Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103117/12/Fra/Rd

Linz, 12.10.1995

VwSen-103117/12/Fra/Rd Linz, am 12. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des G D, vertreten durch RA Dr. W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft V. vom 1. August 1995, VerkR96.., betreffend Übertretungen des § 4 Abs.5 StVO 1960 und des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 (Fakten 1 und 2 des angefochtenen Straferkenntnisses), zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich des Faktums 2 (§ 4 Abs.1 lit.c StVO 1960) als unbegründet abgewiesen. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich zur Gänze bestätigt. Die Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1 (§ 4 Abs.5 StVO 1960) in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen. Die verhängte Geldstrafe wird auf 500 S herabgesetzt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden festgesetzt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat hinsichtlich des Faktums 2 einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 200 S, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu leisten. Hinsichtlich des Faktums 1 entfällt für den Berufungswerber die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 50 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19, 24 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft V. hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten unter Punkt 1. wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.b leg.cit. eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) und unter Punkt 2. wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 4. März 1995 um ca. 00.45 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen .. in M. auf der S.straße in Richtung Tischlerei S bis in den Bereich der Kreuzung Zufahrt zu dieser Firma gelenkt hat. 1) Obwohl er bei dieser Fahrt im Bereich der Kreuzung S.straße/Zufahrt zur Tischlerei einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem Sachschaden entstand, unterließ er es hievon, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen, nachdem er auch dem Geschädigten Name und Anschrift nicht nachgewiesen hatte. 2) Außerdem unterließ er es, im Zusammenhang mit diesem Verkehrsunfall insofern an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken, als er um 2.15 Uhr in seiner Wohnung in , gegenüber einem Organ der Gendarmerie fälschlich behauptete, sein Vater A D sei zum Unfallzeitpunkt der Lenker dieses Kraftfahrzeuges gewesen, dadurch wurden die Unfallerhebungen erschwert. Ferner hat die Erstbehörde gemäß § 64 VStG einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter des Beschuldigten, bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft V.

- als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil hinsichtlich der beiden Fakten jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Vorwurf hinsichtlich des § 4 Abs.5 StVO 196O:

Aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens M. vom 6.3.1995, der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.6.1995 sowie aufgrund des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses ist davon auszugehen, daß sich der in Rede stehende Unfall am 4.3.1995 um ca. 00.45 Uhr ereignet hat. Die auf Seite 9 in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angegebene Zeit ist durch kein Ermittlungsergebnis gedeckt. Es ist unerfindlich, wie die Erstbehörde zur Anführung dieser Zeit kam, ihr ist offensichtlich diesbezüglich ein Schreibfehler unterlaufen. Im übrigen ist der Berufungswerber (Bw) bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses der angenommenen Unfallzeit von ca. 00.45 Uhr nicht entgegengetreten und er geht auch im Rechtsmittel betreffend das Führerscheinentzugsverfahren davon aus, daß die Erstbehörde eine Unfallzeit von ca. 00.45 Uhr angenommen hat. Laut Anzeige des GP M. hat Herr J E den gegenständlichen Verkehrsunfall um 1.10 Uhr des 4.3.1995 telefonisch angezeigt. Die verständigte Sektorenstreife ist um 1.35 Uhr an der Unfallstelle eingetroffen. Die Ausführungen des Bw sind daher nicht geeignet, eine andere Unfallzeit zu konstruieren.

Der Bw führt weiters aus, daß er aufgrund seines Schockzustandes zuerst seinen Vater angerufen habe, der kurze Zeit später an der Unfallstelle eingetroffen ist. Sein Vater habe ihm mitgeteilt, daß er die Sache mit dem Eigentümer der Mauer regeln werde. Da lediglich Sachschaden entstanden ist, habe er die Unfallstelle verlassen und sich nach Hause begeben. Beschädigt wurde die Mauer eines Nachbarn. Die Eigentümer dieser Mauer, die Familie S., kenne seine Familie sowie seine Anschrift. Wenn nun die zuständige Gendarmeriedienststelle wenige Minuten nach dem Unfall, sei es auch aufgrund eines Anrufes durch einen Unbeteiligten, am Unfallort eintreffe, so könne von einer Fahrerflucht nicht gesprochen werden, zumal die Gendarmeriebeamten seinem Vater gegenüber geäußert haben, daß er jedenfalls den Eigentümer der Mauer verständigen müsse. Die einschreitenden Gendarmeriebeamten haben über Name und Anschrift seines Vaters sowie über das Kennzeichen des beschädigten Fahrzeuges Bescheid gewußt. Die einschreitenden Gendarmeriebeamten haben den Verkehrsunfall nicht aufgenommen und haben sich mit dem Hinweis begnügt, daß die Identität dem Eigentümer der beschädigten Mauer nachzuweisen bzw der Unfall dem Eigentümer zu melden sei. Wenn nun zwischen dem Zeitpunkt des Verkehrsunfalles und dem Erscheinen der örtlich zuständigen Gendarmerie eine Zeitspanne von rund 20 Minuten liege, so könne von einem Unterlassen der Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle, nachdem auch dem Geschädigten der Name und Anschrift nicht nachgewiesen werden konnte, nicht gesprochen werden.

Diese Argumentation des Bw überzeugt nicht: Unstrittig ist, daß der Beschuldigte dem Eigentümer der von ihm beschädigten Mauer seine Identität nicht nachgewiesen hat. Nur ein solcher Nachweis hätte ihn von der Verpflichtung zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle und der weiteren Verpflichtung der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes befreit. Der Bw führt nun an, daß seine Familie die Eigentümerfamilie der beschädigten Mauer kenne.

Hiezu ist festzustellen, daß mit Rücksicht auf den Normzweck (Erleichterung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen) die Notwendigkeit der Erbringung des Identitätsnachweises dann verneint werden kann, wenn sich die am Unfall beteiligten Personen persönlich kennen, wobei jedoch ein strenger Maßstab anzulegen ist. Wenn die am Unfall beteiligten Personen gleichzeitig zur Unfallzeit am Unfallort anwesend sind und jeder der beiden alle in diesem Zusammenhang relevanten Daten von der anderen kennt, so bedarf es keines "Nachweises" der Identität (VwGH 14.9.1983, ZVR 1984/264 ua). Voraussetzung ist in einem solchen Fall die persönliche Kontaktaufnahme der beteiligten Personen.

Wesentlich für den Wegfall des Identitätsnachweises ist die sichere und genaue Kenntnis von Name und Anschrift des Unfallgegners: Der Umstand, daß der Unfallgegner dem Beschuldigten benachbart war und daß er ihn und sein Fahrzeug kannte, läßt nicht den verläßlichen Schluß zu, daß dem Unfallgegner auch die (nunmehrige) genaue Anschrift des Beschuldigten bekannt ist (VwGH 28.2.1985, ZVR 1986/147).

Das Argument der persönlichen Bekanntschaft mit dem Eigentümer der beschädigten Mauer geht daher im gegenständlichen Zusammenhang fehl, zumal keine persönliche Kontaktaufnahme mit dem Eigentümer dieser Mauer erfolgt ist und dieser, falls er von dieser Beschädigung unmittelbar Kenntnis erlangt hätte, aufgrund des Verlassens der Unfallstelle durch den Beschuldigten nicht wissen hätte können, wer das Fahrzeug gelenkt hat.

Auch das "Schock"-Argument geht ins Leere. In diesem Zusammenhang wird auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach ein Unfallschock nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens rechtfertigen. Gegenständlich kann von einem derartigen Ausnahmefall nicht gesprochen werden. Wenn der Beschuldigte in der Lage war, seinen Vater anzurufen, kann wohl davon ausgegangen werden, daß er auch in der Lage gewesen wäre, die zuständige Gendarmeriedienststelle vom Unfall telefonisch zu verständigen. Verfehlt ist auch die Argumentation des Beschuldigten dahin, wenn er meint als für ihn entlastendes Argument vorbringen zu müssen, daß keine beträchtliche Zeitspanne zwischen Unfall und Eintreffen der Gendarmeriebeamten an der Unfallstelle gelegen sei und die einschreitenden Gendarmeriebeamten über Name und Anschrift seines Vaters und über das Kennzeichen des beschädigten Fahrzeuges aufgrund der Ortsanwesenheit Bescheid gewußt hätten. Der Berufungswerber verschweigt dabei, daß die Gendarmeriebeamten ja nicht aufgrund irgendeiner Veranlassung des Beschuldigten vom Unfall verständigt wurden, sondern von einer am Unfall völlig unbeteiligten Person. Die weiteren vom Bw aufgezeigten Umstände sind ebenfalls nicht rechtserheblich, denn nochmals: Geboten ist die Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle immer dann, wenn ein Identitätsnachweis nicht möglich ist oder zwar erbracht werden kann, jedoch - aus welchen Gründen immer - nicht vorgenommen wird.

