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des Landes Oberösterreich
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VwSen-103273/10/Ki/Bk

Linz, 08.02.1996

VwSen-103273/10/Ki/Bk Linz, am 8. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Brigitta M, C, L, vom 7. September 1995, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirekton Linz vom 16.

August 1995, Zl. VU/P/6124/94 H, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 1996, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis über die Berufungswerberin gemäß § 99 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt, weil sie sich am 10.11.1994 um 23.45 Uhr in L, ("Erstversorgung") trotz Vorliegens der im § 5 StVO bezeichneten Voraussetzungen - sie lenkte am 10.11.1994 um 22.15 Uhr in L, F 204 den Pkw, es konnte aufgrund von Alkoholisierungssymptomen vermutet werden, daß sie sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat und eine Untersuchung der Atemluft war wegen in ihrer Person gelegenen Gründen nicht möglich - geweigert hat, sich Blut abnehmen zu lassen. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.000 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Berufungswerberin hat gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 7. September 1995 rechtzeitig Berufung erhoben und die Aufhebung des Straferkenntnisses bzw Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. In der Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Blutabnahme eine relevante Bewußtseinsstörung bzw Einschränkung ihrer Entscheidungsfähigkeit bestanden habe und die Verweigerung nur auf einen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schockzustand zurückzuführen war.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat mit Schreiben vom 30. Oktober 1995 zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 1996 Beweis erhoben.

Bei dieser Verhandlung wurden die Berufungswerberin sowie als Zeugen Insp. Marion H und RI Hubert E einvernommen. Ein Vertreter der belangten Behörde sowie eine medizinische Sachverständige waren ebenfalls anwesend.

Beide Zeugen haben ausgesagt, daß sie sich an den Vorfall konkret nicht mehr erinnern könnten. Ausdrücklich befragt, ob im vorliegenden Fall vor der Aufforderung zur Blutabnahme wegen des Verdachtes der Alkoholbeeinträchtigung ein Arzt konsultiert wurde, konnten die Zeugen im Hinblick darauf, daß sie sich an den konkreten Fall nicht mehr erinnern konnten, keine Aussage machen. Befragt, ob generell eine entsprechende Befragung eines Arztes vorgenommen wird, waren die Aussagen der Zeugen widersprüchlich.

I.5. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß aufgrund der Aussage der beiden Polizeibeamten nicht eindeutig erwiesen werden kann, daß vor der Aufforderung zur Blutabnahme diesbezüglich mit einem Arzt Kontakt aufgenommen worden wäre.

Die Erstellung eines med. Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Dispositionsfähigkeit der Berufungswerberin war im Hinblick auf das Verfahrensergebnis nicht erforderlich.

I.6. Nach Würdigung erhobener Beweise hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 5 Abs.6 StVO 1960 (Verfassungsbestimmung) ist an Personen, die gemäß Abs.5 Z2 zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtigt sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Dem bloßen Wortlaut nach könnte diese Verfassungsbestimmung dahingehend ausgelegt werden, daß die betroffene Person die Blutabnahme bereits dann zu dulden hätte, wenn lediglich Organe der Straßenaufsicht einen Verdacht auf Alkoholbeeinträchtigung haben.

Unter der Prämisse, daß die zwangsweise Abnahme von Blut zum Zwecke der Alkoholprobe - wenn auch verfassungsgesetzlich grundsätzlich zulässig - einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Integrität darstellt, ist jedoch eine einschränkende Auslegung dieser Ermächtigung geboten.

Die StVO 1960 unterscheidet zwischen Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung einerseits (vgl. § 5 Abs. 2, 4 und 5) bzw. einem Verdacht auf Alkoholbeeinträchtigung andererseits (vgl. § 5 Abs. 6). Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Tatbestandsmerkmalen liegt darin, daß von einer Vermutung schon bei bloß laienhaft erkennbaren Symptomen die Rede sein kann, während ein Verdacht immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen kann. Im Hinblick auf ihre Ausbildung bzw. durch die Praxis erworbenen Sachkenntnisse wird Organen der Straßenaufsicht dem Grunde nach wohl zugestehen zu sein, daß diese im Falle einer Feststellung von Alkoholisierungssymptomen im Zusammenhang mit weiteren Fakten, etwa wenn die betreffende Person zugegeben hat, etwas getrunken zu haben, in der Lage sind, entsprechende Schlußfolgerungen zu ziehen. Im Regelfalle bedarf es jedoch - gerade im Hinblick auf den bloß ausnahmsweise zulässigen Eingriff in ein verfassungsgesetzlich geschütztes Grundrecht - beim ggstl.

Sachverhalt der Beurteilung durch eine medizinisch sachverständige Person.

Dementsprechend wurden durch die 19. StVO-Novelle die Organe der Straßenaufsicht nur mehr für jene Fälle ausdrücklich zur Anordnung von Maßnahmen ermächtigt, in denen eine Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung gegeben ist. In § 5 Abs. 6 StVO 1960 ist eine ausdrückliche Ermächtigung für die Organe der Straßenaufsicht nicht enthalten. Sie sind lediglich berechtigt, die betroffene Person zum diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt zu bringen (§ 5 Abs. 7).

Bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Gesetzesbestimmung ist daher der Schluß naheliegend, daß die Organe der Straßenaufsicht nicht ermächtigt sind, ohne vorherige Beurteilung des Sachverhaltes durch eine (medizinisch) sachverständige Person einen für die betreffende Person rechtsverbindlichen Eingriff in ein verfassungsgesetzlich geschütztes Grundrecht anzuordnen.

Die dargelegte Auslegung wird offensichtlich auch durch namhafte Autoren vertreten. Sowohl O. Univ.-Prof. Dr. Harald Stolzlechner (Zeitschrift für Verkehrsrecht, Heft 12, 39.

Jahrgang, Seite 356) als auch Mag. Friedrich Messiner (Manz Große Ausgabe der Österreichischen Gesetze, 24b. Band, Straßenverkehrsordnung, 9. Auflage, Anm. 23 zu § 5, Seite 169) vertreten die Auffassung, daß an der betreffenden Person die Blutabnahme zum Zwecke der Alkoholbestimmung dann durchzuführen ist, wenn die ursprüngliche Vermutung infolge der amtsärztlichen Untersuchung nach Abs. 5 Z 2 zu einem Verdacht erhärtet wird bzw. die Verpflichtung des vom Arzt gemäß § 5 Abs. 5 Z 2 Untersuchten, der Aufforderung zur Vorführung vor einen diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes Folge zu leisten, nur dann besteht, wenn sich durch die amtsärztliche Untersuchung die ursprüngliche Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung zu einem Verdacht erhärtet hat.

Inwieweit nun die Beurteilung eines Sachverhaltes in bezug auf den Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung tatsächlich ausschließlich eines Amtsarztes bedarf kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da nicht erwiesen werden kann, daß die mit dem Fall befaßten Organe der Straßenaufsicht vor der Aufforderung zur Blutabnahme diesbezüglich einen Arzt befragt haben. Diese Vorgangsweise wäre jedoch in Anbetracht der oben dargelegten Rechtslage nicht zulässig gewesen.

Nachdem nicht erwiesen werden kann, daß im vorliegenden Falle sämtliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Aufforderung zur Blutabnahme gegeben waren, war in dubio pro reo der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Berufungswerberin einzustellen.

Lediglich der Ordnung halber wird im ggstl. Zusammenhang darauf hingewiesen, daß das Tatbestandsmerkmal des Verdachtes im Sinne des § 5 Abs. 6 auch in der Verfolgungshandlung bzw. im Spruch des Straferkenntnisses vorgeworfen werden müßte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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