Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103271/11/Weg/Ri

Linz, 03.04.1996

VwSen-103271/11/Weg/Ri Linz, am 3. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des A K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J K, vom 25.

Oktober 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion ... vom 5. Oktober 1995, III/..., nach der am 25. März 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z1 und 3, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 52 lit.a Z10a, 2.) § 18 Abs.1, 3.) § 18 Abs.1 und 4.) § 18 Abs.1, jeweils StVO 1960, in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 2.000 S, 2.) bis 4.) je 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 72 Stunden, 2.) bis 4.) je 36 Stunden verhängt, weil dieser am 2. November 1994 um 8.19 Uhr in A... als Lenker des PKWs ... 1.) auf der ...autobahn A.. Höhe Strkm ..., Richtung ..., die durch Vorschriftszeichen bestimmmte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten hat, 2.) auf der ...autobahn A.. Höhe Strkm ..., Fahrtrichtung ..., 3.) auf Höhe Strkm ... bei der Auffahrt auf der ...autobahn Richtung ... und 4.) auf der ...autobahn Höhe Strkm ... beim Hintereinanderfahren keinen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat, daß jederzeit ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das Vorderfahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 440 S in Vorschreibung gebracht.

2. Begründet wird dieses Straferkenntnis im wesentlichen mit den Wahrnehmungen eines Gendarmeriebeamten namens Kampenhuber, welcher die angeführten Übertretungen durch Nachfahren mit einem Zivilstreifenfahrzeug beobachtet und mit einer ProViDa-Anlage gemessen habe. Die ProViDa-Anlage habe als höchsten Geschwindigkeitswert 141 km/h, als Durchschnittswert 130,13 km/h festgehalten. Dabei habe der Beschuldigte außerdem auf den im Straferkenntnis konkretisierten Tatörtlichkeiten bei Geschwindigkeiten von 104 km/h bis 119 km/h zum vorderen Fahrzeug jeweils nur eine Fahrzeuglänge Sicherheitsabstand eingehalten. Ausgehend von einem erforderlichen Sicherheitsabstand bei trockener Fahrbahn beim Hintereinanderfahren von 2 Sekunden hätte der Sicherheitsabstand etwa 60 m betragen müssen. Diesen Berechnungen ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h zugrundegelegt worden. Einem nachfahrenden Gendarmeriebeamten könne jedenfalls eine zuverlässige Schätzung des Abstandes zugemutet werden. Ausgehend vom erforderlichen Sicherheitsabstand von etwa 60 m hätte der Beschuldigte im Hinblick auf den vom Gendarmeriebeamten geschätzten Sicherheitsabstand von etwa einer Fahrzeuglänge jedenfalls nicht einhalten können, da bei einem plötzlichen Abbremsen des Vorderfahrzeuges nicht einmal der Reaktionsweg von einer Sekunde zur Verfügung gestanden sei.

3. Der Berufungswerber bestreitet in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung die ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe und argumentiert sinngemäß dahingehend, daß das ihm nachfolgende Zivilstreifenfahrzeug zu knapp auf ihn aufgefahren sei, sodaß er seinerseits die Geschwindigkeit erhöhen habe müssen, um die durch das nachfahrende Zivilstreifenfahrzeug verursachte Gefahrensituation hintanzuhalten. Aus den im Akt aufliegenden Lichtbildern lasse sich weder die Geschwindigkeitsüberschreitung noch der mangelnde Sicherheitsabstand mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit ableiten.

Es sei ihm zum Faktum 1 lediglich vorgeworfen worden, die durch Vorschriftszeichen bestimmte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten zu haben, ohne daß angeführt ist, welche Geschwindigkeit er nunmehr gefahren sein soll. Gleiches gelte für die Fakten 2, 3 und 4 im Hinblick auf die Konkretisierung der Abstände. Der Berufungswerber beantragt schließlich eine Berufungsverhandlung anzuberaumen, bei der der Film der ProViDa-Anlage vorgeführt und ein Sachverständiger beigezogen werden möge.

4. In Befolgung dieser Anträge hat der unabhängige Verwaltungssenat für den 25. März 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und zu dieser den Meldungsleger Rev.Insp. K..., den straßenvekehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. ... sowie die Parteien des Verfahrens geladen. Der Zeuge Rev.Insp. K... ist nicht erschienen, wobei während der Verhandlung eruiert werden konnte, daß sich dieser für längere Zeit im Krankenhaus befindet. Die Bundespolizeidirektion ... hat ihr Fernbleiben mit terminlichen Gründen entschuldigt. Im Vorfeld zur gegenständlichen Verhandung konnte noch ermittelt werden, daß der mit der ProViDa-Anlage aufgenommene Film in Verstoß geraten ist.

Anläßlich der Verhandlung wurde auch ein Lokalaugenschein durchgeführt, wobei die Übereinstimmung der im Akt aufliegenden Lichtbilder auf die vorgeworfenen Tatorte überprüft wurde.

Auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Verhandlung steht fest, daß der Berufungswerber, was anhand der Lichtbilder einwandfrei dokumentiert wurde, zumindest dreimal den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Auf Grund der auf den Lichtbildern erkennbaren Schatten betrug bei Geschwindigkeiten von jeweils mehr als 100 km/h der Sicherheitsabstand des Beschuldigten zum voranfahrenden Fahrzeug jeweils zwischen 10 m und 15 m, was - ohne Berechnungen anstellen zu müssen der Bestimmung des § 18 Abs.1 StVO 1960 zuwiderläuft.

Auf den Lichtbildern im Akt sind nicht nur die Zeiten der jeweiligen Aufnahme eingeblendet, sondern auch die Eigengeschwindigkeit des Funkpatrouillenwagens sowie die auf 582 m gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeuges des Beschuldigten. Auf den Lichtbildern ist auch die jeweilige Tatörtlichkeit erkennbar.

Beim Lokalaugenschein und bei der Überprüfung der Übereinstimmung der vorgeworfenen Tatörtlichkeit mit der tatsächlichen Tatörtlichkeit stellte sich heraus, daß diesbezüglich keine auch nur annähernde Übereinstimmung vorliegend ist. Der Sachverständige berechnete auf Grund der eingeblendeten Zeitabfolge und der eingeblendeten Geschwindigkeiten des Patrouillenfahrzeuges, daß - wenn man davon ausgeht, daß das erste Lichtbild bei ca. km ...

angefertigt wurde und zwar um 8.19.28 Uhr - um 8.22.03 bei Autobahnkilometer ... (das ist eine Wegstrecke von 3.100 m und eine Zeitdifferenz von 155 Sekunden) sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 72 km/h errechnen würde, während auf den Lichtbildern Geschwindigkeiten von 104 km/h bis 140 km/h eingeblendet sind. Allein aus diesen Berechnungen ist ersichtlich, daß - zumal von einer Geschwindigkeit von 72 km/h nicht auszugehen ist - die Tatörtlichkeiten nicht zutreffend sein können.

Auch die zweite Berechnungsmethode führt zum gleichen Ergebnis. Unterstellt man nämlich der Zeitdifferenz von 155 Sekunden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h, so würde sich eine Wegstrecke von 5.166 m ergeben, was wiederum bedeuten würde, daß das erste Lichtbild nicht bei km ...

sondern möglicherweise bei km ... bzw. das letzte Lichtbild ca. bei km ... und nicht bei km ... aufgenommen wurden.

Demgemäß weichen, was sich auch bei einer Vergleichung des Landschaftsbildes anläßlich der Augenscheinsfahrt mit den Fotos zeigte, die vorgeworfenen Tatörtlichkeiten in einem gravierenden Ausmaß (maximale Verschiebung des Anfangspunktes oder des Endpunktes um 2 Kilometer) von den wahrscheinlich tatsächlichen Tatörtlichkeiten ab.

Diese Tatortabweichungen sind nicht nur hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 4 relevant, sondern auch hinsichtlich des Faktums 1, nämlich der Geschwindigkeitsüberschreitung.

Die ausgewiesene Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h wurde überdies, nicht wie in der Anzeige festgehalten, über 1.000 m festgestellt, sondern wie auf den Lichtbildern erkennbar ist, über lediglich 582 m. Von dieser festgestellten Durchschnittsgeschwindigkeit wären außerdem noch Meßtoleranzen in Abzug zu bringen, die sich aus den auf den Lichtbildern 1 und 2 ersehbaren Abstandsverschiebungen ergeben, aber auch auf Grund der allgemeinen ca. 3%igen Sicherheitstoleranz. Daraus ergäbe sich eine Geschwindigkeit von ca. 120 km/h, was wiederum mit der auf dem Lichtbild 2 gemessenen Eigengeschwindigkeit des Patrouillenfahrzeuges übereinstimmt.

Es steht sohin zwar fest, daß der Beschuldigte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um ca. 20 km/h überschritten hat, daß aber die zum Vorwurf gemachte Tatörtlichkeit nicht mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit erweisbar ist.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Dazu gehört nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine nicht verwechselbare Konkretisierung des Tatortes. Tatortabweichungen von bis zu zwei Kilometern kommen auf die gegenständlichen Delikte bezogen naturgemäß Bedeutung zu. Eine Korrektur der Tatörtlichkeiten durch die Berufungsbehörde wäre einerseits nur innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (die schon abgelaufen ist) und andererseits nur unter Zuhilfenahme des Videofilms (der in Verstoß geraten ist) möglich.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG hat die Behörde (auch Verwaltungssenat) von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Nachdem die in den Verfolgungshandlungen und im Straferkenntnis zum Vorwurf gemachten Tatörtlichkeiten nicht als erwiesen anzunehmen sind und nachdem hinsichtlich dieser Spruchelemente bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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