).

3.2.3. Auf Grund dieser Einschätzung durch einen sachverständigen Zeugen bestehen aber jedenfalls erhebliche Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt i. S.d. § 3 Abs. 1 VStG tatsächlich voll zurechnungsfähig war.

Vielmehr war der Rechtsmittelwerberin bei dieser Sachlage die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK zugute zu halten, sodass mangels erwiesenen Verschuldens nicht von ihrer Strafbarkeit ausgegangen werden kann.

3.3. Daraus folgt aber insgesamt, dass der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 bs. Z. 1 VStG einzustellen war.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. G r o f

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum