Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103107/29/Weg/Ri

Linz, 23.04.1996

VwSen-103107/29/Weg/Ri Linz, am 23. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des N K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W, vom 7. August 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 24. Juli 1995, VerkR96..., zu Recht erkannt:

I. Hinsichtlich des Faktums 1 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Beschuldigte in Richtung ... fuhr und daß das im Straferkenntnis beschriebene Überholmanöver eines LKW's zumindest begonnen wurde (seitliches Vorbeibewegen) und geeignet war, andere Straßenbenützer, nämlich den Lenker des entgegenkommenden PKW's mit dem Kennzeichen ..., zu gefährden.

II. Hinsichtlich der Fakten 2 und 3 wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

III. Hinsichtlich des Faktums 4 wird die Berufung abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

IV. Hinsichtlich der Fakten 1 und 4 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 340 S (240 S und 100 S) zu entrichten.

Hinsichtlich der Fakten 2 und 3 entfällt jeglicher Kostenbeitrag zum Strafverfahren.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1 (betreffend die Fakten 2 und 3), § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960, 2.) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960, 3.) § 4 Abs.5 StVO 1960 und 4.) § 102 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) von 1.) 1.200 S (36 Stunden), 2.) 2.000 S (60 Stunden), 3.) 1.500 S (45 Stunden) und 4.) 500 S (15 Stunden) verhängt, weil dieser am 16. Dezember 1993 um 7.10 Uhr in D, Gemeinde S, auf der ... Bundesstraße Nr...., auf Höhe der Firma H, als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges ... bzw. ... 1.) trotz Gegenverkehrs einen vor ihm fahrenden LKW-Zug überholt hat, sodaß der entgegenkommende Lenker des PKW's mit dem behördlichen Kennzeichen ..., um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern, seinen PKW nach rechts in den Straßengraben ablenken mußte, weswegen dieser gegen einen Wasserdurchlaß stieß und der PKW erheblich beschädigt wurde. In der Folge hat er es auf dieser Fahrt unterlassen, nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, 2.) das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug sofort anzuhalten und 3.) die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, nachdem kein Nachweis von Namen und Wohnanschrift mit dem Unfallgeschädigten erfolgte.

Ferner hat er 4.) auf der angeführten Fahrt als Lenker eines Sattelzugfahrzeuges mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg nicht dafür gesorgt, daß im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist, zumal ein falsches Datum (Tatzeit 16. Dezember 1993 Datum der Eintragung des Schaublattes 15. Dezember 1993) am Schaublatt eingetragen war.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von insgesamt 520 S in Vorschreibung gebracht.

2. Diesem Straferkenntnis lag nachstehender vom Gendarmerieposten ... zur Anzeige gebrachter Sachverhalt zugrunde:

Ing. M erstattete bei diesem Gendarmerieposten Anzeige darüber, daß ihm als Lenker des PKW's mit dem Kennzeichen ... ein einen LKW-Zug überholendes Sattelkraftfahrzeug entgegenkam und ihn von der Fahrbahn abdrängte, sodaß es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden kam. Zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung waren die näheren Daten des überholenden Sattelkraftfahrzeuges und auch des Lenkers noch nicht bekannt. Am dem Verkehrsunfall folgenden Tag meldete sich ein den Vorfall beobachtet habender und dem Sattelkraftfahrzeug nachfolgender PKW-Lenker beim Gendarmerieposten ... und teilte dort seine Beobachtungen sowie die Kennzeichen des Sattelkraftfahrzeuges mit. Dieser Zeuge konnte das gefährliche Überholmanöver beobachten, wobei die Vermutung eines Verkehrsunfalles, der vom Zeugen selbst nicht beobachtet wurde, die Ursache dieser Anzeige war. Als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges wurde schließlich der Beschuldigte eruiert.

3. Der Berufungswerber bestreitet die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen und führt sinngemäß aus, er habe angesichts des entgegenkommenden PKW's den Überholvorgang abgebrochen. Er habe nicht bemerkt, daß der Gegenverkehr von der Straße abgekommen sei. Hätte er dies bemerkt, hätte er natürlich angehalten und wäre seinen Verpflichtungen nach § 4 StVO 1960 nachgekommen. Hinsichtlich des nicht ordnungsgemäß ausgefüllten Schaublattes bringt der Berufungswerber vor, daß der Beginn der Ruhezeit schon am 15. Dezember 1993 gewesen sei und somit das Schaublatt auch mit diesem Datum zu datieren gewesen sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Befragung des entgegenkommenden PKW-Lenkers Ing. T und des dem Sattelkraftfahrzeug folgenden PKW-Lenkers Mag. W, sowie durch Beiziehung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. ... anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. November 1995, bei der auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Demnach steht fest, daß der Berufungswerber am Vortag des Tattages das verfahrensgegenständliche Sattelkraftfahrzeug in den Abendstunden in der Nähe seines Wohnhauses abstellte und um ca. 7.00 Uhr des Tattages in Richtung St. ... fuhr und dabei die B... benutzte. Es war zur Tatzeit noch dunkel.

Auf Höhe der Firma H in S setzte der Beschuldigte zum Überholen eines vor ihm fahrenden LKW's (Länge ca. 10 m) an und befand sich auf der dort zweispurigen Fahrbahn auf dem linken Fahrstreifen bereits auf Höhe des zu überholenden LKW's, als er einen entgegenkommenden PKW (der, weil auf einer Freilandstraße, 100 km/h hätte fahren dürfen) bemerkte, sodaß er sich entschloß, das Überholmanöver abzubrechen und sich wieder hinter diesen LKW einreihte. Die Geschwindigkeit des Sattelkraftfahrzeuges betrug in der Beschleunigungsphase ca. 70 km/h, während die Geschwindigkeit vor dem Überholmanöver ca. 50 km/h betrug.

Es herrschte in Fahrtrichtung ... Kolonnenverkehr. Der Fahrstreifenwechsel fand ca. bei Kilometer ... statt.

Infolge der Kolonnenbildung und des Hintereinanderfahrens über längere Zeit war zumindest von einem Sicherheitsabstand auszugehen, der sich aus einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h ergibt. Das Überholmanöver in der Form, daß das überholende Sattelkraftfahrzeug auf Höhe des überholten LKW's, bzw. einige Meter zurückversetzt war, fand ca. bei Kilometer ... statt. Zu obigen Ausführungen wird bemerkt, daß jeweils die für den Beschuldigten günstigste Variante als erwiesen angenommen wurde. Der entgegenkommende PKW-Lenker hatte, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden, keine andere Möglichkeit als sein Fahrzeug aus dem Fahrbahnbereich zu lenken, sodaß zumindest die zwei rechten Räder außerhalb der Fahrbahn fuhren und es dadurch zu einer Kollision mit einem Wasserdurchlaß kam. Zugunsten des Beschuldigten wird angenommen, daß das Abkommen von der Fahrbahn nach der Begegnung mit dem Sattelkraftfahrzeug stattfand (so auch die Aussage des Zeugen ...). Die Haftpflichtversicherung des Beschuldigtenfahrzeuges beglich den Schaden am PKW Ing. ....

Der technische Amtssachverständige Ing. ... erstattete zu diesem Sachverhalt ein Gutachten, welches dem Beschuldigtenvertreter im Zuge des Parteiengehörs übersendet wurde. Entsprechend diesem Gutachten vom 21. Dezember 1995 hatte der Beschuldigte unter den angegebenen Prämissen keine ausreichende Sichtweite über die Überholstrecke. Ohne das fundierte Gutachten im einzelnen wiederzugeben, errechnete der Sachverständige, daß am Beginn des gegenständlichen Überholmanövers, ohne den Gegenverkehr zu gefährden, eine Sichtweite von 832 m hätte gegeben sein müssen, die tatsächliche Sichtweite jedoch lediglich 340 m betrug. Die erforderliche Sichtweite ohne Behinderung des Gegenverkehrs hätte sogar 927 m betragen. Somit steht fest, daß der Berufungswerber das Überholmanöver nicht hätte einleiten dürfen, weil die Gefahr einer Gefährdung oder Behinderung des Gegenverkehrs bestand. Es ist letztlich auch zu einer Gefährdung des Gegenverkehrs gekommen, was durch das Abkommen desselben von der Fahrbahn als Folge des rechtswidrigen Überholmanövers evident ist. Der Tatbestand des rechtswidrigen Überholens ist bereits erfüllt, wenn das überholende Fahrzeug sich am überholten seitlich vorbeibewegt, auch wenn letztlich das Überholmanöver abgebrochen wird.

Der Sachverständige stellte aber auch noch fest, daß der Beschuldigte den Verkehrsunfall, welcher sich nach der Begegnung zutrug, nicht mit Sicherheit bemerken mußte. Auf die näheren Gründe für diese Feststellung des Sachverständigen wird hier aus ökonomischen Gründen nicht eingegangen. Die Feststellung des Sachverständigen deckt sich im übrigen auch mit der Aussage des Zeugen ..., der als vierter hinter dem Beschuldigten nachfahrender Fahrzeuglenker den Verkehrsunfall auch nicht bemerkte sondern einen solchen lediglich nicht ausschloß.

Unbestritten ist, daß der Berufungswerber das Schaublatt mit 15. Dezember 1993 datiert hat und die gegenständliche Fahrt um 7.00 Uhr des 16. Dezember 1993 begann, wobei das Sattelkraftfahrzeug seit den Abendstunden des 15. Dezember 1993 nicht mehr gelenkt wurde.

Der Berufungswerber verdient 12.000 S netto per Monat und ist für ein Kind sorgepflichtig. Er ist vermögenslos. Er ist nach dem anläßlich der Verhandlung verlesenen Vorstrafenverzeichnis 10 mal verkehrsrechtlich vorgemerkt, wobei auch ein rechtswidriges Überholmanöver aufscheint.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zu den Fakten 2. und 3.:

Die sich aus § 4 StVO 1960 ergebenden Verpflichtungen bestehen nur, wenn der Beschuldigte Kenntnis von einem Verkehrsunfall hatte oder auf Grund objektiver Umstände Kenntnis vom Verkehrsunfall hätte erlangen müssen.

Nachdem - wie der Sachverständige und der Zeuge ...

ausführten - nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit davon auszugehen ist, daß der Beschuldigte den von ihm verursachten Verkehrsunfall bemerkt hat oder hätte bemerken müssen, war nach § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Faktum 1.:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu sanktionierende Verwaltungsübertretung, wer als Lenker eines Fahrzeuges überholt, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten.

Eine derartige Verwaltungsübertretung ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen.

Der unter Punkt 4. dargestellte und als erwiesen angenommene Sachverhalt läßt sich unschwer unter die eben zitierten gesetzlichen Bestimmungen subsumieren, sodaß in Ermangelung von Schuldausschließungsgründen der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 zu verantworten hat.

Die Spruchkorrektur war iSd § 44a Z1 VStG notwendig und deshalb auch zulässig, weil innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist entsprechende Verfolgungshandlungen gesetzt wurden, bzw. den Beschuldigten begünstigen.

Die Strafe in der Höhe von 1.500 S ist in Anbetracht der Gefährlichkeit des konkreten Überholmanövers und in Anbetracht der einschlägigen Vormerkung nach Meinung der Berufungsbehörde eher zu gering bemessen. Für eine Herabsetzung fehlt jeder Anhaltspunkt.

Zum Faktum 4.:

Gemäß § 102 Abs.1 dritter Satz KFG 1967 in der auf den Tatzeitpunkt bezogenen relevanten Fassung BGBl.Nr. 458/1990 haben Lenker von Lastkraftwagen und Sattelzugfahrzeugen mit einem Eigengewicht von mehr als 3.500 kg dafür zu sorgen, daß der Wegstreckenmesser und der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb sind und daß im Fahrtschreiber ein geeignetes, ordnungsgemäß ausgefülltes Schaublatt eingelegt ist; es darf pro Kalendertag nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein, in das der Name des jeweiligen Lenkers eingzutragen ist.

Aus dem zitierten Gesetzestext ist klar abzulesen, daß pro Kalendertag nur ein Schaublatt im Fahrtschreiber eingelegt sein darf. Daraus ergibt sich schlüssig, daß bei Fahrtbeginn um 7 h des 16. Dezember 1993 als Datum eben der 16. Dezember 1993 einzutragen gewesen wäre. Es wird der Argumentation des Beschuldigten nicht beigepflichtet, daß ein mit 15. Dezember 1993 datiertes Schaublatt nach einer Ruhezeit von mehr als 8 Stunden auch am nächsten Kalendertag mit der selben Datierung verwendet werden darf. Schon aus diesem Grund war diesbezüglich die Berufung abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

Die Strafhöhe beträgt gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 30.000 S, sodaß die verhängte Geldstrafe in der Höhe von 500 S als angemessen angesehen wird, zumal keine Milderungsgründe zutagetraten und auch die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten eine Reduzierung der Strafe nicht erzwingen.

Die Kostenentscheidung ist eine gesetzliche Folge der §§ 64 und 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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