Zum Vorwurf hinsichtlich des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960:

Der Bw bringt vor, daß die von der Behörde angenommene Verpflichtung sinnvollerweise nur dann bestehen kann, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Da die einschreitenden Gendarmeriebeamten bereits kurz nach dem Unfall am Unfallort eingetroffen sind, sei eine Verständigung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 demzufolge nicht mehr notwendig gewesen und scheidet daher auch die Mitwirkungspflicht aus. Die Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes im Sinne des § 4 Abs.1 lit.c leg.cit. reiche nur soweit, als dies zur Feststellung von Sachverhaltselementen erforderlich sei.

Sein Vater habe nach Eintreffen der Gendarmeriebeamten diesen unverzüglich mitgeteilt, daß nicht er (der Vater), sondern er (der Beschuldigte) der Lenker des Unfallfahrzeuges war. Die Gendarmeriebeamten haben bereits vor der Befragung um 2.15 Uhr gewußt, zumal seine Mutter die Angaben seines Vaters hinsichtlich der Lenkereigenschaft bestätigt habe, daß nicht sein Vater, sondern er der Lenker war. Durch seine Angaben kam es weder zu einer versuchten Verhinderung bzw Erschwerung der Erhebungen noch zu einer Unterlassung der Mitwirkungspflicht.

Hiezu führt der O.ö. Verwaltungssenat aus, daß der Hinweis des Bw, die Mitwirkungspflicht könne sinnvollerweise nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat, richtig ist.

Unrichtig ist jedoch der Schluß des Bw, daß diese Mitwirkungspflicht im gegenständlichen Fall deshalb ausscheidet, weil auch eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 nicht mehr gegeben war. Hinsichtlich der Verständigungspflicht wiederholt der O.ö. Verwaltungssenat nochmals, daß, wenn nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden kein Identitätsnachweis erfolgt - wie im konkreten Fall - Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 besteht. Diese zieht auch die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs.1 lit.c leg.cit. nach sich. Der Bw ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhaltes auch die Person des beteiligten Fahrzeuglenkers umfaßt, so etwa, ob er zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war und ob er äußerlich den Anschein erweckte, daß er sich körperlich und geistig in einem zur Lenkung eines KFZ geeigneten Zustandes befindet. Entfernt sich der Unfallbeteiligte während oder auch schon vor der Unfallaufnahme vom Unfallort, ohne seinen Namen mitzuteilen, so hat er, unbeschadet der Übertretung anderer Vorschriften gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen (vgl. VwGH 28.6.1976, ZfVB 1976/4/886). Im gegenständlichen Fall hat sich der Beschuldigte vom Unfallort entfernt und durch die ursprünglich falsche Angabe, daß sein Vater der Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges gewesen sei, eindeutig gegen die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 verstoßen.

Dadurch war es den Gendarmeriebeamten auch nicht möglich, sich an Ort und Stelle ein Bild über den wahren Fahr zeuglenker zu machen. Ein weiterer Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht wäre - obwohl ihm dies die Erstbehörde nicht angelastet hat - der Umstand gewesen, daß der Beschuldigte vor seiner Ausforschung Alkohol konsumiert ("Nachtrunk") hat.

Die Berufung war daher in der Schuldfrage als unbegründet abzuweisen.

Zur Straffrage wird festgestellt: Die Erstbehörde hat nach dem strengeren Strafrahmen (§ 99 Abs.2 StVO 1960, welcher Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S vorsieht) eine Geldstrafe von 1.000 S und nach dem milderen Strafrahmen (§ 99 Abs.3 StVO 1960, welcher Geldstrafen bis zu 10.000 S) eine doppelt so hohe Geldstrafe verhängt. Dies ist vom Aspekt des Unrechtsgehaltes nicht nachvollziehbar. Zumal die Geldstrafe nach § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 von vornherein nicht als überhöht erscheint, zumal sie an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt wurde, war, um das Verbot der reformatio in peius nicht zu verletzen, die Geldstrafe nach § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 dem geringeren Unrechtsgehalt der Tat entsprechend herabzusetzen. Mildernde Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso keine erschwerenden Umstände. Im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Beschuldigten scheinen die Strafen, welche den gesetzlichen Strafrahmen nur zu einem Bruchteil ausschöpfen, den Kriterien des § 19 VStG als angemessen festgesetzt.

II. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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